Toleranz - schaffen wir das?
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Toleranz - schaffen wir das?

Die wichtigsten Stimmen Deutschlands zur Frage des Jahrhunderts

Asfa-Wossen Asserate, Annette Friese, Annette Friese, Asfa-Wossen Asserate

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Die wichtigsten Stimmen Deutschlands zur Frage des Jahrhunderts

Asfa-Wossen Asserate, Annette Friese, Annette Friese, Asfa-Wossen Asserate

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"Lieben Sie Deutschland? Denken Sie, dass hier Werte und Tugenden gelebt werden, die es zu bewahren gilt? Falls ja, wie kann es gelingen, Deutschland, Europa und seine Werte zu erhalten, aber gleichzeitig das Fremde und Neue willkommen zu heißen, das andere Kulturen und Religionen einbringen?"Asfa-Wossen Asserate, Mitglied des Ă€thiopischen Kaiserhauses, orthodoxer Christ und deutscher StaatsbĂŒrger, ist ĂŒberzeugt: Toleranz ist möglich, wenn wir unsere eigenen Traditionen ehren und die der anderen respektieren.Unterschiedliche Experten Ă€ußern leicht verstĂ€ndlich und enorm gewinnbringend Gedanken, wie das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen und Kulturen im Einwanderungsland Deutschland funktionieren kann.Mit BeitrĂ€gen von: Asfa-Wossen Asserate · Aleida Assmann · Jan Assmann · Dietmar Bartsch · Christina Brudereck · Ali Can · Annette Friese · Walter Homolka · Navid Kermani · Charlotte Knobloch · Sabine Marx · Ijoma Mangold · Martin Mosebach · Andreas Nachama · Eckhard Nordhofen · Franz-Josef Overbeck · Manfred Osten · Ludwig Schick · DĂŒzen Tekkal · Bassam Tibi

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Information

Publisher
adeo
Year
2020
ISBN
9783863348274
Foto: picture alliance/dpa, Foto: Tom Maelsa

Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama

Jahrgang 1951 in Berlin, Promotion in Geschichte und Judaistik an der Freien UniversitĂ€t Berlin 1981, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), JĂŒdischer PrĂ€sident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften fĂŒr Christlich-JĂŒdische Zusammenarbeit (DKR), JĂŒdischer Vorsitzender des GesprĂ€chskreises Juden und Christen beim Zentralkomitee der Katholiken, Rabbiner im PrĂ€sidium des House of One Berlin. 2005 – 2015 Professor fĂŒr Communication about the Holocaust and Tolerance am Touro College, New York|Berlin; bis 2019 Direktor der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin.

Das Judentum und seine Haltung zu anderen Religionen1

Einleitung

Aus den zehn Geboten ergibt sich zwingend ein Gegensatz zwischen gottglĂ€ubigen Israeliten und andersglĂ€ubigen Fremden: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ Deshalb ist die Haltung des Judentums zu anderen Religionen zugleich auch ein Abbild seines Umgangs mit Fremden. Das Konzept der Propheten Amos, Maleachi und Hosea, dass der „eine“ Gott ĂŒber allen Menschen und ĂŒber allen Völkern steht, zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel. Der Prophet Micha, im 8. Jahrhundert vor der ĂŒblichen Zeitrechnung, etwa gleichzeitig mit den Propheten Amos und Hosea lebend, setzt dem Satz „Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ tolerant entgegen: „Denn von allen Völkern wandelt ein jedes im Namen seines Gottes; wir aber wandeln im Namen des Ewigen, unseres Gottes, fĂŒr immer und ewig.“2 In dieser Tradition ist auch das Prophetenwort Jesajas zu verstehen: „Denn mein Haus soll ein Bethaus genannt werden fĂŒr alle Völker.“3
Targum Onkelos, eine interpretierende Übersetzung des hebrĂ€ischen Textes aus dem 2. Jahrhundert, ĂŒbersetzt den Text des Propheten Micha sehr einschrĂ€nkend: „Siehe, alle Völker gehen ihrem Untergang entgegen, weil sie IrrtĂŒmern dienen, wir aber vertrauen auf das Wort des Herren, unseres Gottes, fĂŒr immer und ewig.“ Der mittelalterliche rabbinische Kommentator der hebrĂ€ischen Bibel Raschi4 kommentiert eine Parallelstelle des Propheten Maleachi5: „Selbst die Götzendiener wissen, dass es einen höchsten Gott gibt, und ihm bringen sie ihre Opfer dar.“ Eine andere rabbinische ErklĂ€rung, die ebenfalls von Raschi zitiert wird, meint, hier werden die unter den Völkern lebenden jĂŒdischen Gelehrten, deren Gebet als wohlgefĂ€lliges Opfer aufgenommen wird, beschrieben.
Man erkennt deutlich, wie schwer es der jĂŒdischen Tradition fiel, sich auf Toleranz anderen Glaubensweisen gegenĂŒber einzustellen. Rabbi Hillel, einer der großen TalmudautoritĂ€ten6, tat vor etwa 2000 Jahren jenen oft zitierten Ausspruch: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem NĂ€chsten nicht; das ist die gesamte Gesetzeslehre, alles andere ist nur ErlĂ€uterung, gehe und lerne sie.“7 Dokumentiert ist dieser Ausspruch als Antwort auf einen fremden Nichtjuden, der von Hillel wissen wollte, was die Essenz des Judentums sei, wĂ€hrend er auf einem Bein stehe. So kann man aus dem Kontext unterstellen, der NĂ€chste sei nicht nur der direkte Nachbar, sondern jeder, der einem begegnet8. Etwa tausend Jahre spĂ€ter notierte Raschi9, der noch Zeitzeuge des ersten Kreuzzuges geworden war: „Hass verdirbt die gute Ordnung.“10
Auch Leo Baeck11, der bedeutende deutschsprachige Rabbiner des 20. Jahrhunderts, postuliert, dass die „Anerkennung des Menschen von anderem Glauben und anderem Stamm“ die „innere Achtung vor dem Fremden, die Achtung vor seiner Seele“ beinhalte, die zu dem allseits bekannten Bekenntniswort des Judentums gefĂŒhrt habe, die Frommen der Nichtjuden hĂ€tten „Anteil an der ewigen Seeligkeit“.12

