1 Offenheit als Erfolgsfaktor
1.1 Offenheit: Definition und empirische Fakten
Offenheit nimmt weltweit zu
Die Offenheit von Volkswirtschaften hat in den letzten Jahrzehnten weltweit stark zugenommen und auch LĂ€nder erreicht, die bisher eher geschlossen waren. Offenheit ist im engeren Sinne definiert als die Ăffnung einer Volkswirtschaft fĂŒr den internationalen Handel. Als ein wichtiger Indikator dient das VerhĂ€ltnis der Summe aus Importen und Exporten zum gesamten Bruttoinlandsprodukt. Im weiteren Sinne erfasst werden aber auch die KapitalmĂ€rkte und die ArbeitsmĂ€rkte, die sich ebenfalls immer weiter geöffnet und dadurch die Globalisierung der Weltwirtschaft vorangetrieben haben.
Abbildung 1: Offenheit in ausgewÀhlten LÀndern, 1995 und 2006
Quelle: OECD 2008a
dp n="7" folio="10" ?Das Bruttoinlandsprodukt der Welt ist zwischen 1999 und 2008 durchschnittlich um 4,4 Prozent gestiegen, der Welthandel hingegen um 6,8 Prozent. Die Offenheit nimmt also zu. Abbildung 1 stellt sie fĂŒr einige IndustrielĂ€nder dar.
Kleinere Volkswirtschaften tendenziell offener
ZunĂ€chst fĂ€llt auf, dass der Grad der Offenheit bei groĂen Volkswirtschaften tendenziell geringer ist, denn ihnen ist es relativ leicht möglich, die nötige Produktvielfalt selbst zu produzieren. Die USA beispielsweise haben einen Offenheitsgrad von nur 28 Prozent im Jahr 2006. Kleine LĂ€nder hingegen sind stĂ€rker auf Vorleistungen und Endprodukte aus dem Ausland sowie auf auslĂ€ndische AbsatzmĂ€rkte angewiesen. Das Ă€uĂert sich in entsprechend hohen Offenheitsgraden, etwa in den Niederlanden mit rund 140 Prozent oder in Irland mit zirka 150 Prozent. Deutschland weist allerdings einen fĂŒr seine GröĂe ungewöhnlich hohen Grad auf. Dieser liegt mit 84,7 Prozent (2006) ungleich höher als der in den etwas kleineren Volkswirtschaften GroĂbritannien, Frankreich und Italien, deren Werte mit 55 bis 60 Prozent deutlich geringer ausfallen. AuffĂ€llig ist zudem, dass dieser Indikator in allen LĂ€ndern im Laufe der letzten Jahre zugenommen hat, besonders stark in Deutschland (plus 37,7 Prozentpunkte), aber auch in DĂ€nemark, Schweden und den Niederlanden.
Ăffnung durch politischen und ökonomischen Wandel
Politische VerĂ€nderungen und ökonomische Reformen haben zu Transformationsprozessen in China und Indien sowie in den ehemaligen Ostblockstaaten gefĂŒhrt. Gleichzeitig hat sich im Zuge vieler AuĂenhandelsreformen die weltwirtschaftliche Verflechtung deutlich erhöht. Die Zölle wurden bis zum Beginn des neuen Jahrtausends halbiert und viele Volkswirtschaften sind dem internationalen Handelsabkommen GATT bzw. der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten. Durch die offenen GĂŒter- und KapitalmĂ€rkte sowie die Arbeitsmigration sind die ArbeitsmĂ€rkte auf der gesamten Welt zunehmend stĂ€rker miteinander verwoben. Diese Offenheit in Verbindung mit der technologischen Weiterentwicklung hat es ermöglicht, den Produktionsprozess aufzuspalten und entfernt von den VerkaufsmĂ€rkten zu lokalisieren. Standortentscheidungen können stĂ€rker an relativen Lohnkosten orientiert werden. Aber die SchwellenlĂ€nder Asiens und Europas treten auf den WeltmĂ€rkten auch als Wettbewerber zu den IndustrielĂ€ndern in Konkurrenz. Ihre Exportdynamik beschrĂ€nkt sich nicht mehr auf technologiearme Produkte, sondern erstreckt sich ĂŒber die gesamte Produktpalette.
