Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen
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Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen

Eine Bilanz

Meike Baader, Eva Breitenbach, Barbara Rendtorff

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Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen

Eine Bilanz

Meike Baader, Eva Breitenbach, Barbara Rendtorff

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Das Buch befasst sich mit der Frage, welche Impulse fĂŒr Erziehung, Bildung, Sozialisation und Sorge von den beiden Frauenbewegungen ausgegangen sind, explizit oder als implizite Anregungen. Wie haben Erziehungswissenschaft und PĂ€dagogik die Impulse aufgenommen und was ist in diesem Prozess aus ihnen geworden? Wie haben sich Inhalte und Intentionen verĂ€ndert und was ist dabei verloren gegangen? Unter dieser Fragestellung werden in vierzehn Kapiteln pĂ€dagogische Themenfelder und pĂ€dagogisch-politische Praxen der Frauenbewegungen - der "ersten" Ende des 19. Jahrhunderts und der "zweiten" seit den 1970er Jahren - vorgestellt und diskutiert.

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Information

Year
2021
ISBN
9783170363243
Edition
1
PĂ€dagogische Themenfelder der Frauenbewegungen

2 Bildung

2 Bildung
Ausgangslage und Anliegen im 19. Jahrhundert
Ausgangslage und Anliegen in den 1970er Jahren
AnknĂŒpfungspunkte der Frauenbewegungen
Die Debatten um Mono- und Koedukation
ResĂŒmee und Ausblick
Literatur
Das VerhĂ€ltnis zwischen den Frauenbewegungen mit ihren Emanzipationsbestrebungen, den jeweiligen gesellschaftspolitischen Dynamiken und den Bildungsvorstellungen ist von komplexer wechselseitiger Beeinflussung gekennzeichnet, die es nicht gestattet, verursachende Impulse auf der einen und Reaktionen auf der anderen Seite zu identifizieren. Auch sind auf allen drei Ebenen die Entwicklungen so widersprĂŒchlich, bestehen gleichzeitig widerstrebende VerĂ€nderungs- und Entwicklungsdynamiken, dass weder von »den« Bildungskonzepten noch von »den« Frauenbewegungen gesprochen werden kann.
Bei aller Vorsicht lĂ€sst sich jedoch als Wirkzusammenhang zeigen, dass die engagierten Frauen – einzelne und Gruppen, individuell oder organisiert – regelmĂ€ĂŸig aus dem gerade aktuellen gesellschaftlichen VerĂ€nderungspotential einige Aspekte herausgreifen, verstĂ€rken, zu politischen Forderungen und/oder AktivitĂ€ten verdichten und diese jeweils auch, oder sogar vorrangig, auf Bildungsfragen beziehen: In mehr und besserer Bildung scheint durchgĂ€ngig der SchlĂŒssel zu innerer Freiheit des Denkens, zur Selbstbestimmung, zur Forderung nach Beteiligung1 und Teilhabe und der Verbesserung der gesellschaftlichen Lage von Frauen (und letztlich der gesamten Gesellschaft) zu liegen. Dies soll zunĂ€chst an einigen Beispielen exemplarisch gezeigt werden.
Offen bleibt dabei jedoch, welches Wissen jeweils angestrebt wird und wie die Wege seiner Vermittlung aussehen sollen. Dazu gehört auch die Frage, ob MĂ€dchen/Frauen gemeinsam mit Jungen/MĂ€nnern lernen oder getrennt? Dies betrifft weniger den Elementar- und Primar-, sondern vor allem den Sekundarbereich, aber auch die außerschulische Bildung und schließlich den tertiĂ€ren Bereich. Dies bildet den letzten Abschnitt des Kapitels.

