Christoph Columbus
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Christoph Columbus

Biografie

Jakob Wassermann

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Christoph Columbus

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Die Biografie über den großen Entdecker Christoph Kolumbus ist spannend und unterhaltsam geschrieben. Sie profitiert von der belletristischen Erfahrung des Biografen Jakob Wassermann, der vor allem als Autor von Romanen, Novellen und Erzählungen in Erscheinung getreten ist.Als der Genuese Christoph Kolumbus (1451-1506) mit 32 Jahren nach Portugal kommt, kennt ihn noch niemand. Er zeigt dem portugiesischen Königshaus seine Entdeckerpläne, wirbt mit den wirtschaftlichen Chancen der Seefahrten, und wirbt für deren Finanzierung. Doch dazu kommt es nicht.Christoph Kolumbus verlässt Portugal und geht nach Spanien, denn vermutlich hat der portugiesische König einen anderen Kapitän mit den von Columbus entwickelten Plänen auf die Reise geschickt. Dieser scheitert jedoch.In Spanien kann Christoph Kolumbus das Königshaus davon überzeugen, ihn zu unterstützen. Er stellt für den Ruhm, den er Spanien mit der Erschließung neuer Kontinente einbringen kann, aberwitzige Forderungen: Er will den Titel eines Vizekönigs aller entdeckter Gebiete. Auch ein »Admiral der Weltmeere« will er sein. Christoph Kolumbus bekommt, was er will.Jakob Wassermann beschreibt detailreich die nun folgenden abenteuerlichen Seefahrten des Christoph Kolumbus, die mit der Entdeckung Amerikas als Höhepunkt den Kern der Biographie ausmachen. Christoph Kolumbus begeht unterwegs manche Fehler und Irrtümer. So bezeichnet er die Einwohner des neu entdeckten Kontinents Amerika als »Indios«, weil er sich in Indien wähnt.Dennoch bringen die Fahrten große ökonomische und wissenschaftliche Erfolge. Christoph Kolumbus sichern sie einen Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern. Der in Jakob Wassermanns Biographie von 1929 beschriebene Weg dorthin liest sich phasenweise wie ein Abenteuerroman.

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Information

Year
2018
ISBN
9783744893176
Edition
1

Zwölftes Kapitel

Indisches Inferno

Der Brief galt natürlich mittelbar der Königin, Donna Juana della Torre übergab ihn auch sogleich ihrer Herrin, und er verfehlte die beabsichtigte Wirkung nicht. Isabella vernahm mit Entrüstung, wie übel man mit ihrem Admiral verfahren war, und der König musste sich anstandshalber überrascht und unwillig darüber zeigen, dass man seine Befehle »missverstanden« habe. Das Unangenehmste bei der Sache war das große Aufsehen, das die Ankunft des in Ketten liegenden Vizekönigs und Großadmirals in ganz Spanien und weit darüber hinaus erregte. Aus Prestigegründen war es notwendig, dem beleidigten Mann so rasch wie möglich Genugtuung zu geben. Er wurde eingeladen, ans Hoflager nach Granada zu kommen und erhielt zur Bestreitung der Reisekosten für sich und seine Brüder zweitausend Dukaten.
Sein Erscheinen bei Hofe ist dem Gedächtnis der Zeiten mit Hilfe blümeranter Historiker als eine ebenso rührende wie verlogene Bilderbuchszene vorgemalt worden. Als die Königin den schon im Äußern, durch sein weißes Haupt, die sorgengefurchte Stirn, die edle Haltung, ehrwürdigen Mann erblickte, sei sie in Tränen ausgebrochen. Columbus, der sich in den schweren Kämpfen der Welt behauptet, mit stolzer Verachtung Unbill und Verleumdung ertragen, habe in dieser Stunde die Selbstbeherrschung verloren, sich der Fürstin zu Füßen geworfen und vor Schluchzen lange Zeit kein Wort hervorbringen können. Der König habe ihn dann aufgehoben und mit den huldvollsten Reden ermutigt.
