Aktien Börse und Finanzen: Trader-Kompetenzen fĂŒr Möchtegern-Investoren
// Von Stefan Sillmann & John O'Donnell
Wer an der Börse erfolgreich sein will, sollte Trader-Kompetenzen haben. Doch wie eignet man sie sich am besten an?
So funktioniert Finanzcoaching
Seit ein paar Jahren trainieren und coachen wir immer wieder Menschen, die an der Börse Geld verdienen wollen. Diese Trader haben alle etwas gemeinsam. Sie möchten schnell und einfach Geld verdienen. Und genau mit dieser Haltung kommen sie zu uns. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie groĂ die EnttĂ€uschung ist, wenn sie diesen Zahn gleich am Anfang gezogen bekommen. Schnell und einfach geht grundsĂ€tzlich auch, allerdings nur, wenn Sie sehr viel GlĂŒck und bereits sehr viel Geld haben. Diejenigen, die auf GlĂŒck setzen, verlieren beim Trading ihr Geld relativ schnell und/oder haben sich dazu entschlossen, Lotto zu spielen. Wir haben alle unsere gesammelten Erfahrungen in diese Trainings und Coachings gepackt.
Wir haben dabei an viele Dinge gedacht, die auf den ersten Blick »ganz normal« erscheinen, wie z.B. die ĂberprĂŒfung meines »Back-upSystems« in der Vorbereitung auf einen Trading-Tag am Morgen. Sie sagen, das ist doch selbstverstĂ€ndlich! Ist es eben nicht. Und da wir aus eigenen Erfahrungen sprechen, haben wir zumindest versucht, an alles zu denken. Auch wenn man manchmal erst auf den zweiten Blick den Sinn eines bestimmten Punktes auf unseren Checklisten erkennt ⊠Alle Punkte, Strategien und Ideen haben am Ende nur den Zweck, Fehler zu vermeiden. Denn wenn wir eines gelernt haben als Trader, Coaches und Trainer, dann ist es das: Ein Fehler bedeutet Verlust. Ganz einfach. Ăbrigens nicht nur beim Trading. Noch vor kurzem habe ich mich mit einem professionellen Poker-Spieler, Coach und Trainer unterhalten. Wir haben unsere Erfahrungen zum Thema Risiko-Management ausgetauscht. Welche Gemeinsamkeiten es zwischen dem Pokern und dem Trading gibt.
Zocker oder Trader?
Und siehe da, wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Beide TĂ€tigkeiten werden von auĂen als »Zockerei« bezeichnet. Doch beide TĂ€tigkeiten haben in der RealitĂ€t, und aus professioneller Sicht, rein gar nichts mit Zockerei zu tun. In beiden FĂ€llen heiĂt es: Ich kann den Markt (bzw. die Karten) nicht beeinflussen und schon gar nicht managen, nur mich selbst. In beiden FĂ€llen gibt es etwas, was die Teilnehmer »reizt«. Es geht darum, zu gewinnen! Und wie oben erwĂ€hnt, zu viele verlassen sich dabei einzig und allein auf ihr GlĂŒck. Oder noch besser, sie schieben ihren Misserfolg auf fehlendes GlĂŒck. Dazu kommt noch, dass beides vermeintlich leicht zu verstehen ist. Trading heiĂt »billig kaufen â teuer verkaufen«. Alles klar, ist verstanden. Die Umsetzung ist leider nicht so einfach, sonst könnte es ja jeder. TatsĂ€chlich haben Sie als Trader in jedem Moment eine 50/50 Chance, mit Ihrer Entscheidung richtigzuliegen. An den MĂ€rkten haben Sie nur zwei Bewegungen, stĂ€rker oder schwĂ€cher. Deshalb ist die Versuchung ja so groĂ, immer gleich loszulegen. Ein professioneller Poker-Spieler setzt zwar auch auf Wahrscheinlichkeiten, und schĂ€tzt aber durch Beobachtung und Analyse seinen »Markt« ein, bevor er agiert.