Chinas Aufstieg zur wichtigen Exportnation
Dies wird besonders deutlich im Fall China, wenn man die Herkunft der Importe der USA (vgl. Abbildung 2) und der gesamten OECD (vgl. Abbildung 3) in den Jahren 1980 und 2006 miteinander vergleicht. Deutschland hat dabei sowohl in den USA als auch in der gesamten OECD seine Exportmarktanteile ungefĂ€hr aufrechterhalten können. Der Aufstieg Chinas zu einer der wichtigsten Exportnationen ist beeindruckend. WĂ€hrend sein Marktanteil in den USA 1980 noch bei 0,4 Prozent lag, stieg er bis 2006 auf 15,5 Prozent. Gelitten unter der gestiegenen PrĂ€senz chinesischer GĂŒter hat besonders die japanische Exportindustrie, deren Bedeutung fĂŒr die USA um ĂŒber fĂŒnf Prozentpunkte gesunken ist. Ăhnlich stark konnte China seinen Anteil auch in der gesamten OECD von 0,7 auf 9,5 Prozent im Zeitraum 1980 bis 2006 ausbauen.
dp n="8" folio="11" ? Abbildung 2: Exportmarkt USA und seine Anbieter (Anteile an den US-Importen, 1980 und 2006)
Quelle: OECD 2009
Abbildung 3: Exportmarkt der gesamten OECD und seine Anbieter (Anteile an den OECD-Importen, 1980 und 2006)
Quelle: OECD 2009
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SchwellenlÀnder als neue Handelspartner
Die weltwirtschaftliche Integration schreitet immer weiter voran und bezieht folglich auch neue Partner mit ein. Die effektive weltweite Arbeitskraft hat sich durch neue Wettbewerber ĂŒber die letzten Jahrzehnte vervierfacht. Die Auswirkungen bekommen die IndustrielĂ€nder ĂŒber Importe von Fertigprodukten, importierte VorleistungsgĂŒter und Immigration zu spĂŒren. Dadurch kommt es zu VerĂ€nderungen bei der Handelsspezialisierung, bei Investitionsentscheidungen und auf den ArbeitsmĂ€rkten (IMF 2007). Handelsbezogen können die IndustrielĂ€nder durch die Ăffnung der SchwellenlĂ€nder trotz Marktanteilsverlusten durchaus gewinnen. Denn China, Indien und Osteuropa stellen auch interessante WachstumsmĂ€rkte fĂŒr Exporte der IndustrielĂ€nder dar. Ihr schneller Aufholprozess und Investitionsbedarf hat ihre Importe schneller wachsen lassen als die der IndustrielĂ€nder und ist damit zu einer StĂŒtze der Weltkonjunktur geworden.
Zunehmende Verflechtung durch Direktinvestitionen
Die MĂ€rkte fĂŒr GĂŒter und Dienstleistungen sind nicht losgelöst von den Finanz- und KapitalmĂ€rkten zu betrachten. In der Regel sind die FinanzmĂ€rkte die Wegbereiter fĂŒr offene GĂŒtermĂ€rkte (OECD 2007).
Der internationale Kapitalverkehr hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Es wurden dadurch neue MĂ€rkte erschlossen und die Ăffnung der KapitalmĂ€rkte verschafft den Unternehmen mehr finanzielle SpielrĂ€ume fĂŒr Investitionen und fĂŒr die Schaffung von ArbeitsplĂ€tzen. Die Bedeutung der Kapitalmarktverflechtung und des tief greifenden Zusammenwachsens der WirtschaftsrĂ€ume kann am rasanten Anstieg an DirektinvestitionsbestĂ€nden in der OECD abgelesen werden (vgl. Abbildung 4). Die BestĂ€nde sind in den vergangenen knapp dreiĂig Jahren um ĂŒber 2.000 Prozent gestiegen, ebenso wie die Zu- und AbflĂŒsse aus den und in die OECD-Staaten (vgl. Abbildung 5). Wie beim internationalen Warenverkehr treten auch bei den Kapitalbewegungen und den ZiellĂ€ndern der Direktinvestitionen zunehmend LĂ€nder in den Markt, die nicht zu den OECD-Staaten zĂ€hlen. Wie in den Abbildungen 6 und 7 zu sehen ist, stellen diese Nationen nicht nur reine EmpfĂ€ngerlĂ€nder dar, sondern agieren mittlerweile selbst zunehmend als Investoren.