Von alledem ist nicht eine Silbe wahr. Hernando Colón, der die meisten schönfärbenden Legenden über seinen Vater in Umlauf gesetzt hat, weiß von diesem Vorgang nichts, und ein so wirksames Melodram hätte er sich gewiss nicht entgehen lassen, wenn er die geringsten Anhaltspunkte dafür gehabt hätte. Er begnügt sich mit der Bemerkung, der Admiral sei in Granada von den Majestäten mit anscheinender Freundlichkeit empfangen worden, und sie hätten ihm versichert, die Verhaftung und Einkerkerung sei wider ihr Wissen und Wollen geschehen. Alles übrige ist ein läppisches Idyll im Kotzebuestil, auf die großartig-finstere Epopöe aufgeklebt wie ein Öldruck auf ein heroisches Fresko.
So viel ist richtig, dass man seine Klagen und Beschwerden anhörte und ihm Gerechtigkeit versprach. Sein Eigentum sollte ihm zurückerstattet, in seine Ämter und Würden sollte er wieder eingesetzt werden. So wurde gesagt. Und er glaubte es. Er glaubte, dass die Majestäten an dem Tag, an dem sie sich von seiner Redlichkeit und seinen guten Absichten überzeugt hätten, ihn wieder zum Vizekönig machen würden und er im Triumph nach Espanola zurückkehren könne. Eine unheilvoll-naive Täuschung; als er ihrer inne wurde, zerbrach er an ihr. Es war eine geradezu infantile Ahnungslosigkeit von Welt und Leben, die es ihm ermöglichte, seinen Optimismus wie eine wehende Fahne vor sich her zu tragen, während alles von ihm abfiel und, um es platt zu sagen, kein Hund mehr einen Bissen Brot von ihm nahm. Die Königin sah er als segnenden Engel über sich schweben, sich selbst sah er als einen Märtyrer, für dessen Leiden kein irdischer Lohn groß genug war, und seine Entdeckung war in seinen Augen die größte Tat, die je ein sterblicher Mensch vollbracht hatte und vollbringen würde. Ja, er war ein Märtyrer, die Entdeckung war eine Großtat, aber geblendet von seinem Bestimmungsdünkel, berauscht von seinem Einzigkeitswahn verlor er vollends jedes Urteil, jede Fähigkeit zur Vergleichung, jedes geistige Maß und Gewicht.
Die zahlreichen Entdeckungen, die um diese Zeit unter portugiesischer und englischer Flagge gemacht wurden, beunruhigten den König Ferdinand aufs höchste. Seiner unstillbaren Habsucht gesellte sich quälende Eifersucht. Bisher hatte es geschienen, als besitze Spanien allein das Recht zur Auffindung ozeanischer Länder und den Anspruch auf ihre Ausbeutung, nun traten andere Bewerber, andere Nationen in den Vordergrund, begierig, die goldene Welt mit ihm zu teilen. Denn Er war Spanien, Er der Nutznießer und Verwahrer, und wenn andere noch ihren Vorteil fanden, einige große Herren, einiges anonymes Volk, so war es nur, weil er es gnädig zuließ.
Als er acht Jahre zuvor seinen Namen unter die mit dem Genuesen geschlossenen Kapitulationen gesetzt, hatte er nicht geahnt, unermessliche Gebiete zuwachsen würden, in seiner hochmütigen Unwissenheit hatte er das ganze Unternehmen als eine Spekulation auf die Wundergläubigkeit der Königin betrachtet. Nun, in der Fülle des Besitzes, dünkte ihn, als sei er von Columbus durch die getroffenen Vereinbarungen überlistet und betrogen worden, und jede neue Entdeckung des Admirals, statt seine Erkenntlichkeit zu vermehren, steigerte nur seinen Groll und seine Reue darüber, dass er sich von einem verschlagenen Abenteurer hatte umgarnen und zu einer Torheit, wie es jene Unterschrift war, hatte hinreißen lassen.
