Perspektiven pragmatischer Medienphilosophie
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Perspektiven pragmatischer Medienphilosophie

Grundlagen - Anwendungen - Praktiken

Mike Sandbothe

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Perspektiven pragmatischer Medienphilosophie

Grundlagen - Anwendungen - Praktiken

Mike Sandbothe

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Inspiriert von den Vordenkern des amerikanischen Pragmatismus - William James, John Dewey und Richard Rorty - entwickelt Mike Sandbothe ein normativ nachhaltiges Konzept von Medien und Philosophie. Anhand exemplarischer Fallstudien zeigt er auf, wie sich dies in den Kultur- und Medienwissenschaften, den Bildungs- und Sozialwissenschaften sowie in der Psychologie nutzen lÀsst. Seine pragmatische Medienphilosophie kann dazu beitragen, die Betriebssysteme unserer Bildungsanstalten mit Hilfe von achtsamkeits- und körperbasierten sowie spirituellen Praktiken gesundheitsförderlich zu transformieren.

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Information

Year
2020
ISBN
9783732852055

Teil 1: Grundlagen und Narrative

Was ist Medienphilosophie?

Abstract:
»Was ist Medienphilosophie?« rekonstruiert den medienphilosophischen Diskurs so wie er zu Beginn dieses Jahrhunderts in Deutschland gefĂŒhrt wurde. Als Folie dient der 2003 vom Autor mitherausgegebene Sammelband Medienphilosophie – BeitrĂ€ge zur KlĂ€rung eines Begriffs. Von den dort vertretenen Positionen wĂ€hlt der Autor sechs besonders reprĂ€sentative aus und ordnet sie in vier Gruppen. Diese unterscheiden sich durch den Kontext, dem die medienphilosophischen Themenfelder vorrangig zugewiesen werden: Fachphilosophie (Margreiter, Seel), Kommunikationswissenschaft (Weber), Soziologie/Psychologie (Esposito) und Medienpraxis (Engell, Hartmann). Behandelt werden u.a. die folgenden Fragen: Wie lĂ€sst sich Medienphilosophie als prima philosophia und/oder als »Renovierungsunternehmen« der akademischen Fachphilosophie bzw. als Bereichsphilosophie konzeptualisieren, welche sich mit den Grundlagen der Kommunikationswissenschaft befasst? Bedarf es eines soziologisch-psychologischen Settings, um die interaktive Dynamik der digitalen Medienwelten angemessen zu erfassen oder gelingt es der Medienphilosophie den akademischen Theorie-Praxis-Graben durch systemtheoretische bzw. pragmatistische AnsĂ€tze zu schließen?
Normalerweise sind Was-ist-Fragen im akademischen Bereich beliebter als Wozu-Fragen. In Sachen Medienphilosophie aber ist das anders. Da es sie als wissenschaftliche Disziplin oder anerkanntes Forschungsparadigma noch nicht gibt, liegt die Frage »Wozu Medienphilosophie?« den meisten Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern viel eher auf der Zunge als die im Folgenden zu bearbeitende Was-ist-Frage.
Philosophinnen und Philosophen, die es vor der Vorstellung schaudert, eine weitere vermeintliche Bindestrich-Philosophie in den Reigen ihrer Fachabteilungen aufzunehmen, reagieren auf das Wort Medienphilosophie zumeist irritiert mit der Frage: Wozu denn das? Und die Zunft der Medien- und Kommunikationswissenschaftler winkt gestresst ab. Sie hat mit sich selbst und den GrabenkÀmpfen schon genug zu tun, die derzeit zwischen den stÀrker sozialwissenschaftlich und den stÀrker kulturwissenschaftlich orientierten Kolleginnen und Kollegen um die IdentitÀt des Fachs ausgetragen werden.1