WĂŒrde der Trader genauso agieren, mĂŒsste er zunĂ€chst sein persönliches Verhalten analysieren, dann seinen Markt, um anschlieĂend seine Möglichkeiten aufzulisten, damit er schlieĂlich eine Entscheidung treffen kann. Wir haben gelernt, dass ein GroĂteil der Verluste, die Trader am Markt fabrizieren, nicht auf fehlendes GlĂŒck, sondern auf unangepasstes persönliches Verhalten zurĂŒckzufĂŒhren ist. Die Essenz dieser Gedanken und Erfahrungen ist, dass sowohl beim Pokern als auch beim Trading tatsĂ€chlich nur derjenige gewinnt, der einerseits die eigenen Fehler minimiert und andererseits mehr gute und damit profitable Handlungen vollzieht. Wie geht das und wie kommt man dahin? Es ist eigentlich ganz einfach: Sie analysieren Ihr eigenes Verhalten in bestimmten Situationen. Wie habe ich mich verhalten? Was habe ich gedacht? Was habe ich gefĂŒhlt? Woher kommt dieses GefĂŒhl? Diese Analyse sollte zu einer Selbst-Diagnose fĂŒhren, die Dir Klarheit ĂŒber bestimmte Denkmuster und das damit einhergehende GefĂŒhlsleben verschafft. Und natĂŒrlich darĂŒber, welche Konsequenzen sich daraus fĂŒr Ihr Trading ergeben. Motto: Gefahr erkannt â Gefahr gebannt! Das ist weder Hexerei, noch haben wir etwas Neues geschaffen. Jeder Profi ĂŒberprĂŒft regelmĂ€Ăig sein eigenes Verhalten mit dem Ziel: sich zu verbessern.
Wie man Trading-Kompetenzen erwirbt
Egal wohin man schaut, Business, Sport, Medizin, Fliegerei, Feuerwehr, Katastrophenschutz. Profis haben alle eins gemeinsam: Sie ĂŒberprĂŒfen und optimieren permanent das eigene Verhalten und trainieren jeden Tag ihre FĂ€higkeiten, um besser zu werden. Und genau das trifft auch fĂŒrs Trading zu. Die Trader, die schon lange am Markt sind, schauen immer wieder, wie sie sich verbessern können. Hier nur ein kleines Beispiel aus dem Devisenhandel. Vor gut 25 Jahren wurden elektronische Handelssysteme eingefĂŒhrt. Bis dahin konnte man sich auf sein Gehör und sein GefĂŒhl verlassen. Denn das GeschĂ€ft lief ĂŒber das Telefon und ĂŒber Lautsprecherboxen mit Brokern aus aller Welt. Wir hörten am GerĂ€uschpegel, wenn sich im Markt etwas bewegte. Wir spĂŒrten die Spannung in der Stille kurz vor Bekanntgabe wichtiger Arbeitsmarktdaten. Und dann explodierte der Markt. Alle schrien durcheinander, niemand wusste wirklich, wo der Markt gerade steht, und echte Market-Maker haben Preise gestellt, zu denen sie gleichzeitig kauften und verkauften, um den Markt mit LiquiditĂ€t zu versorgen. Dann kamen die Maschinen, und wir hörten immer weniger. Wir sahen auf den Schirm und verfolgten, wie sich die Zahlen bewegten. Ein wichtiger Faktor, nĂ€mlich das Gehör und die damit verbundenen GefĂŒhle, wurden einfach ausgeschaltet.
Was haben wir gemacht? Die Charttechnik, die bis dahin eher stiefkindlich behandelt und von vielen mit einem LĂ€cheln bedacht wurde, geriet stĂ€rker in den Fokus. Anhand bestimmter Parameter haben wir immer wieder versucht, den Markt zu lesen. UND wir mussten lernen, all die GefĂŒhle, die bisher ein wichtiger Faktor und Indikator waren, zu ignorieren bzw. zu kontrollieren. Wir haben Positionen »aus dem Bauch heraus« genommen und gelernt, sie mit dem Kopf zu managen. Diesen Prozess wollen wir verdeutlichen und erklĂ€ren. Wir wollen hiermit ein Werk schaffen, das den Einstieg in professionelles Handeln erleichtern soll. Und wir wollen auch gestandenen Profis die Möglichkeit bieten, sich zu hinterfragen, ob sie noch etwas an ihrem Verhalten verbessern können. Denn auf allerhöchstem Niveau »gewinnt« am Ende der, der die wenigsten Fehler macht ⊠Noch etwas: Wir werden hier in der im Handel ĂŒblichen Du-Form schreiben und dabei auch die mĂ€nnliche Version verwenden. Wir sprechen natĂŒrlich damit beide Geschlechter an. Ebenso verwenden wir einen relativ einfachen und verstĂ€ndlichen Sprachstil, wie es bei HĂ€ndlern ĂŒblich ist. Bitte erwarte also keine hochwissenschaftlichen Formulierungen, sondern eher eine offene und deutliche Form der Kommunikation. Wenn es »WIR« heiĂt, meine ich immer uns,
Checkliste fĂŒr Möchtegern-Trader: Verstehen Sie Ihr eigenes Verhalten
Sie sind oder der möchten ein Trader sein oder werden? Dann sollten Sie zunÀchst sich selbst richtig einschÀtzen lernen.
