Nur Ja! heißt ja
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Nur Ja! heißt ja

Eine Anleitung zu sexuellem Konsens

Shaina Joy Machlus, Mantwill, Michael, Theodor

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  1. 256 pages
  2. German
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Nur Ja! heißt ja

Eine Anleitung zu sexuellem Konsens

Shaina Joy Machlus, Mantwill, Michael, Theodor

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"Durch sexuellen Konsens kann so viel Leid beendetwerden – und ich bleibe weiterhin zuversichtlich, dass die Mehrheitder Menschen daran interessiert ist." Shaina Joy MachlusWas ist sexueller Konsens?Warum ist Konsens wichtig?Und: wie setzen wir ihn um?Sexueller Konsens steht für sexuelles Einvernehmen, bei dem nur ein enthusiastisches "Ja!" Zustimmung bedeutet. Shaina Joy Machlus zeigt uns, wie wir miteinander kommunizieren und Konsens herstellen können, damit alle sicher sind, dass auch tatsächlich Einverständnis vorliegt. Damit stellt sich das Konsensprinzip gegen eine Vergewaltigungskultur, in der sexuelle Handlungen zu oft auf unausgesprochenen Vorannahmen beruhen und sexualisierte Gewalt als etwas Alltägliches normalisiert und verharmlost wird.Zugleich hilft uns sexueller Konsens aber auch dabei, Sex zu genießen und uns in unserer persönlichen Selbstbestimmung zu bestärken. Shaina Joy Machlus vermittelt in ihrem Buch auf offene und verständliche Weise das Konsensprinzip, Grundlegendes zu Geschlechtern, sexuellen Orientierungen sowie zur Vergewaltigungskultur und schafft dabei einen Zugang zur praktischen Umsetzung von Konsens im Sexuellen – und darüber hinaus.Ein notwendiges und hilfreiches Buch für Menschen jeden Alters.

