Vielfalt in Unternehmenskulturen
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Vielfalt in Unternehmenskulturen

Auf gute Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Wertvorstellungen?

Guido Möllering

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Vielfalt in Unternehmenskulturen

Auf gute Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher Wertvorstellungen?

Guido Möllering

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Geht es um Unternehmenskultur, ist es gängige Praxis, von DER Unternehmenskultur zu sprechen. Doch entspricht dies der Realität? Die vorliegende Publikation zeigt, dass es in Organisationen mit den vorhandenen Subkulturen Vielfalt auch innerhalb der Unternehmenskultur gibt – und welche Vorteile sich daraus ergeben, wenn man sie richtig einzusetzen weiß.Die Art und Weise, wie in Organisationen zusammengearbeitet wird, ist dabei immer auch Ausdruck der vorhandenen Unternehmenskultur(en), da sie bestimmten Werten und Grundannahmen zugrunde liegt und Mittel wie auch zugleich Ergebnis von Problemlösungsprozessen ist.Die Studie "Vielfalt in Unternehmenskulturen" greift die Spannungen zwischen bisherigen sowie zukünftigen Führungs- und Arbeitsformen in Organisationen auf und gibt Anregungen, wie diese nicht nur überbrückt, sondern auch genutzt werden können.Anhand eines empirisch fundierten Fallbeispiels über die Einführung von agilem Management werden die Chancen, aber auch die Herausforderungen für Führungskräfte und Mitarbeitende verdeutlicht. Praxisnah und informativ zeigt die Studie die Vorteile eines vielfältigen kulturellen Repertoires für Organisationen auf.Diese Publikation richtet sich insbesondere an aktive und zukünftige Führungskräfte, Beraterinnen und Berater und alle anderen, die Organisationen hinsichtlich neuer Führungs- und Arbeitsformen begleiten.

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Information

Year
2020
ISBN
9783867939034
Edition
1
Subtopic
Management

Fallbeispiel: Neue Kultur in der alten – CAR wird agil(er)

