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RT Zapper
Zwei Jahrzehnte Medienwahnsinn. 1996 - 2016
Robert Tiesler
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RT Zapper
Zwei Jahrzehnte Medienwahnsinn. 1996 - 2016
Robert Tiesler
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About This Book
Seit 1996 beobachtet Robert Tiesler in seiner Kolumne "RT Zapper" das deutsche Mediengeschehen. Die Abschaltung von "Schreinemakers live", der voranschreitende Jugendwahn der Privatsender Ende der 90er, der Call-in-Quiz-Abzocke, spektakulÀre Shows, UnfÀlle, Sportevents und Nachrichten, die sich allen eingeprÀgt haben.Ein Spaziergang durch 20 Jahre deutsche Mediengeschichte.
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Information
GlĂŒcksrad
Jugendwahn â Teil 1
MO 02.02.1998 | 19.15 Uhr | SAT 1
Im nĂ€chsten Jahr wird alles anders. Ab Januar 1999 wird das âGlĂŒcksradâ völlig verĂ€ndert auf den Bildschirm wiederkehren. Doch vorher heiĂt es Abschied nehmen. Der 13. Juli soll nĂ€mlich auch der letzte Arbeitstag fĂŒr Frederic Meisner, Peter Bond und (schluchz!) Maren Gilzer bei SAT 1 sein. Der Grund: Die Zuschauer sind zu alt! Konsequenz: Das GlĂŒcksrad muĂ jĂŒnger werden!
Wie will man das erreichen? ZunĂ€chst sollte SAT 1 ein paar VIVA-Moderatoren abwerben. Tobi Schlegl als Moderator von âWheel Of Fortune â The Letter Showâ. Ein jung-dynamischer Typ moderiert eine jung-dynamische Show. An der Ratewand steht in Zukunft ein 15jĂ€hriges Model fast ohne was an. An ihrem 19. Geburtstag wird sie allerdings wegen Ăberalterung entlassen und durch eine neue, taufrische 18jĂ€hrige ersetzt. In Zukunft stehen Wörter und Begriffe wie âTamagotchi-Friedhofâ, âTelefonsex-Hotlineâ, Leute wie âCaught In The Actâ oder Redewendungen wie âStar Trek ist doofâ an der Ratewand. Es gibt nur ein Problem: Das junge GlĂŒcksrad wird vormittags laufen, wenn die Kids zur Schule gehen! Aber die Hausfrauen! Die werden sich umgucken!
Bitte melde Dich!
Jugendwahn â Teil 2
MO 13.04.1998 | 21.15 Uhr | SAT 1
DaĂ sich SAT 1 vorrangig (eigentlich ausschlieĂlich) fĂŒr die junge, hippe Zielgruppe interessiert, wissen wir ja nicht erst seit der Sache mit dem âGlĂŒcksradâ. Doch nun ist ein neues Opfer zu beklagen. Die Sendung âBitte melde Dichâ wird nicht fortgesetzt. Und dies nicht mit der BegrĂŒndung, die Quoten seien zu schlecht gewesen (die waren mit vier bis fĂŒnf Millionen Zuschauern okay), nein, wie soll es anders sein, die Zuschauer waren zu alt.
Also, liebe Zuschauer ĂŒber 50, laĂt euch das sagen: Es ist zwar nett, daĂ ihr immer so schön fernseht, aber fĂŒr die Werbewirtschaft seid ihr völlig uninteressant. Es heiĂt zwar, daĂ ihr genug Knete in der Brieftasche habt, aber leider laĂt ihr euch nicht mehr bestechen, die Marke eures Lieblingsjoghurts zu wechseln. Sagen die Leute von der Werbung. Weil sich also vorrangig Ăltere fĂŒr die TV-VermiĂtensuche interessieren, ist jetzt SchluĂ damit.
