Carl von Clausewitz
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Carl von Clausewitz

Strategie im 21. Jahrhundert

Lennart Souchon

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Carl von Clausewitz

Strategie im 21. Jahrhundert

Lennart Souchon

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"Angesichts globalvernetzter Risiken und zunehmender Komplexität zu Beginn des 21. Jahrhunderts nimmt die Unsicherheit in Bezug auf sinnvolle Strategien zu. In allen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bereichen, in denen wichtige und vor allem weitreichende Entscheidungen getroffen werden müssen, ist die Fähigkeit, Strategie zu denken, verloren gegangen.Carl von Clausewitz (1780-1831) offeriert eine einzigartige Theorie, die tiefe Einsichten in die Wesensmerkmale von Konflikten gewährt sowie eine zeitlose Methodik des strategischen Denkens und Handelns bietet. Er liefert mit seinem Werk ""Vom Kriege"" kein Handbuch für erfolgreiche Feldherren. Vielmehr präsentiert Clausewitz eine strategische Entscheidungslehre angesichts komplexer, dynamischer Auseinandersetzungen mit einem ebenbürtigen Gegner bei hoher Unsicherheit und formuliert Folgerungen für das erforderliche Wissen und Können von Führungskräften.Das vorliegende Buch enthält neue Erkenntnisse, da die Clausewitz-Theorie in ihren Grundzügen und in ihren Begriffen ganzheitlich aus gegenwartsbezogener Sicht interpretiert wird. Aus dieser Perspektive entschlüsselt sich sein umfangreiches Werk mit seiner dichotomischen Argumentation in oft weit verstreuten Textpassagen. Eine sorgfältige Auswahl, klar verständliche Präsentation und beispielhafte Anwendung der Grundelemente seiner Theorie bieten ein singuläres Fundament für strategisches Denken und Handeln im 21. Jahrhundert."