Diffuser Veränderungsdruck und der Reiz des Neuen

Welche (unternehmens-)kulturellen Werkzeuge können in Unternehmen von Führungskräften und Mitarbeitenden neu entwickelt werden? Die in den vorigen Abschnitten dargestellten Themen und Herausforderungen rund um diese Frage betrachten wir nun anhand des konkreten Fallbeispiels eines Unternehmens, das wir vom Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI) an der Universität Witten/Herdecke längere Zeit forschend begleitet haben. In Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg wurde umfangreiches Datenmaterial gesammelt, wurden Dutzende Gespräche geführt, Meetings und Workshops beobachtet sowie Dokumente ausgewertet (vgl. Anhang sowie Frost et al. 2018). Durch gute Kontakte zu ähnlichen Unternehmen war es möglich, die Einblicke abzugleichen und typische Entwicklungen herauszuarbeiten, die im Folgenden beschrieben werden. Wir dokumentieren die individuelle Anpassung des Konzepts einer neuen, agilen Führungs- und Arbeitsweise innerhalb einer fest etablierten Unternehmenskultur.
Es handelt sich um einen sehr großen Konzern mit einer breiten Produkt- und Produktionspalette, zahlreichen Tochtergesellschaften und Niederlassungen weltweit vom Gewicht eines DAX-Unternehmens. Es soll anonym bleiben; deshalb wird es hier CAR genannt und es werden auch sonst keine Originalnamen oder -bezeichnungen verwendet, sondern Pseudonyme. Was in diesem Unternehmen in den letzten zwei bis drei Jahren geschehen ist, erleben heute Führungskräfte auch in vielen anderen Unternehmen. So werden Sie bestimmt in der folgenden – unweigerlich vereinfachten und an einigen Stellen bewusst pointierten – Darstellung vieles wiedererkennen, aber auch Neues und Unerwartetes sehen, andere Blickwinkel einnehmen und alternative Handlungsmöglichkeiten erkennen, wie neue und etablierte Elemente einer Unternehmenskultur vereinbart werden können.
CAR ist das Paradebeispiel eines deutschen Konzerns, der streng hierarchisch aufgebaut und bürokratisch strukturiert ist. Auf diese Weise konnte er so groß werden, wie er es heute ist. Die Art der Produkte ermöglichte und erforderte bisher geradezu die Trennung von Produktentwicklung, Fertigung, Einkauf, Marketing und Vertrieb. Die übergreifende und einerseits stark zentralisierte, andererseits auch ausdifferenzierte Verwaltung arbeitet planbasiert und vorwiegend vertikal, mit wenigen horizontalen Verbindungen. Heute nennt man das abwertend Silos und vergisst die eigentlich wünschenswerten Skalen- und Spezialisierungseffekte dieser Strukturen, denn sie scheinen nicht mehr den Anforderungen einer dynamischen und unberechenbaren Unternehmensumwelt zu entsprechen.
Doch wie äußerte sich der Eindruck bei CAR, dass die Strukturen nicht mehr zu den Umweltanforderungen passen? Und was hat das mit Unternehmenskultur(en) zu tun? In den Gesprächen hörte man häufiger Einschätzungen wie diese eines Entwicklungsingenieurs:
„Wir sind einfach zu langsam, obschon wir heute nur noch halb so lange brauchen wie früher. Wir bekommen es vom Vorstand zu hören und sehen es ja auch selbst, dass andere einfach noch schneller sind und wir neue Konkurrenten haben, die aus dem Nichts kommen und anscheinend ganz anders arbeiten als wir.“
CARs geballte Expertise und Erfahrung in der Entwicklung und Fertigung seiner Produkte haben zu einem System perfektionierter Prozesse geführt, die es nicht dem Zufall überlassen, ob am Ende zuverlässige und hochwertige Erzeugnisse für globale Massenmärkte herauskommen und Investitionen sich rentieren. Dieses System, das Prozesse bis ins Detail vorschreibt und in der Ausführung akribisch dokumentiert, gibt Sicherheit, kann aber auch beklemmend wirken, wie etwa folgender Aussage eines Teamleiters zu entnehmen ist:
„Ich habe den Anspruch, dass die Elemente, für die wir zuständig sind, den vorgegebenen Spezifikationen zu 100 Prozent entsprechen, und wir würden so lange weiter daran arbeiten, bis es passt, doch wir wissen nicht, ob der Kunde das eigentlich braucht oder vielleicht sogar etwas anderes will. Da verlassen wir uns einfach auf die Vorgaben.“
