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Die Nestroyana veröffentlichen wissenschaftliche Arbeiten ĂŒber das Altwiener Volkstheater und im Besonderen ĂŒber das Werk und die Person Johann Nestroys und berichtet ĂŒber die TĂ€tigkeit der Internationalen Nestroy-Gesellschaft.
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Information
Subtopic
Theatre History & CriticismMarc Lacheny
Von Der Verschwender (1834) zu Le Prodigue (1992):
Ein Beispiel Raimundâschen Ăberlebens in Frankreich1
Bis jetzt waren Raimunds StĂŒcke in Ăbersetzungen nicht gerade leicht zugĂ€nglich. In seiner Raimund-Monografie von 1970 berichtete JĂŒrgen Hein etwa nur von â[âŠ] Ăbersetzungen ins DĂ€nische, Englische, Polnische, Tschechische und Ungarischeâ.2 ErgĂ€nzt wurde dieses zwangslĂ€ufig provisorische Fazit etwas spĂ€ter durch Henk J. Koning, der auf das Vorhandensein von Ăbersetzungen als Grundlage fĂŒr AuffĂŒhrungen Raimundâscher StĂŒcke in Holland im 19. Jahrhundert aufmerksam machte.3 Die wohl bedeutendste Leistung im Bereich der Raimund-Ăbersetzung inner- wie auĂerhalb Europas ist die von Yutaka Arai, der sĂ€mtliche Zauberspiele des Dichters ins Japanische ĂŒbersetzte (Chuo University Publishing), wofĂŒr er 2002 mit der Ehrenmitgliedschaft der Raimundgesellschaft ausgezeichnet wurde.
Was Frankreich anbelangt, so wurden Raimunds StĂŒcke bisher ebenfalls relativ selten ĂŒbersetzt â und noch seltener aufgefĂŒhrt. 1992 sorgte Dieter Welke fĂŒr eine französische Ăbertragung von Raimunds Das MĂ€dchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als MillionĂ€r, die die Theatertruppe La Compagnie des quatre vents im MĂ€rz desselben Jahres unter dem Titel Le paysan millionnaire ou la fille du royaume des fĂ©es in Yerres (sĂŒdlich von Paris) leider völlig erfolglos zur AuffĂŒhrung brachte.4 Im selben Jahr (1992) ĂŒbersetzte Sylvie Muller in Zusammenarbeit mit Dominique Venard Raimunds Der Verschwender unter dem Titel Le Prodigue.5 Erst fĂŒnf Jahre spĂ€ter fand diese Ăbersetzung in einer stark gekĂŒrzten und zum Teil auch sprachlich modifizierten Fassung Zugang zur BĂŒhne, und zwar im Rahmen der von Heinz Schwarzinger veranstalteten âWochen des österreichischen Theatersâ (âSemaines du théùtre autrichienâ). Hinzu kamen schlieĂlich noch weniger beachtete Ăbersetzungen und AuffĂŒhrungen von Raimunds Die gefesselte Phantasie 2000 und Der Bauer als MillionĂ€r 2007 in der Ecole Perceval von Chatou.6 Von all diesen französischen Raimund-Ăbersetzungen ist bislang keine einzige im Druck erschienen.
Beginnen möchte ich mit Reflexionen ĂŒber Raimunds sprachliche Nuancen am Beispiel des Verschwender und dessen Wiedergabe in Mullers/Venards Ăbersetzung (insbesondere das kunstvolle Spiel mit unterschiedlichen Sprachschichten zwischen der Wiener Umgangssprache und dem Hochdeutschen). AbschlieĂend wird Schwarzingers Bearbeitung von Mullers/Venards Ăbersetzung, d. h. der Ăbergang vom Text zur BĂŒhne, oder genauer gesagt: vom geschriebenen zum gesprochenen Text, einigen vergleichenden Betrachtungen unterzogen.7
1. Einstieg: Raimunds sprachliche Nuancen
Im Rahmen eines Beitrags zu den italienischen Ăbersetzungen von Nestroys Zu ebener Erde und erster Stock hat Gabriella Rovagnati von der âsprachlichen Verantwortungâ gesprochen, âdie ein Ăbersetzer gegen jedes beliebige Werk aufzubringen hat.â8 Diese âVerantwortungâ trifft wohl genauso auf Nestroy wie auf Raimund zu, die sich in ihren jeweiligen StĂŒcken reichlich sprachlicher Spannungen bedienen.