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Information

Year
2021
ISBN
9783944666921
1Geschlecht, Sex, Körper – Grundlagen

1.1Mehr als zwei Geschlechter

Menschen wollen einander verstehen. Wenn wir mit einer anderen Person in Beziehung treten, können wir manchmal etwas über unseren eigenen winzigen Platz in dieser riesigen Welt lernen. Es ist also kein Wunder, dass uns das intensiv beschäftigt. Um es uns zu erleichtern, das eigene Menschsein zu verstehen, haben wir Schubladen geschaffen: Wenn du
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bist, kreuze dieses Kästchen an; wenn du hingegen
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bist, kreuze jenes Kästchen an. Dieses System beruft sich auf die Denkweise des »entweder oder«, denn es ist nicht erlaubt, beide Kästchen anzukreuzen. Ein weiteres Kästchen irgendwo dazwischen zu zeichnen, käme nicht in den Sinn und wäre unerhört. Dieses strenge System, diese Ordnung, wird als Binarität – als Zweiteilung – bezeichnet, weil es nur zwei Optionen gibt, zwischen denen wir uns entscheiden müssen.
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Theoretisch hat eine Person, die in eine bestimmte Schublade gehört, bestimmte Eigenschaften zu erfüllen. Eine
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Person ist anfällig für eine bestimmte Krankheit; eine
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Person denkt auf dieses Weise;
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Personen lieben
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Personen. Diese vier Lücken beruhen auf einer Reihe gesellschaftlicher Vorannahmen, die als soziale Konstruktionen – als gesellschaftlich hergestellt – bezeichnet werden. Im Wesentlichen hat hier eine Gruppe von Menschen Entscheidungen darüber getroffen, wie eine Person sein sollte oder nicht sein sollte; und weil das für einige Leute in der Gesellschaft Vorteile brachte, stellten sie sicher, dass diese sozialen Konstruktionen in Kraft blieben. Im Ergebnis wird die Persönlichkeit und Identität von Menschen anhand dieser Kästchen bemessen und von ihnen geprägt, anstatt dass sie diese selbst formen (können).
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Es ist logisch, dass ein einzelnes Kästchen nicht die Komplexität eines Menschen enthalten kann. Glücklicherweise zieht die Wissenschaft langsam nach und je mehr wir lernen, desto deutlicher wird, dass wir unendlich viele Kästchen brauchen würden, um Menschen darin zu erfassen. Um einander verstehen zu können, ist es tatsächlich am klügsten, wenn wir uns von der Vorstellung der Kästchen einfach komplett verabschieden. Die Forschung zeigt nicht nur, dass es kein ›normal‹ gibt, sondern dass die Starrheit dieses Systems verhindert, dass das lebendige Spektrum der menschlichen Existenz als solches wahrgenommen wird. Trotz der erdrückenden Beweislast beruhen angloeuropäische Gesellschaften auf diesen unangemessenen und vereinfachten Verallgemeinerungen. Sie verweigern sich weitgehend einer entsprechenden Verschiebung und haben vielleicht sogar ein bisschen Angst davor.
Diese Übervereinfachung durchzieht jeden Aspekt unseres Lebens. Eine besondere Rolle spielt sie in Bezug auf unser Geschlecht und unsere Sexualität. Je nachdem, welches Geschlecht einer Person zugewiesen wird, werden von ihr bestimmte Verhaltensweisen erwartet – von der Partner*innenwahl über sexuelle Praktiken bis hin zu Kleidung und Haarentfernung. Sogar wenn eine Person außerhalb dieser Schubladen lebt, ist es wahrscheinlich, dass die Welt sie weiterhin auf ein Stereotyp reduzieren will. Um uns von diesen Beschränkungen zu befreien, müssen wir diese Vereinfachungen zunächst verstehen: Wie sind sie entstanden und zu welchem Zweck wurden sie geschaffen?
Daher bietet ein Verständnis von Geschlecht – wie es bei der Geburt zugewiesen wird (engl. sex) und wie wir es leben (engl. gender) – sowie von sexueller Orientierung, von rassistischen Körpernormen usw. eine gute Grundlage, um nachvollziehen zu können, wie die gegenwärtige kulturelle Gemengelage entstanden ist. Diese Vorstellungen stellen aber weder die Zukunft noch unveränderliche Tatsachen dar.
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1.2Geschlecht – sozial und biologisch?