Ausgangslage und Anliegen im 19. Jahrhundert

Bereits bei den im VormĂ€rz aktiven Frauen(gruppen) zeigte sich deutlich das Anliegen, Impulse fĂŒr verbessertes Wissen und Bildung von Frauen zu setzen. Zwar ĂŒberwogen hier die auf die VerĂ€nderung der gesamten Gesellschaft bezogenen revolutionĂ€ren Töne und ging es etwa Louise Otto2 darum, die Teilnahme der Frauen am Staatsleben nicht nur als Recht, sondern als eine Pflicht zu sehen (Paletschek 1991: 51) – aber bereits hier wurde eine bessere Bildung als Grundlage fĂŒr gesellschaftliche Teilhabe angesehen und gefordert. Die politisch aktiven »freisinnigen Frauenvereine« hatten aber explizit nicht eine Kopie mĂ€nnlicher Verhaltensweisen im Sinn, sie wollten auch nicht zu den »Emancipirten« gerechnet werden, die »das Weib zur Caricatur des Mannes herabwĂŒrdigten« (Frauen-Zeitung 1849), noch stellten sie die vorrangige Verantwortung der Frauen fĂŒr die Familie in Frage – aber Bildung schien fĂŒr Frauen aller StĂ€nde unabdingbar notwendig, als Basis fĂŒr ein wachsendes politisches Selbstbewusstsein: »Jede fĂŒr Alle, und daß wir vor Allem Derer zumeist uns annehmen, welche in Armuth, Elend und Unwissenheit vergessen und vernachlĂ€ssigt schmachten« (ebd.).
Louise Otto-Peters war auch an den GrĂŒndungen des ersten Frauenbildungsvereins 1865 und wenig spĂ€ter des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins ADF maßgeblich beteiligt, dem organisatorischen Grundstein der ersten Frauenbewegung. In den AktivitĂ€ten der Frauenbewegung wird in den nĂ€chsten Jahrzehnten das Ringen um eine verbesserte und institutionalisierte MĂ€dchen- und Frauenbildung einen ganz zentralen Platz einnehmen und die akademische PĂ€dagogik nachhaltig beeinflussen.
Umgekehrt war die elementarpĂ€dagogische Bewegung, die von Friedrich Fröbel angestoßen wurde, nicht vorrangig politisch motiviert, geriet aber im Zusammenhang mit den revolutionĂ€ren Bewegungen von 1848 durchaus in einen politischen Kontext (
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Kap. 4). Die Fröbelbewegung entstand im kirchenkritischen Umfeld der freireligiösen Bewegung (Allen 1996: 25) und stand ebenfalls in Zusammenhang mit Versuchen der Herausbildung einer nationalen IdentitĂ€t, die der Erziehung auch der jĂŒngeren Kinder eine nationale Wichtigkeit beimaß. Zeittypisch ist hier die Mutterschaft nicht vorrangig biologisch konzipiert, sondern vor allem als ethisch und kulturell begrĂŒndete Aufgabe der Frauen. In diesem Kontext entstand auch der Ausdruck »Geistige MĂŒtterlichkeit« als Beschreibung der BefĂ€higung von Frauen, einen professionellen gesellschaftlichen und politischen Beitrag zur Gesellschaft, ihrer Erneuerung und Verbesserung zu leisten.
Auch wenn der Elementarbereich nicht wie in England oder Frankreich zur »Elementarschule« ausgebaut wurde (Jacobi 2013: 261), nahmen doch die so angesprochenen Frauen das Angebot professionalisierter Ausbildung als »KindergĂ€rtnerin« in großer Zahl mit Interesse an. Mit der Professionalisierung wiederum wuchs ihr Selbstbewusstsein, das ihnen in politischen Auseinandersetzungen dazu verhalf, ihre Herabsetzung als Frauen selbstbewusst zurĂŒckzuweisen (Allen 1996: 27). Wenngleich also hier ein pĂ€dagogisches Konzept einen Impuls gesetzt hat, ist es doch dem Einfluss der Frauenbewegung geschuldet, dass es in seiner gesamtgesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Dimension gesehen wurde. Hatte Fröbel den MĂŒttern eine wesentliche kulturschöpfende Aufgabe zugeschrieben, so war es der Beitrag der selbstbewusst gewordenen KindergĂ€rtnerinnen, aus dieser Aufgabe den Anspruch auf gesellschaftliche Anerkennung fĂŒr sich als Frauen und fĂŒr ihre Arbeit mit den kleinen Kindern zu entwickeln.
