Datenschutz Datenhysterie Ăngste und Sicherheit: Das Leben der Anderen?
// Von Simone Janson
Laufen wir demnĂ€chst also alle mit groĂen, bunten Balken im Gesicht herum, um unerkannt zu bleiben oder hoffen wir an diesem Punkt dann doch auf den Datenschutz. Oder brauchen wir den am Ende gar nicht?
Ăffentlich oder privat? Wer im Netz alles so mitliest!
In einer idealen Welt wĂŒrden sich Menschen, bevor sie Soziale Netzwerke nutzen, ĂŒberlegen, was sie damit wollen und wie andere Menschen sie im Internet wahrnehmen sollen. Sie wĂ€ren sich völlig bewusst, dass sie sich im Netz öffentlich prĂ€sentieren und wĂŒrde sich vorab folgende Fragen beantworten: PrĂ€sentiere ich mich ganz unverfĂ€lscht, kann ich ganz und gar zu mir stehen? Oder geht es mir darum, gezielt ein bestimmtes Bild von mir vermitteln? Will ich mich beruflich vermarkten und prĂ€sentieren? Oder vertrete ich sogar ein Unternehmen? Wer ist meine Zielgruppe? Und wie rede ich mit ihr? Und welche Daten und Informationen gebe ich dann jeweils öffentlich preis? Kurz: Die Menschen wĂŒrden genau wissen, wer sie sind und was sie wollen.
Leider leben wir nicht in einer idealen Welt. Offenbar haben viele Menschen noch nicht gelernt, die Wirkung ihrer Online-AktivitĂ€ten richtig einzuschĂ€tzen. Und auch die Social-Media-AktivitĂ€ten vieler Unternehmen wirken oft genug noch wie ein groĂes Experimentierfeld. Anders lassen sich die vielen groĂen und kleinen Fehler, wegen derer Social Media zum Teil so in Verruf geraten ist, nicht erklĂ€ren: Zum Beispiel, dass Leute entlassen werden, weil sie ĂŒber ihren Arbeitgeber gelĂ€stert haben oder dass Daten, die andere allzu freigibig anderen mitgeteilt haben, missbraucht werden. Weil vielen Menschen offenbar gar nicht bewusst ist, was sie da tun.
Hilfe, Chef liest mit!
Lukas Murauer aus Völs in Tirol war sauer. Auf seinem Facebook-Profil postete er den Status: âIrgendwann setzâ ich meinem Chef einen KĂŒbel auf, dem Deppen!âEine SchĂŒlerin aus Freienbach in der Schweiz schrieb auf Facebook: âFrau H. [ihre Lehrerin] passt mit ihrem Arsch sicher nicht in diese Kiste.âEine sechzehnjĂ€hrige in GroĂbritanien bezeichnete auf Facebook ihren Job als langweilig.Und eine Krankenschwester aus Stockholm veröffentlichte bei Facebook Fotos, die sie bei einer Operation gemacht hatte. Nun ist das all das nichts besonderes, solche Postings kommen tĂ€glich millionenfach vor. Bekannt wurden diese FĂ€lle allerdings alles aus dem selben Grund: All diese Menschen verloren daraufhin ihren Job, weil der Chef das mitbekommen hatte.
Nun mögen manche kritisieren, dass die bösen Chefs schuld seien, weil sie ihren Mitarbeitern nachspionieren. Oder eben mal wieder das Internet, weil es den Menschen seiner PrivatsphĂ€re beraubt. Tatsache ist aber: In vielen dieser FĂ€lle war der Facebook-Fauxpas nur das TĂŒpfelchen auf dem i, weil die betreffenden Mitarbeiter auch an anderer Stelle schon auffĂ€llig geworden waren. Und alle miteinander hatten eines versĂ€umt: NĂ€mlich die PrivatsphĂ€re bei Facebook so einzustellen, dass ihre Chefs das eben nicht mitlesen können. Und sie hatten es versĂ€umt, sich vor Benutzung des Internets die wichtige Frage zu stellen: Bin ich im Netz eher privat unterwegs â oder eher beruflich? Und wer kann, darf und soll das mitbekommen?