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Information

Year
2015
ISBN
9783813210019
Edition
1
Subtopic
Leadership

KAPITEL 1: Das kriegerische Werden Europas

Phänomen Krieg und Politik

Die Überlegung, den Krieg als Phänomen in der Menschheitsgeschichte als Grundthema einer Sicherheitstheorie auszuwählen, erscheint nur dann sinnvoll, wenn man ihn rational und in einem zeithistorischen Gesamtzusammenhang begreift. Krieg ist keine autonome Erscheinung und kein Naturereignis, sondern ein Mittel zur gesellschaftlichen Machtdurchsetzung gegen Widerstände. Mit dieser abstrakten Betrachtungsweise ist es möglich, die unterschiedlichen Motive, Entscheidungen und Verläufe von Kriegen differenziert zu analysieren. Der Sieg über eine gegnerische Streitmacht auf dem Schlachtfeld oder das Erobern eines Landes sind Vorgehensweisen, um einen Krieg zu entscheiden. Eine andere Möglichkeit ist es, eine Situation herbeizuführen, in der ein Gegner erkennt, dass er seine Ziele keinesfalls mit militärischer Gegengewalt erreichen kann. Schließlich kann man mit Abwarten, Demonstration der Stärke, List oder Tücke Entscheidungen herbeiführen, die es einer Kriegspartei ermöglicht, ihr Ziel kampflos durchzusetzen. Für Sun Tzu (544–496 v. Chr.) ist es ein wichtiges Kriegsziel, den Gegner ohne dessen Gegenwehr zu unterwerfen. Dazu empfiehlt er, die gegnerische Diplomatie mit Täuschung und List zu verhindern, Bündnisse zu stören, die eigene strategische Ausgangslage mit Subversion, mit Hilfe von Spionen und Agenten zu verbessern sowie die Strategie des Gegners frühzeitig zu erkennen und zu durchkreuzen (vgl. Stahel, 2004, 13 ff.). Sun Tzu besticht durch systematisches Denken, analytische Schärfe und eigenständige Vorstellungen zur Verwirklichung einer umsichtigen Kriegführung (vgl. Sun Tzu, 2002, 60 ff.). Die strategische List und Täuschung von Sun Tzu sind von den USA in den ersten Tagen des Irakkriegs 2003 maßgeblich genutzt worden.
Seit Beginn der Neuzeit ist eine enge Anbindung von Armeen an die Regierenden und die Ziele eines Landes wichtige Voraussetzung, um einen Krieg im Sinne einer Zwecksetzung erfolgreich zu führen. Theoretisch betrachtet verfolgen Politik und Armeeführung gemeinsame machtpolitische Ziele, die die militärischen, diplomatischen, wirtschaftlichen, innenpolitischen und humanitären Dimensionen mit einschließen. Die Suche nach Gesetzmäßigkeiten und Regeln für den Erfolg in der Politik ist so alt wie die Geschichte selbst. Demgegenüber sind die Tendenzen und Eigenschaften in Kriegen sehr unterschiedlich und entwickeln sich häufig mit einer unvorhersehbaren Dynamik, sodass sich eine Anwendung von Regeln fast von selbst verbietet. Eine wichtige Vorgehensweise zum Wissenserwerb ist die analytische und vergleichende Durchdringung kriegsgeschichtlicher Ereignisse und Prozesse. Dem britischen Strategiedenker Liddell Hart werden die Worte zugeschrieben: Ein Feldherr, der nie Zeit für das Studium der Geschichte hatte, ist wie ein Chirurg, der nie Anatomie studiert habe (vgl. Collins, 1998, XXIII).