Wie macht man eine solche unverzeihliche Übereilung ungeschehen? Nun, da gibt es Mittel genug. Zunächst kann man den Verdacht konstruieren, der Admiral plane in aller Stille die Gründung einer unabhängigen Regierung; bei seinem verrückten Ehrgeiz ist dergleichen denkbar; die Roldanschen Aufstände liefern Inzichten genug, wenn man sie durch geschickte Juristen sachlich begutachten lässt. Er könnte ferner die Absicht hegen, die entdeckten Länder fremden Monarchen auszuliefern, um sich größere Vorteile zu sicheren; auch dafür gibt es Anhaltspunkte. Man braucht nur die leiseste Andeutung einer derartigen Möglichkeit fallen zu lassen, und Dutzende von gefälligen Schranzen sind bereit, den königlichen Argwohn mit einem fertigen Delikt zu bedienen. Aber so weit möchte man ungern gehen, aus gewissen Gründen das Äußerste nicht wagen. Einstweilen ist man durchaus nicht gesonnen, dem machtgierigen Mann, habe er Verdienste oder nicht, sei er schuldig oder nicht, wieder den Oberbefehl und das vizekönigliche Amt zu übergeben.
Dazu kommt vor allem; er ist nicht mehr unentbehrlich. Er war insofern nützlich, als er das neue Indien aufgefunden hat. Hierfür ist er entsprechend, vielleicht sogar über Gebühr belohnt worden und genießt einen, vom Standpunkt des absoluten Herrschers aus gesehen, unstatthaften Ruhm. Wie die Dinge heute liegen, kann jeder gewöhnliche Schiffskapitän leisten, was er leistet. Eine Anzahl tüchtiger Seeleute hat sich unter ihm ausgebildet und auf seinen Reisen Erfahrung gewonnen. Viele belagern das Kolonialamt mit dem Anerbieten, eine Expedition auf eigene Kosten auszurüsten; Pedro Alonzo Niño und Vincento Pinzon haben es getan und der Krone einen erheblichen Teil des Ertrags abgeliefert. Aus welcher Rücksicht sollte man also fürstliche Würden und gefährliche Sonderrechte für Dienste erteilen, zu denen man fähige Leute jeden Tag umsonst haben konnte? Immerhin ist es schwierig, einen Mann mit so gefeiertem Namen ohne Umstände kaltzustellen und zu verabschieden, folglich muss man ihn hinhalten und vertrösten, Untersuchungen beantragen, Termine bestimmen, die Termine verschieben, wie das eben in diesen Fällen üblich ist, damals wie heute. Der König hat jetzt ziemlich freie Hand, Isabella, wie es scheint, will sich in die Kolonialgeschäfte nicht mehr einmengen, sie kränkelt, schwere Schicksalsschläge, der Tod des Sohnes, der drohende Wahnsinn der Tochter haben ihr Gemüt verfinstert und ihren Willen gelähmt.
Dem Admiral wird also gesagt, die Zwistigkeiten auf Española dauern fort, seine Rückkehr werde neuen Hader entfachen und überdies seine persönliche Sicherheit gefährden, man wolle Bobadilla vom Kommando entheben und an dessen Stelle vorläufig einen jüngeren, tatkräftigen Beamten ernennen, der die Missbräuche abzustellen und die Insel von dem rebellischen Geschmeiß zu säubern vermöge. Er, Colón, solle sich indessen schonen und pflegen; sobald geordnete Zustände eingetreten seien, werde man für die Wiedereinsetzung in seine alten Ämter Sorge tragen.
Damit muss er sich zufriedengeben. Er hört es mit starren Augen an, wieder und immer wieder, der Kanzler sagt es ihm, der Kolonialminister, die Erzbischöfe sagen es, die Kämmerer, die Richter, er muss schweigen und warten und die Demütigungen schlucken. Bobadilla wird wirklich abberufen, sein Nachfolger, Nicolas de Ovando, Kommandant von Lares, Ritter des Ordens von Alcantara, ein Mann mit rotem Haar und rotem Bart, serviler Höfling, bigotter Katholik, gilt als klug, in der Verwaltung erfahren, aber von den überseeischen Verhältnissen hat er nicht die blasse Ahnung, was sich schon nach kurzer Zeit erweist, denn unter seiner Statthalterschaft wird planmäßig vollendet, was Cristobal Colón unwollend begann: die Hinschlachtung des indianischen Volkes. Zudem hat er sich später in der verzweifeltsten Situation, in die Columbus je geriet, wie ein Schuft benommen.
