Die Service-Public-Revolution
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Die Service-Public-Revolution

Corona, Krisen, Kapitalismus - eine Antwort auf die Krisen unserer Zeit

Beat Ringger, CĂ©dric Wermuth

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Die Service-Public-Revolution

Corona, Krisen, Kapitalismus - eine Antwort auf die Krisen unserer Zeit

Beat Ringger, CĂ©dric Wermuth

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Die Corona-Krise hat praktisch ĂŒber Nacht alte Sicherheiten infrage gestellt. In ungeahnter Deutlichkeit ist offensichtlich geworden, wie krisenanfĂ€llig unser System ist und wie verletzlich nicht nur die "Schwachen", sondern auch die vermeintlich "Starken" sind.Beat Ringger und CĂ©dric Wermuth erheben leidenschaftlich die Stimme gegen eine Politik, die sich unfĂ€hig zeigt, den inzwischen mannigfachen Krisen unserer Zeit zu begegnen: Klima, Ungleichheit, Care. Sie stellen dem Nihilismus des Profits eine politische Ethik des guten Lebens fĂŒr alle entgegen. Sie fragen, was das fĂŒr die Zukunft unserer Gesellschaft nach Corona bedeutet. DafĂŒr entwerfen Ringger und Wermuth einen realistischen und zugleich kĂŒhnen Plan: die Service-Public-Revolution. Denn die Covid-19-Pandemie deckt auf, wie brĂŒchig Gesundheitsversorgung und Existenzsicherung in vielen LĂ€ndern sind. Nur wenn wir die ReichtĂŒmer dieser Welt drastisch rĂŒckverteilen und die zentralen Infrastrukturen unserer Gesellschaft der destruktiven Profitlogik entziehen, können wir dem permanenten Krisenmodus entkommen. Die notwendigen Schritte auf diesem Weg zeigt dieses Buch.

