Kleine Geschichte. Regionalgeschichte - fundiert und kompakt
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Kleine Geschichte. Regionalgeschichte - fundiert und kompakt

Eine kleine Geschichte

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Kleine Geschichte. Regionalgeschichte - fundiert und kompakt

Eine kleine Geschichte

About this book

Zwischen 1414 und 1418 war die Stadt Konstanz das Zentrum der europĂ€ischen Politik. Das Konstanzer Konzil sollte die Spaltung der Kirche, zumindest fĂŒr den Moment, lösen – in trauriger Erinnerung geblieben ist es vor allem wegen der Verbrennung des als Ketzer verurteilten Jan Hus.Das Konzil schrieb nicht nur Weltgeschichte, sondern war auch ein Großereignis der Extraklasse: Die Stadt erlebte in vier Jahren die Absetzung dreier PĂ€pste und die Wahl eines neuen, Zehntausende von Besuchern, 700 Dirnen und unzĂ€hlige Feste. Es soll so viel Geld ausgegeben worden sein, dass Konstanz die reichste Stadt SĂŒddeutschlands wurde.Das Buch beleuchtet die Vorgeschichte und den Verlauf des Konzils. Die Ereignisse rund um die Kirchenversammlung werden sowohl in den weltgeschichtlichen Kontext eingeordnet als auch in der Stadt Konstanz und der sĂŒdwestdeutschen Region verortet. Exkurse beleuchten einzelne wichtige Personen und Aktionen, erzĂ€hlen von Unterhaltsamem am Rande des Konzils und erlĂ€utern theologische Fachbegriffe. Zahlreiche Illustrationen lassen das Konzilsgeschehen vor Augen treten.

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Information

Die großen Aufgaben des Konzils I – Die Einheit der Kirche (causa unionis)