Zu drückender Untätigkeit verdammt, Monat um Monat auf gerechten Spruch harrend, schrieb der Admiral während des Jahres 1501 in Sevilla jenes ›Buch der Weissagungen‹, das ihn völlig in religiösen Mystizismus versunken zeigt. Er entsann sich des einstigen Gelübdes, dass er innerhalb von sieben Jahren von der Entdeckung der Neuen Welt an fünfzigtausend Mann zu Fuß und fünftausend zu Pferd stellen wollte, um das Heilige Grab den Händen der Ungläubigen zu entreißen. Die Frist war verstrichen, das Gelöbnis unerfüllt, die Neue Welt mit allen ihren Schätzen hatte bis jetzt, statt Gewinn zu bringen, nur Kosten verursacht, und er selbst, weit entfernt, Heere besolden zu können, war arm, verlassen und amtlos. Um aber den König und die Königin wenigstens zu dem Unternehmen anzufeuern, suchte er aus der Bibel, den Kirchenvätern, den Schriften der Heiligen und der Philosophen alle Stellen zusammen, die auf die Bekehrung der Heiden und die Eroberung Jerusalems bezogen werden konnten, auch wenn die Deutung noch so fragwürdig war, benutzte die Aufzeichnungen, die er vor zwei Jahren in San Domingo gemacht, brachte alles mit Hilfe eines gelehrten Karthäusermönchs in ein festes System, das zu einem stattlichen Band anschwoll, und überreichte das Opus den Majestäten mit einem weitläufigen Begleitbrief, dessen eifernde Leidenschaftlichkeit nur von der kümmerlichen Einfalt übertroffen wird, die ihn möglich machte, und der wie die meisten Elaborate des Verfassers den Beweis liefert, dass sein Bildungsniveau selbst für das Zeitalter auffallend niedrig war. Spanische Finsternis.
Er beschwört die Herrscher, nicht mit dem Kreuzzug zu säumen, denn der gegenwärtige Bestand der Welt sei nur noch für einen kurzen Zeitraum gesichert. »Der heilige Augustinus lehrt uns«, schreibt er, «dass das Ende siebentausend Jahre nach der Schöpfung kommen werde. Dieses ist auch die Meinung des Kardinals Pedro de Aliaco. Eure Hoheiten wissen, dass man von Adam bis Christi Geburt fünftausenddreihundertvierzig Jahre und dreihundertachtzehn Tage zählt. Nun sind seit der Geburt unseres Herrn fünfzehnhundertein Jahre verflossen, folglich steht die Welt schon sechstausendachthundertsechsundvierzig Jahre. Mithin bleiben noch 155 Jahre bis zu ihrem Untergang.«
Ohne diese obskuren Spielereien wäre er vor Ungeduld verbrannt. Mit dem Aufwand seiner ganzen Seelenkraft, und die war nicht gering, kämpfte er gegen seinen siechen Körper und die Beschwerden des Alters. Das Ereignis des Tages ist Vasco de Gamas Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung; damit hat der Portugiese den Seeweg nach Ostindien gefunden; die Schätze Kalkuttas, die Reichtümer Hindostans sind in aller Munde, und es heißt, dass er und nach ihm Alvarez Cabral beladen mit Perlen, Silber, Gold, Bernstein, Elfenbein, Porzellan, seidenen Stoffen, edlen Hölzern, Gummi und Gewürzen aller Art zurückgekehrt seien. Da zeigt sich Colón in seiner vollen Unbeirrbarkeit. Er ist nicht etwa bestürzt oder niedergeschlagen oder von Zweifeln bedrängt, ob der von ihm eingeschlagene Weg der richtige Weg nach Indien gewesen; durchaus