»Medienphilosophie« ist ein Wort, das von Medienleuten gern verwendet und von Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftlern gern vermieden wird. Jede Sendeanstalt, jede Redaktion, ja jede bessere Moderatorin und Talkmasterin oder jeder bessere Moderator und Talkmaster hat heute eine eigene Medienphilosophie. PR-Abteilungen und Öffentlichkeitsarbeiter in großen Unternehmen haben sie. Ebenso Filmemacherinnen und Filmemacher sowie Fernsehproduzentinnen und Fernsehproduzenten. Von den Politikerinnen und Politikern ganz zu schweigen. Peter Sloterdijk und Norbert Bolz gelten in Deutschland als Medienphilosophen. Vielleicht auch Ulrich Wickert und Harald Schmidt. Auf jeden Fall aber Christoph Schlingensief, Friedrich KĂŒppersbusch und natĂŒrlich Alexander Kluge. International wĂ€re darĂŒber hinaus an Namen wie Michael Moore und Steven Spielberg, aber auch an die Wachowskis oder Peter Greenaway zu denken2, um auf diesem Weg sogleich die BrĂŒcke von U (Unterhaltung) zu E (Ernsthaftigkeit) zu bauen.
Das Wort Medienphilosophie ist ein zentraler Bestandteil der heutigen Kulturindustrie, zumindest was den bisher vorherrschenden Sprachgebrauch angeht. Aber SprachgebrĂ€uche können sich verĂ€ndern; und der Sprachgebrauch des Wortes Medienphilosophie befindet sich derzeit mitten in einem solchen VerĂ€nderungsprozess. Was ist Medienphilosophie? Wie wird das Wort heute verwendet? Welche VorschlĂ€ge gibt es, das MedienphĂ€nomen Medienphilosophie akademisch auszubuchstabieren und es sich anzueignen? Welche Konzepte, welche wissenschaftlichen EntwĂŒrfe liegen vor, und was folgt daraus fĂŒr das VerhĂ€ltnis von akademischer Forschung und massenmedialer Aufmerksamkeitsökonomie? Das sind Fragen, denen ich im Folgenden ein StĂŒck weit nachgehen möchte.
Dabei wird es relativ trocken zugehen. Denn ich will versuchen, einen eher theoretisch gehaltenen Überblick ĂŒber den aktuellen Stand der Diskussion zu geben. Neben meiner eigenen Monographie, die im Jahr 2001 unter dem Titel Pragmatische Medienphilosophie. Grundlegung einer neuen Disziplin im Zeitalter des Internet3 erschienen ist, liegen zwei weitere einschlĂ€gige Monographien vor. Da ist zum einen das Buch von Frank Hartmann, das unter dem Titel Medienphilosophie4 eine historische Rekonstruktion der Philosophiegeschichte unter medialitĂ€tstheoretischem Blickwinkel enthĂ€lt; und da ist zum anderen der systematische Entwurf von Matthias Vogel, der unter dem Titel Medien der Vernunft – Eine Theorie des Geistes und der RationalitĂ€t auf Grundlage einer Theorie der Medien5 publiziert worden ist.6
Vor dem Hintergrund dieser drei Buchpublikationen ist die transdisziplinĂ€re Debatte zu sehen, die aktuell zum Thema gefĂŒhrt wird. Sie ist in dem Sammelband Medienphilosophie. BeitrĂ€ge zur KlĂ€rung eines Begriffs7 dokumentiert. In programmatischen AufsĂ€tzen antworten darin zwölf Autorinnen und Autoren auf die Frage: Was ist Medienphilosophie? Meine eigene Antwort möchte ich im Folgenden in der Auseinandersetzung mit sechs aus diesem Kanon ausgewĂ€hlten Positionen entwickeln. Dabei handelt es sich – in alphabetischer Reihenfolge – um die BeitrĂ€ge des Weimarer Medienphilosophen Lorenz Engell, der in Bologna lehrenden Mediensoziologin Elena Esposito, des bereits erwĂ€hnten Frank Hartmann, des Innsbrucker Medienphilosophen Reinhard Margreiter, des Gießener Philosophen Martin Seel und des Salzburger Kommunikationswissenschaftlers Stefan Weber.
Die inhaltlich jeweils sehr eigenstĂ€ndigen Positionen lassen sich auf einer eher formalen Ebene vier unterschiedlichen Gruppen zuordnen. Den Mitgliedern von Gruppe 1, 2 und 3 ist gemeinsam, dass sie Medienphilosophie primĂ€r als wissenschaftliche TĂ€tigkeit, d. h. als neues Lehr- und Forschungsprogramm innerhalb der UniversitĂ€t verstehen. Im BinnenverhĂ€ltnis unterscheiden sich die drei Gruppen hinsichtlich des Fachs, dem sie medienphilosophische Themenfelder zuordnen: Margreiter und Seel denken dabei in erster Linie an die Fachphilosophie (Gruppe 1), Weber an die Kommunikationswissenschaft (Gruppe 2) und Esposito an Soziologie und Psychologie (Gruppe 3). Die Mitglieder der Gruppe 4 – Engell und Hartmann – heben sich davon insofern ab, als sie Medienphilosophie nicht in erster Linie als wissenschaftliche TĂ€tigkeit, sondern als mediale Praxis definieren, die außerhalb der UniversitĂ€t in Redaktionen, Sendeanstalten und Softwareschmieden bzw. vom Mediensystem als Mediensystem ausgeĂŒbt wird.
