TEIL 4
Computergestützte Technische Analyse
In der Zeit, als ich „Trading for a Living“ schrieb, waren Computer noch etwas Neues. Der erste Computer, den ich für die Technische Analyse verwendete, war ein Apple IIe, ein Desktop-Computer mit einem schachtelförmigen Modem und zwei Diskettenlaufwerken. In jedes konnte man eine Diskette mit 300 kB einschieben: eine mit dem Analyseprogramm (Computrac, dem ersten Programm für die Technische Analyse) und eine mit Börsendaten. Als die ersten Festplatten auf den Markt kamen, hatte ich die Wahl zwischen zwei, fünf oder zehn Megabyte (nicht Gigabyte!). Zehn Megabyte erschien damals so riesig, dass es wohl niemand jemals brauchen würde, und deshalb nahm ich eine 5-MB-Platte. Wie sehr sich die Technik seither verändert hat!
Ein Trader ohne Computer ist wie jemand, der mit einem Fahrrad auf Reisen geht. Er bekommt kräftige Beine und sieht viel von der Landschaft, aber er kommt nur langsam voran. Wenn man auf Geschäftsreise geht und schnell an sein Ziel kommen will, nimmt man dafür ein Auto.
Heutzutage traden nur sehr wenige Menschen ohne Computer. Mit diesen Geräten kann man mehr Märkte gründlicher analysieren. Sie befreien uns von der routinemäßigen Aktualisierung von Charts, sodass wir mehr Zeit zum Nachdenken haben. Der Computer erlaubt es uns, komplexere Indikatoren zu verwenden und mehr Gelegenheiten aufzuspüren. Trading ist ein Spiel, bei dem es um Informationen geht. Ein Computer hilft einem, mehr Informationen zu verarbeiten. Zu seinen Nachteilen gehört, dass einem das physische Gefühl für Preisbewegungen verloren geht, das man entwickelt, wenn man Charts mit dem Bleistift auf Papier zeichnet.
21. Computereinsatz beim Trading
Die computergestützte Technische Analyse ist objektiver als die klassische Charttechnik. Darüber, ob eine Unterstützung oder ein Widerstand vorliegt, lässt sich streiten – nicht aber über die Richtung eines Indikators. Natürlich muss man, nachdem man die Botschaft eines Indikators identifiziert hat, immer noch entscheiden, was man tun soll.
„Werkzeugkästen“ – Toolboxen
Wenn man mit Holz oder Metall arbeitet, kann man in einen Baumarkt gehen und einen Satz Werkzeuge kaufen, mit denen man klug und effizient arbeiten kann. Eine Toolbox für die Technische Analyse bietet eine Zusammenstellung elektronischer Werkzeuge für die Verarbeitung von Marktdaten.
Falls Sie beschließen, in die computergestützte Technische Analyse einzusteigen, erstellen Sie zunächst eine Liste der Aufgaben, die der Computer für Sie erledigen soll. Dies erfordert eine ernsthafte Denkanstrengung, aber es ist viel besser, als wenn man zunächst ein Werkzeugset kauft und sich dann am Kopf kratzt und herauszufinden versucht, was es einem bringen soll. Entscheiden Sie zunächst, welche Märkte Sie verfolgen wollen, welche Arten von Charts Sie darstellen und welche Indikatoren Sie verwenden wollen.
Eine Toolbox erstellt Tages-, Wochen- und Intraday-Charts. Sie teilt den Bildschirm in mehrere Fenster auf, in denen man Preise und Indikatoren anzeigen lassen kann. Eine gute Toolbox enthält viele beliebte Indikatoren – beispielsweise gleitende Durchschnitte, Kanäle, den MACD, den Stochastik-Oszillator, den Relative-Stärke-Index und noch Dutzende oder gar Hunderte weitere. Man kann alle Indikatoren abwandeln und sogar eigene konstruieren.
Mit einer guten Toolbox kann man beliebige Märkte miteinander vergleichen und ihre Spreads analysieren. Wenn man mit Optionen handelt, muss die Toolbox ein Modell für die Bewertung von Optionen beinhalten. Mit ausgefeilteren Paketen kann man Backtests von Handelssystemen durchführen.