In den letzten Jahren ist die Welt deutlich komplizierter geworden: FrĂŒher, als es nur Xing gab, war die Welt fĂŒr viele Menschen noch in Ordnung. Denn Xing war â und ist es auch heute noch â nur der beruflichen Nutzung vorbehalten. Seit es Netwerke wie Twitter, Facebook und wahrscheinlich auch dem gerade neu eingfĂŒhrten Google+ gibt, ist nichts mehr wie es war. Denn hier sind die Grenzen hingegen flieĂender: Die einen nutzen es beruflich, die anderen privat und eigentlich weiĂ man daher nicht so ganz genau, wie man sich verhalten soll. Das macht die Sache spannend â aber auch komplex. Und einfach verschiedene KanĂ€le fĂŒr verschiedene Zielgruppen zu nuten, mag auf den ersten Blick ein probates Mittel sein. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich aber dann, dass sich diese stringente Trennung in der RealitĂ€t kaum durchhalten lĂ€sst, wie Uwe Knaus, Blogmanager bei Daimler, erklĂ€rt: âIch selbst nutze Social Media in den letzten Jahren relativ intensiv. Dabei stelle ich fest, dass eine Trennung zwischen âberuflichâ und âprivatâ zunehmend schwieriger wird. Anfangs deklarierte ich meinen Facebook- und Twitteraccount als privat â XING war fĂŒr die âdienstlicheâ Nutzung vorgesehen. Inzwischen werde ich auf allen drei Plattformen auch beruflich kontaktiert â und das teilweise rund um die Uhr. Entscheidend ist nicht, wie ich es organisiere, sondern wie es die anderen sehen. Deswegen benehme ich mich auch im Social Web immer so, dass mir weder als Privatperson noch als Daimler-Mitarbeiter etwas unangenehm sein mĂŒsste.â
Online-Reputation und Jobsuche im Netz
Jan Kirchner von der Atenta-Personalberatung empfiehlt fĂŒr die Entscheidung, was man in sozialen Netzwerken postet und was nicht, eine radikale Methode: Es einfach ganz sein lassen! Im April 2010 sagte er bei unserem ZEIT-ONLINE-Talk im Deutschlandradio zum Thema Jobsuche mit Social Media: âSchreibe nichts in Soziale Netzwerke, was Du nicht auch groĂ an eine Wand schreiben wĂŒrdest!â Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Wenn Du nicht willst, das etwas den falschen zu Ohren kommt, erzĂ€hle es einfach niemandem! Denn wie in so vielen Bereichen wirft Social Media auch hier keine neuen Fragen auf, sondern verstĂ€rkt nur schon bestehende Probleme: Schon immer mussten sich Mitarbeiter Gedanken darĂŒber machen, wem ihrer Kollegen sie etwas anvertrauen â und wem nicht. Schon immer wurde in Unternehmen ĂŒber Dinge getratscht, die der Chef besser nicht mitbekommt. Das Problem ist nur, dass sich diese Kommunikation sich mittlerweile vom Flurfunk ins Internet verlegt hat, wo sie schneller ein breiteres Publikum erreichen kann â und wo sie gegebenenfalls auch nach Jahren noch auffindbar ist. Die Schizophrenie, die sich daraus ergibt, zeigen Haltungen wie diese: âIch erzĂ€hle manche Dinge vielleicht Kollegen abends beim Stammtisch â und hoffe dann, das die das am nĂ€chsten Tag vergessen haben. Aber bei Facebook wĂŒrde ich das nie posten!â Solche Stammtisch-GesprĂ€che können aber genau so zum Problem werden, wie ein salopp gemachter Facebook Eintrag.
