Mythos Big Five
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Mythos Big Five

Neue Basisdimensionen der Persönlichkeit

Burghard Andresen

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Mythos Big Five

Neue Basisdimensionen der Persönlichkeit

Burghard Andresen

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Die sogenannten "Big Five" beherrschen als DomĂ€nen-Modell seit ĂŒber dreißig Jahren die Persönlichkeitspsychologie – trotz inzwischen zahlreicher Kontroversen und Modellalternativen. Dieses Buch setzt sich kritisch auf verschiedenen Ebenen (theoretisch, methodisch und empirisch) mit diesem "hegemonialen" Modell auseinander. Ein wichtiger Baustein dieser Analyse ist die forcierte Kritik der ebenen-hierarchischen PrĂ€missen des FĂŒnf-Faktoren-Modells, das heißt des Postulats, es gĂ€be reale Stufungen in der Strukturorganisation der Merkmalspyramide. Als Konsequenz wird die unterste Basis faktorenanalytischer Erkenntnisfindung mit dem Ziel einer möglichst erschöpfenden Merkmalserfassung favorisiert, die bisher mit dem Konzept der "PrimĂ€rfaktoren" belegt war. Das Buch geht auch auf kritische Aspekte der Zielsetzung, der Merkmalsselektion und Variablenkonstruktion sowie der Faktorenzahl-Entscheidung ein. Verschiedene wissenschaftshistorische BezĂŒge - im Besonderen zum lexikalischen Ansatze - werden kritisch analysiert. Empirisch prĂ€sentiert der Autor zahlreiche Evidenzen auf der Basis multivariater Studien zugunsten einer Überwindung der Big Five, die nur bestimmte, stark eingeschrĂ€nkte Sektoren des MerkmalsgefĂŒges abdecken. In einer Faktorenanalyse von vierzehn Persönlichkeitsinventaren ergeben sich 22 gut interpretierbare Faktoren, von denen nur 7 durch mindestens eine Facetten-Skala des NEO-PI-R gut markiert sind. Betrachtet man die multiple Korrelation der fĂŒnf NEO-PI-R-DomĂ€nenskalen mit jedem der 22 Faktoren, so zeigt sich, dass 14 dieser Faktoren nur zu weniger als 40 % varianzanteilsmĂ€ĂŸig von den Big Five erfasst sind. Die empirischen Ergebnisse - ergĂ€nzt durch weitere eigene Studien - legen als eine mögliche Strukturhypothese nahe, dass die PrimĂ€r- oder Basisfaktoren der Persönlichkeit zirkumplex-analoge Viererketten bilden. Auf der Basis dieses Modells werden weitere vielversprechende"beyond Big Five" Faktoren der internationalen Forschung integriert. Es werden Perspektiven fĂŒr die zukĂŒnftige faktorenanalytische Persönlichkeitsforschung und Modellbildung vorgestellt.

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Information

Year
2015
ISBN
9783739293141
Edition
1

Kapitel 1

Geschichte, Ziele, PrÀmissen und Kontroversen der explorativen Faktorenanalyse von Persönlichkeitsvariablen

Burghard Andresen

Inhalt

  1. UnzĂ€hlige Persönlichkeitsmerkmale – und was liegt dahinter?
  2. Historische Entwicklung dimensionaler Methoden und Modelle in der Persönlichkeitsforschung
  3. Systematik unterscheidbarer Zielsetzungen der explorativen Faktorenanalyse
  4. FragwĂŒrdige PrĂ€missen oder methodische Prinzipien
  5. Biologische Theorieoptionen
  6. Eigenschaftstheoretische und biologisch-genetische Konzepte zur Zielbestimmung der faktorenanalytischen Persönlichkeitsforschung
  7. Diskussion, Schlussfolgerungen und Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Detailliertes Inhaltsverzeichnis
  • Anhang 1: Definitionen und Zielsetzungen der explorativen Faktorenanalyse in LehrbĂŒchern der multivariaten Statistik
In: Burghard Andresen (2015). Mythos Big Five – Neue Basisfaktoren der Persönlichkeit (S. 9-86). Norderstedt: Books on Demand. Copyright: Burghard Andresen
„Theories are not true or false;
they are fertile or sterile.”
Claude Bernard