nicht, so etwas kommt ihm gar nicht in den Sinn. Sondern er fasst unverweilt den Plan zu einer neuen Reise, durch die er sowohl die Entdeckung Gamas wie auch seine eigenen früheren Unternehmungen in den Schatten stellen will. Es ficht ihn auch nicht im mindesten an, dass der Florentiner Vespucci inzwischen auf ein ungeheures Festland gestoßen ist, das unmöglich Asien sein kann. Er will es nicht wissen. Es ist nicht wahr. Für ihn gibt es dort kein anderes Festland als das asiatische. Dahin muss er gelangen, um jeden Preis, sei es mit welchen Mitteln immer, sonst hat er umsonst gelebt, umsonst die Meere befahren. Er hat ja, auf der vorigen Reise, die Karibische See gekreuzt, fast mit dass die Strömungen zu einer Meerenge führten, in dieser Enge musste eine Durchfahrt sein und die musste ihn nach Indien bringen. Daran ist nicht zu deuteln, es ist so sicher wie alles andere, was er prophezeit hat und genau eingetroffen ist.
Er legt den Plan vor; er zeichnet genaue Karten und legt sie vor. Man ist in Verlegenheit. Man hat den lästigen Menschen schon abgetan geglaubt, plötzlich kommt er mit was Neuem. Wie soll man ihn beschwichtigen, da er doch imstande ist, einem das Gehirn aus dem Kopf zu reden. Man macht die und jene Einwendungen. Es ist kein Geld da, in den Kassen von Arragon und Kastilien ist vollständige Ebbe. Tut nichts, erwidert er, Geld will ich aufbringen. Ja, aber die Berichte Ovandos sind noch nicht eingetroffen, und von denen hängt es ab, das muss er begreifen, ob man ihn wieder in Dienst stellen könne. Auch davon will er nichts hören. Lasst mich nur mit dem König sprechen, sagt er. Er hat noch einige Freunde, die an ihn glauben, sie verschaffen ihm Zugang zu Seiner Majestät. Niemals war seine Beredsamkeit so zwingend, sein Feuer so hinreißend, waren seine Gründe so schlagend wie in dieser Audienz bei Ferdinand. Ob der König davon gewonnen und überzeugt wurde, steht dahin. Es ist möglich, dass es ein verführerischer Gedanke für ihn war, in den Besitz eines näheren und sichereren Verbindungswegs nach Indien zu gelangen, als ihn nun die Portugiesen hatten. Vielleicht machte ihn diese Erwägung dem Projekt geneigt, und er bewilligte es, wenn auch zögernd. Wahrscheinlicher ist, dass er den unbequemen Dränger los sein wollte, dessen Suada und verbissenen Fanatismus er geradezu fürchtete; die erbärmlichen Fahrzeuge, die man ihm für die Expedition zur Verfügung stellte und deren gänzlich ungenügende Ausrüstung lassen sogar den Verdacht zu, dass man ihn auf die Manier gründlich und für immer los zu werden hoffte: vier winzige Karavellen, zwischen fünfzig und siebzig Tonnen jede, mit einer Besatzung von insgesamt hundertfünfzig Mann. (Wunderlich: die Schiffe spielen immer wieder die Rolle des Kleppers Rosinante.) Die elenden Nussschalen sind schon bei schwach bewegter See in Gefahr zu sinken, es braucht gar keinen Sturm dazu. Einmal musste nach menschlichem Ermessen (besonders wenn man ein wenig nachhalf) den ruhelosen Durchpflüger des Meeres ja doch das Schicksal ereilen, das er in seiner eitlen Ruhmsucht so oft herausgefordert hatte.
