1.
Ausgangslage bei der Breitbandversorgung
Das Internet ist aus dem
heutigen Leben nicht mehr wegzudenken, weder im beruflichen noch im
privaten Umfeld. Emails verdrängen Briefe und Faxe,
Streaming-Dienste ersetzen physikalische Datenträger und in der
vernetzten Industrie bestellen Maschinen automatisch benötigtes
Material. Es gibt kaum noch einen Bereich, der unberührt bleibt.
Gleichzeitig steigt die Intensität der Nutzung die Menge der
übertragenen Daten, derzeit um über 20% im Jahr. Wenn immer mehr
Daten übertragen werden, muss die Übertragungsgeschwindigkeit
entsprechend mit steigen, um lange Wartezeiten zu verhindern. Waren
vor fünfzehn Jahren noch 364 Kbit/s und vor zehn Jahren 2 Mbit/s
ausreichend, sind im Jahr 2017 50 Mbit/s kaum zufriedenstellend.
Die Zeiten von Gbit/s-Geschwindigkeiten sind längst absehbar und
das aufgrund des veränderten Nutzungsverhaltens mit symmetrischen
Geschwindigkeiten für Down- und Upstream.
Nicht in allen Gegenden ist
der Infrastrukturausbau für die Netzbetreiber unter den gegebenen
unternehmerischen Vorgaben wirtschaftlich möglich. Spätestens seit
2007 wurde eine Reihe von Förderprogrammen aufgelegt, um
unterversorgte Gebiete, so genannte „weiße Flecken“, zu beseitigen.
Dabei hat sich die Definition von „unterversorgt“ stetig nach oben
verschoben von zunächst 1 über 2 und 6 auf derzeit 30 Mbit/s. Trotz
aller Bemühungen verbleiben 2018 vermutlich noch ca. 5 % aller
Anschlüsse, die mit weniger als 50 Mbit/s auskommen müssen, dem von
der Politik 2012 verkündeten Ziel. Dies trifft z.B. Siedlungen, die
nur über lange Anlaufstrecken erreicht werden oder wenige
Anschlüsse an einem Verteilerschrank haben. Es trifft aber auch
Anschlüsse in Großstädten, wenn in Multifunktionsgehäusen keine
Portkarten mehr frei sind oder Anschlusslängen zu lang.
Mit Vectoring werden über
die Kupferdoppelader zum Hausanschluss bis zu 100 Mbit/s
bereitgestellt, über die Koaxialkabel können die Kabelnetzbetreiber
mit dem Standard DOCSIS 3.1 bereits 400 Mbit/s realisieren, der
Übertragungsstandard erlaubt bis zu 10 Gbit/s. Trotzdem ist
unbestritten, dass beide Technologien nur Brückentechnologien auf
dem Weg zu Glasfaser-Anschlussnetzen darstellen. Da Licht
physikalisch die schnellste Übertragungsgeschwindigkeit ermöglicht,
sind Lichtwellenleiter das optimale Übertragungsmedium. Dabei sind
neben der maximalen Downstream-Geschwindigkeit gerade die
Latenzzeiten, die Laufzeiten der Signale vom Sender zum Empfänger,
für eine Reihe von Anwendungen von besonderer Bedeutung. Hierzu
gehören nicht nur Industrie 4.0-Anwendungen, sondern u.a. auch das
autonome Fahren und Gesundheitsanwendungen. Auch individuelle
Dienste-Einstellungen (QoS „Qualities-of-Servcies“) werden für
Geschäftskunden an Bedeutung weiter zunehmen. Weiterhin sind
Leitungsdämpfung und Energieeffizienz im Netz wichtige Kriterien.
Ein durchgängiges Glasfasernetz bietet nicht nur nahezu unbegrenzte
Kapazität und ermöglicht Geschwindigkeiten im Gbit/s-Bereich bei
einer sehr geringen Leitungsdämpfung und kann zwischen
Glasfaser-PoP (Point-of-Presence) und Hausanschluss in der Regel
auf aktive Netzkomponenten verzichten, die gewartet werden müssen
und störanfällig sind.