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Information

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TUN, WAS DEN MENSCHEN DIENT, UNTERLASSEN, WAS IHNEN SCHADET

Service public, Dienst an der Allgemeinheit, Dienst an den Menschen – das bringt auf den Punkt, worum es uns geht. Menschen gehen untereinander eine Vielzahl von Verbindungen ein. Dabei entsteht ein dynamisches GefĂŒge, ein Geflecht von Regeln, Diensten, von gemeinsamen Ressourcen, von AbhĂ€ngigkeiten, Austausch und gegenseitiger Inspiration. All das ist weit mehr als nur die Summe seiner Teile. Der Service public, wie wir ihn verstehen, ist der Kitt, der dieses GefĂŒge zusammenhĂ€lt und seine Weiterentwicklung sichert. Die Aufgabe der Politik wiederum ist es, dieses Geflecht als förderlichen Lebensraum fĂŒr alle zu gestalten und dafĂŒr zu sorgen, dass Konflikte produktiv bewĂ€ltigt werden können.
Service public: Das sind einmal die öffentlichen Dienste im klassischen Sinn, etwa die vielfĂ€ltigen öffentlichen Infrastrukturen. All das, was nötig ist, um uns mit Energie oder Wasser zu versorgen, die erforderlichen Transportdienste bereitzustellen, MĂŒll und AbwĂ€sser zu entsorgen, die Kommunikation untereinander zu ermöglichen und so weiter. Dann die öffentlichen Dienstleistungen: die Gesundheitsversorgung, große Teile des Bildungswesens, Einrichtungen fĂŒr die bedarfsabhĂ€ngige persönliche und soziale UnterstĂŒtzung, die Rechtsprechung, die Durchsetzung von Gesetzen. Dieser klassische Service public beschĂ€ftigt in den modernen Gesellschaften des globalen Nordens typischerweise etwa 20 bis 25 Prozent der ErwerbstĂ€tigen. Diese sind teilweise beim Staat, teilweise aber auch privatrechtlich angestellt.
Eng verzahnt mit diesem Service public sind die Sozialversicherungen (Altersvorsorge, InvaliditĂ€t, Unfall, Krankheit, Erwerbsersatz, Elternschaft, Arbeitslosigkeit) und alle bedarfsorientierten finanziellen Leistungen (in der Schweiz die Sozialhilfe, die ErgĂ€nzungsleistungen, die HilflosenentschĂ€digung). Diese Verzahnung ist so eng, dass in der Schweiz die rechtliche Basis fĂŒr das Gesundheitswesen zu großen Teilen in jenem Gesetzeswerk geregelt ist, das zunĂ€chst einmal zur Ausgestaltung der Krankenversicherung geschaffen worden ist. Die ErgĂ€nzungsleistungen, die ins Spiel kommen, wenn die Rentenleistungen im Alter oder bei InvaliditĂ€t nicht ausreichen, ĂŒbernehmen in vielen FĂ€llen die Rolle einer Pflegeversicherung. Die Regelung dieser ErgĂ€nzungsleistungen bestimmt mit, welche Pflege- und Betreuungsleistungen ĂŒberhaupt erbracht werden können.
All dies beschreibt klassische Vorstellungen dessen, was ein Service public sein soll. Wir sind nun aber ĂŒberzeugt, dass wir diesen beschrĂ€nkten Rahmen sprengen mĂŒssen, wenn wir sicherstellen wollen, dass das gesellschaftliche GefĂŒge auch kĂŒnftig Bestand hat. Dabei mĂŒssen wir auch unsere Vorstellungen davon Ă€ndern, wie sich Wirtschaft und Gesellschaft zueinander verhalten. Nur so werden wir verhindern, dass wir mehr und mehr von dem Strudel von Krisen mitgerissen werden, der bereits deutlich an Sogwirkung gewonnen hat und der die Grundlagen der menschlichen Zivilisation massiv bedroht.
Was ist das Ziel? Ganz einfach: SĂ€mtliche fĂŒr die Allgemeinheit relevanten Organisationen, Institutionen, Unternehmen und Weltkonzerne mĂŒssen das tun, was den Menschen dient, und das unterlassen, was ihnen schadet. DafĂŒr braucht es Regeln und Vorschriften. Doch diese reichen eben nicht aus, solange eine profitorientierte Wirtschaft in der ganzen Gesellschaft den Takt vorgibt und dabei enorme Spannungen erzeugt. Weil die Profitinteressen den öffentlichen Interessen oftmals diametral entgegenstehen, wĂ€chst der Regulierungsbedarf ins Unendliche – und ist dennoch immer ungenĂŒgend und bereits schon ĂŒberholt. Es ist wie in der Geschichte vom Hasen und vom Igel: Der gewinnorientierte Igel ist immer schon da, wenn der Hase der Regulierung angerannt kommt – bis der Hase erschöpft zusammenbricht. Es sind vor allem die profitorientierten Großkonzerne, die Milliarden investieren, um die Gesetzgebung in ihrem Sinn zu beeinflussen oder, wenn das nicht klappt, Mittel und Wege finden, um die Gesetze zu umgehen. Und wenn all das auch nicht hilft, sind ungesetzliche und korrupte GeschĂ€ftspraktiken oft nicht weit.
