Häuslich - persönlich - innerlich
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Häuslich - persönlich - innerlich

Bild und Frömmigkeitspraxis im Umfeld der Reformation

Maria Deiters, Ruth Slenczka, Maria Deiters, Ruth Slenczka

  1. 437 pages
  2. German
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Häuslich - persönlich - innerlich

Bild und Frömmigkeitspraxis im Umfeld der Reformation

Maria Deiters, Ruth Slenczka, Maria Deiters, Ruth Slenczka

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Der reich bebilderte Sammelband führt in das noch kaum erschlossene Forschungsfeld privater Bild- und Frömmigkeitspraktiken im Umfeld der Reformation ein und entfaltet die Sphären des Privaten dabei im Spannungsfeld zwischen "persönlich" und "gemeinschaftlich", "innerlich" und "äußerlich-sichtbar" sowie "häuslich" und "öffentlich".
Das bereits vor der Reformation erstarkende Interesse der Laien an Formen und Methoden der persönlichen Aneignung und Verinnerlichung des Glaubens ließ im 16. und 17. Jahrhundert nicht nach. Dem spüren die Autoren aus der Perspektive verschiedener Disziplinen nach, wobei ein besonderer Fokus auf den Bildwerken liegt, die in dieser individualisierten Frömmigkeitskultur hervorgebracht und genutzt wurden. Die zentrale Rolle solcher religiöser Bilder ist gerade für den Protestantismus wenig erforscht: Einzelne Gattungen und Werkgruppen, etwa bebilderte Frömmigkeitsliteratur oder kleinformatige, mobile religiöse Bildwerke, rückt der Band erstmals in den Fokus der Forschung, andere werden unter der Frage nach innovativen Bildstrategien zum persönlichen Glaubensvollzug neu verhandelt.
Der interdispziplinäre Zugriff verbindet dabei Kunstgeschichte, Theologie, Germanistik, Geschichte und Buchwissenschaft.

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Information

Year
2020
ISBN
9783055020001
Edition
1

Der Weg zum Himmel und die nahe Gnade

Neue Formen der spätmittelalterlichen Frömmigkeit am Beispiel Ulms und des Mediums Einblattdruck
Professor Dr. Berndt Hamm
Universität Erlangen Fachbereich Theologie Berblingerstr. 1 89073 Ulm Deutschland
Für wertvolle Hilfe bei der Entstehung des Aufsatzes und bei der Vorbereitung des Manuskripts für die Drucklegung danke ich meiner Frau Dr. Gudrun Litz (Haus der Stadtgeschichte – Stadtarchiv Ulm). Der Aufsatz wurde erstmals veröffentlicht in: Betweeen Lay Piety and Academic Theology. Festschrift für Christoph Burger. Hg. v. Ulrike Hascher-Burger, August den Hollander und Wim Janse. Leiden 2010.