Wann der Übergang von den
bislang kupferbasierten Anschlussnetzen auf durchgängige
Glasfaserstrecken für FttB- oder FttH-Netze
(„Fiber-to-the-Building“ oder „Fiber-to-the-Home“) erfolgen muss,
kann derzeit nur vermutet werden. Realistisch ist aber eine
Zeitdauer von knapp 10 Jahren. Spätestens dann werden weitere
Updates bei der Übertragungstechnik über die bestehenden
Kupfer-Anschlussnetze nicht mehr helfen. Bei VDSL-Lösungen führt
eine Erhöhung der Geschwindigkeit unweigerlich zu einer höheren
Dämpfung und somit mit einer abnehmenden Reichweite. Mit Vectoring
erhalten nur Anschlüsse im Umfeld von weniger als 600 Metern um den
Verteilerschrank (Multifunktionsgehäuse) die volle Leistung, für
den ländlichen Raum bleibt somit die Steigerung der Geschwindigkeit
bei längeren Anschlussstrecken begrenzt, sofern nicht zusätzliche
Verteilerschränke für nur wenige Nutzer errichtet werden sollen.
Für die Betreiber wäre eine solche Struktur nicht mal mit
einmaligen Zuwendungen dauerhaft wirtschaftlich gestaltbar.
Eine Zeitdauer von gut zehn
Jahren eröffnet allerdings bei der heute noch ausreichenden
Versorgung Chancen für den Aufbau der erforderlichen nachhaltigen
Infrastruktur. Von den großen Netzbetreibern mit Bestandsnetzen ist
ein schneller Ausbau von Glasfaser-Anschlussnetzen nicht zu
erwarten, da der mögliche Mehrumsatz die Investitionen im Bereich
von € 3.000 bis über 10.000 je Glasfaser-Anschluss kaum decken
kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die Errichtung eines neuen
Anschlussnetzes mit Amortisationszeiten von teilweise deutlich über
20 Jahren verbunden ist. Während der Laufzeit des
Bundesförderprogramms
bis Ende 2018 können die mit
weniger als 30 Mbit/s unterversorgten Gebiete bereits mit
Glasfaser-Anschlussnetzen ausgebaut werden und von dieser
Möglichkeit machen viele Gebietskörperschaften Gebrauch. Das
Fördervolumen von gut € 4 Mrd. (zusammen mit Kofinanzieurng der
Länder und Eigenanteilen der Kommunen € 8 Mrd.) reicht allerdings
nur für die knapp 25% aller Anschlüsse, die Ende 2015 mit weniger
als 30 Mbit/s unterversorgt waren. Für die ca. 95% der Anschlüsse,
die auch 2017 noch keinen Glasfaser-Hausanschluss haben, wäre ein
um ein Vielfaches höheres Förderbudget erforderlich oder ein
anderer Ansatz für den Infrastrukturaufbau zu verfolgen, für den im
Folgenden mögliche Ansätze erläutert werden. Eines sollte
allerdings auf keinen Fall geschehen, ein Abwarten mit der
Umsetzung, bis die Möglichkeiten der Brückentechnologien
ausgeschöpft und der Bedarf in der Breite tatsächlich vorhanden
ist.
2. Migrationsschritte in der Technologie
Aus der Kundenperspektive wird nach Übertragungsgeschwindigkeit, Dienstemerkmalen und Preisen unterschieden. Damit ein Kunde einen Dienst nutzen kann muss eine komplexe Infrastruktur im Zusammenspiel unterschiedlicher Technologien und meist auch mehrerer Anbieter vorhanden sein.
Begriffsbestimmungen zu Breitbandnetzinfrastrukturen und –technologien
Begriff | Erläuterung |
Kernnetz (Backbone) | Das Kernnetz (Backbone) besteht aus den globalen und regionalen Switching Zentren. Sie sind mit Glasfaser und Richtfunk verbunden. Die Bandbreiten beginnen mit 100 Mbit/s bis über 10 Gbit/s. |
Zugangsnetz (Last Mile) | Das Zugangsnetz (Access-Netz, Anschlussnetz, „Last-Mile“) umfasst die „letzte Meile“ zum Nutzer. Für dieses Netz gibt es kabelgebundene, optische und drahtlose Referenzarchitekturen. |
Teilnehmer-Anschluss-Leitung (TAL) | Der Zugang besteht i.d.R. aus einer Kupferdoppelader zwischen dem Hauptverteiler (HVT) in der Ortsvermittlungs-Stelle (OVSt) und dem Teilnehmer (TAE). Sie ist reguliert und entbündelt und kann von alternativen TAL-Betreibern genutzt werden. |
Optische Zugangsnetze | Optische Zugangsnetze bestehen in der gesamten Strecke zum Teilnehmer aus Glasfaser. Unterschieden werden aktive (AON) und passive Netze (PON), sowie die Ausbautiefe der Glasfaser nach FTTC, FTTB, FTTH (Curb, Building, Home). Es gibt hybride Formen mit Glasfaser zum Kabelverteiler (KVZ) und Kupfer zum Teilnehmer. |
Drahtlose Zugangsnetze | Es gibt breitbandige Zugangstechnologien zum Teilnehmer über unterschiedliche Technologien wie WiMAX, Satellitenkommunikation (skyDSL), Richtfunk, UMTS, LTE oder HyperLAN. |
Je nach Randbedingungen und Topographie kommen für einen NGA-Ausbau Fiber-to-the-Curb (FttC) Ansätze, die einen Ausbau mit ADSL und VDSL unter Nutzung der Kupferdoppelader zum Hausanschluss ebenso in Betracht wie die verschiedenen Funktechnologien von LTE über HSDPA/HSUPA, UMTS bis zu WiMAX und WLAN sowie Satelliten-DSL in dünn besiedelten Randbereichen. Kabelnetze sind in der Abbildung nicht enthalten und entsprechen in der schematischen Darstellung der FttH-Darstellung. Unitymedia wird neue Netze nur noch in Glasfaser-Technologie errichten. Somit verwischen sich hier zukünftig die Unterschiede zwischen einem Kabelnetz und einem FttB/FttH-Netz.