Das Kennenlernen von Sachzwängen, der Dynamik von unvorhersehbaren Ereignissen und der Möglichkeiten des Handelns in Kriegen der Vergangenheit führt zur Vertrautheit mit dessen innewohnenden Tendenzen und Eigenschaften. Sichere Urteilsfähigkeit in komplexen Entscheidungssituationen setzt Verstand und Vernunft voraus sowie die Fähigkeit, alles in einem übergeordneten Zusammenhang bis zum Ende hin zu durchdenken.
Goethe differenziert in Maximen und Reflexionen. »Die Vernunft ist auf das Werdende, der Verstand auf das Gewordene angewiesen« (Beutler, 1948–1954, Band 9, 571). Letzteres wird ermöglicht durch einen theoriegeleiteten Verstand, der komplexe Lagen geistig durchdringt, strukturiert und das Wesentliche offenlegt. Clausewitz offeriert seine Grundzüge des Krieges weniger als eine dogmatische Lehre, sondern als Methode der Betrachtung für das Gewordene und das Werdende. Er betont die Wichtigkeit eines starken Gemüts für einen Feldherrn, der sich mit dem Wissen aus Büchern vertraut machen sollte.
Das Erfassen der Komplexität und das Erkennen des Wesentlichen in der übergeordneten Gesamtheit bauen auf Wissen und Erfahrungen auf. Dabei ist das initiative Handeln gegen einen ebenbürtigen Gegner ein spezifisches Merkmal von Kriegen. Die Relationen von Ursachen, eigenen Vorgehensweisen und den erzielten Wirkungen hängen unmittelbar vom Verhalten des Gegners und von nicht kalkulierbaren Wahrscheinlichkeiten und Zufällen in der Entwicklung der Auseinandersetzung ab. Deshalb reicht ein handwerkliches Einüben von standardisierten Verfahrensweisen für ein erfolgreiches Handeln im Krieg keinesfalls aus.
Der Einsatz militärischer Macht ist nur sinnvoll, sofern er – als notwendige und hinreichende Bedingung – der Erfüllung eines übergeordneten politischen Zwecks dient und in einem angestrebten Friedensschluss besiegelt wird. Somit hat die enge Verzahnung der Politik mit den Streitkräften für jeden Krieg vom Anfang bis zum Ende hohe Priorität. Die geistigen und praktischen Fähigkeiten sowie die emotionale Intelligenz des Feldherrn sind ausschlaggebend für Sieg oder Niederlage. Er kann die ihm gesteckten Ziele nur erreichen, sofern ihm die erforderlichen Streitkräfte und Mittel von der Politik zur Verfügung gestellt werden.
Militärische Ziele, die ohne Berücksichtigung des politischen Zwecks und ohne hinreichende Anstrengungen verfolgt werden, enden dauerhaft in katastrophalen Niederlagen. Gleichermaßen offenbaren heutige Kriege, beispielsweise in Afghanistan, dass allgemein gehaltene politische Zwecke mit Streitkräften ohne eindeutige militärische Ziele und Zwischenziele zu keinem Ergebnis führen. Für unsere Betrachtungen ist der Sinnzusammenhang von Theorie und Praxis, dem Maß der Mittel und der Zweck-Ziel-Mittel-Relation bedeutsam und wird später im Detail analysiert.
Wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet, so markieren große Kriege oft Wendepunkte in den historischen Entwicklungen von Staaten und Kontinenten. Dies gilt besonders für die europäische Geschichte und deren Kriege bis in das 21. Jahrhundert.