Mit dieser Arbeitsweise lief bis vor einiger Zeit alles in geregelten Bahnen und man war auf der sicheren Seite. Allerdings spürten viele CAR-Führungskräfte und Mitarbeitende schon länger, dass ihr Unternehmen auf diese Weise behäbig geworden war, und sie fühlten sich eingeengt:
„Jeder schaut nur auf seinen kleinteiligen Bereich und will seine Arbeit möglichst perfektionieren. Dabei schauen wir kaum links und rechts auf die Bereiche der anderen Kollegen.“ (Techniker)
Bisher haben Führungskräfte und Mitarbeitende das Spezialistentum bei CAR als den Preis dafür gesehen, im Konzern Sicherheit und ein gutes Auskommen zu haben. Die Aufgabenbereiche sind nicht sehr abwechslungsreich und die Karrierewege eher langsam und eng, doch man profitiert vom Wachstum des Unternehmens und der gegenseitigen Loyalität. Was aber, wenn das Unternehmen insgesamt oder einzelne Werke und ihre Belegschaften unter Druck geraten, weil sie nicht mehr mithalten können?
Aus einem der Gespräche mit einem neuen Bereichsleiter eines CAR-Standorts, der genauer erforscht wurde, war zu erfahren, dass er unmittelbar erkannte, dass sich etwas ändern muss. Er sah, dass die Mitarbeitenden sich Sorgen machten und frustriert waren. Er wollte ein zukunftsweisendes Projekt starten, das sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Arbeitsweise vom Bisherigen unterscheidet. Damit würde man allerdings das Bestehende in Frage stellen. Wie sollte das in CARs Silosystem möglich sein? Drei Elemente in CARs Unternehmenskultur waren hierbei nicht zu unterschätzen:
1.Vorgezeichnete Karrierewege und Status: Wer gute Arbeit leistet, steigt langsam, aber sicher auf. Wer aufgestiegen ist, dessen Status ist sichtbar im Kürzel auf seiner Visitenkarte und in seiner E-Mail-Signatur, das Insider entschlüsseln und erkennen können und in Anspielung auf militärische Dienstabzeichen „Lametta“ nennen. Den Status hat man sich hart erarbeitet und lässt ihn sich nicht so einfach nehmen.
2.Fachliche Expertise und Zuständigkeiten: Als Ausdruck der Fachausbildung und langjähriger Erfahrung hängt man an seinem angestammten Aufgabenbereich und kann sich nicht vorstellen, dass Fachfremde in die eigene Arbeit hineinreden. Was zu einem Dünkel werden kann, beruht eigentlich auf besten Absichten: Fachexpertise und Professionalität. Wie soll jemand, der ein Problem kaum versteht, es besser lösen als jemand, der schon viele ähnliche Probleme gelöst hat?
3.Vertikale Kommunikation und Koordination: Die Abstimmung und Qualitätssicherung erfolgt auf den höheren Ebenen, während die einzelnen Fachbereiche ihre Vorgaben abarbeiten können und sich dazu nicht austauschen müssen. Jeder trägt seinen Teil bei und verlässt sich darauf, dass das große Ganze passt und Entscheidungen durch Vorgesetzte getroffen werden, die auch die entsprechende Verantwortung tragen.
Wir sahen bei CAR, dass diffuser Veränderungsdruck und der allgemeine Reiz des Neuen, der in vielen Gesprächen zum Ausdruck kam, in einer solchen Unternehmenskultur nicht ausreichten, um Wandel hervorzubringen. Es musste eine konkrete Idee geben und die Gelegenheit, etwas anders zu machen. Es war überaus interessant, dass der zuvor zitierte Bereichsleiter teils intuitiv, teils klar kalkuliert ein Projekt startete, das zunächst nicht zu viel ungewollte Aufmerksamkeit erzeugte, aber ein pointiertes Signal an die Belegschaft und Geschäftsführung sendete: Es geht auch anders. Dessen war er sich sicher, weil er es schon in einem anderen Bereich gesehen hatte. Nun wollte er aber auch in dieser bestimmten CAR-Tochtergesellschaft etwas bewegen.
Zusammengefasst war die Ausgangssituation in dem untersuchten Fallbeispiel also wie folgt: In der Belegschaft einschließlich der Führungskräfte spürte man einen Veränderungsdruck und hoffte eigentlich auf Veränderungen, dies aber auch mit einer gewissen Sorge und zudem nur diffusen Vorstellungen, welche Veränderungen hilfreich wären. Der neue Bereichsleiter wiederum traute sich zu, mit einem konkreten, aber begrenzten Projekt den Anfang der Veränderungen anzustoßen.

