Kapitel 1
Der Buddha in Deinem Spiegel
Solange jemand in Illusionen lebt,
nennt man ihn ein gewöhnliches Wesen,
doch ist er erleuchtet,
nennt man ihn einen Buddha.
Dies lÀsst sich mit einem
blinden Spiegel vergleichen,
der wie ein Juwel glÀnzt,
sobald er poliert wird.
â Nichiren
Wenn es eine Religion gibt,
die sich mit wissenschaftlichen
BedĂŒrfnissen vertragen kann,
so wÀre das der Buddhismus.
â Albert Einstein
Vögel singen. Der Wind weht. Die Erde dreht sich. Sterne funkeln und sterben. Galaxien kreisen anmutig durch den Weltraum. Der Mensch wird geboren, lebt, wird alt und stirbt. Die Muster des Daseins sind voller Geheimnisse und unermesslich. Wer kann sie auch nur ansatzweise verstehen?
Unser Alltagsleben ist â wenn man nur genau hinsieht â Ă€hnlich komplex: Wer kann zum Beispiel stets die BedĂŒrfnisse eines dreijĂ€hrigen Kindes ermessen, ganz zu schweigen von denen unserer Schwiegereltern oder unseres Chefs? Innerhalb eines einzigen Tages sind wir mal entzĂŒckt, mal verzweifelt. Triviale Dinge mögen uns vorĂŒbergehend glĂŒcklich machen, zeitweilige RĂŒckschlĂ€ge unsagbar traurig.
Sorgen nehmen sehr leicht den Platz ein, auf dem das GlĂŒck eben noch saĂ. Das Leben lĂ€sst sich als stĂ€ndiger Kampf gegen Probleme interpretieren. GroĂe Probleme, kleine Probleme.
Nie zuvor in der Geschichte des Westens haben sich so viele Menschen der zeitlosen Weisheit des Buddhismus zugewandt, um Antworten auf die groĂen Fragen des Lebens zu finden und mit den Problemen des tĂ€glichen Lebens fertig zu werden. Das ist kein Zufall, leben wir doch in einem Zeitalter des Experimentierens und des wissenschaftlichen Forschens und der Buddhismus hat kein Problem mit der Welt der Wissenschaft. Der Buddhismus wird sogar als »Wissenschaft vom Leben« bezeichnet.
Die Bilderwelt und die Sprache des Buddhismus haben zweifellos zunehmend Eingang gefunden in die zeitgenössische Kultur, in Filme, Popsongs, Zeitschriften und TVSerien.
Da gibt es den Buddha aus dem Roman Der Buddha aus der Vorstadt oder das Dharma aus der TV-Komödie Dharma und Greg.
Der Begriff Karma gehört mittlerweile zur Umgangssprache des Westens: Munter wird mit ihm alles Mögliche etikettiert, von Bio-Fruchtdrinks bis zu quÀlenden Beziehungsproblemen.
Jeder, den wir dieser Tage nicht leiden oder verstehen können, scheint mit »miesem Karma« behaftet zu sein. Und irgendwie ist auch alles Zen â vom Golfspielen ĂŒber das Niederzwingen Deiner Gegner im BĂŒro bis hin zum Falten Deiner WĂ€sche. Obi Wan Kenobi kann man per se nicht unbedingt als Buddhisten bezeichnen, doch seine hervorstechende FĂ€higkeit im Umgang mit der metaphysischen Macht in den Episoden von Star Wars, dieser mystischen Kraft, die das Universum durchdringt und denjenigen erhöht, der sie meistert â diese Macht Ă€hnelt sowohl der buddhistischen Vorstellung von »Lebenskraft« als auch den legendĂ€ren FĂ€higkeiten, die den Buddhas in den alten Schriften zugeschrieben wurden.