Sollen die VermiĂten doch bleiben, wo der Pfeffer wĂ€chst! Da haben sie eben Pech gehabt, daĂ die Jugend nicht âBitte melde Dichâ sieht! Wir können also feststellen, daĂ es SAT 1 offensichtlich völlig wurscht war, daĂ die Sendung irgendwo einen guten Zweck erfĂŒllte. War wohl ein Irrtum! Wenn sich mal jemand wieder angefunden hatte, warâs ja ganz nett, aber Hauptsache die Kasse klingelt. Ein Armutszeugnis.
Tatort: Ein Hauch von Hollywood
MO 13.07.1998 | 23.00 Uhr | ARD
Es war schon im Vorfeld der Ausstrahlung ein kleines SkandĂ€lchen. Die ARD hat eine Folge der âTatortâ-Reihe auf den nĂ€chtlichen Wiederholungssendeplatz abgeschoben. Wegen mangelnder QualitĂ€t. Haben die ARD-Senderbosse gesagt. Was das bedeutet, konnte man nun sehen.
âEin Hauch von Hollywoodâ lautete der Titel dieser vom SFB in Berlin hergestellten âTatortâ-Folge. Ein Hollywood-Schauspieler wird bei einer Berlinale-Pressekonferenz von ânem Irren bedroht.
Eines kann ich euch sagen: Die 1. Folge von âGute Zeiten, schlechte Zeitenâ, an die sich sogar eingefleischte GZSZ-Fans mit Grauen erinnern, war kĂŒnstlerisch wertvoll gegen diesen filmischen Schrott! Geradezu grauenhaft dilettantische Dialoge und schauspielerische Leistungen prĂ€gten dieses Machwerk. Dazu kam eine schlechte Kameraarbeit (ich hatte oft den Eindruck, der Film wurde mit einer billigen Videokamera gedreht) und Schnitte, daĂ man sich nur noch die Haare raufen konnte.
Der Gipfel war allerdings der Versuch einer âCasablancaâ-Kopie am Ende (âSchau mir in die Augen, Kleines!â), worauf der Kommissar meinte, dies sei âein Hauch von Hollywoodâ. Es war einfach lĂ€cherlich!
Es sollte ein Experiment sein, sagten die Macher. Aber was wollten sie denn experimentieren? Ich finde, sie sollten froh sein, daĂ dieser Film Ăberhaupt gezeigt und nicht ungesendet im Archiv verschwand und gnadenlos verstaubte! Das wĂ€re verdient gewesen!
Teletubbies
DI 27.04.1999 | Kinderkanal
Der Gedanke, eine Fernsehsendung fĂŒr Kleinkinder zu produzieren, ist eigentlich gar nicht so falsch, denn schlieĂlich sehen Kinder auch schon wĂ€hrend der frĂŒhesten Kindheit fern. Nicht immer, aber immer öfter.
Da dachten sich englische Fernsehmacher, daĂ sie eine Sendung fĂŒr diese âZielgruppeâ herstellen wollen. Das Ergebnis können wir seit einiger Zeit auch im deutschen Fernsehen bestaunen: die âTeletubbiesâ im Kinderkanal.
Da tollen jeden Morgen vier bunte Figuren ĂŒber eine grĂŒne, kĂŒnstliche Wiese und brabbeln vor sich hin, fahren Dreirad, machen PurzelbĂ€ume oder fallen ganz einfach hin.
Ich wollte wissen, was ich von dieser Sendung zu halten habe und sah sie mir einmal an. Und wirklich, unsereins ist ja wirklich unterfordert, ja sogar leicht genervt.
Da wurde beispielsweise in einem Einspielfilm gezeigt, wie ein MĂ€dchen eine Steppschuhe ausprobiert (âKommt, ich zeig euch meine Steppschuhe!â). Um dann langsam vor sich hin zu steppen. FĂŒr die Kleinen vielleicht ganz interessant.
Ich âĂ€ltererâ Kerl fragte mich allerdings, wann es endlich vorbei ist. Und kennt ihr das auch? Wenn ihr mit eurem kleinen Geschwisterchen spielt, und es dann stĂ€ndig âNochmal!â schreit? Das gleiche taten die Teletubbies nach dem Film. Und das Furchtbare: Der Film kam tatsĂ€chlich nochmal. In voller LĂ€nge!