Ein weiteres Kennzeichen guter Toolboxen ist die Möglichkeit, Aktien zu filtern und zu suchen. Wenn man beispielsweise alle im Nasdaq 100 enthaltenen Aktien finden will, deren exponentiell geglättete gleitende Durchschnitte (EMA = Exponential Moving Average) steigen, deren Preis jedoch nicht mehr als ein Prozent über dem jeweiligen EMA steht: Kann die Software danach suchen? Kann sie fundamentale Parameter in die Suche einbeziehen, zum Beispiel steigende Unternehmensgewinne? Man muss sich überlegen, was man finden will, und dann Softwareanbieter fragen, ob ihre Produkte das für einen erledigen können.
Gute Toolboxen gibt es in allen Preisklassen. Als Anfänger, der seine ersten Schritte macht, kann man beispielsweise einen Onlinedienst abonnieren, der kostenlos einen einfachen Satz Computerwerkzeuge bietet, den man später gegen Bezahlung upgraden kann. Die meisten in diesem Buch enthaltenen Charts wurden mit einem solchen Dienst erstellt – StockCharts.com –, weil der Leser sehen soll, wie viel man mit sehr niedrigen Ausgaben schaffen kann. Manchen Tradern genügt das, während andere Programme kaufen, die auf dem Computer installiert werden und mehr eigene Einstellungen erlauben. Da die Softwarepreise stetig fallen, braucht man sich darum keine allzu großen Sorgen zu machen. Man kann etwas Einfaches, Preisgünstiges kaufen und später aufstocken – es geht um ein Rendezvous, nicht um eine Heirat.
Sobald man entschieden hat, welches Softwarepaket man benutzen will, möchte man sich bei der Einrichtung auf dem Rechner vielleicht gegen Bezahlung von jemandem helfen lassen, der es bereits verwendet. Dadurch können unerfahrene Nutzer viel Zeit und Energie sparen.
Immer mehr Brokerfirmen bieten ihren Kunden kostenlose Analyse-Softwares an; deren Preise sind meistens in Ordnung, aber viele unterliegen zwei erheblichen Einschränkungen. Erstens gestalten die Brokerhäuser ihre Software aus rechtlichen Gründen so, dass sie sich sehr schwer verändern lässt, und zweitens funktioniert sie nur online. Häufig fragen Trader, wie man weitere Indikatoren zur Brokerage-Software hinzufügt, und die Antwort lautet dann gewöhnlich, dass das nicht geht.
Mit den meisten Programmen von Brokerhäusern kann man mit der Analyse-Software auch Orders platzieren und ändern. Für Daytrader kann das sehr praktisch und nützlich sein, aber für eher langfristig orientiere Trader ist das weniger wichtig. Man sollte darauf achten, die übliche Funktion abzuschalten, die einem die Kapitalgewinne und Kapitalverluste in Echtzeit anzeigt. Zuzuschauen, wie die Dollar oder Euro mit jedem Tick nach oben oder nach unten springen, ist belastend und lenkt ab. Wie es in dem Song „The Gambler“ heißt: „Zähl nie dein Geld am Tisch – wenn die Runde vorbei ist, bleibt noch genug Zeit zum Zählen.“ Man sollte sich auf die Kurse und auf die Indikatoren konzentrieren, anstatt sich Geldbeträge anzuschauen und zu überlegen, was man sich dafür kaufen könnte.
Die Software für Technische Analyse wandelt und entwickelt sich ständig. Ein Buch ist daher für Software-Empfehlungen nicht der richtige Ort. Meine Firma Elder.com bietet einen kurzen Software-Leitfaden, den wir regelmäßig auf den neuesten Stand bringen und per E-Mail an jeden Trader schicken, der diesen Dienst haben möchte.
Wie bereits erwähnt, fallen die meisten Programme für Technische Analyse unter eine von drei Gruppen: Toolboxen, Blackboxes und „Gray Boxes“. Toolboxen sind etwas für ernsthafte Trader, Blackboxes etwas für Menschen, die an den Weihnachtsmann glauben, und Gray Boxes liegen irgendwo dazwischen. Wenn Sie über ein neues Softwarepaket nachdenken, achten Sie darauf, dass Sie wissen, zu welcher Gruppe es gehört.
