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1Â Â Â Â Â Â Â Â Â Â Einleitung: Kooperation zwischen Schule und Elternhaus â oft schwierig, aber unverzichtbar
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Familien tragen doppelt so viel zum Bildungserfolg ihrer Kinder bei wie alle pĂ€dagogischen Organisationen (Kindergarten, KindertagesstĂ€tten, Schule) zusammen. Das ist nicht nur ein Ergebnis groĂ angelegter aktueller Studien (Tietze, RoĂbach & Grenner, 2005; Tietze, Becker-Stoll, Bensel, Eckhard, Haug-Schnabel, Kalicki, Keller & Leyendecker, 2013, S. 126f.) und von PISA-Begleituntersuchungen (OECD, 2001, S. 356f.), sondern ein Befund, den die internationale Bildungsforschung seit mehr als einem halben Jahrhundert immer und immer wieder erbrachte (Dave, 1963; Coleman, Campbell, Hobson, Mc Partland, Mood, Weingeld & York, 1966; Plowden-Report, 1967; Jencks, 1972; SchĂŒtz & WöĂmann, 2005; Neuenschwander, 2009). Dieser Einfluss der Familien kann sowohl ein positiver und fördernder als auch ein negativer und hinderlicher sein. Aber in beiden FĂ€llen sind pĂ€dagogische Organisationen schlecht beraten, wenn sie das Potenzial nicht nutzen, das in der Kooperation mit Eltern liegt.
Nun ist zwar der Effekt der Kooperation zwischen Eltern und Vertreter/innen pĂ€dagogischer Organisationen nicht identisch mit dem Einfluss der Familien auf den Bildungserfolg. Aber eine Studie von Werf, Creemers und Guldemond (2001) sollte doch zu denken geben: Danach wirkt sich die Kooperation zwischen Eltern und LehrkrĂ€ften stĂ€rker auf Schulleistungen aus als Faktoren der Unterrichtsgestaltung und Schulorganisation und als der Einsatz spezieller Medien. Lediglich die gezielte Weiterbildung von Lehrpersonen, die aber erhebliche finanzielle Ressourcen erfordert, hat stĂ€rkere positive Effekte als die viel kostengĂŒnstigere Elternarbeit.
Allerdings stehen der Kooperation zwischen Schule und Elternhaus in der Praxis einige Hindernisse im Wege, wie z. B. die beruflichen und privaten Belastungen von Eltern und Lehr- und FachkrÀften und der sich daraus ergebende Zeitmangel1.
Hinzu kommt, dass von vielen LehrkrĂ€ften der Umgang mit Eltern als schwierig und belastend empfunden wird. Umgekehrt wird von Elternseite vielfach ĂŒber LehrkrĂ€fte geklagt, mit denen eine Kooperation nicht oder nur sehr eingeschrĂ€nkt möglich ist. Aber die Diskussion ĂŒber »schwierige« Eltern und Lehr- und FachkrĂ€fte fĂŒhrt nicht weiter. Kommunikation und Kooperation zwischen Eltern und LehrkrĂ€ften kann nur gelingen, wenn auch die Situation verstanden und berĂŒcksichtigt wird, in welcher die Akteure sich befinden.
Dazu bedarf es in der Regel eines AbrĂŒckens von der eigenen subjektiven Wahrnehmung, eines Perspektivenwechsels und der Bereitschaft, sich auf die Situation des jeweils anderen einzulassen. Die Entwicklung und Pflege einer kooperativen und respektvollen Beziehung zwischen Schule und Elternhaus ist eine unabdingbare Voraussetzung fĂŒr gelingende Kommunikation. Deshalb stellen wir in den beiden folgenden Kapiteln zunĂ€chst das Modell einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft vor, die genau dieses zum Ziel hat. ZunĂ€chst beschreiben wir das Modell in seinen wesentlichen Elementen, um anschlieĂend aufzuzeigen, wie auf einer solchen Partnerschaft aufbauend mit weiteren MaĂnahmen Schwierigkeiten in der Kooperation und Kommunikation zwischen Eltern und LehrkrĂ€ften vorgebeugt und begegnet werden kann. Im folgenden vierten Kapitel beschĂ€ftigen wir uns mit Herausforderungen einer solchen Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in besonderen Zeiten und Situationen, die sich z. B. durch anstehende ĂbergĂ€nge der Kinder im Schulwesen, durch schwierige Lebenslagen der Familie oder durch unterschiedliche Erziehungsauffassungen von Elternhaus und Schule ergeben können. Im Schlussteil fassen wir die wesentlichen Erkenntnisse und Empfehlungen noch einmal zusammen und versuchen, ein Fazit aus unseren Ăberlegungen zu ziehen.