Die eigentliche Bedeutung all dieser Begriffe ist jedoch â vom Standpunkt der buddhistischen Ăberlieferung gesehen â irgendwie umwölkt geblieben. Im Westen galt der Buddhismus lange Zeit als elitĂ€re Religion oder als Religion fĂŒr Hippies â als etwas, ĂŒber das sich bei einem Latte vorzĂŒglich diskutieren lĂ€sst, so wie ĂŒber radikale Politik oder schwierige Konzeptkunst. Dieses bleibende Bild stammt wohl von der Beat-Epoche, aus Jack Kerouacs Buch Gammler, Zen und hohe Berge, aus den SachbĂŒchern von Alan Watts und den zahllosen literarischen Beschreibungen von Bongos und Satori, dem japanischen Begriff fĂŒr Erleuchtung, wie er vor allem im Zen verwendet wird. Leicht drĂ€ngt sich der Eindruck auf, der Buddhismus sei hauptsĂ€chlich ein System intellektueller Abstraktionen oder gar ein Fluchtweg aus der materiellen Wirklichkeit. Das Standardbild, das viele vom Buddhismus im Kopf tragen, ist das einer abstrusen, undurchdringlich mystischen Lehre, die man in mönchischer Abgeschiedenheit studiert, wobei das Erreichen von innerem Frieden Ziel und Selbstzweck zugleich ist. Doch es gibt eine berĂŒhmte Geschichte ĂŒber den historischen Buddha, die diese Ansicht widerlegt.
Eines Tages wandelte der Buddha im Rehpark in Benares. Da sah er ein Reh, das auf dem Boden lag. Der Pfeil eines JĂ€gers hatte seine Flanke durchbohrt. Das Reh lag bereits im Sterben, als zwei Brahmanen, heilige MĂ€nner also, sich ĂŒber den Körper des Tieres beugten und ĂŒber den genauen Zeitpunkt zu diskutieren begannen, an dem das Leben den Körper verlĂ€sst. Als sie den Buddha erblickten, baten sie ihn um seine Meinung im Wunsch, diese knifflige Frage zu lösen.
Der Buddha ignorierte sie jedoch, ging sofort zum Reh und zog den Pfeil heraus. So rettete er das Leben des Tieres.
Es stimmt, der Buddhismus ist eine schöne Philosophie. Mehr noch aber geht es ihm um das Handeln. Auch wenn die Bilder und Adaptionen aus der Pop-Kultur den Buddhismus ungenau und verzerrt portrĂ€tieren, verweisen sie dennoch auf eine ĂŒberraschende Wahrheit: Die Sprache und die Weisheit des Buddhismus werden immer öfter auf die KomplexitĂ€ten des modernen Lebens angewandt, weil sie tatsĂ€chlich zu passen scheinen.
Buddhistische Konzepte und Strategien â angewendet auf Themen wie GlĂŒcksstreben, Gesundheit, Beziehungen, Berufsleben oder gar auf Prozesse wie Altern und Sterben â gehören zur Wahrheit der modernen Existenz, zur tatsĂ€chlichen pulsierenden RealitĂ€t des Lebens. Buddhistische Ideen werden Teil des Mainstreams, weil sie das stĂ€ndig wechselnde Treiben der modernen Welt beschreiben können â und dies ohne die Last einer dogmatischen Moral.
Der Buddhismus erklĂ€rt die tiefgrĂŒndigen Wahrheiten des Lebens. Er schenkt uns auch eine ungeheuer praktische Methode zum Ăberwinden von Hindernissen und zur VerĂ€nderung unseres Selbst. Was Du in diesen Seiten erfĂ€hrst, lĂ€sst sich auf jeden Lebensbereich anwenden: Familie, Arbeit, Beziehungen, Gesundheit. Und es ist anwendbar fĂŒr jede und jeden.
Dieses Buch hat die Kraft, Dein Leben zu verĂ€ndern. Obwohl es streng genommen kein Selbsthilfe-Buch ist, enthĂ€lt es die bewĂ€hrtesten und effektivsten Geheimnisse zur Selbsthilfe, die jemals formuliert wurden: das allumfassende GedankengebĂ€ude namens Buddhismus. Den Titel Der Buddha â das bist Du trĂ€gt es wegen seiner grundlegenden Erkenntnis: Jeder einzelne Mensch hat die KapazitĂ€t, ein Buddha zu sein. »Buddha« ist ein altindischer Begriff und heiĂt so viel wie »Erleuchtete/r«. Jemand also, der erwacht ist zur ewigen und unverĂ€nderlichen Wahrheit des Lebens.
Indem wir Zugang finden zu diesem riesigen inneren Potenzial, zu unserer Buddhanatur, finden wir unbegrenzte Ressourcen an Weisheit, Mut und MitgefĂŒhl. Statt unseren Problemen aus dem Weg zu gehen oder Angst vor ihnen zu haben, lernen wir, sie fröhlich anzupacken â völlig ĂŒberzeugt von unserer FĂ€higkeit, alles zu ĂŒberwinden, was das Leben uns in den Weg stellt. Dieses schlummernde Potenzial könnte man mit einem Ros...