Hat diese verbrecherische Berechnung einen realen Hintergrund (ich gestehe, es zu bezweifeln ist schwer), so bietet sie auch die einzige Erklärung dafür, dass der König trotz seiner unverhohlenen Abneigung gegen den Admiral alle mit ihm geschlossenen Verträge erneuerte. Noch mehr, er erbot sich sogar, die Privilegien seinem Sohne Diego nötigenfalls ausdrücklich zu bestätigen, er möge sich nur in Frieden und Vertrauen einschiffen. Mit einem so jungen, gänzlich von der Gnade des Hofes abhängigen Menschen konnte natürlich die spanische Majestät leichter fertig werden als mit dem unersättlichen und ewig querulierenden Vater. Was für Vorbehalte und Schlupflöcher sich jedoch hinter dem gnädigen Handschreiben verbargen, das entzieht sich heutiger Beurteilung. Spanische Lebensform und Konvention hatten zu dieser Zeit etwas vollkommen Undurchdringliches und Geheimnisvolles. Wie wenig man ihm traute, erfuhr Columbus bald genug: Seine Bitte, in Española Station machen zu dürfen, wurde rundweg abgeschlagen.
Er gab sich keinen falschen Hoffnungen hin. Er erwiderte Misstrauen. Von allen Kontrakten, Konzessionen und Sonderbewilligungen, worin er als Großadmiral, Vizekönig und Gouverneur von Indien anerkannt war, ließ er zwiefache Abschriften unter Beglaubigung des Alcalden von Sevilla verfertigen, legte Kopien seines Briefes an Donna Juana della Torre bei sowie ein doppeltes Schreiben an die Bank von Genua mit der Überweisung des zehnten Teils seiner Einkünfte zur Ermäßigung des dortigen Getreidezolls (sehr schlau, dadurch machte er seine Vaterstadt zur Verfechterin seiner Rechte und Interessen) und schickte sämtliche Urkunden durch verschiedene Personen an seinen Freund, den Doktor Nicolo Oderigo, ehemaligen genuesischen Gesandten am spanischen Hof, mit der Bitte, sie in sicherer Verwahrung zu halten. Durch diese umfassende Vorsicht sind die Dokumente bis auf unsere Zeit gekommen. Ein Exemplar der Abschriften wurde 1816 in der Bibliothek des Senators Grafen Cambiaso gefunden und fünf Jahre später in der Urne aufbewahrt, die das Columbusdenkmal in Genua schmückt.
Über die vierte und letzte Reise müsste man Bände schreiben, wenn man eine auch nur annähernde Vorstellung von ihrer Gefährlichkeit und ihrer Abenteuerlichkeit geben wollte. Liest man da und dort, was die Chronisten gesammelt und berichtet haben, was Columbus selbst darüber niedergeschrieben hat (ein verworrenes, unverständiges, seniles Machwerk übrigens), was Diego Porras, der Notar, als Augen- und Leidenszeuge vermeldet und was schließlich Diego Mendez, der wunderbare getreue Diener des Admirals, knapp und gewissenhaft in seinem Testament erzählt, so schaudert einem die Haut nach vierhundert Jahren noch. Die Mühseligkeiten waren so furchtbar, dass man sich wundert, wie Menschen sie überhaupt ertragen konnten, ohne ein solches Leben freiwillig zu beenden, insonderheit dieser kranke, verbrauchte, vorzeitig zum hinfälligen Greis gewordene Führer. Hunger, Seuchen, grausig endlose Stürme, quälende Hitze, Schiffbrüche, Zersetzung aller Disziplin, Verrat von allen Seiten und verzweifelter Hass aller gegen alle machen die Expedition zu einer wahren Höllenfahrt.
