I Risikomanagement neu gedacht, Umfassendes Risikomanagement (URM), neue Risiken
1 Risikomanagement neu gedacht â Ein ĂŒbergreifender betriebswirtschaftlicher Ansatz fĂŒr mehr QualitĂ€t und Patientensicherheit im Krankenhaus
Wolfgang Hellmann
Abstract
Risikomanagement (RM) als integrierter Bestandteil des QualitĂ€tsmanagements mit Orientierung auf multidimensionale QualitĂ€t kann sich nicht auf das Medizinische Risikomanagement beschrĂ€nken. Risiken aus neuen Rahmenbedingungen fĂŒr das Krankenhaus, und damit vor allem auch nichtklinische Risiken, bedĂŒrfen umfassender BerĂŒcksichtigung. Dies ist nachhaltig umsetzbar mit Hilfe eines ĂŒbergreifenden betriebswirtschaftlichen Ansatzes zum Risikomanagement, der neben grundlegenden betriebswirtschaftlichen Unternehmensrisiken, betriebswirtschaftliche Risiken aus neuen Herausforderungen umfasst und Risikokategorien einbezieht (Medizinisches RM, Mitarbeiterorientiertes RM, Juristisches RM, BCM, Compliance). Sind diese Voraussetzungen gegeben, resultiert daraus Patientensicherheit.
1.1 Sicherstellung von Patientensicherheit â Nicht so einfach, wie man denkt!
Patientensicherheit ist nur schwer erreichbar, wie auch neue Ergebnisse des IQTIQ zur QualitÀt in deutschen KrankenhÀusern verdeutlichen. Betroffen sind die Bereiche Geburtshilfe, GynÀkologie und Brustkrebsoperationen. Laut des genannten Institutes sind die betrachteten KrankenhÀuser mindestens in Bezug auf einen von 11 einbezogenen QualitÀtsindikatoren durchgefallen (FAZ 2018). Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bestreitet dies (DKG 2018).
Was also ist zu tun?
Patientensicherheit muss auf einem strategischen Gesamtansatz im Kontext einer neuen Sicht auf QualitĂ€t und Risikomanagement basieren. Notwendig ist die Herstellung von multidimensional basierter QualitĂ€t und einer ĂŒbergreifenden Sicht auf Risikomanagement (Hellmann 2018). Erfreulich ist, dass offenbar allmĂ€hlich ein Umdenken erfolgt. Der Gedanke einer neuen Sicht auf QualitĂ€t in Deutschland beginnt tragfĂ€hig zu werden.
Schrappe (Siggelow 2018) spricht von der Notwendigkeit einer komplexen Mehrfachintervention (CMCI: Complex Multicomponent Intervention) mit Angriffspunkten wie: Technik, System, Patient, Organisation, Lernen) und begrĂŒndet die EffektivitĂ€t dieses Verfahrens mit den Ergebnissen der Michigan-Keystone Studie mit Fokus auf die Verhinderung von Katheter-orientierter Sepsis. Vom Ergebnis her ergibt sich die Aussage, dass eine gröĂere Zahl von Komponenten zusammenkommen muss, um erfolgreich Risiken minimieren und damit bessere QualitĂ€t sicherstellen zu können.
Allerdings: Was nach einem neuen Ansatz aussieht, ist nicht neu! Vom Grundsatz her ergibt sich ein Procedere wie es bereits im Kontext der Entwicklung von Klinischen Pfaden beschrieben wurde (Hellmann 2018).
Konkretisiert auf einen Klinischen Pfad wĂŒrde das notwendige Procedere bei Katheter-orientierter Sepsis ĂŒbertragen werden können wie folgt:
âą Man analysiere die vollzogene Intervention (Ist-Analyse) und das Procedere des Einsatzes des Katheters durch den Arzt!
âą Man vollziehe die notwendige Risikobetrachtung mit Identifizierung der Risiken!
âą Man entwickle den Sollpfad auf Grundlage der Ausschaltung identifizierter Risiken!
