Smart Factory
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Einsatzfaktoren - Technologie - Produkte

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Smart Factory

Einsatzfaktoren - Technologie - Produkte

About this book

In einer Smart Factory koordinieren Maschinen selbststĂ€ndig Fertigungsprozesse, kooperieren motorisierte Serviceroboter in der Montage mit Menschen und Maschinen und erledigen fahrerlose Transportsysteme eigenstĂ€ndig LogistikauftrĂ€ge. Maschinen, Werkzeuge oder Transportmittel sind dazu mit Sensoren, Prozessoren und Aktoren ausgestattet, durch die Informationen aufgenommen, verarbeitet und darauf aufbauende Handlungen ausgelöst werden. Dadurch lassen sich alle Instanzen einer Wertschöpfungskette mit Informationen versorgen, was eine netzwerkĂŒbergreifende Produktionskooperation ermöglicht. Dies unterstĂŒtzt die Vision einer wirtschaftlich sinnvollen Herstellung der LosgrĂ¶ĂŸe Eins. Die Beitragsautoren diskutieren den aktuellen Stand, die technischen Voraussetzungen und die perspektivischen Möglichkeiten eines konsequenten Übergangs von der klassischen Produktionsweise zur Smart Factory.

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Information

Year
2020
eBook ISBN
9783170364707
Edition
1
Subtopic
Operations

1 Smart Factory – EinfĂŒhrung

Marion Steven, Jan Niklas Dörseln1

1.1 Entstehung und Bedeutung der Smart Factory
1.2 Digitalisierung
1.3 Einsatzfaktoren
1.4 Technologie
1.5 Prozesse
1.6 Logistik
Literaturverzeichnis