Die Abenteuerlichkeit anlangend, müsste man an die effektvoll gehäuften Ausgeburten müßiger Hirne glauben, wären die Ereignisse nicht durch verlässliche Quellen bestätigt. Denn da ist alles versammelt, was seit Jahrhunderten primitiven Anhängern des Aufregenden den Sinn verrückt und den Atem raubt, die wilde Ungebärdigkeit des Ozeans und sein geheimnisvoller Reiz, unerwarteter Wechsel der Schicksale mit Todesgefahr und Rettung, Steuern ins Unbekannte und Stranden an weltverlorenen Inseln. Dieses Geschehen ist Generationen in Fleisch und Blut übergegangen, es hat die Phantasie der Jugend entzündet und ihre Tatenlust befeuert, so dass die zugrundeliegende Wirklichkeit schier wesenlos geworden ist und nicht mehr recht als solche gilt. Aber es gibt in dem Bezug keine Erfindung, vielleicht kann überhaupt nichts erfunden werden; was dem Menschengeist zum Bilde wird, muss sich irgendwie und irgendwann einmal zugetragen haben, es ist dann nur durch Missbrauch und Schematisierung verzerrt, leblos und lügenhaft geworden. Auch Robinsons Geschichte hat sich einmal wirklich begeben, und da die Zahl der Lebensmotive, der mythischen, historischen und romantischen, ziemlich beschränkt ist, nehmen einige wenige die typische Form an und dienen zur Variation, so lange, bis sie verwelken und absterben. Die letzte Reise des Christoph Columbus ist ein solches Stammerlebnis, ein Wurzelmotiv, aus dem vielerlei Dichtung, Sage und freilich auch unreines Fabelgespinst entstanden ist.
Zwei vertraute Personen nahm der Admiral mit auf die Reise: seinen Bruder Bartolomé, jetzt nicht mehr Adelantado, sondern grollender Anwärter auf einstige Rückberufung, und seinen dreizehnjährigen Sohn Hernando. Unfassbar, das Leben des eigenen Kindes aufs Spiel zu setzen, denn um das Wagnis musste er wissen, er kannte die möglichen Schrecken, er kannte den Zustand der Schiffe, was war also der Antrieb? Schwebte ihm eine pädagogische Maßregel vor, Erziehung zum Nachfolger, zum Helden? Es ist bekannt, Spross einer leidenschaftlichen Beziehung, vielleicht der einzigen in seinem Dasein, sehr geliebt hat, aus gedankenloser Frivolität oder Abhärtungsprinzipien kann sonach der Entschluss nicht hervorgegangen sein. Ich sehe nur einen plausiblen Grund: Er fühlte sich sehr einsam; sehr missverstanden; er entbehrte aller Menschenwärme, aller Bewunderung, aller Pflege und Hegung, sogar aller Rücksicht; das Wesen, das seinem Herzen am nächsten war, in der kritischsten Epoche seines Lebens im Vorgefühl des Endes um sich zu haben und ihm zugleich ein Exempel von der Größe im Ertragen und Besiegen aller Widrigkeiten, die der Himmel nur schicken kann, zu geben, das mag der Grund für ihn gewesen sein, Sorge und Vernunft hintanzusetzen, wobei ja in der Tiefe seines dass Gott ihn zu dem verheißenen Ziel führen und ihm bis dahin nichts zustoßen würde.
Die Instruktion, die ihm ausgehändigt wurde, enthielt den Befehl, eine oder zwei Personen an Bord zu nehmen, die des Arabischen mächtig waren (wegen der Verständigung bei der Ankunft in Asien), und so schnell wie möglich auf dem geradesten Weg nach Westen vorzudringen, ohne, wie noch einmal betont wurde, auf Española Anker zu werfen. Die Landung erwies sich jedoch als notwendig, da eine Reihe der heftigsten Stürme eines der Schiffe so beschädigt hatte, dass er es in San Domingo gegen ein anderes umtauschen wollte. Als er aber in Sichtweite der Küste kam und in einem außerordentlich höflichen Schreiben an Ovando um die Erlaubnis zum Auswechseln der Karavelle bat, verbot ihm der Gouverneur schroff, die Insel auch nur zu betreten. So konnte er bloß ein Paket Briefe für Spanien abgeben und musste sich aufs Neue der schäumenden See anvertrauen. Er schreibt darüber wie folgt: »Welcher Mann, selbst Hiob nicht ausgenommen, wäre nicht bereit gewesen, aus Verzweiflung zu sterben in der Lage, in der ich mich b...

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