Umgang mit Kontrollverlust
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Umgang mit Kontrollverlust

Psychologie des Perfektionismus, Krisen bewĂ€ltigen, Ängste ĂŒberwinden, Resilienz & mentale StĂ€rke lernen mit innerer Ruhe, Gelassenheit & Achtsamkeit

Simone Janson, Simone Janson, Simone Janson

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Simone Janson, Simone Janson, Simone Janson

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Information

Suche nach Kontrolle: Können wir das Netz aus Angst beherrschen?
// Von Simone Janson


Viele VorgĂ€nge im Internet sind fĂŒr viele Menschen beĂ€ngstigend. Denn der grundlegende Wandel, den diese neue Form von Kommunikation mit sich bringt, scheint vor allem eines: Unkontrollierbar. Dennoch wird es immer wieder versucht.

Der Mythos Reputationsmanagement

Dennoch versuchen gerade prominente Menschen immer wieder, das Internet kontrollieren, ja beherrschen zu wollen. Vielleicht sieht die Lösung ja ganz anders aus: Wir verzichten einfach ganz auf Kontrolle! Das ist gar nicht so absurd, wie es auf den ersten Blick klingt.
2003 verklagte die SĂ€ngerin und Schauspielerin Barbara Streisand den Fotografen Kenneth Adelman und die Website Pictopia.com auf 50 Millionen US-Dollar. Grund: Auf der Website war eine Luftaufnahme ihres Hauses zwischen 12.000 anderen Fotos von der KĂŒste Kaliforniens zu finden war. Der Prozess entfachte das Interesse an dem Bild allerdings erst richtig und verbreitete es nicht nur tausendfach im Netz, sondern auch die Information, wer dort wohnt. Dieses PhĂ€nomen ist seitdem als Streisand-Effekt bekannt: Jemand verliert die Kontrolle, weil er sie mit Gewalt erzwingen will.

Streisand-Effekt: Angst vor dem Kontrollverlust

Psychologisch gesehen entsteht der Wunsch, das was im Internet ĂŒber uns verbreitet wird, kontrollieren zu wollen, aus der Angst vor Fehlern, Kritik und negativen Folgen: Der Irrglaube, mit Maßnahmen wie stĂ€ndigem Monitoring oder juristischen Mitteln negative Äußerungen ĂŒber sich im Netz vermeiden zu können, ist leider weit verbreitet – unter Privatpersonen, aber noch stĂ€rker Unternehmen. Das wohl berĂŒhmteste Beispiel fĂŒr einen gescheiterten Kontrollversuche ist NestlĂ©, das große Mengen Palmöl von einer indonesischen Firma bezog, die fĂŒr ihre Plantagen großflĂ€chig RegenwĂ€lder vernichtet.
Damit macht sich NestlĂ© auch mitschuldig an der Ausrottung des Orang-Utans. Greenpeace nutze diverse Social Media KanĂ€le, u.a. YouTube und die Unternehmensseite von NestlĂ© aufmerksam zu machen. Was dann passierte, gilt als Paradebeispiel fĂŒr den Streisand-Effekt: Statt sich der Kritik zu stellen und mit seinen Kunden in Dialog zu treten, machte NestlĂ© bei YouTube Copyright-EinwĂ€nde geltend und schaffte es so auch fĂŒr kurze Zeit, das Video aus dem Verkehr zu ziehen. In der Folge sperrte NestlĂ© auch noch seine Facebook-Seiten mit einigen hunderttausend Fans, auf denen Greenpeace ebenfalls aktiv gewesen war. Genau dadurch erregte die Geschichte aber genau die große Aufmerksamkeit im Internet und in den klassischen Medien, die NestlĂ© eigentlich hatte vermeiden wollen.