- Sie sind AnfÀnger, professionell oder institutionell tÀtig, privat, Zocker
- Sie sind tÀtig in allen Asset-Klassen: Devisen, Zinsen, Commodities, Wertpapiere, Anleihen, Aktien, Derivate, Optionen, Zertifikate usw.
- Sie sind ein kurz- und mittelfristiger Anleger, der einen Ăberblick zu seinem persönlichen Anlageverhalten bekommen möchte
- Sie sind ein Anlegerder gelegentlich Marktbesonderheiten mit kurzfristigen Positionen ausnutzen will
- Sie sind ein Anleger der einem anderen »Guru« folgen möchte (Social Trading) und erst einmal ĂŒberprĂŒft, was genau dieser tut und wie er es tut
- Sie sind ein Anlger der die »Gurus« miteinander vergleichen möchte.
- Sie sind ein Investor der die TÀtigkeiten und das Verhalten seiner »Investments« beobachten, kontrollieren und gegebenenfalls eingreifen will oder muss.
- Sie sind ein Controller, der ein allgemeines VerstĂ€ndnis ĂŒber MĂ€rkte haben möchte und mehr ĂŒber das Verhalten von Tradern und ĂŒber deren Trading-Entscheidungen erfahren will
- Sie sind ein Trader der das individuelle Risiko- und Money-Management bei Tradern ĂŒberwacht.
- Sie sind jemand der sich fĂŒr Psychologie an den FinanzmĂ€rkten (Behavioral Finance) interessiert
- Sie sind jemand, der die Folgen daraus fĂŒr das persönliche Trading-Verhalten verstehen will
- Sie sind jemand, der nach Lösungen zur Optimierung dieses Trading-Verhaltens suchen
Wir wollen damit Impulse geben und zum Nachdenken anregen, wie Sie Ihren individuellen Trading-Stil optimieren kannst und worauf Sie achten solltest. Jede Trading-Strategie, so gut sie auch sein mag, ist irgendwann â aus welchen GrĂŒnden auch immer â nicht mehr ein- und umsetzbar. Die MĂ€rkte Ă€ndern sich, die Bedingungen Ă€ndern sich, Sie Ă€ndern sich. Hier geht es uns darum, dass Sie als Trader Ihre geistige FlexibilitĂ€t bewahren und optimalerweise nicht in den Modus »Das habe ich doch schon immer so gemacht« verfĂ€llst.
Wie Sie Ihre Strategie stetig verbessern
Es geht auch nicht darum, Ihre Strategien nach jedem misslungenen Trade Â»ĂŒber den Haufen« zu werfen. Wir wollen, dass Sie Ihre Trades und/oder Ihre Strategie sachlich und anhand vorher festgelegter Kriterien eingehend ĂŒberprĂŒfst und erst dann gegebenenfalls optimierst. Henry Ford sagte einst: »Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist!« Ein wenig umgewandelt und auf unser Business interpretiert bedeutet das: »Wer immer das Gleiche macht, muss sich nicht wundern, wenn er immer dieselben Ergebnisse bekommt.«
Die FinanzmĂ€rkte sorgen jeden Tag dafĂŒr, dass diese Weisheit eine besondere Bedeutung bekommt. Auch wenn es immer wieder der Wunsch von Tradern, Anlegern und Investoren ist, die MĂ€rkte zumindest mal zu »verstehen«, so gibt es immer erst im Nachhinein, bei der Analyse, eine plausible ErklĂ€rung fĂŒr eine bestimmte Bewegung. Einer meiner ersten Chefs hat mal den scharfsinnigen Kalauer gebracht: »Hinterher ist man immer schlauer!« Am Ende des Tages bleibt es jedoch trotz aller guten WĂŒnsche dabei: »Sie sind nur so gut wie Ihr letzter Trade.« Gerade an den FinanzmĂ€rkten gilt diese Weisheit, denn es gibt wohl keinen anderen Markt, an dem mit VerĂ€nderungen so schnell so viel Geld verdient oder verloren werden kann.
