Handbuch - Systemische Professionalität
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Handbuch - Systemische Professionalität

Gemeinsam Wirklichkeiten gestalten

Bernd Schmid

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  1. 208 pages
  2. German
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Gemeinsam Wirklichkeiten gestalten

Bernd Schmid

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Überblick über fast 40 Jahre Entwicklung am isb(Institut für systemische Beratung isb GmbH - Systemische Professionalität). Einführung in die isb-Weise des Verstehens und Umgehens mit Professionalität, Prozessen und Entwicklungen in Organisationen sowie Fragen von Beratung und des Unternehmertums.In 12 konzentrierten, gut verständlichen Kapiteln werden Betrachtungsweisen und Konzepte zusammen mit Schaubildern, Übersichten, Illustrationen und Beispielen behandelt.

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Information

Publisher
tredition
Year
2021
ISBN
9783347290945
1. Gemeinsame Wirklichkeiten
Warum gemeinsame Wirklichkeiten?
Eine Organisation ist eine Komposition aus vielen Wirklichkeiten. Sie wirken zusammen, erzielen Ergebnisse und schaffen berufliche Lebenskultur. Diese Wirklichkeiten können entweder gut zusammenwirken oder fragmentiert bleiben. Wenn die Wirklichkeiten nicht zusammenkommen, wird unnötig Zeit, Geld, Produktivität und menschliche Energie verbraucht. Daher ist die Gemeinsamkeit von Wirklichkeiten als Perspektive für alle Bereiche in Organisationen bedeutsam. Betrachtet man Strukturen, Prozesse, Ansätze, Modelle und Methoden, so stellt sich immer die eine dringende Frage: Tragen sie zu einer gemeinsamen Wirklichkeit bei? Gemeinsame Wirklichkeit bedeutet dabei nicht, dass sich alle über alles einig sind, denn sonst würde bereichernde Vielfalt reduziert werden. Es bedeutet schlicht, dass die Beteiligten so viel von den Wirklichkeiten der anderen verstehen, dass sie zusammenwirken können. Effektiv miteinander in Beziehung zu treten, bedeutet, sich auf die Wirklichkeit des anderen in der Art zu beziehen, dass Organisationsleben und Leistung effektiv und befriedigend sind.
1.1. Was ist Wirklichkeit?
Aus systemischer Sicht kann Wirklichkeit nur erfasst werden, wenn wir verstehen, wessen Wirklichkeit gemeint ist. Einzelpersonen und Personengruppen leben in ihrem jeweils eigenen Kosmos, mit ihrer eigenen Mischung aus Wahrnehmungsgewohnheiten, unterschiedlichen Erfahrungen in der Biographie, Interessen, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Rollen in der Gesellschaft. Obwohl Wirklichkeit auch "harte Fakten" beinhalten kann, ist sie im Wesentlichen eine Erzählung. Und viele "harte Fakten" ergeben sich aus Vorstellungen von Wirklichkeit, die erst in der Folge zu harten Fakten wurden. Deshalb sollten grundsätzlich auch „harte Realitäten“ offen sein für Veränderungen und neuen Ideen folgen, die in einem gemeinsamen Prozess Kraft gewinnen und umgesetzt werden.
1.2. Wirklichkeit schaffen durch Kommunikation
Wirklichkeiten, die nicht miteinander geteilt werden, können die Ursache vieler Fehlfunktionen und von Unzufriedenheit sein. Deshalb müssen wir auf ein besseres Zusammenwirken hinarbeiten, wodurch immer auch eine Vergemeinschaftung von Wirklichkeit angestrebt wird. Die bloße Darstellung einer Wirklichkeitssicht als gültiger und verbindlicher Rahmen für alle ist dafür in der Regel nicht ausreichend. Es braucht mehr, um eine aktive und kreative Zusammenarbeit zu erreichen. Es bedarf der Kommunikation über Wirklichkeit mit denen, die als Mitgestalter dieser Wirklichkeit erreicht werden müssen. Deshalb hat eine Kultur der