Online-Reputationsmanagement

Der Fachbegriff fĂŒr den Versuch, die Meinungen im Netz zu steuern, heißt Online-Reputationsmanagement. Als sein Meister gilt der MĂŒnchener Kommunikations- und PR-Berater Klaus Eck, der regelmĂ€ĂŸig zu diesem Thema schreibt. Nicht ganz zu unrecht hat Jeff Jarvis, der sich gerne und hĂ€ufig vor allem ĂŒber die Deutsche Angst vor dem Internet auslĂ€sst und selbst offen ĂŒber seinen Prostata-Krebs bloggte, die AbsurditĂ€t des Begriffs kritisiert: “Reputation ist in Euren HĂ€nden, nicht meinen” sagte er auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stifungund zeigt sich damit irritiert ĂŒber die Auffassung, man könne sein Image im Netz managen.
Und die beiden Marketingprofessoren Detlev Zwick und Nikhilesh Dholakia haben festgestellt, dass technische Hilfsmittel, die den Datenschutz garantieren sollen, Kunden oft nur in der falschen Sicherheit wiegen, autonom zu handeln und daher mit Vorsicht zu behandeln seien. Denn auch wenn es richtig und wichtig ist, dass wir die Informationen, die online ĂŒber uns zu finden sind, durch gezielte Herausgabe oder Vorenthalten von Informationen oder gegebenenfalls durch Sicherheits- und Freigabeeinstellungen in den verschiedenen Online-Diensten steuern können: Letztendlich sind weder Privatpersonen noch Unternehmen auch mit einer noch so ausgeklĂŒgelten Social Media Strategie nicht in der Lage, zu beeinflussen, was andere aus den Informationen machen, die sie erhalten.

Mensch vs. Technik

Dennoch verlassen sich viele Unternehmen allzusehr auf technische Tools – nicht nur beim Datenschutz, sondern auch beim Auswerten der Daten, dem sogenannten Monitoring. Wie die Studie “Smart Service im Social Web” von Tanya Dimitrova, Reiner Kolm und Bernhard Steimel zeigt, eignen die sich zwar hervorragend, um unverfĂ€lschte Kundenkritik im Netz zu finden und daraus Verbesserungspotential abzuleiten.
Der Schwachpunkt beim Monitoring liegt jedoch in der Auswahl des Datenmaterials: Denn viele Posts werden mehrfach gezĂ€hlt, da in einem Beitrag mehrere Keywords vorkommen. Auch bei der semantischen Zuordnung gibt es UnschĂ€rfe, die die gesamten ZahlengerĂŒste signifikant beeinflussen. Ferner enthalten KundenĂ€ußerungen in Social Media zwar Meinungen, aber letztendlich wenig Informationen. Was aber noch schwerer wiegt: In der Regel meldet sich nur die Spitze des Eisbergs, meist eine kleine Gruppe unzufriedener, zu Wort. Daher können Unternehmen kein ganzheitliches Meinungsbild ĂŒber Kunden und Potential aus Scoial Media ableiten, da ihnen die Informationen ĂŒber die große schweigende Mehrheit fehlen. Und auch die genau Zielgruppe können sie so gar nicht wirklich einschĂ€tzen. Dass Monitoring-Tools und auch Online-Reputationsmanagement gerade von vielen Unternehmen als die Möglichkeit wahrgenommen wird, ihre Kundenwirkung in Social Media im Vorhinein abschĂ€tzen zu wollen, grenzt geradezu an Orakelei – und ist letztendlich ein folgenschwerer Denkfehler.

Mitschwimmen statt kontrollieren!