Allerdings stellt sich die Frage, ob man eine strikte Trennung von Beruf und Privatleben ĂŒberhaupt durchhalten kann. Sich stĂ€ndig emotional zu kontrollieren und jede private ĂuĂerung zu unterlassen, ist nicht nur unmenschlich, sondern wirkt auf andere Menschen auch unauthentisch â und stört daher das gute VerhĂ€ltnis zu den Kollegen. Robindro Ullah, Leiter ZusatzServices bei der DB Services hat daher fĂŒr sich eine ganz andere Lösung gefunden: âDie Thematik der Vermischung von âprivatâ und âberuflichâ begleitet mich schon deutlich lĂ€nger als mein mittlerweile drei Jahre altes Social Media Leben. Gleich nach dem Einstieg bei der Deutschen Bahn wurde ich, wie jede akademische Nachwuchskraft des Konzerns, Mitglied im TraineeClub. Der geschĂ€ftsfeldĂŒbergreifende Club bringt jungen NachwuchskrĂ€ften in Foren, KamingesprĂ€chen und Exkursionen, aber eben auch auf Stammtischen und FreizeitaktivitĂ€ten den Konzern nĂ€her. Schnell kamen Fragen auf wie: âGebe ich meine private Handynummer raus oder doch meine dienstliche? Wahre ich Distanz oder erzĂ€hle ich auch private Dinge?â Denn auch in einem so groĂen Konzern trifft man sich im beruflichen Kontext doch schneller wieder als man denkt. FĂŒr mich stand daher schnell fest: Eine strikte Trennung zwischen beruflichen und privaten Themen ist gar nicht möglich. Im Gegenteil: Vermischung fĂŒhrt zu engeren sozialen Kontakten, stĂ€rkt das Netzwerk unter den Mitarbeitern â und deren Bindung zu Konzern. Wie viel Privatleben man aber in den Beruf einflieĂen lĂ€Ăt, muss jeder individuell fĂŒr sich entscheiden.â Und genau das ist fĂŒr viele das Problem.
Wie ein offenes Buch: Facebook und die PrivatsphÀre
Das âtolleâ an Facebook ist, dass es einem die Entscheidung, wie viel man von sich zeigt, einfach abnimmt. StandardmĂ€Ăig ist Facebook nĂ€mlich so eingestellt, dass alle Informationen jedem zugĂ€nglich sind. Denn Facebook möchte, dass seine Nutzer so viel es nur irgendwie geht ĂŒber sich erzĂ€hlen, denn offener das eigene Profil dabei ist, desto mehr Interaktion mit anderen Usern findet statt. Und genau das ist fĂŒr Mark Zuckerberg extrem wichtig: Denn der Wert seines Unternehmens nimmt um so mehr zu, je mehr Nutzer so lange wie möglich auf der Seite verweilen und möglichst viele Daten von sich preisgeben, die das Unternehmen gewinnbringend zu Werbezwecken verkaufen kann. Und damit möglichst viele Menschen diese Standard-PrivatsphĂ€re Einstellungen auch beibehalten, macht es Facebook seinen Usern so schwer wie möglich, diese zu Ă€ndern. Zum Beispiel erlaubt Facebook keine sogenannten Fake-Profile, also ein Profil, das unter einem anderen Namen als dem eigenen angelegt wird. Man wird nachhaltig dazu aufgefordert, sein Konto per Handy oder Kreditkartennummer zu verifizieren â wenn man das nicht macht, passiert allerdings bislang nicht. Die trickreichste Methode ist allerdings, dass Facebook in der Regel alle paar Monate neue Optionen herausbringt, die dazu fĂŒhren, dass sich die User durch die stetig komplexer werdenden PrivatsphĂ€re-Einstellungen klicken mĂŒssen, um nicht Informationen preis zu geben, die sie eigentlich nicht preisgeben wollten.
Zur Zeit befinden sich diese rechts oben unter âKontoâ. Individuell hĂ€ndeln lassen sich die einzelnen Optionen, wenn man auf âBenutzerdefinierte Einstellungenâ klickt: Nun kann man fĂŒr jeden einzelnen Punkt wie PinnwandeintrĂ€ge, Geburtstag oder auch Aufenthaltsort auswĂ€hlen, wer die jeweilige Information sehen kann: Alle, Freunde von Freunden, nur Freunde â oder nur man selbst. Im Vorschauprofil kann man sich dann ansehen, wie viel die jeweiligen Freunde von dem Profil sehen. Aber es ist noch mehr möglich: Zum Beispiel kann man seine Freunde in verschiedene Gruppen einteilen, zum Beispiel âPrivatâ, âBeruflichâ oder âenge Freundeâ und diesen dann jeweils nur bestimmte Informationen freigeben.
Den Chef von der eigenen Facebook-Pinnwand fern halten â so gehtâs
Wenn Sie beispielsweise verhindern möchten, dass Ihr Chef â oder wer auch immer â die EintrĂ€ge auf Ihrer Facebook-Pinnwand sieht, haben Sie dazu verschiedene Möglichkeiten:
- Sie können Facebook rein privat nutzen und allen beruflichen Kontakten Freundschaftsanfragen verweigern. Und Ihre EintrÀge sind eben nur ihren Freunden zugÀnglich. Es mag sein, dass der eine oder andere das falsch versteht, aber wenn Sie diese Linie konsequent durchziehen und das entsprechend Kommunizieren, stehen die Chancen gut, dass das akzeptiert wird.
