Kirche – Volk – Staat – Nation // Church – People – State – Nation
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Kirche – Volk – Staat – Nation // Church – People – State – Nation

Ein Beitrag zu einem schwierigen Verhältnis // A Protestant Contribution on a Difficult Relationship

Mario Fischer, Martin Friedrich, Mario Fischer, Martin Friedrich

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Kirche – Volk – Staat – Nation // Church – People – State – Nation

Ein Beitrag zu einem schwierigen Verhältnis // A Protestant Contribution on a Difficult Relationship

Mario Fischer, Martin Friedrich, Mario Fischer, Martin Friedrich

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Die erstmals 2001 veröffentlichte Studie widmet sich in exegetischen, historischen und systematischen Analysen sowie Fallbeispielen aus einzelnen Ländern dem spannungsvollen Verhältnis der evangelischen Kirchen zu Staat und Nation. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Protestantismus gerade aufgrund seiner Vielfalt und seiner Verwurzelung in nationalen und territorialen Identitäten eine besondere Rolle bei der Einigung Europas zu spielen hat. In Zeiten von Europaskepsis und wachsendem Nationalismus hat sie neue Aktualität gewonnen.[Church – People – State – Nation. A Protestant Contribution on a Difficult Relationship]First published in 2001, this study deals with the fascinating relationship of Protestant churches to state and nation. This is shown in exegetical, historical and systematic analyses as well as case studies from different countries. It comes to the conclusion that Protestantism has a special role to play in the integration of Europe, precisely because of its diversity and roots in national and territorial identities. In times of Euroscepticism and growing nationalism, the study has only gained in relevance.

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Information

Kirche – Volk – Staat – Nation

Ein protestantischer Beitrag zu einem
schwierigen Verhältnis

Beratungsergebnis der Regionalgruppe
Süd- und Südosteuropa der Leuenberger Kirchengemeinschaft
1995–2000
Die 5.Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft hat am 24. 06. 2001 in Belfast beschlossen:
1.Die Vollversammlung dankt der Leuenberger Regionalgruppe »Süd- und Südosteuropa« für ihre Arbeit und für das vorgelegte Ergebnis ihrer Lehrgespräche.
2.Die Vollversammlung nimmt das Lehrgesprächsergebnis entgegen.
3.Die Vollversammlung bittet die Kirchen, das Lehrgesprächsergebnis aufzunehmen und bei weiteren Arbeiten zum Thema »Kirche – Volk – Staat – Nation« zu berücksichtigen.
Leuenberger Kirchengemeinschaft
Regionalgruppe Süd- und Südosteuropa

