Teil A
EinfĂŒhrung in die Auslands- und Reisesicherheit
1. Auslands- und ReisetÀtigkeiten in einer globalisierten Welt
1.1 Die Entwicklung der Globalisierung: Ein kurzer historischer Ăberblick
Obwohl die Menschheit heutzutage in einer noch nie dagewesenen Weise international vernetzt ist, wird die sogenannte Globalisierung von Historikern keineswegs als eine neue Erscheinung der jĂŒngeren Vergangenheit angesehen. Einige Wissenschaftler vertreten vielmehr die â allerdings umstrittene â These, dass bereits nach der Entdeckung Amerikas durch Christopher Columbus im Jahr 1492 bzw. des direkten Seewegs nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama im Jahr 1498 eine umfassende Weltwirtschaft mit multilateralem Handel und internationaler Arbeitsteilung entstand.2 Weitestgehend unstrittig ist in jedem Fall, dass Mitte des 19. Jahrhunderts, bedingt durch die VerfĂŒgbarkeit neuer Transport- und Kommunikationsmittel, eine erste Welle der weltweiten Integration von GĂŒter-, Finanz- und ArbeitsmĂ€rkten3 begann und bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs anhielt.4
Nach den beiden Weltkriegen nahm die internationale Verflechtung erheblich an Fahrt auf. Auf internationaler politischer Ebene wurden die Vereinten Nationen (UN) sowie unzĂ€hlige weitere internationale Institutionen gegrĂŒndet, um den Weltfrieden und internationalen Austausch in vielen Feldern zu fördern. Gleichzeitig wuchsen auch die internationalen MĂ€rkte â erneut bedingt durch technologische Entwicklungen, Bevölkerungswachstum und -wanderungen sowie einer politisch gewollten Liberalisierung des Handels in der westlichen Welt5 â und fĂŒhrten zu einem steigenden Wirtschaftswachstum und allgemeinem Wohlstand in den teilnehmenden LĂ€ndern, unterbrochen lediglich durch die beiden Ălpreiskrisen im Laufe der 1970er bzw. anfangs der 1980er Jahre.6
Mit dem Ende des sog. Kalten Krieges und der ihm zugrunde liegenden bipolaren Weltordnung, in Deutschland eng verbunden mit dem Fall der Berliner Mauer am 09. November 1989, startete schlieĂlich die bis heute prĂ€gende, allumfassende und auch im tĂ€glichen Sprachgebrauch so bezeichnete Globalisierung7von Politik, Wirtschaft, Kultur und Umwelt. Als wesentliche Einflussfaktoren werden dabei
â der Zerfall der Sowjetunion in gröĂtenteils am internationalen (wirtschaftlichen) Austausch teilnehmende, unabhĂ€ngige Staaten,
â der Eintritt von China und Indien in den Weltmarkt,
â die Erfindung und weite Verbreitung von IT-Infrastrukturen und insbesondere dem Internet
â sowie die stark zunehmenden internationalen Finanzströme angesehen.8
WĂ€hrend sich dabei auf der einen Seite der offensichtlich als erstrebenswert angesehene westliche Lebensstil auch kulturell immer mehr ausbreitet, werden viele mit der Globalisierung einhergehende Entwicklungen auf der anderen Seite von verschiedenen Akteuren vermehrt kritisiert. Ungleichheiten zwischen LĂ€ndern oder innerhalb einzelner Gesellschaften, globale UmweltverĂ€nderungen, die ZurĂŒckdrĂ€ngung regionaler Kulturen bzw. IdentitĂ€ten sowie der vermeintliche oder tatsĂ€chliche Verlust politischen Gestaltungsspielraums auf nationaler Ebene sind nur einige Aspekte, die das lange Zeit ausschlieĂlich positiven Narrativ einer globalisierten Welt zunehmend in Frage stellen.