Zusammenfassend ergeben sich fĂŒr die Herstellung nachhaltiger Patientensicherheit drei Voraussetzungen.
(1)
Die Ausschaltung systeminduzierter RisikenDiese Risiken resultieren aus gesetzgeberischen UnzulĂ€nglichkeiten, Unterlassungen und einer offenbaren Hilfslosigkeit gegenĂŒber fragwĂŒrdigen Praktiken von einzelnen Leistungserbringern und KostentrĂ€gern (
Kap. 3). Auf diese Risiken hat das Krankenhaus nur sehr begrenzten Einfluss. Ausnahmen ergeben sich fĂŒr Entscheidungen, die den KrankenhĂ€usern gewisse FreirĂ€ume eröffnen, z. B. bei der Umsetzung eines hausinternen QualitĂ€tsmanagements. Hier können alternativ zu kommerziellen Systemen auch »selbstgestrickte« Konzepte umgesetzt werden. Schwieriger wird es z. B., wenn eher nur vage Angaben gemacht werden, was denn eigentlich QualitĂ€t sein soll (Hellmann 2016). Solange die KrankenhĂ€user dazu keine prĂ€zisen Angaben erhalten, ist die Umsetzung von effizientem QualitĂ€tsmanagement und Risikomanagement im Krankenhaus eine schwierige Aufgabe.
(2) Eine fundierte finanzielle Basis zur Umsetzung von QualitÀt
Wie heiĂt es so schön: »Ohne Moos nichts los«! Anders ausgedrĂŒckt:
Nur wenn das Krankenhaus auf Grundlage eines guten finanziellen Fundaments organisatorisch und medizinisch in der Lage ist, Patienten angemessen zu versorgen, kann Patientensicherheit ĂŒberhaupt resultieren.
(3) Multidimensionale QualitÀt im Kontext eines Umfassenden Risikomanagements (URM)
Auf die Ausschaltung systembedingter Risiken hat das Krankenhaus wenig Einfluss. Die Herstellung einer guten finanziellen Basis auf Grundlage eines fundierten Betriebswirtschaftlichen Risikomanagements ist aber möglich, ebenso das Verlassen einer eindimensionalen Sicht von QualitÀt (medizinische Expertise) zugunsten einer multidimensionalen QualitÀtsperspektive (
Abb. 1.1).
Nachfolgend ist das Zusammenspiel der drei die Patientensicherheit definierenden Faktoren dargestellt.
Abb. 1.1: Patientensicherheit ist das Ergebnis des Zusammenspiels der Ausschaltung systeminduzierter Risiken (soweit als möglich), einer guten Finanzbasis und multidimensionaler QualitÀt
Am Beispiel Notaufnahme wird die Bedeutung des Betriebswirtschaftlichen Risikomanagements deutlich gemacht. Ist eine ausreichende finanzielle Basis nicht gegeben, stellt sich die Frage, ob eine effiziente Notaufnahme eingerichtet oder aufrechterhalten werden kann. Wird dies bejaht, kann der Folgeschritt der Planung und Einrichtung folgen
. FĂŒr den laufenden Betrieb der Notaufnahme ist es wichtig, KontinuitĂ€t finanzieller Sicherheit aufrecht zu erhalten. Hier kommen die erwĂ€hnten Risikokategorien ins Spiel. Die diskutierten Risiken (
Abb. 1.2) haben, wenn SchadensfĂ€lle eintreten, negative finanzielle Durchschlagskraft. Sie können massive Finanzdefizite des Krankenhauses zur Folge haben, die ĂŒber eine Reduzierung von AktivitĂ€ten in bestimmten Bereichen des Krankenhauses zum Nachdenken Anlass geben mĂŒssen. Allerdings: Die Fokussierung auf Defizite, z. B. in einer Fachabteilung, darf nicht zu einseitig sein. Betrachtet werden mĂŒssen kompensatorische Effekte mit positivem Ergebnis. Entscheidend ist die Gesamtbilanz des Krankenhauses!