Grafik STZ-Consulting Group
Die Zuführung von Bandbreiten kann alternativ zur terrestrischen Leitung auch über Richtfunk erfolgen. Als langfristig nachhaltige Infrastruktur kommt in erster Linie der Glasfaser-Hausanschluss in Betracht, da die Glasfaser aus heutiger Sicht nahezu unbegrenzte Bandbreite und lange Lebensdauern ermöglicht. Andere Technologien können aber als Brücken- oder Nischentechnologien genutzt werden, bis ein flächendeckendes Netz aus Lichtwellenleitern aufgebaut ist oder in solchen Gebieten dauerhaft eingesetzt werden, in denen eine Versorgung mit Glasfaser-Hausanschlüssen unverhältnismäßig teuer würde. Mobilfunknetze sind komplementär zu leitungsgebundenen Netzen und dienen der portablen oder mobilen Anwendung. Dies gilt auch für das moderne LTE-Netz. Die derzeit in der Entwicklung und im Standardisierungsprozess befindlichen 5G-Netze sollen neben Gigabit/s-Geschwindigkeiten verschwindend kleine Latenzzeiten aufweisen. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Glasfasernetz, bei dem der Hausanschluss durch eine Funkstrecke ersetzt wird, die bei einer Frequenz von 2,4 GHz Zellradien von 100 bis 200 Meter haben werden.
Wenn bislang über unzureichende Breitbandgeschwindigkeit, auch als „Bandbreite“ bezeichnet, geklagt wird, dann handelt es sich in der Regel nicht um ein grundsätzliches Problem der Technologie, sondern um einzelne Komponenten bzw. Strecken im Übertragungsweg. Die Weitverkehrsnetze („Backbone“) verfügen über ausreichende Kapazitäten, um auch steigende Bedarfe zu befriedigen. Sofern hier zusätzliche Kapazität benötigt wird, kann sie in den meisten Fällen relativ schnell nachgerüstet werden. Auch die regionalen Netze für die Zuführung der Bandbreite zu Ortsteilen und Gewerbegebieten sind häufig bereits in Form von Leerrohren und Glasfaserstrecken verfügbar. Nur in sehr dünn besiedelten Bereichen besteht gelegentlich noch Bedarf für einen Ausbau. Der eigentliche Engpass liegt heute überwiegend im Bereich der Anschlussnetze, zunächst bis zu den Kabelverzweigern im Telefonnetz oder zu den Verstärkerpunkten im Kabelnetz, aber letztendlich auch bis zum Hausanschluss. Auch nach einer Umrüstung auf durchgängige Glasfasernetze vom Backbone bis zum Hausanschluss wird es die unterschiedlichen Netzebenen noch geben, die mit Netzknoten oder Unterverteilern untereinander verbunden sind.
Grafik STZ-Consulting Group
2.1. Übertragungstechniken
Die verfügbaren Übertragungstechnologien ermöglichen sehr unterschiedliche Bandbreiten und sind teilweise (insbesondere im Fall der Kupferdoppelader) mit entfernungsabhängiger Dämpfung behaftet, die Übertragung über Koaxialkabel („Fernsehkabel“) zeigt nur eine geringe Leitungsdämpfung und die besten Ergebnisse im Hinblick auf Übertragungsgeschwindigkeit und Dämpfung bringt das Glasfaserkabel. Grundsätzlich ermöglicht die Übertragung über das Kabelnetz allerdings die gleiche Funktionalität mit Telefonie, Internet und Fernsehen wie über ein Glasfaserkabel. Die folgende Graphik vergleicht die Bandbreiten der gängigen leitungsgebun...