Deshalb brauchen wir Gesellschaften, die den Profitinteressen der Großkonzerne Paroli bieten. Dies gelingt nur, wenn ihr RĂŒckgrat auf einem starken Service public beruht. Um dahin zu gelangen, brauchen wir den umfassenden Ausbau von Institutionen, von öffentlichen Unternehmen und von Non-Profit-Organisationen, deren Hauptzweck darin besteht, den Menschen, den gesellschaftlichen Einrichtungen und dem Erhalt der LebensrĂ€ume zu dienen – und in nichts anderem. Wir brauchen einen Service public, der das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zu prĂ€gen vermag. Das heißt, wir brauchen eine revolutionĂ€re Ausweitung des Service public.
Die Corona-Krise legt eben gerade offen, was geschieht, wenn das RĂŒckgrat zu schwach ist. In vielen LĂ€ndern ist die Gesundheitsversorgung an den Rand des Zusammenbruchs geraten, weil zu wenig Personal, zu wenig Schutzvorrichtungen und zu wenig Spitalbetten verfĂŒgbar waren. Dies hat Tausende von Menschen das Leben gekostet – auch in den Reihen des Gesundheitspersonals. Dies war auch in einigen LĂ€ndern des globalen Nordens der Fall – insbesondere, wenn sie mit den Folgen einer langjĂ€hrigen AusteritĂ€tspolitik zu kĂ€mpfen hatten. Noch weitaus schlimmer trifft es einige SchwellenlĂ€nder und einige arme LĂ€nder des globalen SĂŒdens. Sie sind mit dem offenen Zusammenbruch ihrer Gesundheitsversorgung konfrontiert. Und nicht nur das: Weil es an öffentlichen Infrastrukturen mangelt (z.B. an einer ausreichenden Versorgung mit Wasser), weil viele Menschen in beengten und hygienisch unzureichenden VerhĂ€ltnissen leben mĂŒssen und weil Einrichtungen der sozialen Sicherheit fehlen oder unzureichend sind, sind Millionen Menschen von Elend und Hunger bedroht. Besonders bedroht ist dabei jene Milliarde Menschen, die in den armen Quartieren der GroßstĂ€dte des globalen SĂŒdens lebt.
Die Krisenresistenz einer Gesellschaft hĂ€ngt entscheidend vom Ausbau ihres Service public ab. Die Corona-Krise mĂŒsste eigentlich hinreichend Anlass sein, damit diese Erkenntnis auch in breiten Teilen des politischen Mainstreams geteilt wird. Vierzig Jahre neoliberale Dominanz haben jedoch einen Berg von Hindernissen aufgetĂŒrmt, die einer solchen Erkenntnis im Weg stehen. Da ist einmal der Umstand, dass die globalen Großkonzerne ihre Machtposition erheblich haben ausbauen können. Dabei ist eine kleine, aber einflussreiche und ultrareiche Elite entstanden, die es verstanden hat, sich massiv zu bereichern und dabei die Gesellschaften finanziell auszubluten, etwa durch den globalen Steuersenkungswettbewerb oder durch die Absicherung von Monopolgewinnen. Diese Eliten haben den Wirkungsraum demokratischer Politik eingeschnĂŒrt und die breite Bevölkerung in die Ohnmacht gedrĂ€ngt. Und nun schrecken sie davor zurĂŒck, der Politik wieder mehr Gestaltungsmacht einzurĂ€umen, aus Furcht, die Bevölkerungen könnten sich entscheidende Machtanteile zurĂŒckholen. Und schließlich haben sich neoliberale Ideolog*innen in Denkfiguren verstrickt, aus denen sie sich kaum mehr befreien können.
Deshalb liegt das Momentum heute immer noch bei den privaten Gewinninteressen und nicht beim Dienst an der Allgemeinheit. Im Grundsatz ist das nichts Neues und schon so, seit sich das Kapital vor 250 Jahren als maßgebende Kraft durchgesetzt hat. Und doch gab es Perioden, in denen das Gemeinwohl erhebliche Gestaltungskraft hatte – etwa in den Zeiten des New Deal in den USA der 1930er Jahre, in der Periode der unmittelbaren Nachkriegszeit sowie wĂ€hrend vieler Jahrzehnte besonders ausgeprĂ€gt in den skandinavischen LĂ€ndern. Doch ist nun nach fast vierzig Jahren Neoliberalismus diese Gestaltungskraft stark beschĂ€digt oder ganz außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig nehmen die SchĂ€den und Verwerfungen durch die Profitwirtschaft ein Ausmaß an, das ein Weiter-so nicht mehr zulĂ€sst. Deshalb muss der Schwerpunkt des Wirtschaftens nun wieder dringend und dauerhaft zugunsten des Gemeinwohls verlagert werden – deshalb braucht es die Service-public-Revolution.
Im diesem dritten Teil des Buchs beschĂ€ftigen wir uns immer wieder auch mit bewussten IrrefĂŒhrungen, TĂ€uschungen und Karikierungen, mit denen die politischen Debatten in den letzten Jahrzehnten durchtrĂ€nkt worden sind. Diese TĂ€uschungen blockieren die Gesellschaft und die Politik auf der Suche nach wirksamen Lösungen und verbauen damit die Zukunft der Menschheit. Und jede dieser LĂŒgen und Karikierungen wird gezielt und bewusst vorangetrieben.