1.1 Entstehung und Bedeutung der Smart Factory

In erster NĂ€herung versteht man unter Industrie 4.0 die DurchfĂŒhrung von industriellen Produktionsprozessen mithilfe von hochentwickelten Informations- und Kommunikationstechnologien. Voraussetzung dafĂŒr ist eine durchgĂ€ngige Digitalisierung und Vernetzung der an der Leistungserstellung beteiligten Objekte – also Maschinen, Werkzeuge, WerkstĂŒcke, LadungstrĂ€ger, Fahrzeuge usw. – sowie sĂ€mtlicher Prozessschritte. Seit der Begriff Industrie 4.0 im Jahr 2011 auf der Hannover Messe Industrie vorgestellt wurde, hat er sowohl in der wissenschaftlichen Diskussion als auch in Politik und Praxis zunehmende Aufmerksamkeit erhalten. Bei der Transformation der Gesamtwirtschaft bzw. der einzelnen Unternehmen zu Industrie 4.0 handelt es sich um eine interdisziplinĂ€re Aufgabe, bei der Fachleute aus den Ingenieurwissenschaften, vor allem Maschinenbau, Elektrotechnik, Mess- und Automatisierungstechnik, der Informatik und den Wirtschaftswissenschaften zusammenarbeiten mĂŒssen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Volkswirtschaften ist die Industrie in Deutschland nach wie vor das RĂŒckgrat der Wirtschaft (vgl. Kagermann 2017, S. 235). Die Bruttowertschöpfung des Verarbeitendes Gewerbes belief sich 2018 auf 786,9 Mrd. Euro bzw. 25,8% des Bruttoinlandsprodukts (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft 2019, S. 25). Um auf diesem hohen Niveau wettbewerbsfĂ€hig zu bleiben, mĂŒssen die produzierenden Unternehmen die sich aus der Digitalisierung der Wertschöpfungsprozesse ergebenden Möglichkeiten aktiv nutzen. Der Verband BITKOM sieht das volkswirtschaftliche Potential von Industrie 4.0 in 2025 bei 78,77 Mrd. Euro, davon entfallen 61,94 Mrd. Euro auf das Verarbeitende Gewerbe (vgl. BITKOM 2014, S. 8).
Die auch als vierte Industrielle Revolution bezeichnete Digitalisierung des Fertigungsbereichs und der ihm vor- und nachgelagerten betrieblichen Funktionen fĂŒhrt dazu, dass sich die automatisierten Fabriken, die aus der dritten industriellen Revolution (vgl. z. B. Steven 2019, S. 18 ff.) hervorgegangen sind, zu intelligenten Fabriken bzw. Smart Factories weiterentwickeln. Diese unterscheiden sich sowohl in ihrem organisatorischen Aufbau als auch bezĂŒglich der zur Produktionsplanung und -steuerung eingesetzten Verfahren teilweise erheblich von ihren VorgĂ€ngern.
Die Smart Factory gilt als das HerzstĂŒck von Industrie 4.0 (vgl. LĂŒnendonk GmbH 2016, S. 9). Eine wesentliche Voraussetzung fĂŒr eine smarte Fabrik ist die umfassende Digitalisierung und Automatisierung der Produktionsmittel, die ĂŒber verschiedene Ebenen hinweg erfolgt. Werkzeuge, Maschinen, Lagersysteme und Transportmittel wandeln sich zu cyberphysischen Systemen (CPS) bzw. cyberphysischen Produktionssystemen (CPPS), indem sie mit Embedded Systems, bestehend aus Sensoren, Prozessoren und Aktoren, erweitert werden. Diese kommunizieren untereinander, aber auch ĂŒber Mensch-Maschine-Schnittstellen mit den Mitarbeitern ĂŒber das Internet der Daten, Dinge und Dienste, so dass sĂ€mtliche Instanzen in einer Wertschöpfungskette in Echtzeit mit den fertigungsrelevanten Informationen versorgt werden können. Dies fĂŒhrt zu einer zunehmenden Bedeutung der InformationsflĂŒsse in der Fabrik der Zukunft.
Im Internet der Dinge wird jedes Objekt ĂŒber seine IP-Adresse mit einer eindeutigen IdentitĂ€t versehen. So kann z. B. ein Fahrzeug die Information ĂŒber seinen aktuellen Standort oder eine Maschine die Information ĂŒber ihren aktuellen Betriebszustand fĂŒr andere Instanzen in der Wertschöpfungskette bereitstellen. Auch die – hĂ€ufig kundenindividuell konzipierten – Produkte können als Smart Objects in den Informationsfluss eingebunden werden, so dass es zu einer umfassenden VerknĂŒpfung der physischen Welt der Objekte mit der virtuellen Welt der digitalen Daten kommt. Die intelligente Vernetzung der Fertigungsobjekte ermöglicht eine weitgehend automatisierte, dezentrale und echtzeitnahe Abstimmung von Maschinen und AblĂ€ufen in der Smart Factory. Intelligente Maschinen planen und koordinieren idealerweise selbststĂ€ndig ihre Fertigungsprozesse, motorisierte Serviceroboter kooperieren in der Montage mit Menschen und Maschinen, fahrerlose Transportfahrzeuge erledigen eigenstĂ€ndig LogistikauftrĂ€ge.
In der Zukunftsvision einer Smart Factory steuern sich die WerkstĂŒcke bzw. AuftrĂ€ge mithilfe von aktiven RFID-Chips, internen und externen Netzwerken und ĂŒber eindeutige IP-Adressen selbst durch die Fertigung und fordern autonom ihren Materialbedarf und die benötigten KapazitĂ€ten bei den jeweils als nĂ€chstes in der Maschinenfolge vorgesehenen Fertigungseinrichtungen oder den benötigten smarten LadungstrĂ€gern und Transportmitteln an. Sie sind eindeutig identifizierbar, können jederzeit lokalisiert werden und kennen zu jedem Zeitpunkt sowohl ihre bisherige Fertigungshistorie und ihren aktuellen Zustand als auch die noch ausstehenden Bearbeitungen. Weiter kennen sie verschiedene Pfade, um ihren Zielzustand zu erreichen. Die daraus resultierende große FlexibilitĂ€t bezĂŒglich der Wege durch die Fertigung fĂŒhrt dazu, dass auf wechselnde Kundenanforderungen und sogar auf kurzfristige ÄnderungswĂŒnsche umfassend reagiert werden kann. Dabei lĂ€sst sich vielfach die als One Piece Flow bezeichnete LosgrĂ¶ĂŸe Eins zu den Kosten der Massenfertigung erreichen.