Ich beginne mit der ersten Gruppe, also denjenigen Autoren, die Medienphilosophie innerhalb der Fachphilosophie situieren. Deren schÀrfste Kritikerin ist Elena Esposito. Denn sie vertritt die Ansicht, dass es der traditionellen Philosophie aufgrund ihres »esoterisch[en]«8 SelbstverstÀndnisses nicht gelingen wird, sich zu einer »spezifisch mediatischen Philosophie«9 zu entwickeln. Zwar kann die Philosophie sich »auf die Medien als ihr Objekt«10 einlassen. Was dabei herauskommt, sollte man Esposito zufolge aber nicht emphatisch als Medienphilosophie bezeichnen, sondern lieber mit dem bescheideneren Namen einer »Philosophie der Medien«11 ausstatten.
Wie eine Philosophie der Medien im Einzelnen aussehen könnte, erlÀutert Esposito nicht nÀher. Hier kann Margreiter weiterhelfen. Unter dem Titel einer als »Bereichsphilosophie«12 konzipierten Medienphilosophie bringt er etwas in den Blick, das Espositos Vorstellung von einer bescheiden angelegten und objektorientierten »Philosophie der Medien«13 nahekommt. Margreiter schreibt:
»So wie sich Philosophie z. B. mit Kunst, Moral oder Geschichte beschÀftigen kann und dann als Kunst-, Moral- oder Geschichtsphilosophie auftritt, kann sie sich auch mit Medien und mit Medientheorie(n) als einem abgegrenzten und abzugrenzenden Gegenstandsbereich beschÀftigen. Es geht dann [...] vor allem um Fragen der Begriffs- und Theoriebildung sowie der spekulativen Grundlagen und anzuwendenden Methoden innerhalb der Medienwissenschaft(en).«14
Im Unterschied zu Esposito jedoch ist Margreiter der Meinung, dass Medienphilosophie nicht nur als transdisziplinĂ€r orientierte Bereichsphilosophie zu konzipieren ist, sondern darĂŒber hinaus als »zeitgemĂ€ĂŸe Gestalt einer â€șprima philosophiaâ€č«15. FĂŒr diese sei charakteristisch, dass sie im Unterschied zu jener »weder den gĂ€ngigen Medienbegriff noch den gĂ€ngigen Philosophiebegriff unberĂŒhrt lĂ€ĂŸt«16. Eine Medienphilosophie, die als Bereichsphilosophie verstanden wird, ĂŒbernimmt Margreiter zufolge das vorhandene philosophische Fachvokabular unhinterfragt, um mit seiner Hilfe die begrifflichen Grundlagen der Medien- und Kommunikationswissenschaft zu reflektieren. Medienphilosophie als prima philosophia aber wĂŒrde sich demgegenĂŒber auf das philosophische Fachvokabular selbst zurĂŒckwenden und zwar mit dem Ziel seiner medialitĂ€tstheoretischen Transformation.
Die internen Gestaltungsaufgaben einer fachphilosophisch ausbuchstabierten Medienphilosophie betont auch Martin Seel in seinem Beitrag. Allerdings mit einem anderen Akzent: »Sie [die Medienphilosophie – M.S.] ist keine neue Disziplin neben den anderen Disziplinen, sondern vielmehr ein Renovierungsunternehmen, das, wenn es seine Sache gut macht, nicht allzu lange in Anspruch genommen werden muß.«17 WĂ€hrend Margreiters Rede von der »prima philosophia«18 erhaben und zeitlos klingt, stellt Seels »Renovierungsunternehmen«19 die »begrenzte Mission«20 der Medienphilosophie heraus. Gleichwohl handelt es sich um zwei Seiten ein und derselben Medaille. Margreiter betont das Ergebnis des Renovierungsprozesses und bezeichnet die medialitĂ€tstheoretisch renovierte Philosophie als Medienphilosophie. Seel akzentuiert den Prozess der Renovierung und schlĂ€gt vor, den Begriff der Medienphilosophie allein...

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