Teil 1 â Durch trickreiche Rhetorik zum Erfolg Weshalb die rhetorische Manipulation wichtig ist
Manipulation versus Beeinflussung
Kommunizieren zwei Menschen miteinander, versuchen sie sich bewusst und unbewusst gegenseitig von ihren eigenen Ideen zu ĂŒberzeugen.
Dagegen wird grundsÀtzlich kaum einer etwas einzuwenden haben, gehört doch zum zwischenmenschlichen Miteinander, sich auszutauschen, zu befragen und zu informieren.
Sobald einer einen tollen Vorschlag oder eine klasse Idee hat, will er sein GegenĂŒber ĂŒberzeugen zuzustimmen.
Schon sind wir in dem Themenbereich, den wir im ersten Teil dieses Handbuchs durchleuchten wollen: Die gegenseitige Manipulation und Beeinflussung, um eigene Vorteile zu erzielen.
Schnell können Sie sehen, dass es zu Ihrem Vorteil dienen kann, damit der andere Ihren Vorstellungen entsprechend handelt.
Sie haben manipuliert! Gratulation!
Aber Vorsicht: Versucht nicht auch Ihr GesprĂ€chspartner, Sie von seinen Ideen zu ĂŒberzeugen? Manipuliert er Sie vielleicht auch? Wollen Sie manipuliert werden? Zumindest könnte es fĂŒr Sie hilfreich sein zu wissen, wie Sie bei Bedarf unerwĂŒnschte Manipulation abwehren können. Oder?
Ohne trickreiche Rhetorik weder Entwicklung noch Erfolg
Rhetorik â die Kunst des Sprechens. Ja, ja, das wissen wir doch alle. Sprechen können wir doch, wenn die Statistik auch behauptet, dass Ehepaare tĂ€glich nur 7 Sekunden miteinander reden.
Also, worin besteht die Kunst beim Reden? NatĂŒrlich darin, andere von dem, was einer sagen will, zu ĂŒberzeugen.
Ăberzeugen heiĂt ja, dass der Zuhörer dem zustimmen soll, was der Sprechende gerade Ă€uĂerte. Da haben wir es bereits. Die Evolution des Menschen hat es den Erdenbewohnern ĂŒber zig Jahrtausende hinweg ermöglicht, sich immer feiner und sensibler durch gesprochene Wörter auszutauschen. Genial; denn auf diese Weise war und ist es möglich, âin doppeltem Sinnâ zu reden. Es ist weiterhin möglich, Ironie zu verwenden, Humor einzusetzen und â zu lĂŒgen. Erschrecken Sie nicht! Ja, zu lĂŒgen! Manche sagen auch, die Wahrheit in ein besseres Licht stellen. Wie dem auch sei â die Menschheit hat gelernt, mehr oder weniger perfekt etwas auszudrĂŒcken, was nicht unbedingt der objektiven RealitĂ€t, der Wahrheit entsprechen muss.
TatsÀchlich kann das Gesagte genau das Gegenteil von dem meinen, was wirklich gesagt wurde. Wichtig und entscheidend ist das, was der Zuhörer versteht beziehungsweise verstehen soll.
Somit kann der Sprechende mit Wörtern und SĂ€tzen spielen â oder sogar mit dem Zuhörer spielen.
Manipulation und Beeinflussung in der Rhetorik
In der Rhetorik kann davon ausgegangen werden, dass mit einer Person geredet wird, um sie zu informieren beziehungsweise zu ĂŒberzeugen. Selbst wenn Sie lediglich jemanden begrĂŒĂen mit âGuten Tagâ, abgekĂŒrzt von âIch wĂŒnsche Ihnen einen guten Tagâ, liegt bereits eine Manipulation vor. Sie wĂŒnschen ja, dass der andere einen guten Tag genieĂen möge. Mit diesem netten TagesgruĂ wird sich kaum jemand manipuliert fĂŒhlen. Allerdings reagieren höfliche Menschen mit einem GegengruĂ. Zum Beispiel mit âDen wĂŒnsche ich Ihnen auchâ. Jetzt wird noch deutlicher, dass eine Manipulation vorliegt. Denn â Sie haben Ihr GegenĂŒber dazu veranlasst, einen GruĂ zu erwidern.
Generell kann davon ausgegangen werden, dass (fast?) jeder Dialog dazu dient, den anderen in eine bestimmte Richtung denken oder handeln zu lassen. Sei es, dass im Sinn einer Information der andere in seinem Wissen bereichert werden soll, sei es, dass im Sinn eines VerkaufsgesprĂ€chs das GegenĂŒber von einem Produkt (oder einer Dienstleistung oder der eigenen Arbeitskraft) ĂŒberzeugt werden soll. Ein KritikgesprĂ€ch soll dazu dienen, den anderen anders handeln zu lassen. Und so weiter. In allen genannten und vergleichbaren FĂ€llen liegt nach obiger Definition eine Manipulation vor.
Selbst der gewĂ€hlte Ort oder die verwendeten Unterlagen, die AtmosphĂ€re, das Auftreten, die gewĂ€hlten Umgangsformen und anderes bestĂ€rken den gewĂŒnschten Effekt. Anders ausgedrĂŒckt bedeutet das, dass zwischenmenschliche Kommunikation ohne gegenseitige Manipulation nicht möglich ist. Das ist weiter nicht schlimm, wie wir oben schon gesehen haben.
Interessant wird es dann, wenn diese Manipulation âtrickreichâ eingesetzt wird. Gemeint ist damit, dass die Manipulation nicht âzufĂ€lligâ nach ĂŒblicher Art geschieht, sondern sozusagen in verstĂ€rkter Form. Dabei gilt, dass nicht gelogen werden soll. Bestenfalls soll etwas so dargestellt werden, dass das GegenĂŒber einen anderen â hier besseren â Eindruck gewinnt.