Im Falle der höheren MĂ€dchenschulen ist das VerhĂ€ltnis von PĂ€dagogik, Gesellschaft und Frauenbewegung wiederum etwas anders gelagert, und es mischen sich die politischen und pĂ€dagogischen mit berufsstĂ€ndischen Interessenlagen. In den 1880er Jahren waren diverse regionale Lehrerinnen-VerbĂ€nde entstanden, die sich 1890 im Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein ADLV zusammenschlossen und spĂ€ter auch Sektionen zu unterschiedlichen Schulformen bildeten. Durchaus auch mit Bezug auf den Topos »Geistige MĂŒtterlichkeit« forderten die Lehrerinnen die GrĂŒndung von öffentlichen Einrichtungen zur wissenschaftlichen Ausbildung von Lehrerinnen sowie eine grĂ¶ĂŸere Beteiligung der Lehrerinnen am Unterricht in der Mittel- und Oberstufe der öffentlichen höheren MĂ€dchenschulen, die im Geiste des Ideals nationaler Bildungsinteressen aufgewertet werden sollten. Diese Forderung brachte die mĂ€nnlichen und die weiblichen Professionsgruppen miteinander in Konkurrenz und Konflikt (die organisierten MĂ€dchenschulpĂ€dagogen leisteten erbitterten Widerstand) und nötigte die Lehrerinnen mehr und mehr dazu, ihre Eignung zum Unterrichten aus ihrer Weiblichkeit abzuleiten: Die bessere Eignung von Frauen fĂŒr den Lehrberuf an den höheren MĂ€dchenschulen plausibilisieren sie mit einer Vorbildfunktion fĂŒr die SchĂŒlerinnen und damit, dass sie sich als Frauen besser in diese hineinversetzen könnten. Besonders in den »ethischen FĂ€chern« (Deutsch, Religion und Geschichte), den FĂ€chern der »Erziehung«, habe die Lehrerin einen besseren Zugang zu den SchĂŒlerinnen als ein Lehrer – die FĂ€cher Religion und Deutsch sollten vorrangig von Lehrerinnen unterrichtet werden (Lange, in Dauzenroth 1964: 33ff.).
Zwar war die Anstellung in höheren MĂ€dchenschulen nicht gleichwertig zu der in den Knabenschulen angesehen, doch war sie fĂŒr mĂ€nnliche Lehrer, die an den Knabengymnasien nicht untergekommen waren, eine wichtige alternative Berufsmöglichkeit. Weil andererseits die Lehrer eine bessere akademische Ausbildung hatten als die nur seminaristisch, also in einem Lehrerinnenseminar, ausgebildeten Lehrerinnen, hĂ€tte deren Anerkennung als gleichgestellte LehrkrĂ€fte den Vorsprung der Lehrer negiert – aber umgekehrt hĂ€tte die Schlechterstellung der Lehrerinnen das gerade neu etablierte Berufsfeld fĂŒr bĂŒrgerliche Frauen wieder gefĂ€hrdet (Kraul 1991: 281). Beide Gruppen bemĂŒhten sich deshalb massiv darum, ihren Interessen mit Hilfe von Denkschriften und Petitionen Nachdruck zu verleihen, was politische Lösungen schwierig machte. Angesichts ihrer politischen SchwĂ€che und Erfolglosigkeit wurden die Lehrerinnen deshalb selbstĂ€ndig praktisch-pĂ€dagogisch aktiv. Sie richteten 1889 eigene Realkurse (spĂ€ter sogar Gymnasialkurse) fĂŒr MĂ€dchen und Frauen ein und erzwangen letztlich VerĂ€nderungen auf beiden Ebenen: auf der politischen Ebene mit der Zulassung von Frauen zu Abitur und Studium sowie auf der pĂ€dagogischen Ebene mit der Anerkennung gleichwertiger Bildungsansinnen von Frauen – auch wenn deren konkrete Bildungswege noch fĂŒr lange Zeit lĂ€nger, umstĂ€ndlicher und immer weiter durch andere Formen von Exklusion aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit gekennzeichnet waren als die der Knaben und jungen MĂ€nner (Nieswandt 1996).