In welchem Buch, das du gelesen hast, in welchem Film, den du gesehen hast, spielte Geschlecht keine Rolle für die Handlung? Ob in Sachtexten, Romanen, Dokumentar- oder Spielfilmen: Wir finden darin immer Spuren dieses Konzepts. So vieles in der – wenn nicht die gesamte – Geschichte der Menschheit wird entlang von Geschlecht erzählt. Die Theorien zum – ›biologischen‹ und sozialen – Geschlecht würden ein ganzes Bücherregal füllen, doch um es kurz zu halten, erklären wir hier im Schnelldurchlauf, wie wir zu unserem aktuellen Verständnis von Geschlecht gekommen sind. Vielleicht ist besonders interessant, wo wir es falsch verstanden haben.
Erinnere dich an deinen frühen Biologieunterricht. Da gab es vollkommene, nackte Personen, die zu vollkommen geformten Chromosomen passten. Das Konzept des ›biologischen Geschlechts‹, das bei der Geburt zugewiesen wird, wurde fast immer als wissenschaftliche Tatsache dargestellt und somit als etwas Eindeutiges und Wahres verstanden. Wir lieben die Wissenschaft, weil sie uns vermeintlich genau das liefert: etwas Stabiles. Aber diese Stabilität kann auch zu einer Starrheit führen, in der wenig Raum für Entwicklung bleibt.
So wie die Wissenschaft sich von der Theorie, die Erde sei eine Scheibe, weiterentwickelt hat, haben sich auch Vorstellungen vom bei der Geburt zugewiesenen ›biologischen Geschlecht‹ weiterentwickelt. Traditionell wurde das ›biologische Geschlecht‹ – oder vielmehr, das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht – als etwas Objektives und Unveränderliches erachtet. Die Wörter »männlich« und »weiblich« wurden hier direkt in Bezug auf Genitalien und Chromosomen benutzt. Mittlerweile haben wir gelernt, dass diese anfänglichen Vorstellungen von Genitalien, Fortpflanzungsorganen und Chromosomen faktisch nicht richtig sind. Das ›biologische Geschlecht‹ ist ein Spektrum; es ist beweglich und es kann sich verändern. Das menschliche Denken wollte etwas vereinfachen, das die Natur aber eher als Mosaik entworfen hat.
Um die Beweglichkeit des bei der Geburt zugewiesenen Geschlechts zu verstehen, müssen wir ein bisschen tiefer in die Biologie eintauchen – insbesondere hinsichtlich der Frage, inwiefern Genitalien und Chromosomen unveränderlich und miteinander verknüpft sind.
Lasst uns mit den Genitalien beginnen. Wenn ein Mensch geboren wird, oder bereits bei vorgeburtlichen Ultraschalluntersuchungen, schaut sich die medizinische Fachkraft die Genitalien an und weist dem Kind ein ›biologisches Geschlecht‹ zu (deshalb sprechen wir auch vom bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht): »männlich«, wenn es einen Penis hat; »weiblich«, wenn es eine Vagina hat; und »intergeschlechtlich«, wenn es so genannte »uneindeutige Genitalien« hat – ein Überbegriff, der für alle Genitalien genutzt wird, die außerhalb der begrenzten Definitionen der westlichen Medizin von ›männlichen‹ und ›weiblichen‹ Genitalien liegt. Hierin liegt das erste Problem: Es hat immer Menschen gegeben, deren Genitalien nicht zu den Konstrukten der westlichen Medizin passten. Viele Menschen werden mit inneren oder äußeren Genitalien aller möglichen Formen, Größen und Kombinationen geboren. Expert*innen schätzen, dass 1,7 Prozent der Menschen mit ›intergeschlechtlichen‹ Merkmalen geboren werden, was etwa dem Prozentsatz der Menschen entspricht, die mit rotem Haar zur Welt kommen.1 Das ist eine enorme Zahl vollkommener Körper, denen nur zwei Optionen zur Auswahl gegeben wurden. Sie belegen die Notwendigkeit, die bisherigen Vorstellungen dessen zu hinterfragen, was einen ›männlichen‹ und/oder ›weiblichen‹ Körper ausmacht. Zudem sind die eindeutigen Vorstellungen von ›Penis‹ und ›Vagina‹ selbst Konstrukte. Die Genitalien eines jeden Menschen sind einzigartig – es gibt keine ›normale‹ oder durchschnittliche Form. Abgesehen von der unendlichen Bandbreite an Größen, Formen, Farben usw. hat jede Person das Recht, selbst frei zu benennen, was sie zwischen den Beinen hat – mit allen