Denn statt intuitiv in Social Media mitzuschwimmen und als Teil einer unkontrollierbaren Dynamik unternehmerisch zu handeln, versuchen viele Unternehmen ihre Kontroll-Strukturen auf Social Media zu ĂŒbertragen. Auf diese Weise ist ihr gesamtes Handeln von vorneherein nicht auf die Möglichkeiten der neuen Kommunikationsformen ausgerichtet, sondern primĂ€r auf Risikovermeidung. In perfektionischem Starrsinn achten sie dann peinlich-genau darauf, keine Fehler zu machen – ĂŒbersehen dabei aber die vielen Chancen, die Social Media ihnen bietet. Zum Beispiel mit ihren Kunden in einen echten Dialog zu treten und auf deren WĂŒnsche und BedĂŒrfnisse einzugehen. Im Gegenteil, fĂŒr große wie kleinere Unternehmen ist Social Media oft nur ein weiterer, preiswerter Marketing-Kanal, in dem sie sich schöner und besser darstellen, als sie wirklich sind. AuthenzitĂ€t, Ecken und Kanten und die Bereitschaft aus Fehlern und Erfahrungen zu lernen? Fehlanzeige! Dabei ist es genau dies Menschlichkeit und damit die Bereitschaft, auch zu seinen Fehlern zu stehen, die den Nutzen und Erfolg von Social Media ausmacht.
Wie das geht, zeigte Udo Vetter, durch seinen Blog bekannter Fachanwalt fĂŒr Strafrecht, im Dezember 2010 auf dem Twittwoch in DĂŒsseldorf. Dort wurde er nĂ€mlich u.a. gefragt, was sein peinlichstes Twitter-Erlebnis gewesen sei. Und erzĂ€hlte eine Geschichte, bei der ich persönlich auch erstmal rote Ohren bekam: Vetter wollte Unterhosen kaufen und beschwerte sich via Twitter ĂŒber die kratzigen Diebstahlsicherungen. Aber jedenfalls passierte Vetter das, was wahrscheinlich vielen Nutzern passiert: Er war sich nicht klar, wer da so alle mitliest. Denn einige Wochen spĂ€ter wurde er bei einer Verhandlung am Landgericht von einem der Beisitzer darauf angesprochen, ob es denn neuerdings normal sei, dass AnwĂ€lte öffentlich im Netz ĂŒber ihre Unterhosen twitterten. Und Vetter war das, wie er beim Twittwoch zugab, doch ein wenig unangenehm. Aber es zeigte sich, dass der Beisitzer Humor hatte und auch ĂŒber die Sache lachen konnte – vermutlich auch deshalb, weil Vetter eben nicht versuchte, seine Peinlichkeit zu negieren oder kleinzureden, sondern einfach dazu stand. Und die Geschichte heute locker und amĂŒsant als Anekdote erzĂ€hlen kann.

PrivatsphÀre bringt ohnehin nichts?

Geht man nach dem Blogger Michael Seemann, so bringt das stĂ€ndige Achtgeben auf die eigenen Daten ohnehin nichts. Denn jeder und alles ist im Internet zu finden, selbst diejenigen, die bewusst versuchen, sich herauszuhalten und deshalb offline sind oder so wenig wie möglich ĂŒber sich preisgeben. Denn auch wenn man selbst nicht aktiv ist, schreiben oder reden andere ĂŒber einen oder stellen – noch schlimmer – Videos und Fotos online. Man muss sich nur anschauen, wie viel in einschlĂ€gigen Foren oder Social Media-Plattformen ĂŒber bestimmte Unternehmen gelĂ€stert wird – selbst wenn diese gar nicht mitdiskutieren. Und diese Informationen verbreiten sich mit unglaublicher Schnelligkeit, weil sich dank Internet die Transaktionskosten fĂŒr Information enorm gesenkt haben – ein Effekt, der sich in Zukunft noch potenzieren wird. Ja schlimmer noch: Der einzelne Datensatz liegt eben nicht mehr tot an seinem Speicherplatz, sondern wird durch immer neue VerknĂŒpfungsmethoden mit anderen Daten verbunden, so dass DatenverknĂŒpfungen entstehen, die unsere bisherigen Vorstellungen ĂŒbertreffen.
Dagegen vorzugehen, ist laut Seemann unmöglich – wer es dennoch versucht, dem wird es ergehen wir Barbara Streisand. Seemann, im Netz besser bekannt als mspro, beschĂ€ftigt sich auf seinem Blog und in verschiedenen Publikationen mit diesem Kontrollverlust beschĂ€ftigt und glaubt, dass man diesen nicht nur hinnehmen, sondern auch als Chance begreifen kann. Denn in einer Welt, in der Offenheit und Transparenz fĂŒr alle gelten, muss sich eben keiner mehr fĂŒr sein Privatleben schĂ€men. Daher spricht sich Seeman fĂŒr eine radikale Umkehr in unserem VerhĂ€ltnis zu Daten: Weg von der stĂ€ndigen Kontrolle durch den Sender hin zu einer FiltersouverĂ€nitĂ€t durch den EmpfĂ€nger. So schreibt er:
“Gleichzeitig befreien diese unvorhersehbaren, weil unendlichen Querys auch den Sender der Information. Sie befreien ihn davon, Erwartungen entsprechen zu mĂŒssen. Denn der Andere kann, weil er in unendlichen Quellen mit perfekt konfigurierbaren Werkzeugen hantiert, keinen Anspruch mehr an den Autor stellen – weder einen moralisch-normativen noch einen thematisch-informationellen. Die Freiheit des Anderen, zu lesen oder nicht zu lesen, was er will, ist die Freiheit des Senders, zu sein, wie er will.”