Die europäische Welt mit ihren prägenden Strategen

Die europäische Geschichte scheint eine Kette von Ereignissen zu enthalten, die notwendigerweise zur Vorherrschaft des Abendlandes führen. Diese Sichtweise ist falsch, da Machtzentren in Vorderasien, China, Indien, Russland und Japan die nichtchristlichen Weltreligionen und das orthodoxe Christentum in dieser Einschätzung verdrängt werden. Es ist essenziell, alle historisch relevanten Faktoren in eine Analyse der Geschichte Europas mit einzubeziehen. Da jedoch das menschliche Gehirn kaum in der Lage ist, zielgerichtet und methodisch Ereignisse in ihrer totalen Komplexität in einer Gesamtschau zu begreifen, muss jeder Bericht und jede Lagedarstellung eine überlegte Auswahl berücksichtigen.
Bei einem Blick auf die geografische Lage Europas zeigt sich, dass die westlichen Ausläufer des eurasischen Kontinents mit einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Ethnien, Kulturen und Religionen aufwarten. Auf engstem Raum mischen sich mehr als 60 germanische, keltische, romanische, slawische und finnougrische Sprachen sowie vielerlei Ethnien mit ihren Gebräuchen und Traditionen. Der Begriff Europa ist eher selten in der frühen Geschichtsschreibung anzutreffen. Ein spanischer Mönch, der die Chronik der Schlacht von Poitiers (732) gegen die Mauren schreibt, nennt die Sieger Europäer. Später bürgert sich der Begriff in der Navigation ein. In kartografischen Darstellungen aus dem 13. Jahrhundert findet sich erstmals ein Erdteil mit der Bezeichnung Europa. Erst im 14. und 15. Jahrhundert erscheinen – im Zusammenhang mit der Niederlage des Christentums gegen die Osmanen – Europa und das Adjektiv europäisch im allgemeinen Sprachgebrauch. Es ist wenigen bekannt, dass Beethoven für den Wiener Kongress (1815) die Symphonie »Ode an die Freude« komponiert hat, die 1985 als Hymne der Europäischen Union ausgewählt worden ist. Unser Europa ist Resultat tiefgreifender Machtverschiebungen und folgenschwerer Ereignisse, die oft von Kriegen verursacht worden sind.
Diese historischen Prozesse, die zur aktuellen Staatenwelt geführt haben, können nur holzschnittartig skizziert werden. Dazu richten wir den Blick auf über zweitausend Jahre europäische Geschichte. Die hellenische Kultur, die geistige und politische Schöpfungen von zeitlosem Wert hervorbringt und die Horizonte der damaligen Welt erweitert, breitet sich mit den Eroberungszügen Alexanders des Großen in den Orient und nach Südasien aus. Umgekehrt dringen geistige Dimensionen von Weltreich und -herrschaft in den Mikrokosmos griechischen Denkens zurück.
Das über sieben Jahrhunderte dauernde Römische Weltreich mit seinen imperialen Machtstrukturen und Berufsarmeen löst sich unter dem Druck germanischer Kriegszüge und der Völkerwanderungsreiche der Franken, Ost- und Westgoten auf. Diese fliehen im fünften Jahrhundert vor den einfallenden Hunnen, die aus den Tiefen Asiens bis zum Kaukasus im Süden und nach Westen – bis ins heutige Norddeutschland – vordringen und ein Weltreich von China bis nach Germanien gründen. Die strategische Kriegführung der Hunnen, deren schnelle Reiterarmeen mit vernichtender Erbarmungslosigkeit jeden Widerstand niederkämpfen, wird psychologisch höchst erfolgreich durch die Verbreitung von Furcht und Terror begleitet. Das Bild des barbarischen Reitervolkes, der Geißel Gottes, entspricht in der europäischen Geschichtsschreibung nicht dem Charakterbild Attilas, der als König Etzel in der Nibelungensaga als toleranter Heide und gastfreundlicher Held beschrieben wird (vgl. de Boor, 1963, o. S.). In der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern werden die Hunnen im Jahre 451 n. Chr. in Mittelfrankreich von einem Heer geschlagen, das römische Kontingente und Truppen der Franken, Burgunder, Gallier, Alanen und der mächtigen Westgoten mit einschließt. Mit dieser ersten Schlacht europäischer Völker gegen Invasoren aus den Tiefen Asiens beginnt der Niedergang Roms als dominierende Macht West- und Südeuropas. 