Raimunds subtilen Umgang mit der Sprache haben wohl Gunther Wiltschko in seiner Studie Raimunds Dramaturgie9 und â im Anschluss an ihn â Sigurd Paul Scheichl in einem erhellenden Aufsatz mit dem Titel âWer spricht bei Raimund hochdeutsch?â10 am ĂŒberzeugendsten untersucht. In diesem Artikel geht Scheichl davon aus, dass Raimund die Kontraste zwischen den Sprachebenen (zwischen der Hochsprache und der Wiener Umgangssprache, die bei Raimund weit bedeutender sei als der eigentliche Dialekt) keinesfalls unreflektiert oder naiv, sondern als ein durchaus bewusstes Gestaltungsmittel eingesetzt hat.11 Hinzu kommt, dass Raimunds â wie auch Nestroys â Werke sowohl von der Norm einer einheitlichen hochdeutschen Sprache als auch von dem puren Dialekt abweichen. Raimund bewegt sich eher auf der Ebene des österreichischen Deutsch im 19. Jahrhundert, das auf den Wiener VorstadtbĂŒhnen viel mehr sprachliche Variationen ermöglichte als etwa im Burgtheater und in der klassischen Tradition.
Das erste Problem, auf das der Raimund-Ăbersetzer stöĂt, ist also das einer möglichst befriedigenden Nachschöpfung des Wechselspiels in den Sprachregistern, das auch im Kontext von Raimunds Streben nach einer âVeredelungâ der Wiener Volkskomödie zu betrachten ist.12
2. Das Wechselspiel Hochdeutsch â Wiener Umgangssprache und seine Wiedergabe in der Ăbersetzung
Ein erstes ganz konkretes Ăbersetzungsproblem bildet die Ăbertragung der Figurennamen, die bei Raimund (wie auch bei Nestroy) nicht selten âsprechendâ sind und komisch wirken (man denke nur an den Diener Florian Waschblau in Der Diamant des Geisterkönigs). Es stellt sich die Frage, ob diese Namen akribisch ĂŒbersetzt oder in ihrer ursprĂŒnglichen Form beibehalten werden sollen. In Mullers/Venards Ăbersetzung des Verschwender werden im I. Akt alle Namen unverĂ€ndert wiederaufgenommen â bis auf den einer Figur: Dumont, der an das so verbreitete Ă€ltere Typenfach des französischen Chevaliers anknĂŒpft, wird in der Ăbersetzung zu einem englischen âSir Dumondâ. Der einzige andere Unterschied betrifft den ab dem III. Akt als Valentin Holzwurm bezeichneten Tischlermeister, einen sowohl sprechenden als auch komischen Namen, der in der Ăbersetzung zu âValentin Veraboisâ wird, was dem ursprĂŒnglichen Namen wortwörtlich entspricht.
GrundsĂ€tzlicher stellt sich, wie gesagt, die Frage der Wiedergabe des oft kunstvoll inszenierten Kontrastes der Sprachebenen â sowohl innerhalb der Rede einer Figur als auch innerhalb der verschiedenen Dialoge zwischen den Figuren, die regelmĂ€Ăig auf sprachlichen Spannungen beruhen, z. B. Wolf/Sockel in I, 5 (Spannung zwischen Dialekt bzw. Umgangssprache und Hochdeutsch), Dumont/altes Weib in II, 5 (Spannung zwischen fehlerhaftem Deutsch und Dialekt), Flottwell/Valentin in III, 4 (Spannung zwischen Hochsprache und Wiener Umgangssprache).