Drei großen Aufgaben sah sich das Konzil vor allem gegenĂŒber: der Überwindung des Schismas und damit der Wiederherstellung der Einheit der Kirche (causa unionis), der KlĂ€rung von Glaubensfragen (causa fidei) und der Erneuerung der Kirche an Haupt und Gliedern (causa reformationis).
Johannes XXIII. und seine Flucht
Johannes XXIII. war in der festen Überzeugung nach Konstanz gereist, das Konzil wĂŒrde ihn nach endgĂŒltiger Absetzung der beiden anderen PĂ€pste, Benedikt XIII. und Gregor XII., als einzig wahren Papst bestĂ€tigen. Seine Obödienz war die mit Abstand grĂ¶ĂŸte, seine LegitimitĂ€t stand bei der Pisaner Partei außer Frage und Konstanz sollte im Wesentlichen der allseitigen Anerkennung und Durchsetzung des Konzils von Pisa dienen. Die Frage der Kircheneinheit war fĂŒr Johannes lĂ€ngst entschieden. Um hier gar keine neuen Debatten aufkommen zu lassen, sollte sich das Konzil gleich den Angelegenheiten des Glaubens in Form der hussitischen Irrlehren zuwenden.
Doch zwischen November 1414 und MĂ€rz 1415 drehte sich der Wind völlig. Je lĂ€nger der Zuzug von Nichtitalienern auf das Konzil anhielt, desto stĂ€rker wuchsen die Ressentiments gegen eine bloße BestĂ€tigung der Pisaner BeschlĂŒsse.
AngefĂŒhrt vom französischen Kardinal Pierre d’Ailly und befördert durch das Wirken König Sigismunds emanzipierte sich das Konzil allmĂ€hlich von der Festlegung auf eine Papstlinie. Das begann mit dem ZugestĂ€ndnis, auch Gregor XII. und Benedikt XIII. pĂ€pstliche Ehrbezeugungen zukommen zu lassen, wenn sie denn persönlich nach Konstanz kĂ€men – ein deutliches Zeichen dafĂŒr, dass in Konstanz alle drei PĂ€pste gleich behandelt werden sollten. Ein nĂ€chster RĂŒckschlag fĂŒr Johannes war der Abstimmungsmodus nach Nationen, der die Dominanz seiner zumeist italienischen AnhĂ€nger brach.
Als schließlich Gregor XII. am 25. Januar 1415 seinen freiwilligen RĂŒcktritt offerierte, wenn denn auch seine beiden Kontra­henten gleichfalls abtrĂ€ten, musste sich Johannes fortan den Vorwurf gefallen lassen, durch seinen Verzicht auf Resignation die Beendigung des Schismas zu verhindern. Pierre d’Ailly drĂ€ngte die Pisaner Selbstherrlichkeit argumentativ ins Dilemma: Wer 1409 das Prinzip des freiwilligen und sogar auch erzwungenen RĂŒcktritts der rivalisierenden PĂ€pste anerkannt habe, könne nun in Konstanz kaum gegen die Anwendung desselben Prinzips sein.
Die Überzeugung, dass fĂŒr die Einheit der Kirche der gleichzeitige RĂŒcktritt aller drei PĂ€pste erforderlich sei, der in letzter Konsequenz auch durch eine gewaltsame Absetzung herbeigefĂŒhrt werden könne, gewann an immer grĂ¶ĂŸerer Wucht, die Johannes als einziger in Konstanz anwesender Papst besonders zu spĂŒren bekam. Polemiken, die seinen unlauteren Lebenswandel und seine Bestechungspraktiken ausmalten, kamen in Umlauf. In dieser fĂŒr ihn zunehmend kritischen Lage rang sich Johannes Anfang MĂ€rz zur Abdankungsbereitschaft durch, bevor er im Verbund mit Friedrich IV. von Habsburg-Tirol in der Nacht vom 20. auf den 21. MĂ€rz aus Konstanz nach Schaffhausen floh, um sich damit dem unmittelbaren Zugriff durch das Konzil und dem Herrschaftsbereich König Sigismunds zu entziehen.
Die Flucht erscheint rĂŒckblickend als durchgeplante Aktion. Kurz nach Mitternacht verließ Friedrich mit dem als Landsknecht verkleideten Papst die Bischofspfalz neben dem MĂŒnster. Unerkannt gelangte Johannes XXIII. durch das Kreuzlinger Tor im SĂŒden aus der Stadt. Es folgte ein gemeinsamer Ritt am SĂŒdufer des Untersees entlang nach Steckborn. Von dort ging es mit dem Schiff den Rhein hinunter bis Stein am Rhein. Hier wechselte der Herzog wieder aufs Pferd und ritt voraus, sodass er in der MorgendĂ€mmerung des 21. MĂ€rz zum Empfang bereitstand, als das Boot mit dem Papst Schaffhausen erreichte.