Menschen, die die Rhetorik in diesem Sinn trickreich einsetzen können, werden in ihrer Ăberzeugungskraft stĂ€rker. Der Erfolg wird greifbarer. Wer so arbeitet, hat nicht nur vor Gericht Vorteile, sondern auch in allen anderen möglichen ĂberzeugungsgesprĂ€chen und VerhandlungsgesprĂ€chen.
Wer macht Kinder froh?
Nicht nur die moderne Werbung zeigt uns tĂ€glich, wie WĂŒnsche geweckt werden. Einfach mal nur so nebenbei. Oder vielleicht doch nicht nur mal âeinfachâ so? Steckt dahinter möglicherweise ein System, also Absicht?
Und, zugegebenermaĂen ist es genial, wenn sich bestimmte Slogans, Wortgruppen oder einfach nur Wörter so in unserem GedĂ€chtnis festsetzen, dass wir auch Jahre spĂ€ter noch das (gedanklich) verknĂŒpfte Produkt sofort vor uns sehen oder hören. Wer macht Kinder froh und Erwachsene ebenso? Ja klar, Haribo kriegt das hin. Und zwar schon seit 1935. Ăbrigens folgte der Nachsatz âund Erwachsene ebensoâ erst im Jahr 1962. SĂŒĂe Leckereien mĂŒssen ja nicht nur Kindern munden.
Und fĂŒr die Ă€lteren Leserinnen und Lesern unter Ihnen: Können Sie sich erinnern, was die alte Tante, die alle Waschmaschinen kannte, sagte? Ja â richtig! Es hieĂ âMiele, Miele sprach die Tante, die alle Waschmaschinen kannte.â
Gut, manche haben diese Zeit nicht miterlebt. Eine andere Frage: Welche Auto-Marke verkaufte âFreude am Fahrenâ? Richtig, der Hersteller aus Bayern, BMW.
So nebenbei. âBMW macht sexy, Benz ist biederâ. Zumindest stand das so in der Autobild.de vom 24.10.2014. Und weiter: âIhr Image klebt hartnĂ€ckig an den Automarken. ⊠VW-Fahrer werden immerhin sympathisch beurteilt. ⊠Die lange belĂ€chelten Opel-Fahrer liegen bei den Sympathiewerten inzwischen wieder auf Platz zwei.â Na bitte.
Ein letztes Beispiel zu Slogans: Was ist geil? Entschuldigen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, aber wir betrachten hier das Wort âgeilâ ausschlieĂlich aus wissenschaftlicher Sicht. Nun: âGeiz ist geil.â
Mit diesen Beispielen soll gezeigt werden, wie manipulativ die Werbung vorgeht. Sie schafft es trickreich, uns Formulierungen ins Gehirn zu pflanzen, die wir so schnell auch nicht mehr rausbekommen. Wenn das mal nicht gekonnt ist âŠ
Kultur, Krieg und König
Was wĂ€re das Leben ohne das (gesungene) Lied? Ohne Oper, ohne Theater, ohne Musical? Kaum vorstellbar, oder? âWo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.â Das meinte Johann Gottfried Seume (dt. Schriftsteller, 1763 â 1810). Na, wenn es doch mal so wĂ€re. Denken wir mal nur an die Texte einiger Hymnen, an Marschlieder, an Lieder der Revolution und des Aufruhrs. Die Lieder vermitteln unzweifelhaft eine eindeutige Betrachtungsweise.
So sangen bei den Trauerfeierlichkeiten am 11.01.15 Zigtausende in den StraĂen von Paris anlĂ€sslich der TerroranschlĂ€ge 4 Tage zuvor die französische Nationalhymne Marseillaise.
GroĂe HeerfĂŒhrer nutzten und nutzen vor ihren entscheidenden Schlachten eindrucksvoll gefĂŒhrte Reden, rhetorisch ausgefeilt, trickreich manipulierend eingesetzt, pathetisch betont, um ihre Gefolgsleute zur Schlacht aufzurufen und sogar in den Tod zu schicken. So soll es bei Alexander dem GroĂen gewesen sein, bei allen möglichen CĂ€saren, Königen und Kaisern.
The Kingâs Speech
Diese Reden mĂŒssen nicht immer auf dem tatsĂ€chlichen, greifbaren Schlachtfeld gehalten werden, sondern können zu spĂ€teren Zeiten via Radio ĂŒbertragen werden.
In dem mit zahlreichen Preisen nominierten Film âThe Kingâs Speechâ, also âDie Rede des Königsâ aus dem Jahr 2010 (Regisseur Tom Hooper, *1972 in GroĂbritannien) soll der britische König George VI. (gespielt vom brit. Schauspieler Colin Andrew Frith, *1960) erstmals im Radio eine wichtige und entscheidende Ansprache halten. Das wĂ€re weiter nicht schlimm, hĂ€tte George VI. nicht eine Sprachbehinderung gehabt â er stotterte nĂ€mlich. Und wer will eine mitreiĂende, entscheidende Rede, in der GroĂbritannien den Deutschen den Krieg erklĂ€rt, hören, wenn dieser aufgrund der Sprachherausforderung nur schwer zu folgen wĂ€re?
Der Sprachtherapeut Lionel Logue (ausgezeichnet gespielt von dem austral. Schauspieler Geoffrey Rush, *1951) trainiert mit Tricks in mehreren Therapie-Sitzungen die Aussprache und ermutigt George, seine erste öffentliche Rede zu halten. MĂŒĂig zu sagen, dass es der Sprachtherapeut g...