Die Zulassung zum Abitur wiederum zwang die UniversitĂ€ten sukzessive, sich fĂŒr Studentinnen zu öffnen, was anderswo schon lĂ€nger gang und gĂ€be war – Deutschland bildete hier im europĂ€ischen Vergleich und dem zur USA (in Bezug auf das Medizinstudium sogar international; Brinkschulte 2005: 105) ein Schlusslicht. Dabei spielte es eine Rolle, dass in Deutschland der Zugang zu den Professionen ĂŒber ein akademisches Studium geregelt war, wĂ€hrend etwa in der Schweiz, die ihre Tore frĂŒh öffnete, ein akademisches Studium in der Regel nicht entscheidend fĂŒr den Zutritt zu den Professionen war (vgl. Costas 1992). Damit wird deutlich, um welche Privilegien bei der Zulassung zu den UniversitĂ€ten gekĂ€mpft wurde, ging es dabei doch stark um Zugang zu prestigetrĂ€chtigen und einflussreichen akademischen Berufen. In Frankreich erfolgte der Zugang zu den EliteuniversitĂ€ten erst Mitte des 20. Jahrhunderts, und separierte Eliteeinrichtungen fĂŒr Frauen wurden erst 1940 den mĂ€nnlichen gleichgestellt (ebd.: 125). Der Weg, eigene Hochschulen fĂŒr Frauen zu grĂŒnden, wie er etwa auch in England erfolgte, wurde in Deutschland nicht beschritten. Helene Lange besuchte 1889 das Frauencollege in Cambridge, und vermutlich erschien ihr dieses Modell aufgrund der hohen Normierung des Bildungssystems im Deutschen Reich nicht ĂŒbertragbar (Jacobi 2010: 105).
Insgesamt ist die Öffnung der UniversitĂ€ten fĂŒr Frauen durch viele Ungleichzeitigkeiten und WidersprĂŒche gekennzeichnet, insbesondere auch im internationalen Vergleich. Dabei sind die unterschiedlichen AbschlĂŒsse und ihre Bedeutung sowie die verschiedenen Qualifikationen im UniversitĂ€tswesen, wie Promotionen und Habilitationen zu berĂŒcksichtigen. Eine bedeutsame Rolle spielten auch die Unterschiede in der Organisation der UniversitĂ€ten, korrigiert werden mĂŒssen aber auch Vorstellungen von typischen FrauenfĂ€chern (vgl. Maurer 2010: 18), gehörten doch zu den Pionierinnen des Frauenstudiums sehr viele Naturwissenschaftlerinnen. Dies hatte um 1900 auch mit der Expansion der Naturwissenschaften und entsprechend geringeren KonkurrenzĂ€ngsten zu tun, so dass den Frauen weniger WiderstĂ€nde entgegengesetzt wurden. So war es beispielsweise an der UniversitĂ€t Heidelberg die naturwissenschaftliche FakultĂ€t, die eine Vorreiterrolle fĂŒr die Zulassung von Frauen ĂŒbernahm. Sie setzte sich ab 1891 fĂŒr die Zulassung von Gasthörerinnen und 1895 – gegen das Votum des Senats der UniversitĂ€t – fĂŒr das Promotionsrecht fĂŒr Frauen ein. GrundsĂ€tzlich fĂŒgten sich die Gremien der UniversitĂ€t nur widerwillig den politischen Erlassen der Badischen Landesregierung aus dem Jahre 1900, Frauen zum »Heiligtum der UniversitĂ€t« (Hedwig Dohm) zuzulassen (vgl. Baader 1995).
Zu den Gemeinsamkeiten der Auseinandersetzungen um das Frauenstudium im internationalen Vergleich gehören insbesondere zwei Aspekte. Übereinstimmend ist zum einen die enge Verbindung von Aktivistinnen, die fĂŒr die Zulassung stritten, mit der Frauenbewegung (vgl. Maurer 2010: 20). Zum anderen wurden in allen LĂ€ndern bei der Diskussion um das Frauenstudium die Auswirkungen auf die mĂ€nnlichen Geschlechtsgenossen diskutiert (ebd.: 19). Dies macht deutlich, dass die UniversitĂ€ten nicht nur RĂ€ume der Bildung und Wissenschaft, sondern auch der mĂ€nnlichen Sozialisation waren (ebd.: 10). So stellte etwa der Alkoholkonsum wie auch andere Rituale der mĂ€nnlichen Studentenverbindungen fĂŒr die erste Generation von Studentinnen ein