2 Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus
2.1 Von der Elternarbeit zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft
Schwierige Situationen in der Kommunikation und Kooperation zwischen Schule und Elternhaus lassen sich weitgehend vermeiden oder doch jedenfalls ein StĂŒck weit entschĂ€rfen, wenn es gelingt, im Rahmen der Elternarbeit vertrauensvolle Beziehungen zwischen Eltern und LehrkrĂ€ften aufzubauen.
Leider lassen viele Schulen das Potential brach liegen, das in einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus steckt. Elternarbeit wird hĂ€ufig mit mĂ€Ăigem Engagement betrieben und eher einseitig auf die Anteilnahme der Eltern am Geschehen in der Schule ausgerichtet (z. B. Sacher, 2004; Sacher, 2007). Die Beschreibung, die Krumm (1996, S. 269) vor mehr als zwei Jahrzehnten vom Zustand der Elternarbeit im deutschsprachigen Raum gab, trifft teilweise immer noch zu:
»Die empirischen Untersuchungen zeigen ĂŒbereinstimmend âŠ, Schulleitung und Lehrer informieren nach Vorschrift, hören an, lassen ĂŒber die (wenigen) vorgeschriebenen Sachverhalte abstimmen. Sie bieten die obligatorischen Sprechtage, Elternabende und Sprechzeiten an, aber nur wenige tun mehr. Allerdings lassen sich viele Lehrer auch informell vor und nach dem Unterricht ansprechen. Vorrangig informiert die Schulseite die Eltern ⊠Wirkliche pĂ€dagogische Probleme kommen verhĂ€ltnismĂ€Ăig selten und kurz zur Sprache. Die tatkrĂ€ftige Mitwirkung der Eltern in Schule und Unterricht bezieht sich auf Hilfsfunktionen (organisatorische Hilfen, Aufbringen von Geld fĂŒr die Schule âŠ). Am hĂ€ufigsten sind Eltern als Helfer bei auĂerschulischen Klassenunternehmen zu finden. Lehrer und Eltern bekunden âșElternarbeitâč sei wichtig, und sie bekunden im Durchschnitt gute Einstellungen zueinander. Die Begeisterung an gemeinsamen Treffen oder Aktionen (Elternabenden, Hilfe bei KlassenausflĂŒgen) hĂ€lt sich allerdings in Grenzen, vor allem auf Seiten der Lehrer.«
Eine solche Elternarbeit herkömmlicher Art, welche das Ergreifen von Initiativen hauptsĂ€chlich den Vertreter/innen der Schule vorbehĂ€lt und den Eltern eine ĂŒberwiegend passiv-einwilligende Rolle als Objekte der Bearbeitung durch die Schule zuweist, ist nicht mehr zeitgemĂ€Ă. Auch der Begriff »Elternarbeit« sollte nicht mehr verwendet, sondern durch den der »Erziehungs- und Bildungspartnerschaft« ersetzt werden. DarĂŒber hinaus ist eine partnerschaftliche Beziehung â wie Forschungsarbeiten ĂŒberzeugend belegen2 â auch eine unverzichtbare Bedingung fĂŒr die nachhaltige Förderung der kindlichen und jugendlichen Entwicklung.
2.2 Zum VerstÀndnis von »Partnerschaft«
»Partnerschaft« darf in diesem Zusammenhang nicht idealistisch ĂŒberhöht verstanden werden:
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sehen wir Partnerschaft zwischen Personen oder Institutionen als gegeben, wenn sie gemeinsame Ziele verfolgen
3 â im Falle der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft ist das Ziel die optimale Förderung der Kinder und Jugendlichen.
Eine Partnerschaft muss demnach nicht unbedingt eine GefĂŒhlsgemeinschaft sein, in der die Partner durch positive Emotionen miteinander verbunden sind.
Sie setzt auch nicht zwingend den gleichen Hintergrund der Partner voraus â weder im Hinblick auf pĂ€dagogische ProfessionalitĂ€t, noch auf Vermögen, Ansehen, Macht, Bildungsniveau oder was auch immer.