1.2 Die globalisierte Wirtschaft
1.1.1 Welthandel mit Waren und Dienstleistungen
Wesentliches Merkmal der Globalisierung ist offensichtlich die internationale wirtschaftliche Integration, die als ihr hauptsĂ€chlicher Treiber angesehen wird â und als Ursache fĂŒr den steigenden Wohlstand der teilnehmenden LĂ€nder. Grundlage dieser Ăberzeugung sind die Werke von Adam Smith (1776) und David Ricardo (1817), welche die moderne AuĂenhandelstheorie begrĂŒndeten.9
Smith und Ricardo stellen (vereinfachend ausgedrĂŒckt) dar, dass internationaler Handel aufgrund der jeweiligen (komparativen) Kostenvorteile, insbesondere unterschiedliche ArbeitsproduktivitĂ€t, fĂŒr alle teilnehmenden LĂ€nder vorteilhaft ist. Diese Ursprungsmodelle wurden bis heute durch verschiedene Wissenschaftler aufgegriffen und ergĂ€nzt, etwa um Aspekte wie die unterschiedliche Ausstattung von LĂ€ndern mit (natĂŒrlichen) Ressourcen, wirtschaftsfreundlichen politischen Institutionen oder technologischen Innovationen.
TatsĂ€chlich lĂ€sst sich seit dem Ende des 2. Weltkriegs beobachten, dass der Welthandel deutlich schneller steigt als die weltweite Warenproduktion: Zwischen 1960 und 2017 stieg die weltweite Warenproduktion um fast 603%, der weltweite Warenexport hingegen um annĂ€hernd 1.800% (realer AuĂenhandel in konstanten Preisen).10 Noch deutlich stĂ€rker gestiegen als der weltweite Warenexport ist der weltweite Dienstleistungsexport. WĂ€hrend beim Warenexport zwischen 1980 und 2013 eine durchschnittliche jĂ€hrliche Steigerungsrate von 7,0% beobachtet wurde, wuchs der weltweite Dienstleistungsexport im gleichen Zeitraum jĂ€hrlich um durchschnittlich 7,8%.11
Sowohl was den Warenhandel als auch den Austausch von Dienstleistungen angeht, ist Deutschland dabei einer der wichtigsten âGlobal Playerâ. Im Jahr 2017 lag Deutschland bei Ex- und Importen von Waren und Dienstleistungen bezogen auf das Gesamtvolumen jeweils weltweit auf dem 3. Rang aller LĂ€nder.12 Auch die Schweiz (Rang 13 bezogen auf Exporte von Waren und Dienstleistungen im Jahr 2017) nimmt rege am weltweiten wirtschaftlichen Austausch teil, ebenso Ăsterreich auf Rang 29.13 FĂŒr alle drei vorgenannten LĂ€nder spielen LĂ€nder innerhalb Europas, die USA sowie die Volksrepublik China eine wesentliche Rolle als internationale Handelspartner, wobei jedoch generell der Anteil von Schwellen- und EntwicklungslĂ€ndern am Welthandel mit Waren und Dienstleistungen immer gröĂer wird. Diese Entwicklung lĂ€sst sich exemplarisch aus der Rangfolge der Handelspartner im AuĂenhandel der Bundesrepublik Deutschland entnehmen, in der sich umfassende Handelsvolumina mit entsprechenden LĂ€ndern finden.14
1.1.2 Weltweite Finanztransaktionen
Neben dem Handel mit Waren und Dienstleistungen haben weltweite Finanztransaktionen im Zuge der Globalisierung ebenfalls stark zugenommen.