Nackt bis auf die Haut: Wie viel erzÀhle ich von mir?

Die großen Fragen unsere Zeit sind also, und zwar fĂŒr Unternehmen wie Privatpersonen, gleichermaßen: GrĂ¶ĂŸtmögliche AuthenzitĂ€t oder grĂ¶ĂŸtmögliche Kontrolle? Und wenn Kontrolle, wie kann man sie ĂŒberhaupt behalten? Welche Daten sollte man preisgeben – und welche nicht? Der MedienpĂ€dagogische Forschungsverbund SĂŒdwest gibt seit 1998 jĂ€hrlich die JIM-Studie heraus. JIM steht dabei fĂŒr “Jugend, Information, (Multi-)Media” und genau darum geht es: Untersucht wird der Umgang von 12- bis 19-JĂ€hrigen mit Medien und Information. Der Schwerpunkt Studie liegt dabei auf Internet-Nutzung und Mobiler Kommunikation und sie förderte erstaunliches zu Tage: Die von Erwachsenen im Bezug auf das Internet gerne als besonders schutzbedĂŒrftig angesehenen Jugendlichen wissen offenbar relativ genau, welche Informationen sie in sozialen Netzwerken freigeben können – und welche nicht.
Beispielsweise haben drei Viertel der jugendlichen Internet-Nutzer Informationen ĂŒber Hobbies oder andere AktivitĂ€ten im Netz hinterlegt. 64 Prozent haben Fotos oder Bewegtbilder von sich selbst eingestellt, vier von zehn Internet-Nutzern zeigen entsprechendes Material, auf dem Freunde oder Mitglieder der Familie dargestellt sind. 37 Prozent haben ihre eMail-Adresse hinterlegt ein Viertel prĂ€sentiert die Daten, mit denen sie per Instant-Messenger erreichbar sind. Und nur vier Prozent nennen Ihre Handy- oder Telefonnummer. Mit dem Hype der Online-Communities verzeichnete die Studie auch einen deutlichen Anstieg der im Internet hinterlegten Daten. Mittlerweile hat sich die Lage allerdings auch wieder “normalisiert” – sicherlich auch, weil die Nutzung von Sozialen Netzwerken als Kommunikationsschwerpunkt insgesamt ein wenig zurĂŒckgegangen ist. Deutlich mehr Jugendliche achten mittlerweile darauf, wie sie mit Datenschutz-Einstellungen in Sozialen Netztwerken ihre Informationen nur ausgewĂ€hlten Mitmenschen freigeben; Und das, wo diese Privacy-Einstellungen in der Regel schwer zu finden sind. MĂ€dchen (72 Prozent), VolljĂ€hrige (71 Prozent) und Gymnasiasten (73 Prozent) nutzen die Privacy-Option dabei ĂŒberdurchschnittlich.

Ist PrivatsphÀre tot?

Daten ĂŒber sich freizugeben, muss aber nicht nur negativ sein: Julia Schramm, ehamaliges Mitglied der Piratenpartei, erklĂ€rte in einem Interview mit Spiegel Online den Datenschutz fĂŒr tot: “PrivatsphĂ€re ist sowas von Eighties
 Der Aufwand, private Daten zu kontrollieren und zurĂŒckzuhalten, ist mittlerweile unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig hoch. Im Endeffekt können wir uns nicht dagegen wehren
 Also Flucht nach vorne
 Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich im Gegenzug auch viel zurĂŒckbekomme, neue Freundschaften, Anregungen, UnterstĂŒtzung.” Ähnlich sieht das auch der Berliner Kommunikationsbe...

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