2.1. Nur Hochdeutsch?
Scheichl zufolge dominiert in den Dialogteilen die Wiener Umgangssprache, wĂ€hrend das Hochdeutsche bei Raimund prinzipiell nur in den â fĂŒr ihn allerdings sehr wichtigen â Partien auftaucht, âin denen auch er und sein Publikum die höheren Stilnormen als verbindlich, eine Literarisierung der Sprachformen als passend empfanden.â13
Es stellt sich folglich zunĂ€chst die Frage, wer im Verschwender hochdeutsch spricht. Laut Wiltschko14 lĂ€sst sich feststellen, dass das Hochdeutsche die Sprachebene der ernsten Figuren und allgemeiner des höheren Ernstes, ja einer idealen oder zumindest besseren Welt ist: Der Tradition des Altwiener Volkstheaters gemÀà geht es um die Sprache der Allegorien und der meisten Geister, der ernsten Liebespaare (wie Malchen und August in Der Alpenkönig und der Menschenfeind), der Gebildeten und der gesellschaftlich Hochstehenden wie Flottwell. Im Gegensatz hierzu stĂŒnde die Sprechweise der komischen Figuren, die sich weitgehend der Wiener Umgangssprache bedienen. Bei Raimund bilden âUmgangssprache und Komikâ15 offensichtlich ein untrennbares Paar. Ob Wiltschkos Sprachtypologie tatsĂ€chlich stimmt oder nicht, wird sich im Laufe der Analyse zeigen.
Eine besondere Vorliebe fĂŒr die Hochsprache, hier synonym fĂŒr die Sprache des Pathos und des feierlichen Ernstes, hegt im Verschwender zuerst Flottwell, bei dem gelegentlich doch auch Spuren der sĂŒddeutsch-österreichischen Umgangssprache (vor allem in Form von Synkopen und Apokopen) anzutreffen sind, auch wenn diese nicht vorherrschend sind. Hier bildet die Sprechweise offenbar keine allzu groĂe Herausforderung fĂŒr eine so erfahrene Ăbersetzerin wie Sylvie Muller, die sich fĂŒr eine Wiedergabe in einem âausgefeiltenâ Französisch entscheidet und auf die von Flottwell benutzten Metaphern und Vergleiche achtet. In der Szene, in der er erstmals auftritt (I, 9), sagt der reiche Edelmann etwa:
Nicht wahr, Freund Helm, man muĂ das Leben von der schönen Seite fassen? Der Himmel ist sein herrlichstes Symbol. Die glĂŒhnde Sonne gleicht dem heiĂen Brand der Liebe, der mildgesinnte Mond der innigen Freundschaft, die reiche Saat der Sterne ist ein Bild der Millionen Freuden, die im Leben keimen. Die ernsten Wolken sind zwar kummervolle Tage, doch Frohsinn ist ein flĂŒchtger Wind, der sie verjagt.16
SĂ€mtliche hier eingefĂŒhrten Bilder tauchen in der Ăbersetzung wieder auf:
Nâest-ce pas, cher Helm, quâil faut voir la vie du bon cĂŽtĂ©? Le ciel en est un symbole magnifique. Le soleil ardent est semblable Ă la brĂ»lure de lâamour, la lune bienveillante Ă lâamitiĂ© sincĂšre, et le foisonnement des Ă©toiles est Ă lâimage des millions de plaisirs que procure la vie. Les sĂ©vĂšres nuages sont certes comme des jours chagrins, mais la joie est une brise qui les Ă©loigne. (S. 19)
Selbst wenn man ĂŒber die eine oder andere WortĂŒbersetzung (etwa âernstâ durch âsĂ©vĂšreâ) wohl streiten könnte, so ist doch allgemein festzuhalten, wie bemĂŒht die Ăbersetzerin ist, ein Sprachniveau, in diesem Fall Flottwells Hochsprache, möglichst genau wiederzugeben.