- Sie können Ihren Chef zwar als Facebook-Freund haben, ihn aber dennoch davon abhalten, Ihre PinnwandeintrĂ€ge zu sehen, indem Sie unter âBenutzerdefinierte Einstellungenâ angeben, dass Ihre PinnwandeintrĂ€ge vor bestimmten Personen oder ganzen Gruppen (z.B. vor der Gruppe beruflich) verborgen wird. Dies Möglichkeit haben Sie ĂŒbrigens auch bei allen anderen Informationen.
- Sie können aber auch umgekehrt die ganze Pinnwand auch fĂŒr Ihre ganzen Freunde unsichtbar machen und dann bei jedem Eintrag neu entscheiden, ob Sie diesen nun bestimmten Personen oder Gruppen freigeben â indem sie unterhalb der Statuszeile auf das kleine Schloss klicken.
- Oder Sie können Ihre Pinnwand ganz normal fĂŒr Freunde oder alle freigeben, jedoch auf die gleich Weise bestimmen, dass bestimmte EintrĂ€ge vor bestimmten Freunden oder Freundes-Gruppen verborgen werden.
Wie gut sind die PrivatsphÀre-Einstellungen von Facebook?
Klingt kompliziert? Das mag sein: Man muss herumsuchen, klicken, ausprobieren. Und vermutlich wird Facebook in naher Zukunft sogar wieder etwas an den Einstellungsmöglichkeiten Ă€ndern. Doch wer noch Zweifel hat, ob sich der Aufwand lohnt, dem empfehle ich als Entscheidungshilfe, Freunde oder Verwandte das eigene Profil begutachten zu lassen. Nicht etwa, weil sie einem dabei helfen wĂŒrde, die komplizierten PrivatsphĂ€re-Einstellungen von Facebook zu verstehen. Sondern weil openbook jedem radikal vor Augen fĂŒhrt, was er denn nun fĂŒr alle sichtbar öffentlich gepostet hat â nach dem Motto: âFacebookÂź helps you connect and share with the people in your life. Now, even if they are not your friends and you donât know them, you can still read peoples recent posts (based on their own words)â (Frei ĂŒbersetzt: âFacebook hilft den Menschen, in Kontakt zu treten und Informationen zu teilen. Ob Du sie kennst oder mit ihnen befreundet bist, Du kannst dennoch ihre BeitrĂ€ge lesen.â
Nein, man muss noch nicht einmal bei Facebook angemeldet sein, um prekĂ€re Informationen oder rassistische Entgleisungen frei Haus mit Name des Absenders geliefert zu bekommen. Geben Sie dazu einfach mal entsprechende Suchbegriffe oder gleich den Namen von Personen ein. Die Site sieht zwar fast aus wie Facebook, hat mit Mark Zuckerberg aber nichts zu tun â im Gegenteil: Die drei Openbook-GrĂŒnder Will Moffat, Peter Burns und James Home sind Software-Entwickler oder Designer in San Francisco und selbst bei Facebook angemeldet. Ihre Sorge um die PrivatsphĂ€re bei Facebook war aber so groĂ, dass sie zur Abschreckung Openbook schufen. Und sie raten jedem Mitglied, ihre PrivatsphĂ€reeinstellungen bei Facebook zu ĂŒberprĂŒfen. Oder noch besser: Es gleich ganz abzuschalten.
Spuren im Netz: Nichts bleibt geheim!
Das cât magazin veröffentlichte in seiner Januar-Ausgabe 2011 einen aufsehenerregenden Artikel. Die Autoren Marcus Lindemann Jan Schneider hatten frei verfĂŒgbare Informationen im Internet so miteinander verknĂŒpft, dass sich daraus das Profil einer realen Person ergab. Sie wollten damit zeigen, welche Spuren Menschen in Sozialen Netzwerken hinterlassen.
Als Protagonisten wĂ€hlten sie bezeichnenderweise den hochrangigen Mitarbeiter eines Internet-Unternehmens, der noch gerne öffentlich mit seiner Offenheit prahlt. Dabei finden die Autoren in Texten, Meldungen und auf Fotos Informationen ĂŒ...