Wohl aber gehört gegenseitiger Respekt unabdingbar zur Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. In der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft konkurrieren Eltern und Lehr- und FachkrĂ€fte weder miteinander, noch praktizieren sie eine strikte Arbeitsteilung dergestalt, dass fĂŒr Erziehung allein die Eltern zustĂ€ndig sind und fĂŒr Bildung ausschlieĂlich die Schule zu sorgen hat. Vielmehr ergĂ€nzen sie einander in ihren pĂ€dagogischen BemĂŒhungen komplementĂ€r und arbeiten einander zu (Sacher, 2014b, S. 151):
Abb. 1: Aufgabenverteilung zwischen Schule und Elternhaus
Soweit Erziehung weltanschauliche Orientierung und Werteerziehung i. e. S. ist, bleibt sie den Eltern vorbehalten, so wie die formelle Bildung durch Unterricht Angelegenheit und Auftrag der Schule ist. Daneben tragen die Eltern durch Organisieren einer anregenden hĂ€uslichen Umgebung, durch Fördern von Interessen und durch Nutzung kultureller Angebote die Verantwortung fĂŒr die auĂerschulische informelle Bildung der Kinder und Jugendlichen.
Bei weiteren Erziehungsaufgaben mĂŒssen Schule und Elternhaus zusammenarbeiten:
â bei der Entwicklung moralischer Grundhaltungen (Wahrhaftigkeit, Gewaltfreiheit, Hilfsbereitschaft usw.)
â bei der Anbahnung persönlicher, sozialer und methodischer Kompetenzen sowie
â bei der Vermittlung von SekundĂ€rtugenden (ZuverlĂ€ssigkeit, Genauigkeit, FleiĂ, Anstrengungsbereitschaft usw.)
LehrkrĂ€fte kommen in diesen Bereichen nicht umhin, ebenso wie die Eltern Erziehungsarbeit zu leisten, um ihren Bildungsauftrag erfĂŒllen zu können. Insbesondere bei der Vermittlung sozialer Kompetenzen haben sie groĂe Verantwortung. Die LĂ€nderverfassungen und Schulordnungen erteilen ihnen deshalb auch ausdrĂŒcklich einen Erziehungsauftrag.
FĂŒr die gesamte Erziehung und Bildung gibt das Grundgesetz den Ă€uĂersten normativen Rahmen vor.
Vom »Elternhaus« als dem einen Partner kann natĂŒrlich angesichts vielfĂ€ltiger aktueller Familienformen nur bedingt und in einem sehr weiten und abstrakten Sinne die Rede sein. Und unter »Eltern« sind nicht nur die biologischen Eltern und die Sorgeberechtigten zu verstehen, sondern alle Erwachsenen aus dem Umfeld der Kinder und Jugendlichen, die bereit sind, Verantwortung fĂŒr sie zu ĂŒbernehmen. D. h. »Eltern« in diesem Sinne können auch GroĂeltern, Onkel und Tanten, Pflegeeltern, Heimeltern, erwachsene Geschwister, Freunde, Bekannte und Nachbarn sein. Ferner sind auch die Kinder und Jugendlichen selbst wichtige Partner, die unbedingt in die Kooperation zwischen ihren Eltern und LehrkrĂ€ften einbezogen werden mĂŒssen (
Kap. 3.4).
2.3 Modell der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft
Schwierige Situationen in der Kommunikation und Kooperation zwischen Schule und Elternhaus lassen sich weitgehend vermeiden oder doch jedenfalls ein StĂŒck weit entschĂ€rfen, wenn die partnerschaftliche Beziehung zwischen Schule und Elternhaus etwa nach den Standards organisiert wird, welche die amerikanische Parent-Teacher-Association formulierte (National Parent Teacher Association, 2007; National Parent Teacher Association, 2008; National Parent Teacher Association, 2009). Diese Standards beruhen auf dem internationalen Forschungsstand und sind im englischsprachigen Raum weit verbreitet und etabliert. Die an deutsche VerhĂ€ltnisse angepasste Fassung, welche in Abbildung 2 dargestellt ist, wurde im Rahmen von Projekten der »Vodafone-Stiftung« (2013) und der »Stiftung Bildungspakt Bayern e. V.« (2014) entwickelt.
Abb. 2: Modell der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft (Weiterentwicklung von Sacher, 2014a, S. 33)
Die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus zielt letztlich darauf ab, den Schul- bzw. Lernerfolg und die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Grundvoraussetzung dafĂŒr, dass ihr dies gelingt und sie â wie in der Abbildung dargestellt â eine entsprechende Wirkung erreicht,...