1 UnzĂ€hlige Persönlichkeitsmerkmale – und was liegt dahinter?

Als Teildisziplin der Differentiellen Psychologie sieht sich die faktorenanalytische Persönlichkeitsforschung mit einer unabsehbaren Zahl und unĂŒbersichtlichen FĂŒlle von ĂŒberdauernden bzw. habituellen Merkmalen und Eigenschaften von Personen konfrontiert. Deren Mannigfaltigkeit erscheint vor allem nach den verfĂŒgbaren sprachlichen Beschreibungseinheiten so groß, dass allgemein der Wunsch nach einer konsensfĂ€higen, wenn nicht gar universell gĂŒltigen Kategorisierung und Dimensionierung besteht. Diese sollte nach Auffassung vieler Forscher und als Gebot der deskriptiven und theoretischen Ökonomie eine drastische Reduktion der resultierenden Faktoren zur dennoch erschöpfenden Abbildung der wesentlichen Merkmale mit sich bringen. Es geht darum, merkmalsverdichtende latente Variablen fĂŒr Persönlichkeitseigenschaften zu finden, die möglichst theoretisch gĂŒltig, methodisch verbindlich und ĂŒber Untergruppen von Personen hinweg sowie transkulturell generalisierbar sind.
Hier stellte sich die Frage, welche mathematisch-statistischen Methoden und Kriterien es gibt, um quantitative Persönlichkeitsvariablen so zu bĂŒndeln, dass solche verlĂ€sslich auffindbaren und konsensfĂ€hig ordnenden „Übermerkmale“ resultieren. HierfĂŒr wurde unter anderen Methoden – beginnend mit Spearman (1904) – die explorative Faktorenanalyse (EFA) entwickelt, die zentrales methodisches Thema dieses Buches sein soll. Offen bleibt bei diesem Ansatz die Frage, nach welchen Kriterien die aus der EFA resultierenden Faktoren als valide und theoretisch fundierte „latente Variable“ interpretiert werden können. Denn zunĂ€chst gehen die Faktoren einer explorativen Faktorenanalyse ĂŒber varianzreduzierende Rechenoperationen ausschließlich aus den Ausgangsvariablen rechnerisch hervor (s. Kapitel 2, i.d.B.). KriteriumsvaliditĂ€t (z.B. biologischer Natur, s. Abschnitt 5.2) geht in ihre Ergebnisfindung gar nicht ein. Und diese Faktoren „erklĂ€ren“ Merkmale auch nicht – wie terminologisch oft suggeriert – sondern erfassen sie bzw. fassen sie zusammen, und dieses in aller Regel fĂŒr alle Variablen nur varianzanteilig.