Wörtern, die dazu gewählt werden mögen. Was wie ein bloßer Akt der Zuweisung eines ›biologischen Geschlechts‹ eines Menschen erscheinen mag, ist jedoch eine folgenschwere Festlegung für das gesamte Leben dieser Person: Es beeinflusst beispielsweise, welche Chancen sie haben wird, wie sie von der Gesellschaft gesehen wird, wie sie medizinisch behandelt wird. Wenn es um so vieles geht, könnte man annehmen, dass die Zuweisung von Geschlecht ein genauer Prozess sei. Doch das Konzept der Zuweisung eines Geschlechts als männlich, weiblich oder intergeschlechtlich bezüglich bestimmter Genitalien ist keineswegs objektiv, denn innere und äußere Genitalien sind überaus vielfältig.
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Doch was ist dann mit den Chromosomen? Auf die können wir uns doch sicherlich verlassen, um aus ihnen zwei fein säuberliche Schubladen abzuleiten? Vielleicht hast du in deinem Biologieschulbuch gelesen, dass 1923 das X- und das Y-Chromosom – bloß ein Haufen verschwommener Flecken in der Form von Kidneybohnen unter einem Mikroskop – entdeckt und als »Geschlechtschromosomen« bezeichnet wurden. Die grundlegendste Behauptung dieser Forschung war, dass Menschen, die XX-Chromosomen tragen, eine Vagina haben und Menschen, die XY-Chromosomen tragen, einen Penis haben. Ende der 1970er Jahre hatte die DNA-Revolution begonnen – im Vorlauf des Humangenomprojekts, das die Gesamtheit des menschlichen Genoms entschlüsseln wollte. Hierbei kamen weitere Forschungen zu dem Ergebnis, dass es viele Ausnahmen von der Theorie der zweiteiligen ›Geschlechtschromosomen‹ gibt. In Tests wurde gezeigt, dass es auch ›Frauen‹ gab, die XY-Chromosomen trugen, und Menschen mit Penis und Hoden, die XX-Chromosomen trugen – sowie eine endlose Zahl weiterer Kombinationen.
1990 wurde dann ein einzelnes Gen entdeckt, das nun tatsächlich für die Bestimmung der Genitalien verantwortlich sein sollte, die sich in einem Körper herausbilden. Das bedeutete, dass nicht das X- oder Y-Chromosom, sondern ein winziges Gen namens SRY auf dem Y-Chromosom das bestimmt, was als ›biologisches Geschlecht‹ bezeichnet wurde. Das SRY-Gen, oder die geschlechtsbestimmende Region auf dem Y-Protein, funktioniert wie ein Schalter, der die Erzeugung ›männlicher‹ Genitalien anregt. In ihrer frühen Entwicklung sind alle Föten ›weiblich‹, das ›Standard‹-Geschlecht eines jeden Menschen ist also ›weiblich‹. Wenn jedoch das SRY-Gen aktiviert ist, wird die Entwicklung der Hoden ausgelöst. SRY muss aktiviert sein, damit ›männliche‹ Genitalien entstehen können, aber wir verstehen noch immer nicht gänzlich, wie SRY aktiviert wird und welche Ereigniskette genau auf seine Aktivierung folgt, die zur Bildung von Hoden führt. Wir wissen aber, dass eine Person mit XY-Chromosomen, der das SRY-Gen fehlt, keine ›männlichen‹ Genitalien ausbildet, sondern ›weibliche‹.
2011 veröffentlichten Dr. David Zarkower und Dr. Vivian Bardwell in der Fachzeitschrift »Nature« eine Studie mit ziemlich verblüffenden Ergebnissen über ein weiteres Gen namens DMRT1, die Abkürzung für »Doublesex And Mab-3 Related Transcription Factor 1«.2 Bei Menschen und anderen Tieren drückt sich dieses Gen in Form von Hoden aus. In Versuchen mit Labormäusen werden erstaunlicherweise die Hodenzellen zu Gebärmutterzellen, wenn das DMRT1-Gen entfernt wird. Im Wesentlichen hatten die Zellen ihr Geschlecht geändert und die zuvor ›männliche‹ Maus bildete nun Uterus-Zellen. Diese Gene, die in Mäusen, Menschen und vielen anderen Tieren zugegen sind, scheinen die Fähigkeit zu haben, das ›biologische Geschlecht‹ eines Wesens zu verändern, indem sie die Entwicklung der Gonadenzellen beeinflussen.
Entscheidend für ein Verständnis der Fluidität – der Veränderlichkeit – des ›biologischen Geschlechts‹ ist die Tatsache, dass wir alle unser Leben lang die SRY- und DMRT1-Gene in uns tragen und dass diese Gene entweder aktiviert (exprimiert) oder deaktivier...

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