Bindung und Exploration
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more

Bindung und Exploration

Ihre Bedeutung im klinischen und psychotherapeutischen Kontext

  1. 116 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub
Available until 5 Dec |Learn more

Bindung und Exploration

Ihre Bedeutung im klinischen und psychotherapeutischen Kontext

About this book

Bindung und Exploration sind integrale und sich ergänzende Verhaltenssysteme, die bei der Anpassung des Menschen an die Aufgaben und Belastungen im Verlauf des Lebens zusammenwirken. Während es im Kleinkindalter um die Balance zwischen Nähe suchen und die Erkundung der Umwelt geht, ist es im Erwachsenenalter die Entfaltung von mentaler Freiheit in verschiedenen Lebensbereichen. Bindungstheorie, Bindungsdiagnostik und ihre klinische Anwendung werden im psychotherapeutischen sowie im transgenerationalen Kontext erläutert und neue klinische Zugangs- und Forschungsmöglichkeiten am Beispiel der Angststörungen, Depressionen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen anhand von evidenzbasierten Verfahren beschrieben. Mit einem sicheren Arbeitsmodell von Bindung werden durch Psychotherapie die Resilienz bei Belastung sowie die Exploration neuer Bewältigungsstrategien verfügbar.

Frequently asked questions

Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
  • Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
  • Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
Both plans are available with monthly, semester, or annual billing cycles.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Bindung und Exploration by Anna Buchheim, Michael Ermann in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Psychology & Psychoanalysis. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.

Information

Publisher
Kohlhammer
Year
2016
eBook ISBN
9783170302044
Edition
1

1. Vorlesung1
Bindung und Exploration aus historischer Sicht

Bindung basiert auf dem im Verlauf der Naturgeschichte des Menschen entstandenen Grundbedürfnis nach einer besonderen Beziehung des Kindes zu seinen Eltern oder Personen, die es beständig betreuen. Die Bindungstheorie wurde von dem Psychoanalytiker und Psychiater John Bowlby (* 26. Februar 1907 in London; † 2. September 1990 auf Skye) formuliert, der in den 1940er und 1950er Jahren klinisch-psychoanalytische und evolutionsbiologische Ansätze und Betrachtungsebenen zur Grundlage seiner Forschung und seiner Publikationen machte2.

John Bowlbys Begründung der Bindungstheorie

Die Bindungstheorie bietet ein Konzept zur Erklärung der menschlichen Neigung, enge emotionale Beziehungen zu anderen zu entwickeln, und ist zugleich ein Modell der Bedeutung früher Erfahrungen in den ersten Bindungsbeziehungen für die spätere sozio-emotionale Entwicklung. Grundlegend ist ein universelles, phylogenetisch determiniertes menschliches Bedürfnis nach einer engen emotionalen Bindung, das eine Überlebensfunktion beinhaltet. Aus diesem Bedürfnis heraus entwickelt ein Kind – bestimmt durch die Reaktionen der Bindungsfigur auf seine Signale – eine innere Repräsentation von Bindung, die Konsequenzen für die spezifische, ontogenetische Entwicklung von bindungsrelevanten Gefühlen und Kognitionen besitzt.
John Bowlby hatte sein Medizinstudium vorübergehend unterbrochen, als er bei einer Hospitation an einer Schule für verhaltensgestörte Kinder erste Erfahrungen in der Beobachtung dieser schwer gestörten Kinder und Jugendlichen machen konnte. Er erkannte, dass frühkindliche Deprivation nicht zwangsläufig zu einer unwiderruflich negativen Prägung führen muss, sondern dass es trotz früher belastender Erfahrungen unter bestimmten Bedingungen zu einer günstigen weiteren Entwicklung der Kinder kommen kann. Nach Beendigung seines Medizinstudiums im Jahre 1928 machte Bowlby eine Ausbildung zum Analytiker und arbeitete dann ab 1940 als Psychiater an der Tavistock Clinic in London, wo er zusammen mit Esther Bick ein Ausbildungsprogramm für Kinderpsychotherapie aufbaute.
1951 erhielt Bowlby den Auftrag im Namen der World Health Organisation (WHO) einen Bericht »über die Situation der vielen heimatlosen und verwaisten Kinder in der Nachkriegszeit zu verfassen«. Bowlby veröffentlichte die Ergebnisse seiner Untersuchung als Buch unter dem Titel Mental care and mental health3, auf Deutsch Mutterliebe und kindliche Entwicklung. In dieser Monographie beschreibt Bowlby die ausgeprägten nachteiligen Folgen für Kinder, die ohne ihre Mütter in Institutionen aufwachsen, in denen ihre emotionalen und kognitiven Bedürfnisse nur unzureichend befriedigt werden. Seine bahnbrechenden Untersuchungsergebnisse und deren Veröffentlichung als Buch mit 500 000 englischsprachigen Exemplaren und in der Übersetzung in zehn Sprachen, trugen dazu bei, dass er nicht nur sehr bekannt und fachlich geschätzt wurde, sondern sich auch ermutigt und herausgefordert fühlte, seine Untersuchungen fortzuführen und seine primär analytisch orientierten theoretischen Konzepte durch die neu verfügbaren Befunde der ethologischen Forschung zu erweitern und zu modifizieren.
Images
Abb. 1: John Bowlby