Begriffsbestimmung

Schon die fĂŒnf BĂŒcher Moses (Tora) beschĂ€ftigen sich mit Fragen des Umgangs mit Fremden, insbesondere auch mit anderen Religionen. FĂŒr die „Benej Israel“, die Israeliten, spĂ€ter Juden13 genannt, treten in der Tora folgende Begriffe fĂŒr Israeliten auf:
  1. GOI = Volk
  2. AM = Volk
  3. LeOM = Nation
    FĂŒr Nichtisraeliten, d. h. fĂŒr AndersglĂ€ubige:
  1. GER = Fremder/Fremdling
    Der Fremdling ist ein Migrant, der sich innerhalb der Tore niederlÀsst, aber einen anderen Glauben hat14.
  2. SAR = Fremder
    Ein Fremder ist ein andersglaubender Reisender mit kurzem Aufenthalt. Er wird zuweilen als Gefahr eingeschÀtzt, kann auch ein Feind sein. Ein SAR ist unvereinbar mit dem Glauben Israels.
  3. BEN NECHER = AuslÀnder
    Ein AuslÀnder ist ein Andersglaubender in der Ferne, zu dem es grundsÀtzlich keinen Kontakt gibt15. Er wird in aller Regel als Feind eingestuft. Von ihm wie auch vom SAR können beispielsweise Zinsen verlangt werden, nicht jedoch von einem GER, der im Lande wohnt16.
Wie wichtig die Auseinandersetzung und der Umgang mit dem Fremden ist, belegt, dass „GER“ in der Tora an 53 Stellen zitiert wird, wĂ€hrend der Schabbat, Abschluss und Höhepunkt der göttlichen Schöpfungsgeschichte, und die das Leben frommer Juden prĂ€gende Woche nur an 24 Stellen enthalten ist. Zusammenfassend lĂ€sst sich die von diesen Begriffen geprĂ€gte Welt in folgende Gruppen teilen:
  • Israel, das den wahren Gott anbetet17
  • die fremden Beisaßen, die keine Israeliten sind
  • die fremden Völker, die Götzen dienen18

    UrsprĂŒnglicher Umgang mit Fremden in biblischen ErzĂ€hlungen

Zu Beginn der Patriarchengeschichte werden Fremde und AndersglĂ€ubige durchaus in das Beziehungsgeflecht Abrahams einbezogen: So ist „Melchisedek“ – Priester des höchsten Gottes – ein Kanaaniter, erhĂ€lt aber trotzdem von Abraham eine Abgabe, den Zehnten (d. h. er war in das Beziehungsgeflecht Abrahams einbezogen)19.
Ein erstes Beispiel fĂŒr den nicht toleranten Umgang mit Fremden wird im Buch Genesis beschrieben: Levi und Simeon, zwei Söhne Jakobs, ĂŒberfielen die Stadt der Schechemiten und erschlugen alle mĂ€nnlichen Stam...

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