Weiterlesen

Naomi Klein, Die Entscheidung. Kapitalismus vs. Klima, Frankfurt am Main 2015.

DIE STAAT-MARKT-KARIKATUR

Den neoliberalen Vordenker*innen gilt der Markt als der maßgebende Problemlöser – der Staat hingegen wird als großer Apparat karikiert, der nichts lieber tut, als bĂŒrokratischen Speck anzusetzen und die BĂŒrger*innen zu bevormunden. Diese grobschlĂ€chtige GegenĂŒberstellung wird landauf, landab immer wieder bemĂŒht: in den Leitartikeln der Neuen ZĂŒrcher Zeitung, den Parteiprogrammen von Freisinn oder SVP, den ökonomischen LehrbĂŒchern. NZZ-Chefredaktor Eric Guyer befĂŒrchtet, Covid-19 werde nun zum Vorwand genommen, »um eine Renaissance staatlicher Bevormundung [
] zu fordern« (NZZ, 28.3.2020). In der Ausgabe vom 17.4.2020 wird er noch deutlicher: »Auch die Corona-Krise besiegen wir nur mit Selbstverantwortung, nicht mit Seuchen-Sozialismus.« Weiter: »Neue Ideen, die nötige KreativitĂ€t, mit der man Krisen bewĂ€ltigt, haben Individuen und Unternehmen, nicht der Staat. [
] Staatliche ÜberfĂŒrsorge hat ihren Preis. Der Staat entzieht Unternehmen und BĂŒrgern die VerfĂŒgungsgewalt ĂŒber das von ihnen erwirtschaftete Vermögen.«
Die Wirklichkeit spricht allerdings eine deutlich andere Sprache. Die Gesundheitsversorgung ist dafĂŒr ein besonders anschauliches Beispiel, weil sich hier die Kennzahlen von marktorientierten Versorgungssystemen mit denjenigen von Service-public-Systemen (z.B. DĂ€nemark) gut vergleichen lassen und die Datenlage gut ist. Das Ergebnis fĂ€llt fĂŒr die Propagandist*innen der Marktwirtschaft verheerend aus: Die USA haben ein Gesundheitswesen, das im Vergleich aller Industrienationen am stĂ€rksten marktorientiert aufgestellt ist. Die USA haben auch das mit Abstand teuerste Gesundheitswesen der Welt, sowohl was die absoluten Kosten pro Kopf der Bevölkerung angeht als auch hinsichtlich des Anteils der Gesundheitskosten am BIP. Der BIP-Anteil der Gesundheitskosten liegt laut der OECD in den USA bei 17,0 Prozent (2017). Der entsprechende Durchschnittswert aller OECD-LĂ€nder betrĂ€gt 8,7 Prozent. Dieser OECD-Durchschnittswert ist gemessen an den realen Erfordernissen wohl zu tief: In vielen LĂ€ndern ist in den letzten Jahren im Gesundheitsbereich ungebĂŒhrlich gespart worden, wie sich jetzt in der Corona-Krise deutlich zeigt. Aber auch ein Zielwert von 11 Prozent des BIP wird von den USA massiv ĂŒbertroffen, nĂ€mlich um ganze 6 Prozent des US-BIP. Diese 6 Prozent entsprechen 1170 Milliarden US-Dollar – jĂ€hrlich! Und dabei ist das US-System keineswegs das beste. So liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der US-Bevölkerung bei 78,6 Jahren – ganze fĂŒnf Jahre unter derjenigen der Schweiz.
Doch solche Zahlen interessieren die Fans der Marktwirtschaft nicht – und darin unterscheiden sie sich nicht wesentlich von Trump und Co., den LĂŒgenbaronen der Gegenwart. Die meisten liberalen Ökonom*innen behaupten unverfroren und beharrlich, »mehr Markt« wĂ€re auch im Gesundheitswesen wĂŒnschenswert oder gar »segensreich« – so die Wortwahl von Gerhard Schwarz in einem Artikel zum Markt im Gesundheitswesen.24 Die Erfahrungen der USA mit der Privatisierung der Gesundheitsversorgung blenden sie einfach aus.