Kommunikation und Kompetenz im Dialog über Wirklichkeit als Kunst und als Verantwortung seine eigene Bedeutung. Das geht weit über die Verbesserung von Zuhören und die eigene Ausdrucksweise hinaus. Im Organisations-Feld benötigen wir Modelle und Ansätze, die in vielen Dimensionen von Rollenanforderungen und persönlichen Fragestellungen spezifische Anteilnahme befördern. Systemische Kommunikationsansätze für den Organisationsbereich, wie sie seit Jahrzehnten am isb entwickelt, praktiziert und gelehrt werden, entsprechen dieser Anforderung. Sie repräsentieren den isb-Kosmos des Verstehens von Menschen in Berufen und Organisationen sowie von „systemischer“ Unternehmens- und Kulturentwicklung.
1.3. Kommunikation als Begegnung von Kulturen
Beginnen wir mit einem Kommunikationsmodell, das sich speziell auf die Begegnung verschiedener Realitäten konzentriert. Es dient als Alternative zum traditionellen "Sender-Kanal-Empfänger-Modell" der Kommunikation (Abb. 2).
Abb. 2: Sender-Kanal-Empfänger
Das Sender-Kanal-Empfänger-Modell repräsentiert eine "kontrollierte" Perspektive auf Kommunikation, die sich an traditionelle technische Vorstellungen anlehnt. Es legt nahe, dass sich die Wirklichkeit von Sender A nach Übermittlung über den Kommunikationskanal identisch beim Empfänger B abbildet. Zwischen Menschen hieße das, dass Kommunikation auf eine kontrollierbare und vorhersagbare Weise funktioniert. Wenn sich aber die Wirklichkeit beim Empfänger nicht in der erwarteten Weise darstellt, hat jemand ein Problem. Kreative Aspekte aus dem kulturellen Hintergrund der Kommunikatoren, die beabsichtigte Wirkungen verändern können, werden dabei nicht akzeptiert. Von Menschlichen Kommunikationspartnern wird erwartet, solche kreativen Erweiterungen als „Fehlfunktion“ aus der Kommunikation herauszuhalten.
Abb. 3: Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation (Schmid 1991)
Im Gegensatz dazu geht das Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation (Abb. 3) davon aus, dass jeder Kommunikationspartner seine eigene Wirklichkeit hat. Seine Selbstorganisation orientiert sich an dieser Wirklichkeit. Begegnung kann bestenfalls dazu genutzt werden, um diese persönliche Wirklichkeit und Selbstorganisation weiter zu entwickeln. Dieses Modell betrachtet es als normal, dass Wirklichkeiten unterschiedlich sind und zuerst verbunden werden müssen, wenn so etwas wie eine gemeinsame Wirklichkeit entstehen soll. Die Schaffung einer gemeinsamen Wirklichkeit erfordert extra Kommunikationsaufwand und eine spezifische Kompetenz. Das Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation gibt die Idee einer vollständigen Kontrolle von Kommunikation auf, da Wirklichkeiten und Selbstorganisationen lebender Organismen komplex sind und solche Kommunikatoren nicht einmal selbst in der Lage sind, sie vollständig zu kontrollieren. Jeder muss zugestehen, dass es Überraschungen geben wird. Ausgehend von dieser Perspektive verändert sich sowohl der Umgang mit unerwarteten Ergebnissen in der Kommunikation als auch die Art und Weise, wie wir miteinander in Kontakt treten.
1.4. Vier Ebenen gemeinsamer Wirklichkeit
Zunächst eine kurze Einführung in den systemischen Begriff der "Information", da er eine wichtige Grundlage für das Kulturbegegnungsmodell der Kommunikation ist.
Information