113 Jahre später folgt die Invasion der Awaren – ebenfalls ein Nomadenvolk aus Zentralasien –, die nach der Vernichtung des Gepidenreiches bis ins heutige Niederösterreich vorstoßen. Weitere hundert Jahre später taucht ein drittes Reitervolk aus Mittelasien im östlichen Mitteleuropa auf, die Magyaren, die zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie zählen. Deren Feldzüge führen sie bis nach Bayern und an den Mittelrhein. Im Jahre 911 überqueren sie bei Köln den Rhein und gelangen ins mittelfränkische Reich. Heinrich I. von Sachsen, der erste gewählte deutsche König, schlägt die Magyaren 933 bei Riade an der Unstrut, westlich der mittleren Elbe. Schließlich gelingt es Otto dem Großen 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld mit einem Heer aus deutschen Stämmen, verstärkt durch Böhmen, Nordwestslawen und Lothringer, die Reiterheere der Magyaren endgültig zu besiegen. Diese kehren nicht in die Tiefen Asiens zurück, sondern lassen sich zwischen Donau und Theiss nieder und trennen fortan – als spätere Ungarn – die west- von den südslawischen Völkern.
Diese kriegerischen Ereignisse haben das Zusammenwachsen der germanischen Stämme gefördert. Otto der Große wird im Jahr 962 zum ersten deutschen Kaiser gewählt. Der Städtebau beginnt, Landwirtschaft und Handel florieren. Erst im 13. Jahrhundert fallen die Mongolen, ein weiteres Nomadenvolk aus der Tiefe der asiatischen Steppenlandschaft, in Europa mit großer Zerstörungswut ein und erreichen Ostschlesien und Südpolen. Ihr überraschender Rückzug 1241 – nach dem Tod des Großkhans Oktai – hinterlässt noch für Jahrhunderte eine tiefe Angst vor neuen Überfällen aus den Tiefen Asiens.
Das Mongolenreich ist ein weiteres Beispiel für einen Zeitabschnitt, in dem weite Teile der eurasischen Welt zentral und mit straffer Organisation aus einer weit über zehntausend Kilometer entfernten Hauptstadt Karakorum regiert worden sind. Das Riesenreich vom Quellgebiet der Wolga und dem Unterlauf der Donau bis zum Stillen Ozean hat regionale Zivilisationen in Osteuropa, Persien und China miteinander verknüpft. Die Mongolen verfolgen ihre Zielsetzungen mit einzelnen Eroberungsfeldzügen. Das Können des Feldherrn dominiert die strategische Zweck- und Mittelbestimmung. Das taktisch Mögliche überdeckt in der Planung das längerfristige Sinnvolle.
Die Ausbreitung der Araber in Vorder- und Zentralasien sowie im östlichen Mittelmeerraum, in Nordafrika und in Südwesteuropa führt zur einzigen großen Invasion Europas von Süden her, über die Straße von Gibraltar (711). Erst in Tours und Poitiers in Mittelfrankreich werden die Mauren von einem europäischen Heer unter Führung von Karl Martell geschlagen. Sie bleiben 780 Jahre auf der Iberischen Halbinsel und im Süden Frankreichs und kontrollieren die Handelswege im Mittelmeer. Sie hinterlassen bei ihrem Abzug aus Europa (1492) nicht nur ein einzigartiges geistiges Erbe mit dem Kulturdenkmal Granada, sondern auch großes Wissen in Gebieten der Astrologie, Architektur, Medizin, Mathematik und einer Schriftensammlung der griechischen Philosophen, die ohne arabische Übersetzungen für die Menschheit verloren gegangen wären.
In den großen Invasionszügen von Alexander dem Großen, Attila und Dschingis Khan werden vorrangig die strategischen Zielsetzungen der Machterweiterung und des Reichtums verfolgt. Die Rekrutierung der Heere, deren Ausrüstung, Ausbildung und Versorgung werden zentral verfügt, gelenkt und im Rahmen einer genauen Zeitvorgabe realisiert. Mit Beginn eines Feldzuges bestimmt meist eine Führungspersönlichkeit die nächstgelegenen Kriegsziele und verfolgt diese zielstrebig, mit taktischem Geschick, drakonischer Härte und mit autokratischen Führungsstrukturen. »Der Genius des Strategen tritt, prinzipiell gesprochen, in die Erscheinung, wo er Schlachten herbeiführt und sie durch die Kunst der Taktik gewinnt« (Delbrück, 1907, 340). Strategische Planung folgt einem iterativen Prozess, der auf Ergebnisse vorausgegangener Schlachten aufbaut und mit Blick auf die eigenen Truppen, deren Versorgung und die Finanzbasis die weiteren Ziele plant. »Strategie, das ist die Verwendung des Gefechts zum Zwecke des Krieges, war selbstverständlich vorhanden, aber nur selten im Sinne einer Kunst« (ebd. 333).