Auffallende Quantitäten und Qualitäten der spätmittelalterlichen Frömmigkeit

Zu den Selbstverständlichkeiten der gegenwärtigen kirchengeschichtlichen Forschung gehört es, dass das ausgehende Mittelalter des fünfzehnten und beginnenden sechzehnten Jahrhunderts im Abendland nördlich der Alpen die Ära einer ungewöhnlich forcierten Kirchenfrömmigkeit und eines gesteigerten religiösen Eifers war. 1 Die Quantitäten dieser Devotion übertreffen alles, was wir aus anderen Epochen der Christenheit kennen. Erinnert sei nur an die seit dem späten vierzehnten Jahrhundert sprunghaft nach oben gehende Zahl der Schutzheiligen, Reliquien, Gnadenstätten, Gnadenbilder, Wunderberichte, Prozessionen, Wallfahrten, Ablässe, Gebete, Stiftungen, Messfeiern, Priester, Bruderschaften, Kirchen- und Kapellenbauten, Altäre, schützenden Bildchen und Abzeichen und vieler anderer Devotionalien. In großen Reichsstädten wie Ulm erreicht eine derartige Massenhaftigkeit Höchstgrade der Kumulierung und Verdichtung – man denke nur an die 52 Altäre des Münsters 2 –, aber auch das Ulmer Landgebiet ist sehr typisch, weil es zeigt, wie stark der spätmittelalterliche Frömmigkeitsboom auf Kleinstädte und Dörfer ausstrahlte und von ihnen angereichert wurde. 3
Hinter den außerordentlichen Quantitäten einer zählbaren Frömmigkeitsvermehrung standen zweifellos auch entsprechende Qualitäten einer sich verändernden Seelenlage: auffallende Intensitäten der Devotion 4 und religiöse Erregungszustände bis zur Hysterie. Zwar hat es nicht an zeitgenössischer Kirchen- und Frömmigkeitskritik gefehlt, die in vielen populären Frömmigkeitspraktiken Aberglaube, Unvernunft und Leichtgläubigkeit diagnostizierte. 5 Aber diese Kritiker, meist reformbewusste Vertreter der Amtskirche, waren in der Regel selbst Multiplikatoren einer intensivierten und forcierten Kirchenfrömmigkeit, indem sie die spirituelle Kraft der sakralen Institutionen und die Ernsthaftigkeit des Frömmigkeitsstrebens steigern wollten. 6 Das vielseitige Drängen nach Reform (reformatio) erwies sich daher als integrativer Faktor und Motor der Frömmigkeitssteigerung und -multiplizierung. So gesehen war die dann folgende Reformation des sechzehnten Jahrhunderts nicht nur Gegensatz zur Kirchlichkeit des Spätmittelalters, sondern auch das Produkt der vorausgegangenen Frömmigkeitsblüte, vor allem des in ihr virulenten Strebens nach sicheren Gnaden- und Heilsgarantien. 7

Vielfalt und polare Spannungsverhältnisse in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit

Charakteristisch für diese Kirchenfrömmigkeit des ausgehenden Mittelalters war sowohl die Tendenz zur massenhaften Vervielfältigung als auch die zu einer ungemein differenzierten und spezialisierten Vielfalt. Einem Einwohner des spätmittelalterlichen Ulm, ob Mann oder Frau, ob reich oder arm, ob Laie oder Kleriker, standen viele Möglichkeiten offen, um durch religiöse Vorsorge sein irdisches Wohl zu sichern und vor allem seine Jenseitsaussichten zu verbessern. Man konnte zwischen einer Vielzahl von heiligen Schutzpatronen, Kirchen, Ordensgemeinschaften, Bruderschaften, Gnadenbildern, Heiltümern, Ablässen, Gebeten, Wallfahrten, Almosenspenden, Stiftungen und anderen Arten der Frömmigkeitsgestaltung und der guten Werke wählen – je nach persönlichem Bedürfnis, sozialem und ökonomischem Status und Geschlecht. Es gab viele Wege zum Himmel im spätmittelalterlichen Ulm. 8
Auffallend und besonders typisch für diese Epoche aber ist vor allem die spannungsvolle Polarität und Gegenläufigkeit der religiösen Gestaltungsformen: So tendierten Frömmigkeitsstile z. B. gleichzeitig verstärkt zum Gemeinschaftlich-Kollektiven oder zum Privaten und Persönlich-Individuellen, zur Außendimension kirchlicher Liturgien, Rituale und Formeln oder zur Innendimension einer intimen Herzensandacht, zu einer Vermaterialisierung des Heiligen in sinnlich berührbaren und kraftgeladenen Objekten oder zu einer Vergeistigung des Heiligen im Bereich mystisch gestimmter Meditation und Kontemplation. Man könnte noch wichtige weitere Polaritäten nennen, betonen aber möchte ich vor allem zweierlei: erstens, wie selbstverständlich für das ausgehende Mittelalter diese polaren Spannungsverhältnisse waren – eine Grundsignatur der Ära 9 –; zweitens aber sei hervorgehoben, dass man in diesen Spannungsverhältnissen nicht nur Konkurrenz und Konflikt erkennt – z. B. den Gegensatz zwischen inbrünstiger Ablassfrömmigkeit und gleichzeitiger Geringschätzung der Ablässe –, sondern häufig auch eine kompatible, komplementäre Zweiseitigkeit oder Divergenz, die es ein und derselben Person möglich machte, gegenläufige Frömmigkeitsformen miteinander zu kombinieren. Vieles erscheint aus heutiger, vor allem protestantischer Sicht als widersprüchlich, was für einen spätmittelalterlichen Menschen problemlos miteinander zu verbinden war: z. B. einerseits die private, zurückgezogene und verinnerlichende Meditation über einem Andachtstext oder vor einem religiösen Bildnis und andererseits Formen einer sehr körperbezogenen, ‚äußerlichen‘ Devotion, 10 die den Andachtsgegenstand mit Küssen, Kniebeugen oder Sich-Bekreuzigen ehrt oder Gebete an einem Rosenkranz abzählt und mit all dem Ablassberechnungen verbindet.
Wie sich beide Dimensionen der Frömmigkeit miteinander kombinieren lassen, zeigt in Ulm etwa der bekannte Dominikaner Felix Fabri 11: Einerseits ist er ein Verehrer der Mystik des im Ulmer Dominikanerkonvent 1366 gestorbenen Heinrich Seuse 12 und ein Meister der meditativen und kontemplativen Verinnerlichung, die er vor allem in seinem 1492 verfassten Buch über die „Geistliche Pilgerfahrt oder die Sionpilger“ propagierte. 13 Fabri bietet hier für geistliche Personen, insbesondere für klausurierte Nonnen, die „von gantzem hertzen das hailig land ze sehen“ begehren, 14 aber diese Pilgerfahrt nicht leiblich realisieren können, 15 eine Anleitung, wie sie gleichwohl im Geiste zu den heiligen Stätten wallfahren und so durch vergegenwärtigende Imagination reiche Gnadenerfahrungen machen können. Derselbe Fabri neigte aber andererseits auch zu einer Frömmigkeit, der es auf äußerlich registrierbare Quantitäten, auf Zählen und Berechnen ankam. So berichtet er voller Lokalstolz, dass es in der ganzen Christenheit keine größere Pfarrkirche als das Ulmer Münster gebe, keine mit mehr Altären und keine, in der so oft die heiligen Sakramente gefeiert werden und in die so viele Menschen hineinströmen; mehr als 15.000 gehen dort während der Osterzeit zu Kommunion. 16 Ein besonderes Anliegen war es ihm stets, seinem Lesepublikum mitzuteilen, wo Ablässe in welcher Höhe zu erlangen sind; 17 und er war es auch, der 1483 in Ulm nach Kölner Vorbild die Rosenkranzbruderschaft gründete, die in kurzer Zeit über 4.000 Mitglieder gewinnen konnte. 18 Die gezählte Quantität der Rosenkranzgebete und die innerseelische Qualität der kontemplativen Andacht sind zwei Seiten oder Pole der Frömmigkeit, die aber für Felix Fabri ebenso wie für viele Zeitgenossen unlösbar zusammengehören und für sie eine spannungsvolle Einheit in der Vorbereitung auf das Jenseits bilden. 19

Die generelle Zweiseitigkeit von menschlichem Bemühen und himmlischer Gnadenhilfe

Über diese Beobachtungen hinaus muss man aber noch in ganz anderer Hinsicht von einer prinzipiellen und generellen Zweiseitigkeit oder Polarität der spätmittelalterlichen Religiosität sprechen. Aus der Sicht aller Beteiligten, sowohl der gelehrten Theologen als auch der einfachen Gläubigen, greift die Zweiseitigkeit in das Grundverhältnis zwischen Gott und Mensch hinein. Ich h...

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[author missing]. Häuslich - Persönlich - Innerlich. 1st ed. De Gruyter, 2020. Web. 15 Oct. 2022.