Kirche – Volk – Staat – Nation

Ein protestantischer Beitrag zu einem schwierigen Verhältnis

Vorwort

Entstehung und Absicht des vorliegenden Lehrgesprächsergebnisses

Die 4. Vollversammlung der Leuenberger Kirchengemeinschaft, die im Mai 1994 in Wien tagte, beschloss für die Weiterarbeit, dem Thema »Kirche, Volk, Staat und Nation« Priorität zu verleihen. Die Vollversammlung ließ sich bei dieser Entscheidung vor allem von den Erfahrungen in verschiedenen Regionen Europas nach den politischen Veränderungen im Jahr 1989 leiten. Der Exekutivausschuss der Leuenberger Kirchengemeinschaft hat im November 1995 die Regionalgruppe Süd- und Südosteuropa mit der Aufgabe betraut, das Thema »Kirche, Volk, Staat und Nation« zu bearbeiten.
Die Regionalgruppe hat in den Jahren 1995 bis 1999 an diesem Thema gearbeitet. Sie beschäftigte sich mit der Thematik in grundsätzlichen historischen, politischen und theologischen Vorträgen sowie aufgrund von Erfahrungsberichten aus den einzelnen Ländern und Kirchen. Eine erste Vorlage des Textes der Regionalgruppe wurde im Frühjahr 1998 den Signatarkirchen der Leuenberger Kirchengemeinschaft mit der Bitte um Kenntnisnahme und Stellungnahme zugesandt. Die zahlreich eingegangenen Stellungnahmen, die die Regionalgruppe durchweg in ihren Bemühungen bestärkt haben und denen sie wertvolle, auch kritische Anregungen verdankt, wurden im Treffen der Regionalgruppe 1999 diskutiert und so weit wie möglich in den Text eingearbeitet. Ein aufgrund der Stellungnahmen der Kirchen deutlich veränderter Text wird nun mit dem Einverständnis des Exekutivausschusses der Vollversammlung vorgelegt.
Die Regionalgruppe Süd- und Südosteuropa arbeitet seit mehr als 25 Jahren im Rahmen der Leuenberger Kirchengemeinschaft. Sie entstand in der Zeit des anhaltenden Ost-West-Konfliktes, um in grenz- und systemüberschreitenden Begegnungen durch den Austausch von Erfahrungen und Einsichten und in gemeinsamer theologischer Arbeit zu der von der Leuenberger Konkordie angestrebten »Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst« beizutragen. Der Regionalgruppe, die bis einschließlich 1999 unter der Leitung des langjährigen bayerischen Landesbischofs D. Dr. Johannes Hanselmann D. D. stand, gehören Vertreter und Vertreterinnen evangelischer Kirchen aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Jugoslawien, den Niederlanden, Österreich, Rumänien, der Schweiz, der Slowakischen Republik, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn an. Je nach Themenstellung wurden Experten aus dem universitären und kirchlichen Bereich, auch konfessionsübergreifend, zu den Tagungen eingeladen.
Die weitreichenden Veränderungen, die für die Länder in Mittelosteuropa und Südosteuropa mit der politischen Wende von 1989 verbunden sind, haben auch zum erneuten Ausbruch nationaler Konflikte geführt. Die durch die Geschichte vielfach belastete Frage nach dem Verhältnis von Volk, Nation und Staat erhielt unerwartete, zum Teil dramatische Aktualität. Nicht nur die evangelischen Kirchen, aber auch sie sind davon betroffen. Dass ihre Vertreter und Vertreterinnen in der Regionalgruppe bereit waren, sich diesem schwierigen Thema in aller Offenheit zu stellen und dabei auch der Frage nach dem Anteil der Kirchen an dieser Entwicklung nicht auszuweichen, ist schon an sich ein Zeichen gewachsener Gemeinschaft und der Bereitschaft, einander zu verstehen, sich zu verständigen und nach gemeinsamen Wegen und Lösungen zu suchen.
In den Lehrgesprächen, die in der Regionalgruppe entsprechend dem Auftrag der Leuenberger Konkordie geführt wurden und werden (vgl. LK Ziff. 37–41), werden die anstehenden grundlegenden theologischen Themen so bearbeitet, dass ihre systematische Erörterung mit einem Erfahrungsaustausch über die jeweilige Situation und theologische Position zu den anstehenden Fragen in den Kirchen verbunden wird. So wird das gemeinsame Verständnis des Evangeliums weiter vertieft, an bestehenden Lehrunterschieden gearbeitet und in der aktuellen Situation der Kirchen um eine »gemeinsame Ausrichtung von Zeugnis und Dienst« gerungen. So stand auch beim Thema »Kirche, Volk, Staat und Nation« neben grundsätzlichen Klärungen die Frage im Vordergrund, wie gerade in dem überschaubaren Bereich der Regionalgruppe dieses Verhältnis von »Kirche, Volk, Staat und Nation« theologisch verantwortet zu verstehen und zu gestalten ist und was als Beitrag des Protestantismus zum Aufbau demokratischer Staatsformen und zur Pflege der Kultur in einem zusammenwachsenden Europa erwartet werden kann.