Ăberfordert wird hier also niemand. Wenn sich die Eltern diese Sendung allerdings mit ihren Kindern zusammen ansehen wollen, brauchen sie echte Ausdauer und Geduld.
Ăbrigens verabschieden sich die Teletubbies am SchluĂ natĂŒrlich auch mehrmals: âWinke, winke, Lala!â âWinke, winke!â Und ich sagâ jetzt auch: âWinke, winke!â
FuĂball bei tm3?
Als ich diese Meldung im Videotext las, bin ich fast vom Stuhl gefallen! Ab der nĂ€chsten Saison 1999/2000 lĂ€uft die FuĂball-Champions-League bei tm3.
Ganze 200 Millionen Mark zahlt der kleine Sender pro Jahr, um dieses Spektakel ĂŒbertragen zu können und ĂŒbertrumpfte damit den eigentlich nur unbedeutend gröĂeren Konkurrenten RTL.
Um das nochmal festzuhalten: tm3 ist ein Frauensender und soll es nach dem Willen der Verantwortlichen auch bleiben. Ich habe jaschon mal Zweifel gehegt, ob dem Geschmack der weiblichen Zuschauer mit dem tm3-Programm gerecht wird. Neuerdings laufen ausgedehnte Kinderprogramme, Western und sogar Erotikfilme. Und jetzt auch noch FuĂballâŠ
Wie hat man sich denn das vorzustellen? Slipeinlagen und Lippenstifte als Werbepartner? Frauen als Kommentatoren? (âDer Mann in Blau mit der Nummer 14 hat ein Tor gemacht â 1:0 fĂŒr die Blauen!â) In den Spielpausen ausgedehnte Analysen, wer heute wieder am besten aussieht?
Aber mal im Ernst: tm3 hatte bisher nicht einmal eine Sportredaktion und will in knapp vier Monaten Veranstaltungen dieser GröĂenordnung ĂŒbertragen. Man darf gespannt sein, wie das bewĂ€ltigt wird.
peep!
SO 05.09.1999 | 22.15 Uhr | RTL II
Am Sonntag lief bei RTL II die erste Folge von âpeep!â, der Erotik-Show mit Nadja âNaddelâ ab del Farrag. Und, sorry, es war einfach nur schlecht.
Wir alle erinnern uns ja bestimmt auch noch an ihre Vor-VorgĂ€ngerin Verona Feldbusch. Gut, auch sie war grottenschlecht, aber das mit groĂem Charme.
Nadja (ihren Spitznamen will sie jetzt nicht mehr so oft hören) besticht durch ihre schönen ZĂ€hne, die sie nur selten auseinander bekommt und durch das grauenhaft schlechte Ablesen von Moderationen: hölzern und ĂŒberbetont.
Im Vorspann rekelt sie sich mit einem wilden âNimm-mich-Blickâ auf diversen Sofas. Von der Off-Stimme wurde sie dann als erotischste Frau Deutschlands angekĂŒndigt. Gut, darĂŒber kann man streiten. Naddels Kleid lieĂ ihr Dekoltee und damit ihr herausragendes SchlĂŒsselbein voll zur Geltung kommen.
Packend waren aber auch die journalistisch hochwertigen BeitrĂ€ge. Da kann der geneigte Berlin-Tourist jetzt Stadtrundfahrten mieten, bei denen es ziemlich heiĂ her geht. Darf man dem Bericht Glauben schenken, fielen die GĂ€ste auf der RĂŒcktour einfach nur noch wild ĂŒbereinander her.
Ein weiteres Filmchen machte auf den neuesten Erotiktrend aufmerksam: BHs aus Holz. Klasse! Der Zuschauer hatte nun also ausfĂŒhrlichst Gelegenheit, sich Frauen anzusehen, die sich ein paar HolzstĂŒckchen um ihre besten Teile geschnallt haben und das total toll fanden. So toll dass wir das von vorne, von hinten, von oben, von unten und noch mal von vorne⊠Lassen wir das.