FĂŒr die Fertigung in einer Smart Factory mĂŒssen physische und digitale Prozesse synchronisiert, automatisiert und optimiert werden, um die Unternehmen in die Lage zu versetzen, in Echtzeit auf beliebigen GerĂ€ten von ĂŒberall Einblicke in die AblĂ€ufe auf dem Shop Floor nehmen zu können, damit sofort auf Zielabweichungen reagiert werden kann. Um dies zu realisieren, ist eine Weiterentwicklung der bislang genutzten Planungs- und Steuerungssysteme fĂŒr Produktion und Logistik erforderlich, die sowohl die vielfĂ€ltige Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure also auch die umfassenden Möglichkeiten der speicherprogrammierbaren Steuerungen auf der operativen Ebene berĂŒcksichtigen muss (vgl. Seitz 2015, S. 303 ff.). Dazu ist eine durchgĂ€ngige Integration sĂ€mtlicher Ebenen der Automatisierungspyramide – von der Prozessebene bis zur Unternehmensebene – erforderlich.
HĂ€ufig eingesetzte Instrumente in Smart Factories sind Augmented Reality (AR) bzw. Virtual Reality (VR). Diese erlauben die Simulation von AblĂ€ufen mithilfe eines digitalen Zwillings bzw. die UnterstĂŒtzung von Mitarbeitern, die an entfernten Orten tĂ€tig sind, mit digitalen Ad hoc-Informationen. Der Umfang und das Tempo der in Industrie 4.0 anfallenden Datenmengen (Big Data) sind nur mithilfe von dynamischen Analysemethoden zu bewĂ€ltigen, die in der Lage sind, schnell die relevanten Strukturen und ZusammenhĂ€nge zu erkennen.
Ein weiterer Trend in der Organisation von Wertschöpfungsprozessen, der durch die schnelle und ubiquitĂ€re VerfĂŒgbarkeit von Informationen unterstĂŒtzt wird, ist die zunehmende Kooperation von Smart Factories, bei der die einzelnen Prozessschritte ĂŒber die Unternehmensgrenze hinweg auf denjenigen Partner in einem Industrie 4.0-Netzwerk verlagert werden, der ĂŒber die entsprechenden Kompetenzen und KapazitĂ€ten verfĂŒgt. Ein Industrie 4.0-Netzwerk umfasst Lieferanten, Produzenten, Logistikdienstleister und AbsatzkanĂ€le, die sich intelligent vernetzen und z. B. auch ĂŒber Cloud-Anwendungen, d. h. die Nutzung von externen ServerkapazitĂ€ten zur Speicherung von Daten und Bereitstellung von Anwendungen innerhalb des Netzwerks, abstimmen. Die QualitĂ€t der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit hĂ€ngt wesentlich von der effektiven und effizienten Abwicklung der Logistikprozesse ab, so dass eine Logistik 4.0 erforderlich wird.
Zur UnterstĂŒtzung der Unternehmen bei der Umsetzung von Industrie 4.0 wurde u. a. die Plattform Industrie 4.0 ins Leben gerufen, in der ĂŒber 300 Akteure aus Wirtschaft, VerbĂ€nden, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik konstruktiv zusammenarbeiten. Neben dem Informationsaustausch hinsichtlich der Möglichkeiten zur digitalen Transformation der Industrie werden in verschiedenen Arbeitsgruppen Handlungsempfehlungen, LeitfĂ€den und Publikationen erstellt. Die Online-Landkarte Industrie 4.0 ermöglicht einen stets aktuellen Überblick ĂŒber bereits erfolgreich umgesetzte Industrie 4.0-Lösungen (vgl. BMWi 2018). Aktuell wird der Umsetzungsstand von Industrie 4.0 in der deutschen Industrie als gering eingeschĂ€tzt (vgl. Rösch 2019), so dass ein erheblicher Handlungsbedarf besteht.
In dem vorliegenden Sammelband werden der aktuelle Stand sowie zukĂŒnftige Potentiale und Implikationen des Forschungsgebiets Smart Factory aus verschiedenen fachlichen Perspektiven aufgearbeitet. Dabei wird insbesondere untersucht, von welchen Faktoren der Erfolg und die WettbewerbsfĂ€higkeit einer Smart Factory abhĂ€ngen. Die einzelnen Beitragsautoren, renommierte Fachleute der Produktionswirtschaft und verwandter Disziplinen, diskutieren die technischen Voraussetzungen und die perspektivischen Möglichkeiten eines konsequenten Übergangs von der traditionellen Produktionsweise zur Smart Factory, dem – nicht nur nach Ansicht der Beteiligten – eine zentrale Bedeutung fĂŒr die ZukunftsfĂ€higkeit des Standorts Deutschland zukommt.
Abbildung 1 gibt einen Überblick ĂŒber den inhaltlichen Zusammenhang der BeitrĂ€ge, die fĂŒnf aufeinander aufbauenden Themenfeldern zugeordnet sind. Im Anschluss an grundlegende AusfĂŒhrungen zur Digitalisierung orientiert sich die Reihenfolge der Themenfelder am betrieblichen Wertschöpfungsprozess.
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Abb. 1: Smart Factory – Überblick ĂŒber den Aufbau
‱ In Themenfeld I »Digitalisierung« wird die Bedeutung dieser Basistechnologie von Industrie 4.0 fĂŒr den Aufbau und die AblĂ€ufe in einer Smart Factory untersucht.
‱ Themenfeld II »Einsatzfaktoren« befasst sich mit den verĂ€nderten Anforderungen an die Materialwirtschaft bzw. die Personalwirtschaft, die sich aus der digitalisierten Wertschöpfung ergeben.
‱ Gegenstand von Themenfeld III »Technologie« sind die Fertigungstechnologien, die in einer Smart Factory zur Anwendung kommen.
‱ Darauf aufbauend stehen in Themenfeld IV »Prozesse« die VerĂ€nderungen bei den Planungs- und Transformationsprozessen in der Smart Factory im Mittelpunkt.
‱ Den Abschluss bildet das Themenfeld V »Logistik«, in dem die wesentlichen VerĂ€nderungen behandelt werden, die bei den unternehmensĂŒbergreifenden Wertschöpfungsprozessen auftreten.