Wir erheben nicht den Anspruch, für die anstehenden Fragen eine »globale Lösung« zu bieten, doch hoffen wir, dass die Arbeit der Regionalgruppe in ihrer bewussten Akzentuierung auch für andere Kirchen in der Leuenberger Gemeinschaft von Nutzen sein kann. Der vorgelegte Text ist das Ergebnis eines Lernprozesses innerhalb der Leuenberger Kirchengemeinschaft. Er versteht sich zugleich als Impuls zu weiteren Lernprozessen.
1 Einführung
1.1 Der Protestantismus hat in seinem Verhältnis zu Volk und Kultur, Staat und Nation zwei Gesichter: Den Reformatoren war es wichtig, dass jeder das Evangelium in seiner Sprache hören und verstehen konnte. So gehörten einerseits Reformation und die Entwicklung der Sprache und Kultur eines Volkes von Anfang an zusammen. Es entstanden Kirchen, die ihre Heimat in Volk und Kultur hatten, wie umgekehrt auch Volk und Kultur von den Kirchen geprägt wurden. Andererseits war die Reformation eine die Grenzen und Länder überschreitende Bewegung.
1.2 Die politischen Gewalten erfuhr die Reformation sowohl als Gegenmächte wie als Schutzmächte. Sie band sich in vielen Fällen an die Landesherren und damit auch an deren Territorien. Diese Nähe zum Staat machte über lange Zeit das Besondere des Protestantismus in vielen Ländern aus und wurde gleichzeitig auch zu seiner Gefährdung. Die Bindung an die jeweilige kulturelle, territoriale und später auch nationale Ausprägung behinderte fast durchweg die Öffnung für andere kulturelle und konfessionelle Gestalten des Christseins. Das Ja zum Volk, zum Staat und zur Nation führte an verschiedenen Stellen mitunter zu fragwürdigen und einseitigen nationalen Einstellungen, die wichtiger wurden als die weltweite Gemeinschaft der Kirchen und Christen.
1.3 In den reformatorischen Kirchen erkennen wir heute: Es hilft nicht weiter, die Bindung an Volk und Nation und die weltweite Verantwortung gegeneinander auszuspielen. Wir versuchen zu verstehen, was hinter den Begriffen »Volk« und »Nation« steht. Volk und auch Nation sind geschichtlich vorgegebene Größen. Sie bieten einen überschaubaren Raum gemeinsamen Lebens und Erlebens sowie kulturellen, sozialen und politischen Gestaltens. Hier finden Menschen Heimat, Orientierung und Möglichkeiten der Identifikation. Volk und Nation dürfen aber nicht zum Ort der Ausgrenzung und Abgrenzung von anderen werden. Sie müssen sich öffnen für die Begegnung mit Völkern und Nationen, für verschiedene Erfahrungen und kulturellen Reichtum sowie für die gemeinsame Weltverantwortung.
1.4 Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass das Verhältnis von Volk, Staat, Nation und Kirche aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen wird und gesehen werden muss. Es ist ein Unterschied, ob ein starkes Nationalgefühl von einem mächtigen Staat zu imperialistischen Zwecken missbraucht wird, ob ein kleiner Staat seine Eigenständigkeit mit Mitteln der nationalen Identität gewinnen will oder ob eine ethnische Minderheit um ihr Selbstbestimmungsrecht und ihr Überleben ringt.
1.5 Die gegenwärtige Situation ist weitgehend durch die tiefgreifenden Veränderungen in Europa seit 1989 geprägt. Dies ermöglichte den mittel- und osteuropäischen Staaten, ihren verborgenen Emanzipationsbestrebungen gesellschaftlich, außenpolitisch und ökonomisch Gestalt zu geben, ihre gegenseitigen Beziehungen so weit wie möglich auf eine neue Grundlage zu stellen und sich teilweise auf die Europäische Union zuzubewegen. Gleichzeitig sind die unterschiedlichen nationalen Gegensätze neu zum Vorschein gekommen und teilweise massiv aufgebrochen – unter anderem im ehemaligen Jugoslawien und in der früheren Sowjetunion. Diese politische Entwicklung ist aufs engste verbunden mit einem Prozess wirtschaftlicher und sozialer Umstrukturierung. Von daher mag es verständlich sein, dass der Nationalismus als gemeinschaftsbildendes und gesellschaftsstabilisierendes Moment erfahren und eingesetzt wird. Es ist aber nicht zu übersehen, dass der Nationalismus auch zu umfangreicher sozialer und wirtschaftlicher Destabilisierung führen kann.