Der Zufluss von auslĂ€ndischem Kapital nach Deutschland ist insoweit zu begrĂŒĂen und ein Beleg fĂŒr die QualitĂ€t des Standortes. Deutschland ist auf den GĂŒtermĂ€rkten zwar »Exportweltmeister«, weist im Gegenzug aber entsprechende Kapitalbilanzdefizite auf (vgl. Abbildung 8). Diese sind im Zahlungsbilanzzusammenhang das Spiegelbild der LeistungsbilanzĂŒberschĂŒsse. Restriktionen im Kapitalverkehr wĂ€ren somit nicht mit der Forderung nach Ăffnung der GĂŒtermĂ€rkte zu vereinbaren.
Deutschland: »Exportweltmeister« mit Kapitalbilanzdefizit
Abbildung 4: DirektinvestitionsbestÀnde (FDI) in den OECD-Staaten
Quelle: UNCTAD 2008; eigene Darstellung
Abbildung 5: FDI-Ströme in die und aus den OECD-Staaten
Quelle: UNCTAD 2008; eigene Darstellung
dp n="11" folio="14" ?Abbildung 6: Anteil der FDI-ZuflĂŒsse an den weltweiten FDI-ZuflĂŒssen
Quelle: UNCTAD 2008; eigene Darstellung
Abbildung 7: Anteil der FDI-AbflĂŒsse an den weltweiten FDI-AbflĂŒssen
Quelle: UNCTAD 2008; eigene Darstellung
dp n="12" folio="15" ?Abbildung 8: Kapitalverkehr mit dem Ausland - insgesamt
Quelle: Deutsche Bundesbank 2008; eigene Darstellung
Abbildung 9: Kapitalverkehr mit dem Ausland - Direktinvestitionen
Quelle: Deutsche Bundesbank 2008; eigene Darstellung
AuslÀndische Direktinvestitionen deutscher Unternehmen
Einen fĂŒr den Arbeitsmarkt besonders wichtigen Bestandteil des Kapitalverkehrs stellen die Direktinvestitionen dar. Deutsche Unternehmen investierten in den letzten Jahren zunehmend stĂ€rker im Ausland, als dies umgekehrt der Fall war (vgl. Abbildung 9). Die wichtigsten Motive dafĂŒr sind die ErschlieĂung neuer MĂ€rkte und die Verbesserung der WettbewerbsfĂ€higkeit durch Outsourcing. Dies kommt indirekt auch der inlĂ€ndischen Produktion und den inlĂ€ndischen ArbeitsplĂ€tzen zugute, die anders in vielen FĂ€llen nicht mehr zu halten wĂ€ren. Erfreulich ist, dass in den letzten Jahren auch die auslĂ€ndischen Direktinvestitionen hierzulande zugenommen haben. Somit scheint die AttraktivitĂ€t Deutschlands als Investitionsstandort wieder gestiegen zu sein.
Treten neue Anbieter von Kapital in den Markt ein, so werden oft alte Strukturen aufgebrochen. Die Investoren sind auf der Suche nach hohen Renditen, was den Zwang zu Effizienz auch bei den bisherigen Unternehmen und Kreditgebern erhöht (Bekaert, Harvey und Lundblad 2001). Das wird oft als unbequem empfunden, nicht zuletzt von den alteingesessenen Unternehmen. Dies kann aber kein Anlass sein, den internationalen Kapitalverkehr zu behindern, und es ist auch sehr problematisch, dabei zwische...