In Verbindung mit den christlichen Kreuzzügen (11.–14. Jahrhundert) in die muslimische Levante und in den slawischen Osten sowie nach zahlreichen Kriegszügen innerhalb Europas erstarken einzelne Mächte. Der europäische Kontinent wird nach der Entdeckung Amerikas (1492), der dann einsetzenden Kolonialisierung großer Teile der Welt und dem resultierenden Reichtum zum alles dominierenden Machtzentrum der Welt.
Mit den Entdeckungsfahrten beginnt eine Hinwendung der Menschen vom Jenseitigen zum Diesseitigen der Welt und ändert mit dem Humanismus das Lebensgefühl vom Viator mundi (Pilger zur himmlischen Heimat) zum Faber mundi (Schöpfer und Beherrscher der Welt). Die Fortschritte bei der Erforschung der Welt und der Einsichten der Menschen offenbaren sich besonders in der Kunst: In der Architektur wirken Bramante, Raffael sowie Michelangelo. In der Malerei schaffen zudem Botticelli, da Vinci und Tizian Werke einmaliger Schönheit. In der Renaissance beginnt Europa die Welt zu beherrschen. Europas Aufstieg ist ein Ergebnis der aristotelischen Neugierde, gepaart mit Wagemut und eisernem Machtstreben (vgl. Höffe, 2001, 137 ff.). In der Philosophie beginnen eine Abkehr vom aristotelischen Denken der vorchristlichen Scholastik und die Hinwendung zum Neoplatonismus. Niccolò Machiavelli (1469–1527) ist einer der ersten Theoretiker der politischen Wissenschaft, der in militärischen Kategorien denkt. Er erkennt die evolutionären Veränderungen in der Politik und in den sozialen Bereichen zur Zeit der Renaissance und deren Abhängigkeit von der grundlegenden Revolution der Waffentechnologie und der Taktik der Streitkräfte. Die Erfindung des Schießpulvers, der Musketen und Geschütze beseitigt die Überlegenheit der gepanzerten Ritterheere. Die höfische Kultur der Ritter verschwindet und mit ihr die mittelalterlichen Gesellschaftsformen. An die Stelle der Ritterheere treten Söldnerarmeen. Clausewitz charakterisiert diese Transformation mit den Worten: »Diese regelmäßige und zusammenhängende Gestalt der kriegerischen Handlung wurde den Staaten hauptsächlich erst möglich, indem sie an die Stelle der Lehnsheere die Söldner treten ließen. Die Lehnspflicht wurde nun in eine Abgabe verwandelt, und der persönliche Dienst fiel entweder ganz weg, indem Werbung an die Stelle trat, oder er blieb nur in der ganz geringen Volksklasse, indem der Adel die Rekrutenstellung … als eine Art von Abgabe, als eine Menschensteuer betrachtete. In jedem Fall wurden nun die Heere, … ein Instrument des Kabinetts, dessen Hauptbasis … das Geldeinkommen der Regierung war« (Vom Kriege, 574).
Zu Beginn der frühen Neuzeit dominieren Söldnerheere, die auszubilden, zu bewaffnen, zu bezahlen, zu versorgen und unterzubringen sind. Vielfältige Organisationsbereiche entstehen in den Armeen für die Einrichtung von Operationsbasen und Verbindungslinien sowie für die Bereiche Unterhalt, Logistik und Verwaltung (vgl. Delbrück, 1907, 323 ff.). Als ein ganzheitlicher strategischer Denker, bemerkenswerter Monarch, Feldherr, militärischer Organisator und Kriegstheoretiker gilt König Gustav Adolph II. von Schweden (1594–1632). Er sichert mit einer überlegen ausgebildeten und gut bezahlten Berufsarmee, der Einrichtung von Heeresdepots und einem verbesserten Festungsbau die schwedische Hegemonie in Nordeuropa ab, die bis ins 18. Jahrhundert anhält. Musketiere lösen die Pikenträger ab und werden als Infanterie in Kompanien, Bataillonen, Regimentern und Brigaden organisiert (vgl. Rothenburg, 1986, 49 ff.). Gustav Adolph II. begründet mit einheitlichen Uniformen und Rangabzeichen eine militärische Rangordnung, verbessert den Zusammenhalt und die Kampfmoral, die in kleinen Einheiten ihren Nukleus hat, und befördert seine Offiziere und Unteroffiziere primär nach Leistung. Die erfolgreichen Kriegszüge Schwedens werden vom frühen Tod Gustav Adolphs II. im Gefecht bei Lützen (1632) überschattet. Mit seinem geistigen Durchdringen des Krieges und der zweckorientierten Organisation und Ausbildung seines Heeres wirkt der schwedische König wegweisend für die nachfolgenden Feldherren und strategischen Denker (vgl. Stahel, 2004, 74 ff.).
Überlegungen über die Organisation, das Exerzierreglement, das Kriegführen bis hin zur Gestaltung einer Ordnung nach Sieg oder Niederlage in einem Krieg entwickelt der niederländische Feldmarschall Johann Moritz von Na...

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