1.1 Idiografischer vs. nomothetischer Ansatz

Idiografische AnsĂ€tze in der Persönlichkeitsforschung setzen beim einzigartigen Individuum an, seiner Biografie und seinen Eigenarten und Besonderheiten. Hier gilt die Formulierung: „keiner wie der Andere“ und zwar in qualitativer Hinsicht. Allport (1961, 1966) vertrat eine solche Position, obwohl er wegen seiner grundlegenden lexikalischen Analysen auch als einer der GrĂŒndervĂ€ter der persönlichkeitspsychologischen Eigenschaftstheorie (Allport & Odbert, 1936) gelten kann. Strukturelle GesetzmĂ€ĂŸigkeiten (z.B. bestimmte Typenbildungen und dimensionale Konstrukte) werden im idiografischen Ansatz nicht als generalisierbar ĂŒber Personen angenommen. Der idiografische methodische Weg ist primĂ€r einzelfallorientiert (Barenbaum, 1997), qualitativ (Lamnek, 2010) sowie verstehend und narrativ (Barresi & Juckes, 1997).
Der nomothetische Ansatz in der Persönlichkeitsforschung geht dagegen davon aus, dass Personen – ungeachtet ihrer individuellen Biografie und Lebenssituation – in ihrer Eigenschaftsstruktur durch fĂŒr alle Personen ĂŒbereinstimmende quantitative Variable sinnvoll beschrieben werden können. Dabei muss beachtet werden, dass Personen auch bei Zutreffen einer eigentlich idiografischen Struktur ihrer WesenszĂŒge veranlasst werden können, auf einheitlich konzipierte Items und Skalen zur Persönlichkeitsmessung ausreichend methodenkonform zu antworten, um so hinreichend stimmige quantitative Messwerte zu liefern. Diese pragmatisch-nomothetische FunktionalitĂ€t beinhaltet natĂŒrlich nicht notwendigerweise eine nomothetische Sinnhaltigkeit bzw. ein konzeptuelles Primat fĂŒr diese merkmalseinheitliche quantitative Methode.
Nomothetisch eigenschaftsorientierte Forscher betonen, dass ihr Ansatz metrisch eine fast unendlich differenzierte Persönlichkeitsbeschreibung ermöglicht. Sie weisen auf die enormen Abstufungs- und Kombinationsmöglichkeiten hin, die in einem multivariaten Persönlichkeitsprofil allein bei rein quantitativer Variation auf den Faktoren oder Skalen entstehen. Diese Vielfalt von Skalen- oder Faktorwerten könne auch phÀnomenologisch als qualitativ differenzierend erlebt werden, als ganz eigenes Persönlichkeitsprofil.
Die beiden Wege sind als Alternativkonzepte bisher nicht schlĂŒssig auf ein empirisch bestimmbares Primat geprĂŒft worden. Ihre PrĂ€ferenz wurzelt auch teilweise im Weltanschaulichen. Es ließe sich durchaus vorstellen, dass beide AnsĂ€tze sich komplementĂ€r ergĂ€nzen können (Carver & Scheier, 2000), nicht zuletzt auch im diagnostischen Prozess.
Heute setzt sich der Disput um die nomothetischen oder idiografischen Grundlagen in analoger Form – angehoben auf die Gruppenebene, also abstrahierend vom einzelnen Individuum – in der interkulturellen Persönlichkeitsforschung fort. Hier geht es um den Anspruch der FĂŒnf-Faktoren-Theorie der Persönlichkeit auf transkulturelle UniversalitĂ€t (McCrae & Costa, 2003).
Den Vertretern dieses Anspruchs, die oft mit sog. etischen („etic“) AnsĂ€tzen der Variablengenerierung und -auswahl gearbeitet haben (es werden vorzugsweise angloamerikanische Variablen-, Item- und Skalenkonzepte vereinheitlichend auf andere Kulturen ĂŒbertragen), wird eine zwangsweise Nomothetisierung speziellen Typs vorgeworfen, die interkulturelle Besonderheiten nicht berĂŒcksichtigt. Dem wird eine ideale, kulturfaire emische („emic“) Vorgehensweise entgegengestellt, die in jeder Kultur von Grund auf vor allem die sprachlichen Eigenarten einer Kultur berĂŒcksichtigt und entsprechend in Variablenbildungen fĂŒr die Mitglieder dieser Kultur umsetzt (s. Kapitel 3, i.d.B.).
FĂŒr die explorative Faktorenanalyse sind formal einheitlich gefasste Items oder Skalen (als summativ zusammengefasste Items, oder als Itemmittelwerte) notwendig. DarĂŒber hinaus sind spezielle statistische Voraussetzungen fĂŒr die Anwendung einer parametrischen Korrelationsrechnung zu beachten, auf der die explorative Faktorenanalyse aufbaut (s. Kapitel 3, i.d.B.). Der idiografische Weg ist dagegen mit der EFA nicht unmittelbar kompatibel. Dieses schließt aber auch hier eine weit gefasste ErgĂ€nzungsfunktion des idiographischen Interpretierens, Verstehens und Kommunizierens nicht aus.