1.6 Diese Tendenzen müssen im Zusammenhang der Gesamtentwicklung Europas gesehen werden. Sie ist einerseits charakterisiert durch Säkularisierung und Auflösung alter Bindungen, andererseits durch unterschiedliche Gegenreaktionen, wie neue nationale und fundamentalistische Tendenzen. Zudem entstehen im gesamteuropäischen Ausmaß bestimmte Ungleichzeitigkeiten. Die Entwicklungen verlaufen zumeist in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Das erfordert die Bereitschaft, sich auf asynchrone Prozesse einzulassen und auf Pauschalurteile zu verzichten.
1.7 Die Regionalgruppe ist den vielfältigen Beziehungen nachgegangen, durch die es in Geschichte und Gegenwart im Protestantismus zu einer wechselseitigen Prägung von Kirche, Volk, Staat und Nation gekommen ist. Es bedarf sowohl einer sorgfältigen geschichtlichen Untersuchung des Verhältnisses von Kirche, Volk, Staat und Nation als auch einer grundsätzlichen theologischen Bestimmung dieses Verhältnisses. Schließlich müssen auch die Konsequenzen solcher Verhältnisbestimmung für gegenwärtiges Handeln aufgezeigt werden. Daraus ergibt sich der innere Aufbau des hier vorgelegten Textes:
Zunächst waren begriffliche Klärungen (2) erforderlich. In einem phänomenologischen Zugang werden in diesem Zusammenhang anthropologische Gegebenheiten beschrieben, die der Entwicklung von Volk, Staat und Nation zugrunde liegen. Eine Analyse der Begriffe von Volk, Staat und Nation schließt sich an. Sie wird durch ein mehrsprachiges Glossar im Anhang ergänzt.
Ein geschichtlicher Rückblick (3) beschreibt, wie gesellschaftliche, politische und kulturelle Entwicklungen die Entstehung sehr verschiedener, unabhängiger, an Volk oder Nationalität orientierter protestantischer Territorialkirchen beeinflusst haben. Zugleich zeigt sich in diesen geschichtlichen Untersuchungen, dass die Reformation immer auch eine Völker und Nationen übergreifende und insofern gesamtkirchliche Bewegung war.
An Beispielen (4) wird dies näher erläutert. Sie sind mit der Absicht ausgewählt, exemplarisch an einzelnen Kirchen jeweils bestimmte Charakteristika des vielschichtigen Geflechts von Kirche, Volk, Staat und Nation zu veranschaulichen, das vielerorts bis heute für den Protestantismus in Europa kennzeichnend ist.
Grundlegende theologische Bestimmungen von Kirche, Volk, Staat und Nation bietet der Abschnitt »Das biblische Zeugnis und grundlegende theologische Einsichten« (5). Dabei tritt die Spannung zwischen dem »Schon jetzt« und »Noch nicht« des Reiches Gottes hervor, die dann in Bezug auf das Glaubenszeugnis und die Lebensgestaltung in Kirche und Gesellschaft erörtert wird.
Daraus erwachsen Herausforderungen (6) für das Verhältnis der Kirchen zu Volk und Nation, Staat und Gesellschaft heute. Insbesondere ist eine Auseinandersetzung mit der Gefahr des Nationalismus erforderlich. In einem konstruktiven Zugang werden die Kriterien und Leitlinien (Herausforderungen und Zumutungen) für die Wahrnehmung gesellschaftlicher und politischer Verantwortung entfaltet. Dabei kommt auch die transnationale Ebene mit den Chancen und Problemen des zusammenwachsenden Europas in den Blick. Welche Aufgaben sich daraus für die Gemeinschaft der durch die Leuenberger Konkordie verbundenen Kirchen ergeben, erörtert der Schluss abschnitt.
2 Klärungen
2.1 Anthropologische Zugänge
2.1.1 Der Mensch ist angewiesen auf die Geborgenheit im Kleinen und Nahen. Er braucht die bergende Nähe der Familie, der Heimat, der Sitte und der Gewohnheit. Er braucht seine Sprache und die vertrauten Gesten, seine Musik und seine Tänze. Er benötigt das um seiner Identität willen, besonders für seine Identitätsentwicklung – als Kind und Jugendlicher stärker noch als im Erwachsenenalter. Er braucht das, um in allem, was ihm widerfährt, Orientierung und ein Mindestmaß an Sicherheit zu behalten. Er braucht all dies, um er selbst sein zu können.
Der Mensch...

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