Bowlby und seine ethologischen Wegbereiter Lorenz, Tinbergen, Harlow

Bowlby integrierte als Psychoanalytiker und Psychiater die neuen Erkenntnisse der Ethologie, der Kontrolltheorie und der kognitiven Psychologie in eine wissenschaftlich fundierte Bindungsforschung, die sich in der Folge entwicklungspsychologisch und klinisch etablierte. Er stützte sich in seiner weiteren Forschung auf Untersuchungen und Konzepte von Verhaltensforschern und Evolutionsbiologen wie Konrad Lorenz, Nikolaas Tinbergen, Harry Harlow und auf die Beobachtungen des Psychoanalytikers Rene Spitz an Heimkindern.
Mit großem Interesse nahm Bowlby ethologische Konzepte in seine theoretischen Vorstellungen auf, um seine Beobachtungen und sein neues Verständnis einer biologisch vorgegebenen Bindungsbereitschaft des Säuglings zu seiner wichtigen Bezugsperson zu beschreiben. Mit seinem 1969 erschienenen Werk Bindung – eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung begründete Bowlby endgültig die Bindungstheorie.

Ethologisches Licht auf psychoanalytische Probleme

Bowlby hatte sich schon während und besonders nach seiner Ausbildung kritisch mit der Psychoanalyse Freuds auseinandergesetzt. Freud hatte in seinen frühen Beiträgen den Entwicklungsverlauf als eine Abfolge von psychosexuellen Entwicklungsphasen beschrieben4, die einen Wandel der Manifestierung libidinöser Energie in verschiedenen Körperzonen darstellen und eine universelle Gültigkeit haben, wobei jede Entwicklungsphase charakteristische Merkmale aufweist. Freud kam dann in seinen späteren Abhandlungen zu der Überzeugung, dass die früheste Beziehung im Leben jeder Person die Beziehung zur Mutter ist und dass diese Beziehung das Vorbild späterer Liebesbeziehungen ist und zwar unabhängig vom Geschlecht der Person5.
Für Freud waren Libido und Todestrieb die Grundmotivationen, die er als Triebe und nicht als Instinkte beschrieb, weil er den Unterschied zwischen biologischen Instinkten und psychischen Trieben – der biologischen Motivation des Verhaltens der Tiere und der psychologischen Motivation menschlichen Verhaltens – herausstellen wollte.
Bowlby kam seinerzeit bei der Auseinandersetzung mit der Psychoanalyse Freuds in seinem Aufsatz »Ethologisches Licht auf psychoanalytische Probleme« zu folgendem Resümee:
»Über die meiste Zeit war die Psychoanalyse in diesem Jahrhundert die einzige Disziplin, die sich mit der systematischen Untersuchung von Emotionen und Beziehungen befasste. … Von den Versuchen Freuds, seine Theorie neu zu formulieren, erwies sich sein Gedankengang am produktivsten, der sich mit Beziehungen befasste. … Ich kam zu dem Schluss, dass die Psychoanalytiker zwar genau die richtigen Fragen gestellt hatten, aber ihre Antworten zu wünschen übrig ließen. Und so war ich wieder allein mit meinem Problem.«6
Für Bowlby bilden Erlebnisse aus der realen Welt die zentrale Quelle, die den Säugling in seinem Verhalten prägt. Eine der entscheidenden Aussagen von Bowlbys Theorie ist, dass der menschliche Säugling die angeborene Neigung hat, die Nähe einer vertrauten Person zu suchen. Fühlt er sich müde, krank, unsicher oder allein, so werden Bindungsverhaltensweisen wie Schreien, Lächeln, Anklammern und Nachfolgen aktiviert, welche die Nähe zur vertrauten Person wiederherstellen sollen.
Im Gegensatz zur damaligen psychoanalytischen Auffassung stellte Bowlby nicht die psychische Innenwelt in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen, sondern er maß den realen Erlebnissen und der Außenwelt hohe Bedeutung für die Entwicklung eines Individuums bei.
Auf die neueren Entwicklungen in der Ethologie war Bowlby durch die Arbeiten von Konrad Lorenz, die in englischer Übersetzung erschienen waren, und die von Tinbergen formulierte Instinktlehre (1951) aufmerksam gemacht worden7:
Das erste Mal, dass Bowlby etwas von Ethologie erfuhr und die Namen Konrad Lorenz und Nico Tinbergen hörte, war im Sommer 1951. Dies führte ihn zu den früheren Arbeiten von Lorenz und zu Tinbergens Buch ›The Study of Instinct‹ (1951).
Beide Forscher boten für Bowlby einen verhaltensbiologisch-ethologischen Bezugsrahmen. Es waren im Besonderen die relativ überdauernden Beziehungen, die sich bei vielen Tierarten zuerst zwischen Jungen und Eltern entwickelten und später zwischen gepaarten Männchen und Weibchen und auch einige Wege, auf denen diese Entwicklungen schief laufen können. Darüber hinaus basierte ein Großteil ihrer Untersuchungen auf Feldbeobachtungen von Tieren in ihrer alltäglichen Umgebung.