Ermatingener Groppenfasnacht – ein Privileg des Papstes?
In Ermatingen am Bodensee feiert man die »spĂ€teste Fasnacht der Welt«. Erst am 4. Sonntag der Fastenzeit ist der Höhepunkt der sogenannten Groppenfasnacht erreicht. Alle drei Jahre findet dann der Groppenumzug statt, angefĂŒhrt vom Gropp, einer ĂŒbergroßen Fischfigur. Der ungewöhnliche Termin soll auf ein Privileg des flĂŒchtigen Johannes XXIII. zurĂŒckgehen, ausgestellt zum Dank fĂŒr die kurzzeitig gewĂ€hrte Gastfreundschaft und das vorzĂŒgliche Abendessen, zu dem es Groppen gab. In der Tat lag Ermatingen auf dem Weg des von Konstanz forteilenden Papstes. Um in den Zeitplan der Flucht hineinzupassen, kann es sich bei dem Gastmahl aber höchstens um einen »Fast-Food«-Fisch um 2 Uhr in der Nacht gehandelt haben.
Das Dekret Haec Sancta
Obwohl sich die Hoffnungen des flĂŒchtigen Papstes Johannes XXIII., das Konzil zu sprengen, nicht unmittelbar erfĂŒllten – nur wenige KardinĂ€le kamen dem Aufruf nach, ihm zu folgen –, hinterließ er in Konstanz eine Versammlung in ErklĂ€rungsnöten. War man ohne Papst noch ein rechtmĂ€ĂŸiges Konzil?
Es waren dramatische Stunden in Konstanz: König Sigismund verhinderte mit großem persönlichen Einsatz und durch Absperrung der Stadt ein schnelles Auseinanderlaufen der Versammlung. Mindestens so wichtig war der Auftritt des bedeutenden Theologen und Kanzlers der Pariser UniversitĂ€t, Jean Gerson. Mit seiner berĂŒhmten Predigt nach dem Jesuswort »Ambulate dum lucem habetis  « – »Geht, solange ihr das Licht habt, [
]« (Joh 12,35) wies er am 23. MĂ€rz den verunsicherten Konzilsteilnehmern den Weg, sich eine neue, papstunabhĂ€ngige, mithin konziliaristische Legitimation zu geben. Nicht der Papst, sondern Christus bilde das oberste Haupt der Kirche, und das Generalkonzil als ReprĂ€sentant der Kirche sei weniger eine vom Papst als vielmehr eine vom Heiligen Geist eingesetzte und von Christus her ĂŒberlieferte Norm, der jeder Mensch, auch der Papst, Gehör und Gehorsam schenken mĂŒsse. Die Kirche bzw. das Generalkonzil könne daher auch ohne ausdrĂŒckliche Zustimmung oder Mandate des Papstes, selbst wenn dieser korrekt gewĂ€hlt worden wĂ€re und rechtmĂ€ĂŸig leben wĂŒrde, in bestimmten FĂ€llen versammelt werden, insbesondere dann, wenn eine schwerwiegende Frage der Kirchenleitung entschieden werden mĂŒsse, der Papst sich aber weigere, ein Generalkonzil einzuberufen.
Gersons Worte bildeten in den nĂ€chsten Tagen den Gegenpol zu den andauernden BemĂŒhungen des geflohenen und nun in Schaffhausen weilenden Papstes, dem zurĂŒckgelassenen Konzil jegliche Berechtigung abzusprechen. Erst zögerlich, dann immer ĂŒberzeugter vertraute man in Konstanz der bisherigen Ungeheuerlichkeit eines papstlosen Konzils. Als am 26. MĂ€rz die erste Sitzung ohne Papst – aber in Gegenwart des Königs – tagte, nahmen nur zwei von zwölf KardinĂ€len (d’Ailly, Zabarella) und lĂ€ngst nicht alle Bischöfe teil. Viele KardinĂ€le bestritten im Namen des geflohenen Papstes die RechtmĂ€ĂŸigkeit dieser Sitzung und verlangten den Verzicht auf die am 30. MĂ€rz angesetzte nĂ€chste Sessio. Doch in leidenschaftlichen Auseinandersetzungen und in Abgrenzung zu den KardinĂ€len, die zeitweilig laut um sich geschrien haben sollen, hielten die deutsche, die französische und die englische Konzilsnation am Termin fest.