Erstaunliche Projektergebnisse und die Entdeckung der Agilität

Im Forschungsprojekt wurde genauer angeschaut, wie das besagte Projekt angelegt war und welche Effekte es hatte. Das später als wegweisende Maßnahme erkannte Projekt brachte nicht etwa gleich den ganzen Standort durcheinander. Stattdessen gab der Bereichsleiter allen seinen Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich freiwillig an einem neuen Projekt zu beteiligen, bei dem es augenscheinlich erst einmal nur darum ging, eine andere Arbeitsweise kennenzulernen und auszuprobieren. Es war nur eine Art Personalentwicklungsmaßnahme. Obschon dieses Projekt keine reine Spielerei sein durfte, war die Aufgabenstellung durchaus verspielt: Es sollte ein Produkt entwickelt werden, das einen Bogen schlagen würde von der Nostalgie eines alten CAR-Klassikers hin zur innovativen Vision eines zukunftsweisenden Produkts. Zunächst ging es nur um die ersten Schritte im üblichen Entwicklungsprozess, die Pilotphase, die aber anders als sonst ablaufen sollte.
Eine erste Frage, die man sich nun stellen kann, ist, warum überhaupt irgendjemand dabei freiwillig mitgemacht hat. Hier zeigen sich, wie oben bereits angesprochen, der Frust einerseits und der Reiz des Neuen andererseits. Viele dachten so wie folgt:
„Warum eigentlich nicht? Hier ist vieles so eingefahren und das Projekt sieht spannend aus. Dass es hierarchiefrei und selbstorganisiert sein soll, klingt irgendwie gar nicht nach CAR, macht es aber umso interessanter. Meine normalen Aufgaben habe ich ja trotzdem noch.“
In der Tat bekamen die Teilnehmenden am Projekt TRY nur ein grobes Briefing der Aufgabenstellung und explizit viele Freiheiten, wer wie woran arbeitete. Von außen war es interessant zu beobachten, dass die Führungskräfte sich fast gar nicht beteiligten. Die Freiwilligen kamen fast ausschließlich aus den nachgeordneten Rängen.
Das Projektergebnis erstaunte alle. Fast ohne eigenes Budget, mehr oder weniger nebenbei, entstand in kürzester Zeit ein absolut präsentabler und durchdachter Mock-up des neuen Produktes, auf den alle Beteiligten stolz waren und der sogar die Aufmerksamkeit der Konzernzentrale auf sich zog. Es wurde ernsthaft erwogen, das TRY-Produkt weiterzuentwickeln, obwohl es ja nur Gegenstand einer Personalentwicklungsmaßnahme und nicht Teil der Produktstrategie des Konzerns war. Folgende Aussage eines Ingenieurs zeigt die allgemeine Überraschung und Freude:
„Das Ding ist so gut geworden, dass wir es kaum glauben konnten, zumal es sehr schnell gehen musste und zeitweise ziemlich chaotisch zuging. Jetzt wird das Ergebnis sogar dem Konzernvorstand vorgestellt!“
Die nicht beteiligten Führungskräfte und auch die Projektbeteiligten konnten sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht erklären, wie das TRY-Projekt so gut laufen konnte, denn – so kann man es interpretieren – ihre üblichen Erklärungsmuster für erfolgreiche Projektarbeit griffen nicht, da dieses Projekt nach ganz anderen Regeln ablief. Zeitdruck war natürlich auch im normalen, stark standardisierten Produktentwicklungsprozess bei CAR nichts Ungewöhnliches, ebenso bestimmte kurzfristige Maßnahmen, etwa Task-Forces für besonders kritische Probleme und Engpässe. Die Spontaneität und Improvisationskunst war jedoch bei TRY von einer ganz anderen Art. Hier kümmerte man sich einfach um das, was noch nötig war, auch wenn das nicht im angestammten Bereich lag. Zwar fühlte man sich zu Aufgaben hingezogen, die einem fachlich lagen, aber es gab keine feste Zuordnung. Dieser Modus war nicht typisch CAR, sondern das Gegenteil. Einige langjährige Mitarbeiter fühlten sich an die Zeit erinnert, als das entsprechende Werk noch nicht zu CAR gehörte und man vergleichsweise weniger hierarchisch und unbürokratisch gearbeitet hatte. Doch TRY setzte sich auch von der damaligen Kultur deutlich ab. So viel Freiheit war ungewöhnlich, teils auch ungewohnt. Aber der Erfolg – das Ergebnis, die Anerkennung – gab TRY Recht. Das Neue hatte funktioniert.
Die Frage, die sich nun stellte und die im Forschungsprojekt näher untersucht wurde, war, ob man die Erfahrungen des singulären TRY-Projekts auf reguläre Projekte würde übertragen können. Dieser Frage sahen sich der Bereichsleiter und mit ihm seine Führungsriege gegenüber. Als nächste große Herausforderung stand ein Entwicklungsprojekt an, von dem die Zukunft dieses CAR-Standorts abhängen konnte und bei dem man nicht viel Zeit haben würde. Sollte man dieses Projekt weitgehend so wie TRY angehen? Unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenskultur und wie sie sich in bisherigen und neuen Projekten bei CAR äußert, ist besonders interessant, dass in dem TRY-Projekt Konzepte wie „hierarchiefrei“ und „selbstorganisiert“ verwendet wurden. Aber erst mit dem nächsten Projekt nach TRY tauchte der Begriff „Agilität“ auf. Es ist nicht genau rekonstruierbar, wann er von wem zuerst ins Spiel gebracht wurde. Aber es ist klar, dass man ihn im Nachh...

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