Das Trading-Colors-Game
Beginnen wir mit einer kleinen Ăbung â sie ist ĂŒbrigens auch das Titelbild. Sie soll spielerisch dabei helfen, noch mehr ĂŒber Dich zu erfahren. Oder Sie fragen mal diejenigen in Ihrem Umfeld, die schon einmal ein »Spiel« mit Ihnen gespielt haben. Beim Spielen zeigt sich sehr hĂ€ufig der wahre Charakter einer Persönlichkeit. Insbesondere dann, wenn man am Verlieren ist. Deshalb wollen wir auch gleich zu Beginn mit diesem kleinen »Selbstversuch« starten. Wir wurden damals als junge HĂ€ndler mit diesem Spiel vorsichtig an das Thema Trading herangefĂŒhrt. Unsere Chefs wollten wissen, welche Ziele wir verfolgen und wie wir Strategie und Taktik in einer spielerischen AtmosphĂ€re umsetzen. Die RĂŒckschlĂŒsse, die dann hinter verschlossenen TĂŒren gezogen wurden, gaben Hinweise auf mögliche Einsatzgebiete auf einem Trading-Floor. Allerdings wussten wir das erst einmal nicht. Wir sollten einfach nur »spielen«.
Und so funktioniert das Spiel
Stellen Sie sich vor, Sie besitzen ein Kapital von 10.000 Euro, das ist Ihr »Spielgeld«. Sie entscheiden, wie viel Sie pro Runde einsetzten. Ob 100 oder 10.000, spielt erst einmal keine Rolle. Bitte denke hier nicht zu viel nach, sei spontan, denn es ist nur ein Spiel.
Unser Spielplatz ist der Markt, und dieser wird hier von farbigen Spielfiguren oder Karten reprĂ€sentiert. Wir haben seinerzeit die klassischen kleinen Figuren von Mensch-Ă€rgere-dich-nicht benutzt. Jede Figur reprĂ€sentiert einen negativen oder positiven Multiplikator, der einer bestimmten MarktverĂ€nderung entspricht. Wir spielen mit fĂŒnf Farben und insgesamt sind es dreizehn Figuren. Die Aufteilung der Farben und die Anzahl der Figuren pro Farbe sind in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet. In der dritten Spalte sehen Sie auch die jeweilige positive oder negative VerĂ€nderung des Kapitaleinsatzes (KE) je Farbe.
Beispiel
Kapitaleinsatz: EUR 1.000 Alternative 1: Gezogen wird eine Figur der Farbe »Beige«, was einer VerĂ€nderung von +2 Mal dem Kapitaleinsatz (KE) entspricht. Ihr neues Gesamtkapital belĂ€uft sich auf 12.000 Euro. Alternative 2: Gezogen wird eine Figur der Farbe »GrĂŒn«, was einer VerĂ€nderung von â2 Mal dem Kapitaleinsatz (KE) entspricht. Ihr neues Gesamtkapital belĂ€uft sich auf 8.000 Euro.
Die Beispieltabelle erklĂ€rt sich zwar fast selbst, wir wollen allerdings sicherstellen, dass die »Prinzipien« unseres Spiels auch wirklich klar sind. In der ersten Runde haben Sie einen Betrag von 2.000 Euro gesetzt. GrĂŒn wird gezogen, das entspricht einer VerĂ€nderung von â2 Mal das eingesetzte Kapital (KE), also einem Verlust von 4.000 Euro. Ihr neuer Kapitalbetrag (Gesamt) betrĂ€gt nur noch 6.000 Euro. Jetzt werden Sie etwas vorsichtiger und setzten in der nĂ€chsten Runde nur 1.000 Euro. Es wird Schwarz gezogen. +1 Mal der Einsatz von 1.000 Euro entspricht einer VerĂ€nderung von 0. Ihr Kapital bleibt erhalten. In der nĂ€chsten Runde setzten Sie wieder 1.000 Euro, es wird Beige gezogen. +2 mal der Kapitaleinsatz entspricht einem Gewinn von 2.000 Euro. Ihr neues Gesamtkapital betrĂ€gt nun 8.000 Euro. Mutig geworden setzten Sie fĂŒr den nĂ€chsten »Trade« wieder 2.000 Euro. Die Farbe Gelb entspricht einem Verlust von â5 Mal Ihr Kapitaleinsatz (KE), also 10.000 Euro. Da Sie nur noch 8.000 Euro Kapital hatten, verlangt Ihr Broker (Bank) nun eine Nachzahlung in Höhe von 2.000 Euro. Ergo, Sie sind fertig fĂŒr den heutigen Handelstag (FFT = finished for today).
Wer jetzt denkt, man könnte ja nicht mehr verlieren als Ihr Gesamtkapital, so stimmt das nur bedingt. Heute bieten viele Broker ihren Kunden an, mit einem sogenannten Hebel, das bedeutet dem x-Fachen ihres Grundkapitals an den MÀrk...