Aus systemischer Sicht werden Daten und Informationen als zwei verschiedene Dinge betrachtet. Daten beziehen sich auf Fakten jeglicher Art. Aber nur solche Fakten, die für jemanden einen Unterschied machen, führen zu Informationen. Hier als Beispiel: "Es regnet" ist zunächst ein Datum. Dieses Datum können wir in den Kontext des Wanderns stellen. Wenn wir an einem regnerischen Tag nicht wandern gehen, wird der Unterschied zwischen "regnen" und "nicht regnen" zur relevanten Information für das Wandern. Wenn wir auch an einem regnerischen Tag wandern, hat das Datum „Regen“ keinen Informationswert für die Entscheidung, ob wir wandern gehen oder nicht. Aber es könnte für die Frage, ob wir "einen Regenschirm mitbringen" oder "keinen Regenschirm mitbringen" sollen, einen Informationswert haben.
Damit Kommunikation erfolgreich sein kann, muss ein gemeinsamer Bezugsrahmen für das Verständnis von und die Auseinandersetzung mit den Realitäten geschaffen werden. Zu diesem Zweck unterscheiden wir vier Ebenen gemeinsamer Wirklichkeit.
Abb. 4: 4 Ebenen gemeinsamer Wirklichkeit (Schmid/Hipp 1998)
Lassen Sie uns das Beispiel vom Wandern weiterspinnen: Obwohl vorher eine Terminvereinbarung getroffen wurde, taucht B nicht auf. Als er konfrontiert wird, antwortet B: "Ich habe angenommen, dass wir bei Regen unmöglich zusammen wandern können!"
Ebene 1: Perspektiven und Daten
Beziehen sich A und B auf die gleichen Daten? Kennen sie beide die Fakten, auf die sich der andere bei dem Satz "Es regnet" bezieht? Oder würde B das sagen, wenn es bewölkt ist, während A das nur tun würde, wenn es stärker regnet?
Nehmen wir mal an, beide würden sich auf die Verwendung des Satzes einigen, wenn es auch nur ein bisschen regnet.
Ebene 2: Bedeutungen und Informationen
Geben die Teilnehmer den vorhandenen Daten die gleiche Bedeutung? Teilen A und B die gleichen Dimensionen und Gewichtungen? Oder werten sie verschieden? "Auch wenig Regen kann zu Krankheiten und nicht akzeptablen Risiken für den Einzelnen und das Vorhaben führen" vs. "Regen schafft keine Risiken, sondern höchstens akzeptable individuelle Beschwerden".
Stufe 3: Schlussfolgerungen und Interdependenzen
Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Bezugsrahmen und den Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Elementen ziehen? Teilen A und B die Vorstellungen davon, mit welchen Mitteln die gewünschten Wirklichkeiten geschaffen oder verändert werden können? Oder unterscheiden sie sich in Meinungen wie "mit Regen zurecht zu kommen, ist eine Frage der Ausrüstung" oder "…eine Frage der persönlichen Fitness"?
Ebene 4: Verantwortlichkeiten und Lösungen
Teilen die Teilnehmer Ideen darüber, welche Lösungen für offene Fragen akzeptabel sein könnten? Teilen A und B Vorstellungen über ihre Verantwortung für diese Lösungen?
"Jeder ist für seine eigene Fitness sowie das Mitbringen der Ausrüstung und die Folgen bei Schwierigkeiten selbst verantwortlich" vs. "Der Gruppenleiter ist für die Vorsorge vor möglichen Gefahren, die Überprüfung der Fitness und die Bereitstellung der Ausrüstung verantwortlich. Wenn er diese für nicht ausreichend hält, muss er Teilnehmer ablehnen."
In Fällen, in denen relativ zuverlässige Vereinbarungen auf der Ebene 4 (Lösungen und Verantwortlichkeiten) getroffen werden, wird die gemeinsame Wirklichkeit auf den anderen Ebenen meist unterstellt. Aber auch verborgene Wirklichkeitsverschiedenheiten auf den Ebenen 1-3 können jederzeit zu nicht komplementären Aktionen führen. Um gemeinsame Wirklichkeit zu gewährleisten und verborgene Uneinigkeiten aufzudecken, müssten alle Ebenen der Wirklichkeits-Begegnung überprüft werden. Oft eskalieren Konflikte auf Ebene 4, weil die Überprüfung aller anderen Ebenen der Konstruktion gemeinsamer Wirklichkeit vernachlässigt wurde. Eine schrittweise Klärung auf den anderen Ebenen kann dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis...

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