Thema dar. Diese trafen an der UniversitĂ€t entweder auf Galanterie und Kavaliershaltung seitens der mĂ€nnlichen Studenten (vgl. Baader 1992: 227) – oder auch auf ein feindseliges Klima: Nicht nur von Seiten der Lehrenden, denn auch die mĂ€nnlichen Kommilitonen wĂŒrden den Studentinnen gerne »â€șunabsichtlichâ€č aufs Kleid treten, ihnen beim Besetzen der PlĂ€tze KnĂŒffe beibringen, ihnen Kleckse in die Hefte machen, sie an den Kleiderhaken und beim Aufsuchen der Sitze wegdrĂ€ngen«, schreibt ein Anonymus 1911 in der MĂŒnsteraner UniversitĂ€tszeitung (Brinkschulte 2005: 111).
Ein Thema der frĂŒhen Studentinnen war aber auch das VerhĂ€ltnis zur Ă€lteren Generation der frauenbewegten KĂ€mpferinnen fĂŒr das Frauenstudium. So wollte beispielsweise der Verein »Frauenstudium-Frauenbildung«, der sich fĂŒr die Zulassung von Frauen eingesetzt hatte und dem in Heidelberg unter anderen die Protagonistin der bĂŒrgerlichen Frauenbewegung Marianne Weber (1870–1954) angehörte, die erste Generation von Studentinnen zu ihrer Jugendgruppe machen. Diese aber rebellierte gegen die Generation ihrer kollektiven MĂŒtter. »Wir waren jung und wollten unabhĂ€ngig sein, wir wollten keine alten Tanten und wollten nicht gegĂ€ngelt werden«, so die erste Medizinstudentin in Heidelberg, Rahel Straus (1880–1963) (Straus 1961: 94). Sie hatte am ersten MĂ€dchengymnasium in Deutschland, das auf Betreiben des Vereins »Frauenstudium-Frauenbildung« 1893 in Karlsruhe gegrĂŒndet wurde, 1899 Abitur gemacht und in der ersten Abiturrede einer Frau in Deutschland ĂŒber die Bildungschancen von jungen MĂ€dchen und das akademische Studium gesprochen. Um ihre Freiheit und UnabhĂ€ngigkeit zu wahren, grĂŒndeten die ersten Studentinnen eine eigene Studentinnengruppe, die »Vereinigung studierender Frauen«, den Verein von Marianne Weber und anderen nannten sie spöttisch »Frauentugend-Frauenmilde« (vgl. Baader 1992: 221ff.).
Mit dem skizzierten Generationenkonflikt ist zugleich eine Konstellation angesprochen, die sowohl die alte als auch die neue Frauenbewegung immer wieder beschĂ€ftigte: die JĂŒngeren wollten mit den Älteren, die Rechte erkĂ€mpft hatten, nichts mehr zu tun haben, sie wollten unabhĂ€ngig sein und den Älteren nichts verdanken, auch wenn sie sich unter UmstĂ€nden selbst als Frauenrechtlerinnen verstanden, wie es bei Rahel Straus dezidiert der Fall war. Aber diese Konflikte weisen auch noch eine andere Dimension auf, die mit dem VerhĂ€ltnis zwischen Kultur- und Naturwissenschaften zu tun haben. Denn der von Marianne Weber und anderen gefĂŒhrte Verein »Frauenstudium-Frauenbildung« hatte ein distanziertes VerhĂ€ltnis zu den Naturwissenschaften. Marianne Weber entfaltete in ihrem Text »Die Beteiligung der Frau an der Wissenschaft« aus dem Jahre 1904 ganz in der Logik von der spezifischen »Kulturaufgabe der Frau«, dass die Frauen in den Kulturwissenschaften aufgrund ihrer »Gabe, sich in die GefĂŒhlswelt anderer zu versetzen« und »einer spezifischen Stoffauswahl nach besonderen weiblichen â€șGesichtspunktenâ€č der Wissenschaft weibliche Werte hinzuzufĂŒgen wĂŒrden« (Weber 1919: 5). Diese Möglichkeit sah Weber in der Naturwissenschaft mit ihrer Orientierung an »ObjektivitĂ€t« nicht (ebd.). Sie wertete in ihren Überlegungen zur »Kulturbedeutung geistiger Frauenarbeit«, bei der es nicht um die »Förderung des objektiven Kosmos unseres Wissens« gehe (ebd.: 7), zum einen die Naturwissenschaft und zum anderen ökonomisch...

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