Internationale Investitionen lassen sich in sogenannte Direktinvestitionen (Investitionen mit Steuerungs- und Kontrollinteressen) sowie Portfolioinvestitionen (renditeorientierte Investitionen ohne Steuerungs- und Kontrollinteressen) unterscheiden.15
Die internationalen, jĂ€hrlichen Direktinvestitionen haben sich seit den 1970er Jahren von etwa 28 Milliarden US-Dollar auf etwa 1,75 Billionen US-Dollar in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet.16 Die deutschen Direktinvestitionen im Ausland lagen Ende 2016 bei einer Gesamtsumme von etwa 1.115 Milliarden Euro, wovon fast die HĂ€lfte in Europa investiert war.17 Der Bestand der Schweizer Direktinvestitionen lag per Ende 2017 bei etwa 1.227 Milliarden Franken (ca. 1.000 Milliarden Euro), was angesichts der GröĂe des Landes beachtlich ist.18 Die österreichischen Direktinvestitionen beliefen sich Ende 2017 schlieĂlich auf BestĂ€nde von knapp 200 Milliarden Euro.19 Auch aus diesen beiden LĂ€ndern wird ein erheblicher Teil der Direktinvestitionen in europĂ€ischen LĂ€ndern getĂ€tigt.
Zu den Direktinvestitionen sind noch die internationalen Portfolioinvestitionen hinzuzuaddieren, wobei es sich um Aktien, Investmentfondanteile, Anleihen etc. handeln kann. Auch diese BestĂ€nde liegen aktuell in vergleichbaren bzw. teilweise noch höheren GröĂenordnungen als die jeweiligen Direktinvestitionen und zeigen den hohen Integrationsgrad der internationalen FinanzmĂ€rkte sowie die rege Beteiligung Deutschlands, der Schweiz und Ăsterreichs an.
1.1.3 Internationale GeschÀftsreisen
NaturgemÀà fĂŒhrt die skizzierte Globalisierung der Wirtschaft zu einer hohen geschĂ€ftlich bedingten ReisetĂ€tigkeit. Ausweislich der VDR-GeschĂ€ftsreiseanalyse 2017 wurden von deutschen Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors im Jahr 2016 insgesamt ĂŒber 11 Millionen GeschĂ€ftsreisende auf ca. 183 Millionen GeschĂ€ftsreisen geschickt.20 Zwar finden lediglich 10% der GeschĂ€ftsreisen von kleinen und mittleren Unternehmen (d.h. mit bis zu 250 Mitarbeitenden) ins Ausland statt, mit zunehmender GröĂe der Unternehmen und Organisationen steigt dieser Anteil jedoch auf bis zu 33%. Somit begibt sich also eine Vielzahl deutscher Angestellter jĂ€hrlich auf geschĂ€ftlich veranlasste Auslandsreise â und verbindet diese allenfalls sogar noch mit Privatreisen.21 Die Schweizer Wohnbevölkerung fĂŒhrte wiederum im Jahr 2016 insgesamt 22,4 Millionen Reisen mit mindestens einer Ăbernachtung durch, wobei allerdings lediglich 2% oder 1,35 Millionen Reisen einen geschĂ€ftlichen Zweck hatten.22 Allerdings finden diese GeschĂ€ftsreisen mehrheitlich (ca. zu 80%) ins Ausland statt.23 In Ăsterreich wurden 2015 gemÀà einer entsprechenden Studie 8,5 Millionen GeschĂ€ftsreisen gezĂ€hlt.24 Bei mehrtĂ€gigen GeschĂ€ftsreisen mit Ăbernachtungen lag der Anteil an AuslandsĂŒbernachtungen bei etwa 65%, wobei ein GroĂteil dieser AuslandsĂŒbernachtungen wiederum in Europa stattfand.25
1.3 Der internationale Tourismus im Rahmen der Globalisierung
Neben der zunehmenden wirtschaftlichen Integration ist, wie das deutsche Bundesministerium fĂŒr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) treffend feststellt, auch der internationale Tourismus ein wesentlicher Aspekt von Globalisierung bzw. mittlerweile einer der global bedeutendsten Wirtschaftssektoren.26 Durch den zunehmenden Wohlstand, die sinkende Wochenarbeitszeit bzw. den gesetzlich verankerten, bezahl...