1.2 Der typologische Ansatz

Typologische AnsĂ€tze im weit verstandenen Sinne sind Grundlage und Ausdruck der ersten BeschĂ€ftigung mit differenzierten PersönlichkeitsphĂ€nomenen in der Antike (s. Abschnitt 5.1). Sowohl die vier Temperamente nach Galenos (2. Jh. n. Chr.) – aufbauend auf den naturphilosophischen Lehren des Hippokrates (4 Jh. v. Chr.) – als auch die 30 Charaktere nach Theophrastus (4. Jh. v. Chr.) sind „PrĂ€gnanztypus“-Konzepte, in denen ein einzelnes Merkmal oder ein Verbund eng verwandter Merkmale eine Person durch eine herausragende AusprĂ€gungsstĂ€rke kennzeichnen und auffĂ€llig machen. Diese typologische Form hat sich bis in die Hochzeit der psychiatrischen Psychopathie-Lehren im frĂŒhen 20. Jahrhundert gehalten (Kretschmer, 1921; Schneider, 1923). Diese Konzeption der PrĂ€gnanztypen hebt sich von modernen Clusterkonzepten ab, welche Individuen nach (zumeist euklidischer) ProfilĂ€hnlichkeit fĂŒr zahlreiche, auch inhaltlich und korrelativ ggf. sehr distante quantitative Merkmale zu kategorisieren versuchen. Diese empirische Typusgenerierung soll zu Clustern von Personen fĂŒhren, die eine sehr geringe Binnenstreuung aufweisen, wobei als typenkennzeichnend und typentrennend jeweils mehrere sehr unterschiedliche Merkmale resultieren können.
PrĂ€gnanztypen der ersteren Art und moderne ProfilĂ€hnlichkeitscluster sind konzeptuell und psychometrisch u.U. sehr unterschiedlich zu operationalisieren. Bei den traditionellen PrĂ€gnanztypen der Persönlichkeit wĂ€re es denkbar, dass ein Typus mit den ihm zugehörigen Individuen auch qualitativ besondere Merkmale besitzt, die der Rest der nicht zugehörigen Individuen nicht teilt. Ein Beispiel fĂŒr ein solches nur teilnomothetisches Konzept wĂ€re die biologische Artendefinition. Hier treten z.B. bei Fischen Kiemen auf, wĂ€hrend SĂ€ugetiere Lungen besitzen. Eine Vermessung auf einheitlichen Skalen dieser qualitativ hochgradig verschiedenen Atmungsorgane ist kaum möglich. Innerhalb einer Art jedoch sind Quantifizierungen des jeweiligen prototypischen Organs sinnvoll, um Individuen nomothetisch zu differenzieren.
Bei den Cluster-Typisierungen wird vorausgesetzt, dass alle Personen einer einheitlichen nomothetischen Merkmalsdefinition folgen, die eine quantitative Messung verschiedener Substrate und Funktionen erlauben. Clustertypologische Konzepte erfahren auch in der psychologischen Persönlichkeitsforschung – als Alternative oder Komplement zu den Big Five der dimensionalen Persönlichkeitsbeschreibung – eine tendenzielle Renaissance (Asendorpf, 2003; Herzberg & Roth, 2006).
PrĂ€gnanztypologische Konzepte sind heute kaum noch Gegenstand der psychologischen Forschung, leben aber in der klinisch-kategorialen Diagnostik weiter. Aber auch in der klinischen Diagnostik werden seit geraumer Zeit BemĂŒhungen forciert, kategoriale Diagnosen und Konzepte durch dimensionale Modelle zu ersetzen, die in aller Regel eine höhere ValiditĂ€t aufweisen (Andresen, 2006). In diesem Zusammenhang ist die Frage anzusprechen, wie das Primat fĂŒr dimensionale AnsĂ€tze mit den diskreten genetischen Polymorphismen vereinbar ist, die viele Trait-Theoretiker als wichtigste Grundlage der etablierten Persönlichkeitsdimensionen annehmen (Gangestad & Snyder (1985).
In der nicht-wissenschaftlichen Alltagspsychologie spielen PrĂ€gnanztypen eine ungebrochene Hauptrolle bei der Charakterisierung von Personen. Da sprechen wir sinngemĂ€ĂŸ von den „LĂŒgnern“, „Helden“ oder „Aufschneidern“, so als ließen sich Personenbeschreibungen jeweils auf ein hervorstechendes Merkmal reduzieren. Auch in der lexikalischen Forschung wird die „Type-noun“-Klasse von Beschreibungseinheiten unterschieden. Diese Begriffsklasse hat etwas Grobes und Plakatives an sich.