âpeep!â mit Naddel ist also nicht besser oder gar niveauvoller als mit Verona. Im Gegenteil: FrĂŒher gabâs wenigstens was zu lachen.
Berlin feiert ins neue Jahrtausend
FR 31.12.1999 | 20.15 Uhr | B 1
Herzlich Willkommen im Jahr 2000! Die Fernsehsender haben sich zum Jahreswechsel ja ĂŒberschlagen mit Berichten ĂŒber das Millennium. Und damit das mal klar ist, ich hatte zu Silvester Besseres zu tun, als vor der Glotze zu hocken, aber wozu hat man denn einen Videorecorder?
Am besten war man wohl bei B 1 aufgehoben, wo den ganzen Abend live aus Berlin berichtet wurde.
Leider haben die gegen Mitternacht einen ganz dummen Fehler gemacht. Der Hauptstadtsender schaltete sich zur ARD, wo Cherno Jabatey fĂŒr den âSilvesterstadlâ live vom Jahreswechsel am Brandenburger Tor berichtete.
Und er hat es tatsĂ€chlich geschafft, den magischen Augenblick um Punkt Null Uhr dermaĂen zu zerreden, dass man diesen SchwĂ€tzer am liebsten aus dem Fernseher gezogen und ihm erstmal den Mund zugeklebt hĂ€tte.
NĂ€chstes Jahr also bitte einen anderen, schweigsameren, AuĂenreporter!
Aber auf B 1 wurde man spĂ€ter wieder entschĂ€digt. Mike Oldfields âArt In Heavenâ von der SiegessĂ€ule wurde in voller LĂ€nge ĂŒbertragen. GĂ€nsehautfernsehen! Bei diesen beeindruckenden Bildern und der fantastischen Musik blieb einem der Mund offen stehen!
Tele-Gym
DI 01.02.2000 | 6.30 Uhr | ORB
âHopp â hopp â schnell, schnell, schnell â und öffnen - schlieĂen, schnell â nochmal!â
Einen wunderschönen guten Morgen! Das heiĂt, bis jetzt war er noch wunderschön, doch nun ist es 6.30 Uhr und im ORB lĂ€uft âTele-Gymâ.
Und da geht die Luzie ab!! Da stehen ein paar junge Damen und Herren und machen Gymnastik. Und wie!! Die legen ein Tempo vor, bei dem einem alle Sinne schwinden!
âRechts â und links â rechts â und links â und gleich nochmal⊠Achtung, and noch vier - noch drei âŠâ
Und wĂ€hrend unsereins schon luftjapsend und halluzinierend am Boden liegt, â⊠noch zweiâŠâ, schwitzen die Fernsehvorturner noch nicht einmal, ââŠnoch eins..,â, die scheinen in Ăbung zu sein, â⊠ready for ein letztes MalâŠâ, nur mit den Deutschkenntnissen hapert es bei ihnen.
Aber andererseits habe ich zum gleichen Zeitpunkt ĂŒberhaupt keine Deutschkenntnisse mehr, mir fĂ€llt nicht mal mehr die Nummer des Notarztes ein, den ich eigentlich dringend gebrauchen könnte! Vielleicht hĂ€tte ich den eingeblendeten Hinweis âMachen Sie nur solange mit, wie es Ihr derzeitiger Fitnesszustand erlaubt!â beachten sollen.
Allerdings, mein derzeitiger Fitnesszustand erlaubt mir zurzeit nur, den Finger auf einen Knopf meiner Fernbedienung zu drucken, um auf das weniger anstrengende FrĂŒhstucksfernsehen zu schalten!
Aber ich bin ja tapfer, ich halte trotz leichter Koordinationsschwierigkeiten durch. Was die âTele-Gymerâ können, muss bei mir auch drin sein!
Wobei ich mir nĂ€chstes Mal die âTele-...