Blinde Flecken

Bereits der Blick auf die Gesundheitssysteme macht deutlich: Der Markt ist keineswegs immer besser und effizienter als der Staat. Doch ist eine solche simple GegenĂŒberstellung ĂŒberhaupt zielfĂŒhrend? Damit wird ja unterstellt, alles, was nicht Markt ist, sei Staat, und ein Drittes gebe es nicht. Damit aber werden blinde Flecken geschaffen, die unser Bild von der RealitĂ€t um zentrale Dimensionen schrumpfen lĂ€sst. Und damit werden Reichtum und Vielfalt all dessen verborgen, was nicht nach Marktprinzipien funktioniert, ohne dass es deswegen Teil einer Verwaltung sein mĂŒsste. Und das ist eine Menge – in der Summe ist es mehr als alles, was unter dem Diktat von MĂ€rkten und Profiten steht.
Beispiel Vereine: Laut Wikipedia wird ihre Zahl in der Schweiz auf 150’000 bis 200’000 geschĂ€tzt (in Deutschland sind es rund 600’000). Der allergrĂ¶ĂŸte Teil dieser Vereine ist im Non-Profit-Bereich tĂ€tig, etwa im (Breiten-)Sport, in Kultur, Traditionspflege, Sozialhilfe, Naturschutz, Selbsthilfe, Wissensvermittlung, Pflege von Hobbys, Interessensvertretung und Politik. Oft ĂŒbernehmen Vereine dabei parastaatliche oder eigentlich staatliche Aufgaben. So ist in der Deutschschweiz die aufsuchende Betreuung und Pflege (Spitex) zu guten Teilen vereinsrechtlich organisiert.
Zu den Vereinen kommen 13’293 gemeinnĂŒtzige Stiftungen dazu (Stand Ende 2019). Als Stiftung organisiert ist zum Beispiel die TrĂ€gerschaft des Inselspitals Bern, des grĂ¶ĂŸten Schweizer Spitals. Weiter zĂ€hlt die Schweiz rund 9600 Genossenschaften. Zusammengenommen liegt die Zahl der Schweizer Vereine, Stiftungen und Genossenschaften in der gleichen GrĂ¶ĂŸenordnung wie die Zahl der Aktiengesellschaften (2017: 118’424) und der Gesellschaften mit beschrĂ€nkter Haftung GmbH (2017: 107’634) zusammen, den beiden mit Abstand wichtigsten Formen kommerzieller Unternehmen. Kommerzielle und nicht kommerzielle Organisationen halten sich hinsichtlich ihrer Zahl in der Schweiz also etwa die Waage.
Vereine nehmen bei der Gestaltung gesellschaftlicher VerhĂ€ltnisse eine bedeutsame Rolle ein. Sie gelten zu Recht als »Schule der Demokratie«: Die allermeisten Vereine sind intern demokratisch strukturiert. VorstĂ€nde werden gewĂ€hlt, die Finanzen werden jedes Jahr kontrolliert, und die GrundzĂŒge der Vereinspolitik werden durch Mitgliederversammlungen festgelegt. Zu den Genossenschaften wiederum zĂ€hlen in der Schweiz Schwergewichte wie die Migros, Coop, Fenaco (bekannter unter den operativen Namen Landi und Volg), die Raiffeisenbanken, die Mobiliar-Versicherung und eine Vielzahl von Baugenossenschaften. Im Detailhandel haben Genossenschaften einen Marktanteil von ĂŒber 70 Prozent. Stiftungen schließlich haben in aller Regel einen gemeinnĂŒtzigen Zweck.
Mit den Vereinen, Genossenschaften und Stiftungen ist unsere Betrachtung aber noch nicht abgeschlossen. Eine der bedeutsamsten Formen, in der sich Menschen zusammenschließen und viel Zeit verbringen, ist der Haushalt. Die Schweiz zĂ€hlt davon rund 3,8 Millionen. In Haushalten werden jedes Jahr, wir haben es bereits erwĂ€hnt, 8,6 Milliarden unbezahlte Arbeitsstunden geleistet (inklusive Kinderbetreuung). Dazu kommen weitere 660 Millionen Stunden Freiwilligenarbeit außerhalb der Haushalte (z.B. in Vereinen). Dem stehen 7,9 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit gegenĂŒber. Obwohl also deutlich mehr nicht bezahlte Arbeitsstunden als bezahlte Arbeitsstunden geleistet werden, wird dieser Bereich in den ĂŒblichen ökonomischen Betrachtungen weitestgehend...

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