Den drĂ€ngendsten Punkt, die papstunabhĂ€ngige AutoritĂ€t des Konzils zu begrĂŒnden, ging das Konzil durch die Abfassung eines Dekrets an, das die konziliaristische Predigt Gersons aufgriff: Das Konzil hat seine Gewalt unmittelbar von Christus und ist im Heiligen Geist – auch ohne Papst – rechtmĂ€ĂŸig versammelt. Allerdings goss man diese Gedanken in eine dem Kirchenrecht kompatible Form und berĂŒcksichtigte auch die Skeptiker, die eine papstlose Zusammenkunft allenfalls im Falle eines hĂ€retischen Papstes gelten lassen wollten. Als Ergebnis lag am 30. MĂ€rz ein scharfsinniger Kompromiss vor, ein Kunstwerk der Vermittlung, das gewohnheitsgemĂ€ĂŸ nach den ersten Worten des Textes mit Haec Sancta tituliert wird.
Doch im unmittelbaren Vorfeld seiner Verabschiedung verlor dieses Dokument bereits einen Teil seiner Wirkkraft, denn ein Paukenschlag ertönte aus Schaffhausen. Johannes machte sich zur abermaligen Flucht Richtung Westen auf, widerrief sein bisheriges angeblich erzwungenes Abdankungsversprechen und verlangte von seinen AnhĂ€ngern, sich unverzĂŒglich zu ihm zu begeben. Wollte der Papst gar nach Frankreich fliehen und das Konzil nach Avignon verlagern? Schon frĂŒher hatte er mit dieser Stadt als seiner Residenz geliebĂ€ugelt. Oder war er auf dem Weg Richtung Mainz, dessen Erzbischof ihm treu verbunden war?
Neuerlich war die Konstanzer Versammlung von der Selbstauflösung bedroht. Abermals musste König Sigismund alle Energie aufwenden, das Konzil beisammenzuhalten und am 6. April zu einer weiteren Sitzung zu versammeln. AngefĂŒhrt von den Gelehrten der Pariser UniversitĂ€t hatten die Konziliaristen in den erregten Debatten nun Oberwasser. Das Dekret Haec Sancta wurde nachgerĂŒstet, indem nun die Reformkompetenz des Konzils auch auf die Kirchenspitze bezogen wurde, ohne eine ausdrĂŒckliche BeschrĂ€nkung auf die Notsituation ­eines papa haereticus. Klare Strafsanktionen fĂŒr nichtbeugewillige PĂ€pste wurden formuliert. In dieser Endfassung wurde das Dekret auf der 5. Sitzung des Konzils mit der Zustimmung aller vier Konzilsnationen, aber der Ablehnung aller KardinĂ€le verabschiedet. In der Folgezeit stieg Haec Sancta zur »Magna Charta des Konziliarismus« auf. Bis heute ziehen sich die Diskussionen, inwieweit das Dekret eine prinzipielle Oberhoheit des Konzils ĂŒber den Papst definiert und welche Verbindlichkeit ihm außerhalb der konkreten Notsituation von Schisma und Flucht des Johannes zukommt.
Haec Sancta
»Diese heilige Konstanzer Synode bildet ein allgemeines Konzil; zur Beendigung des Schismas, zur Einheit und Reform der Kirche Gottes in Haupt und Gliedern, zum Lob des allmĂ€chtigen Gottes, legitim im Heiligen Geist versammelt, verordnet, definiert, beschließt und erklĂ€rt sie, um leichter, sicherer, besser und freier die Einheit und Reform der Kirche Gottes zu erreichen, Folgendes:
1. Sie ist im Heiligen Geist legitim versammelt, bildet ein allgemeines Konzil, reprĂ€sentiert die katholische Kirche und hat ihre Gewalt unmittelbar von Christus; jeder, gleich welchen Standes und gleich welcher WĂŒrde, und sei es auch der pĂ€pstlichen, ist ihr zu gehorchen verpflichtet in Dingen, die den Glauben und die Bereinigung des gegenwĂ€rtigen Schismas sowie die Reform der Kirche Gottes in Haupt und Gliedern betreffen.
2. Jeder, gleich welchen Standes, gleich welcher Position oder WĂŒrde, selbst...

Table of contents

  1. Vorwort
  2. Die Vorgeschichte
  3. Wege zur Überwindung des Schismas
  4. Das Konzil von Konstanz
  5. Die großen Aufgaben des Konzils I – Die Einheit der Kirche (causa unionis)
  6. Die großen Aufgaben des Konzils II – Die Fragen des ­Glaubens (causa fidei)
  7. Die großen Aufgaben des Konzils III – Die Frage der Reform der Kirche (causa reformationis)
  8. Das Leben in der Stadt
  9. Das Konzil geht auseinander
  10. Chronologie des Konzils
  11. AusgewÀhlte Literatur
  12. Abbildungsnachweise
  13. Weitere Kleine Geschichten
  14. Weitere BĂŒcher erschienen bei Der Kleine Buch Verlag