I Archäologie
Vor 12.000 Jahren ging zugleich die Eiszeit und die Altsteinzeit zuende und es begann die Jungsteinzeit. Es wurde deutlich wärmer, die Gletscher und die Eiskappen an den Polen schmolzen zum größten Teil und der Meeresspiegel stieg daraufhin um 75m an. Die Eiszeit wurde von einer Regenzeit abgelöst und im Hochland des Iran, in der heutigen Sahara und an vielen anderen Orten bildeten sich riesige Seen, die z.T. so groß wie die heutige Ostsee waren. Die heutigen Wüsten wie die Sahara waren Savannen und der Reichtum an Tieren nahm im Vergleich zur Eiszeit gewaltig zu.
Zu dieser Zeit konnten die damaligen Menschen, die damals noch hauptsächlich von der Jagd lebten, ihr nomadisches Leben aufgeben und weitgehend seßhaft werden. Sie erschufen bessere Steinwerkzeuge und erfanden den Steinschliff. Ackerbau und Viehzucht wurden zwar erst 2000 Jahren später entdeckt, doch auch schon damals konnten aufgrund der deutlich einfacheren Jagd in den warmen, fruchtbaren Gegenden weit mehr Menschen zusammenleben als in der Altsteinzeit: statt einem guten Dutzend einige Hundert.
Zu dieser Zeit verehrten die Menschen eine Göttin – dieselbe Göttin, die auch schon in den 50.000 Jahren der späten Altsteinzeit verehrt worden war und sehr wahrscheinlich auch schon mindestens 1.900.000 Jahren davor, also während der gesamten Altsteinzeit.
Um diese Göttin, die von den Menschen im nördlichen Mesopotamien um 10.000 v.Chr. verehrt worden ist, geht es in diesem Buch.
I 1. Göbekli Tepe
Der Belich, einer der Nebenflüsse des Euphrat, fließt in dem Grenzgebiet des heutigen Syrien und der heutigen Türkei durch ein Hochtal, das ca. 50km lang und 30km breit ist. Dieses Tal ist damals sehr fruchtbar und voller Wild gewesen.
Im Norden dieses Tales liegt der Göbekli Tepe („Bauch-Berg“). Er ist 780m hoch und bildet ein flaches Plateau. Er ragt ca. 300m über das Hochtal des Belich auf. Vom Gipfel des Göbekli Tepe aus kann man die weite fruchtbare Ebene im Süden, die von dem Belich durchflossen wird, überblicken.
In diesem Tal lebten mindestens 5000 Menschen, die sich von der Jagd ernährt haben – vermutlich sogar noch mehr.
Blick von der Ebene im Süden auf den Gipfel des Göbekli Tepe im Norden
Blick vom Göbekli Tepe im Norden auf die Ebene im Süden
I 2. Die Tempel von Göbekli Tepe
Auf dem Göbekli Tepe sind die frühesten Tempel der Menschheit erbaut worden. Sie waren Schwitzhütten, die teilweise aus Stein errichtet worden sind.
I 2. a) Die Schwitzhütte
Eigentlich ist die Schwitzhütte der älteste Tempel der Menschen, aber da die Schwitzhütten nur aus Ästen und Fellen errichtet worden sind, werden sie normalerweise nicht mitgezählt.
Die frühesten Hinweise auf Hütten sind 1,9 Millionen Jahren alt. Sie bestanden aus einer flachen, runden Mauer aus aufeinander gelegten Steinen, über der sich eine Kuppel aus Ästen und Fellen befand. Vermutlich wird es auch schon vorher Hütten ohne Steinmauer gegeben haben, von denen sich jedoch nichts erhalten hat, sodaß man sie nicht nachweisen kann.
Da damals die Hütte der einzige Innenraum gewesen ist, den die Menschen erleben konnten (abgesehen von einer gelegentlichen Höhle), hat es nahegelegen, diese Hütten mit dem Bauch der Mutter zu assoziieren, also mit den pränatalen Erinnerungen.
Zu Beginn der Eiszeit vor 600.000 Jahren wurde in Nordeurasien ein weiteres Element der Hütten lebensnotwendig: die Beheizung. Dazu entfachte man vor der Hütte ein Feuer, in dem man Steine zum Glühen brachte, die man dann mithilfe eines Schulterblatt-Knochens o.ä. in eine kleine Grube in der Mitte der Hütte gelegt hat. Mit diesen glühenden Steinen konnte man auch Wasser mit Fleischstückchen und Kräuter in einem Fellbeutel erhitzen – die erste Suppe.
Wenn nun die Jäger halberfroren von der Jagd zurückgekommen sind, wird man manchmal auch Wasser über die glühenden Steine in der Hütte gegossen haben, um die Jäger gut durchzuwärmen – der spirituelle Vorläufer der Sauna.
Durch die Assoziation der halbkugelförmigen Hütte mit dem Bauch der Mutter ist aus diesem Aufwärmen dann die Schwitzhütte entstanden. Noch heute bestehen Schwitzhütten in der Regel aus einer halbkugelförmigen Hütte aus Ästen und Fellen (oder Decken), in denen Wasser über glühende Steine gegossen wird und in denen die Muttergöttin angerufen wird.
Damals waren die Eltern die einzigen Lehrer und der einzige Rückhalt der Menschen. Daher hatten die Menschen den Wunsch, nach dem Tod der Eltern weiterhin Kontakt mit ihnen zu haben. Diese Aufgabe haben die Schamanen übernommen, also Menschen, die einen Nahtod erlebt haben und daraufhin gelernt haben, willentlich Kontakt zu den Ahnen aufzunehmen – wie heute bei spiritistischen Sitzungen oder bei Familienaufstellungen. Diese Ahnen waren der Rückhalt der Menschen – „Rückhalt“ ist auch die wörtliche Übersetzung von „Religion“. Es lag daher nahe, die Ahnen mit den Ästen zu assoziieren, aus denen das Schwitzhütten-Gestell errichtet wurde – acht bis zwölf Äste, die im Kreis in die Erde gesteckt wurden. Diese „Ahnen-Stäbe“ sind ein weiteres wesentliches Element der Schwitzhütten. Diese Symbolik hat sich bis in die heutigen Schwitzhütten erhalten können.
In der damaligen e...