Blackboxes und Gray Boxes
Blackbox-Software ist pure Magie: Sie sagt einem, was man wann kaufen und verkaufen soll, ohne einem zu sagen, warum. Man lädt die Daten herunter und drückt einen Knopf. Lämpchen blinken, Zahnräder klackern und es leuchtet eine Botschaft auf, die einem sagt, was man tun soll. Zauberei!
Blackboxes werden immer mit beeindruckenden Erfolgsbilanzen geliefert, die die profitable Performance der Vergangenheit darstellen. Jede Blackbox zerstört sich irgendwann selbst, weil sich die Märkte stetig verändern. Nicht einmal Systeme mit eingebauter Optimierung überleben, weil man ja nicht weiß, welche Optimierung in Zukunft benötigt wird. Für das menschliche Urteilsvermögen gibt es eben keinen Ersatz. Die einzige Möglichkeit, mit einer Blackbox Geld zu verdienen, ist ihr Verkauf. Die meisten Blackboxes werden von Schwindlern an gutgläubige oder verunsicherte Trader verkauft.
Jede Blackbox versagt garantiert, auch wenn sie von einem ehrlichen Entwickler verkauft wird. Komplexe menschliche Tätigkeiten wie beispielsweise das Trading lassen sich nicht automatisieren. Maschinen können dabei helfen, aber den Menschen ersetzen können sie nicht.
Wenn man mit einer Blackbox handelt, bedeutet das, dass man ein Stückchen der Intelligenz eines anderen nutzt, so, wie sie zu einem vergangenen Zeitpunkt beschaffen war. Die Märkte verändern sich, die Experten ändern ihre Meinung, aber die Blackbox wirft weiterhin ihre Kauf- und Verkaufssignale aus. Es wäre lustig, wenn es bloß für die Verlierer nicht so kostspielig wäre.
Eine Gray Box generiert anhand firmeneigener Prinzipien Handelssignale. Anders als eine Blackbox gibt sie ihre Grundprinzipien preis und erlaubt es einem in einem gewissen Maße, die Parameter anzupassen. Je näher eine Gray Box einer Toolbox steht, umso besser ist sie.
Computer
Onlineprogramme laufen auf jedem Computer, die meisten eigenständigen Programme sind hingegen für das Betriebssystem Windows geschrieben. Manche Trader lassen sie mithilfe einer Emulationssoftware auf Macs laufen. Es gibt sogar Programme für Tablets wie das iPad.
Zwar beansprucht Software für die Technische Analyse meist nicht sehr viel Rechenleistung, es ist aber trotzdem sinnvoll, das modernste Gerät zu verwenden, denn dann kann man es noch jahrelang verwenden.
Viele Daytrader nutzen gern mehrere Bildschirme, auf denen sie sich den Markt in mehreren Dimensionen anzeigen lassen oder sich mehrere Handelsinstrumente auf einmal anzeigen lassen können. Da ich gern reise, habe ich einen kleinen externen Monitor, damit ich unterwegs besser die Märkte beobachten und traden kann. Er ist so groß wie mein Laptop, aber deutlich dünner, und er lässt sich ohne Netzteil mit einem USB-Kabel daran anschließen.
Marktdaten
Swing-Trader und Positionstrader eröffnen und schließen Trades innerhalb von Tagen oder Wochen, während Daytrader innerhalb von Stunden oder gar Minuten ein- und wieder aussteigen. Für Positionstrader reichen Tagesschlusskurse aus, aber Daytrader brauchen Echtzeitdaten.
Wenn man zu Research-Zwecken tägliche Daten herunterlädt, lohnt es sich, damit zwei Zyklen aus Hausse und Baisse abzudecken, also circa zehn Jahre. Wenn ich mich mit einer Aktie näher befasse, schaue ich mir gern ihre Trading-Vorgeschichte der letzten zwölf Jahre an, um zu schauen, ob sie im Verhältnis zu ihrem Schwankungsbereich über zwölf Jahre günstig oder teuer ist.
Wenn man einen Trade in Angriff nimmt, muss man immer seinen Vorteil kennen – das, was einem dazu verhelfen wird, damit Geld zu verdienen. Zu meinem Vorteil gehört es, dass ich in der Lage bin, Muster zu erkennen, aber wenn die Historie einer Aktie zu kurz ist, gibt es keine z...