Lorenz und Tinbergen: Die Phänomene von Prägung und Instinkthandlungen

Konrad Lorenz (* 7. November 1903 in Altenberg bei Wien; † 1989 in Altenberg bei Wien), beobachtete bereits als fünfjähriges Kind, dass ihm Entenküken wie einem Muttertier nachliefen, wenn er sich in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung bei ihnen aufgehalten hatte. 1928 schloss Konrad Lorenz das an der Columbia University in New York begonnene Medizinstudium in Wien ab und studierte anschließend Zoologie. Mit der Abhandlung Über den Begriff der Instinkthandlung
Images
Abb. 2: Konrad Lorenz und seine Gänseküken
legte Konrad Lorenz 1937 die Grundlagen der vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie).
Ein Symposium über das Thema »Instinkte« in Leiden am 28. November 1936 war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft mit Tinbergen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass 1973 Tinbergen zusammen mit Karl von Frisch und Konrad Lorenz mit dem Medizin-Nobelpreis (Physiologie und Medizin) ausgezeichnet wurden.
Nikolaas Tinbergen (* 15. April 1907 in Den Haag; † 21. Dezember 1988 in Oxford) war ein bedeutender niederländischer Ethologe. Zwischen 1940 und 1949 war er Professor an der Universität Leiden von 1949 bis 1974 an der Universität Oxford. Mit der 1942 veröffentlichten Arbeit An objectivistic study of the innate behaviour of animals schuf Tinbergen eine der Grundlagen für die im Entstehen begriffene Ethologie. Gemeinsam analysierten Lorenz und Tinbergen das Phänomen der Prägung bei Gänseküken und verfassten eine Studie zur Eirollbewegung der Graugans.
John Bowlby war begeistert, als ihn ein Freund auf das Werk von Lorenz, Das Gänsekind Martina (1954), über die Nachfolge-Reaktionen bei Enten- und Gänseküken, aufmerksam gemacht hatte. Dieses biologische Programm bewirkt, dass die Küken sehr schnell nach dem Schlüpfen auf das individuelle Aussehen ihres Muttertieres geprägt werden und ihr überall hin folgen. Lorenz konnte das Prägungsprogramm sogar täuschen und bot sich selbst den frisch geschlüpften Küken als Muttertier zur Nachfolge-Prägung an. Mit diesen Befunden aus der Ethologie erschloss sich Bowlby eine neue Welt, in der Naturwissenschaftler von großer Bedeutung viele der Probleme an nicht-menschlichen Arten untersuchten, die ihm bei seinen Untersuchungen des menschlichen Verhaltens zu schaffen machte...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Logo
  3. Series
  4. Titel
  5. Copyright
  6. Inhalt
  7. Vorwort
  8. 1.Vorlesung: Bindung und Exploration aus historischer Sicht
  9. 2. Vorlesung: Bindung und Exploration bei Kindern
  10. 3. Vorlesung: Bindung und Exploration bei Erwachsenen
  11. 4. Vorlesung: Bindungs- und Psychotherapieforschung in der klinischen Psychotherapie
  12. 5. Vorlesung: Ein neurowissenschaftlicher Ansatz in der klinischen Bindungs- und Psychotherapieforschung im Rahmen psychoanalytischer Behandlungen
  13. Literaturverzeichnis
  14. Bildnachweis
  15. Personenverzeichnis
  16. Sachwortverzeichnis