1.2 Digitalisierung

Das Bundesministerium fĂŒr Wirtschaft und Energie definiert die Digitalisierung als die umfassende datentechnische Vernetzung aller Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft in Verbindung mit der FĂ€higkeit, relevante Informationen zu sammeln, zu analysieren und in Handlungen umzusetzen. Durch die Digitalisierung wird die physische mit der virtuellen Welt verknĂŒpft (vgl. BMWi 2015, S. 3). Der Prozess der Digitalisierung hat mit der wirtschaftlichen Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung in der Mitte des 20. Jahrhunderts begonnen und sich seitdem immer weiter beschleunigt. Auch fĂŒr die bei Industrie 4.0 erfolgende VerknĂŒpfung von realer und virtueller Welt ist die Digitalisierung eine grundlegende Voraussetzung, die daher im ersten Themenfeld behandelt wird. Sie erfolgt einerseits auf der Ebene der vom Unternehmen erbrachten Leistungen und andererseits auf der Ebene der Produktionsprozesse und AblĂ€ufe.
Die Digitalisierung der Leistungen fĂŒhrt zu smarten Produkten, smarten Services sowie smarten Produkt-Service-Systemen. Voraussetzung fĂŒr das erfolgreiche Angebot digitaler Leistungen ist die durchgĂ€ngige Digitalisierung des Erstellungsprozesses, die bereits bei der Produktentwicklung einsetzen und den gesamten Produktlebenszyklus umfassen muss. Damit befasst sich der Beitrag Digital Engineering – Basis fĂŒr Smarte Produkte und Services von Detlef Gerhard. Er zeigt auf, wie die unterschiedlichen Methoden, Werkzeuge, Modelle und Prozesse des Digital Engineering zusammenwirken und welche VerĂ€nderungen der Engineering-Prozess dadurch erfĂ€hrt. Inhaltliche Schwerpunkte sind dabei die UnterstĂŒtzung der verschiedenen Engineering-Phasen durch das Cloud Computing auf der Datenebene und die kĂŒnstliche Intelligenz, durch die insbesondere die Lebenszyklusorientierung unterstĂŒtzt werden kann.
Die Verschlankung von AblĂ€ufen durch die Digitalisierung steht im Mittelpunkt des Beitrags Lean Digitalization – Durchlaufzeitenoptimierung in a...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 Smart Factory – EinfĂŒhrung
  7. I Digitalisierung als Grundlage der Smart Factory
  8. II Einsatzfaktoren
  9. III Technologie
  10. IV Prozesse
  11. V Logistik