1.3 Der dimensionale Ansatz

1.3.1 Ansatz der explorativen Faktorenanalyse
Mit der explorativen Faktorenanalyse kann man durch das „Dickicht“ vieler Eingangsvariablen hindurch Strukturen entdecken und erkennen, die sich ohne diese zwischengeschaltete Methode möglicherweise nicht unmittelbar aufdrĂ€ngen. Es „kommen Dinge heraus“, die u.U. ein deutliches Überraschungsmoment aufweisen und sehr faszinierende Einblicke in das Zusammenhangs-GefĂŒge dieser Variablen ermöglichen können. Die EFA kann Forscher- und Entdeckerfreude im ganz unmittelbaren Sinne stimulieren. Sie verlĂ€sst sich dabei allerdings auch ganz auf methodeninterne algebraisch-geometrische Kriterien bei der Suche nach zahlenmĂ€ĂŸig deutlich begrenzten, auf komplexe Weise durch die beobachteten Variablen definierten Faktoren, die auch „latente Variablen“ oder „Wurzelfaktoren“ („source traits“) genannt werden (s. Kapitel 2, i.d.B.). Ungeachtet dieser Etikettierungen kann sie aber per se nicht ĂŒber die eingeschlossenen Variablen hinausgehen, sie ist also auf eine möglichst reprĂ€sentative und nicht verzerrte Abbildung der Wirklichkeit durch adĂ€quate Variablengenerierung und -selektion (s. Kapitel 3 und 4, i.d.B.) angewiesen. Die „offene Entdeckungsreise“ der EFA wird zum manipulationsanfĂ€lligen „SelbstbestĂ€tigungstrip“, wenn man durch artifizielle VariablenhĂ€ufungen und -bĂŒndelungen gezielt das hineinsteckt, was man herausbekommen möchte, oder wenn man ĂŒber „weiße Flecken auf der Merkmals-Landkarte“ hinweg analysiert, also erhebliche inhaltliche LĂŒcken und Auslassungen bei den Eingangsvariablen zulĂ€sst.
Die Zukunftsaufgabe und Erkenntnisorientierung der explorativen Faktorenanalyse sollte weiterhin in ihrem ursprĂŒnglichen Auftrag bzw. Versprechen liegen: Das unĂŒbersichtliche Geflecht von zahlreichen, annĂ€hernd reprĂ€sentativ berĂŒcksichtigten Eingangsvariablen so zu ordnen und zu bĂŒndeln, dass Dimensionen erscheinen, welche die eingehenden Merkmale annĂ€hernd erschöpfend, d.h. ohne erheblichen Informationsverlust, ersetzen können. Die Erwartungen der meisten Forscher richten sich dabei naheliegender Weise auf die stabile, replizierbare bzw. invariante Natur und mögliche UniversalitĂ€t dieser Dimensionen. Diese durchaus gewagte Hypothese wird nicht selten als PrĂ€misse des Forschungsansatzes oder als selektive und exklusive persönlichkeitspsychologische Bereichsabgrenzung missverstanden (s. Abschnitte 6 ff.).
1.3.2 Explorative oder konfirmatorische Faktorenanalyse
Die letzten Lehr- und HandbĂŒcher nur zur explorativen Faktorenalyse wurden m.W. vor mehreren Jahrzehnten geschrieben (u.a. Pawlik, 1968; Harman, 1970; Überla, 1971; Mulaik, 1972; Gorsuch, 1974; Revenstorff, 1976; McDonald, 1985). Viele faktorenanalytische Forscher und Anwender kö...

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