Vor diesem Hintergrund mĂŒssen alle Risiken vermieden werden, die eine kontinuierliche LiquiditĂ€t des Krankenhauses in Frage stellen. Dies gilt in besonderer
Weise fĂŒr Risiken, die Mitarbeiter betreffen oder von diesen ausgehen (
Kap. 3). Persönliche Risiken mit Folgen fĂŒr die Mitarbeiter sind das Eine, daraus resultierende finanzielle Risiken fĂŒr das Unternehmen Krankenhaus das Andere!
Risikomanagement mit grundlegender betriebswirtschaftlicher Ausrichtung ist ĂŒbergreifende Aufgabe der GeschĂ€ftsfĂŒhrung. Es betrachtet alle Risiken aus Unternehmensstrategien und Managementfunktionen einschlieĂlich der Risiken fĂŒr Patienten, Mitarbeiter und Kooperationspartner aus dem laufenden GeschĂ€ftsbetrieb. ExistenzgefĂ€hrdende Risiken aus plötzlichen und unerwarteten Ereignissen sind eingeschlossen. Als ĂŒbergreifendes Managementinstrument muss betriebswirtschaftlich orientiertes Risikomanagement am Anfang und im Zentrum aller BemĂŒhungen um die Ausschaltung möglichen Risiken fĂŒr das Krankenhaus stehen.
Mit dieser Sicht wird die bisherige Fokussierung auf die besondere Bedeutung des Medizinischen Risikomanagements verlagert. BegrĂŒndbar ist dies durch neue und verĂ€nderte Rahmenbedingungen mit betriebswirtschaftlicher Durchschlagskraft. Es geht nicht mehr primĂ€r um die Frage nach hoher VersorgungsqualitĂ€t unter guten Rahmenbedingungen, sondern um die Frage, wie bei knappen Finanzen und bei FachkrĂ€ftemangel noch eine annehmbare VersorgungsqualitĂ€t erreicht werden kann. Anders ausgedrĂŒckt:
Auszurichten ist sich nicht mehr auf das WĂŒnschenswerte, sondern auf das Machbare und Mögliche. Dies wird determiniert durch die dauerhafte FinanzstĂ€rke eines Krankenhauses mit zentraler AbhĂ€ngigkeit der Vermeidung von Risiken aus dem laufenden GeschĂ€ftsbetrieb, die in Risikokategorien gebĂŒndelt werden (
Abb. 1.2).
Es geht also nicht primĂ€r um die Vermeidung von medizinischen Risiken fĂŒr Patienten, sondern um das Vorhandensein einer ausreichenden und dauerhaften finanziellen Basis, diese qualitativ hochwertig versorgen zu können.
GrundsÀtzlich stellen sich zu einer betriebswirtschaftlichen Sicherung des Krankenhauses vor allem folgende Fragen
âą Umfang und Sicherung notwendiger Finanzmittel?
âą Art- und Umfang des medizinischen Leistungsangebots?
âą Vorhandensein ausreichenden Personals (vor allem Ărzte und Pflege)?
⹠Möglichkeiten der Vorbeugung bekannter Risiken?
Damit in enger Verbindung mĂŒssen Ăberlegungen einhergehen, die neuen Entwicklungen und Herausforderungen im Gesundheitsmarkt Rechnung tragen und damit verbundene finanzielle Risiken abschĂ€tzen können. Dies betrifft
âą Kooperationen, Fusionen, die Bildung von Zentren, SektorenĂŒbergreifende Versorgungskonstellationen, Systempartnerschaften
⹠neue GeschÀftsfelder (auch im 2. Gesundheitsmarkt)
âą Herausforderungen durch das neue VergĂŒtungssystem (DRG)
âą Erlösgenerierung auĂerhalb des regulĂ€ren Budgets
âą Gefahren fĂŒr Mitarbei...