Eine offenkundige Verwandtschaft mit Flottwells Ausdrucksweise weist die Sprache der Geister auf. Wie Lakrimosa in Der Bauer als MillionĂ€r bedient sich auch Cheristane hier zwar typisch sĂŒddeutsch-österreichischer Apokopen, doch tendiert ihre Sprache â wie die Flottwells â im Wesentlichen zu einem pathetischen bzw. poetischen Hochdeutsch, wie in I, 13, wo die beiden Protagonisten in der Sprache zueinander finden: âZieh mich nicht auf diese Höhe, sie zeigt ein Paradies mir, das ich nie betreten darf. Ich habe dich getĂ€uscht! Ich bin nicht das Geschöpf, das du in diesem Augenblick noch in mir suchst.â (S. 28) Wenn man von verstreuten Synkopen und Apokopen (etwa in I, 10 oder I, 13) absieht, greift Cheristane â im Gegensatz zu Valentin und Rosa â nicht zu dialektalen Wörtern oder AusdrĂŒcken. In diesem Fall entscheidet sich die Ăbersetzerin abermals fĂŒr ein âgepflegtesâ Französisch, das zu der GesprĂ€chssituation und zu der Sprachebene der Figur gut passt: âOh, nâajoute pas Ă ma peine! Ne mâentraĂźne pas sur ces hauteurs, elles me dĂ©voilent un paradis qui mâest Ă jamais interdit. Je tâai trompĂ©! Je ne suis pas la crĂ©ature quâĂ cet instant encore tu cherches en moi.â (S. 26)
SchlieĂlich inszeniert Raimund kunstvolle Kontraste und Spannungen in der Sprechweise von Personen gleichen Berufes und Ranges, wie in den zwei Szenen, wo die beiden Baumeister Sockel und GrĂŒndling einander gegenĂŒbergestellt werden. WĂ€hrend seine ernste KĂŒnstlernatur GrĂŒndling zur Hochsprache verleitet (I, 4: âGuten Morgen, Herr Kammerdiener, kann ich die Ehre haben, Herrn von Flottwell meine Aufwartung zu machen?â, S. 10...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- INHALT
- Dank an Ulrike Tanzer
- Daniel Ehrmann: Et in Arcadia ego. Konfigurationen des Letalen in Ferdinand Raimunds Original-StĂŒcken
- Mathias Spohr: Raimund und Nestroy â der Vanitas-Ăberwinder und der Vanitas-Erneuerer?
- Oskar Pausch: Eine biografische Notiz ĂŒber Ignaz Schuster von etwa 1840
- Harald Gschwandtner: âVor mir, mein gnĂ€diges FrĂ€ulein, liegt das Gehirn eines unschuldigen Hundes im Spiritusâ. Adolf Muschgs ErzĂ€hlung vom Tod Ferdinand Raimunds
- Marc Lacheny: Von Der Verschwender (1834) zu Le Prodigue (1992): Ein Beispiel Raimundâschen Ăberlebens in Frankreich
- BUCHBESPRECHUNGEN
- Internationale Nestroy-GesprĂ€che 2012 in Schwechat bei Wien (JĂŒrgen Hein)
- âUnerwartete Entdeckungenâ â Bericht zur internationalen Tagung zur österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts anlĂ€sslich des 70. Geburtstages von Walter Obermaier (Nora Gumpenberger)
- Internationale Tagung in Valenciennes (Frankreich): âLes relations de Johann Nestroy et dâArthur Schnitzler avec la Franceâ (Maria Piok)
- Ăffentliche interdisziplinĂ€re Ringvorlesung Das Wiener Volkstheater. Aspekte â Themen â Traditionen an der UniversitĂ€t Salzburg (WS 2012/13) (Lina Maria Zangerl)
- Nachruf auf Herbert Rosendorfer (1934â2012) (Walter Obermaier)
- Nestroy-StĂŒcke in Wiener Theatern November 2012 â MĂ€rz 2013
- Programm 39. Internationale Nestroy-GesprÀche Schwechat 2013