Frauen und NS-Frauenschaft in Stadt und Land Salzburg
Gründungsjahre und Verbotszeit
Der Alltag der Salzburger Bevölkerung war in den 1930er-Jahren vor allem von der Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und politischen Konflikten – die auch auf offener Straße ausgetragen wurden – geprägt. Besonders schwer traf das Tourismusland die von der Regierung in Deutschland per 1. Juni 1933 verhängte „Tausend-Mark-Sperre“. Deutsche Staatsbürger*innen mussten fortan 1 000 Reichsmark bezahlen, wenn sie nach Österreich einreisen wollten – diese Summe entsprach in den 1930er-Jahren dem Durchschnittsverdienst in rund acht Monaten.53 Die Fremdenverkehrsregionen im Bundesland Salzburg, die vom Zustrom der deutschen Nachbarn abhängig waren, litten stark unter dieser Maßnahme, die Situation erholte sich erst nach deren Aufhebung im August 1936.
Bereits in dieser Phase der sozialen Not und politischer Grabenkämpfe griff der Nationalsozialismus im Bundesland Salzburg vielerorts um sich. So sollen in Bad Gastein, um nur ein Beispiel zu nennen, laut Bericht der Gendarmerie im Jahr 1934 von den 2 300 Einwohner*innen bereits mehr als die Hälfte der NSDAP angehört haben, was zu dieser Zeit einem hohen Anteil entsprach.54 Folglich erfuhr auch die Organisation der Nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF) regen Zulauf. An der Spitze der gesamtösterreichischen NSF stand vor dem „Anschluss“ 1938 die Linzerin Maria Werbik. In einer Kriegsverbrecherliste aus dem Jahr 1946 scheint sie sogar als „Gründerin“ der NS-Frauenschaft in Österreich auf. Bereits 1923 trat sie der NSDAP in Linz bei, ab 1925 leitete sie die Völkische Frauen- und Mädchengruppe und seit 1927 war sie „Obfrau“ der Hitlerbewegung. Schließlich konnte sie 1932 – im Jahr des nationalsozialistischen „Durchbruchs“ bei den Landtagswahlen – sogar den Posten als NSF-Landesführerin von Österreich erringen. Gleichzeitig war sie Herausgeberin der Zeitschrift Die Deutsche Frau.
Die „Tausend-Mark-Sperre“ als Covermotiv und zentrales Thema in der sozialdemokratischen Zeitschrift Der Kuckuck im Jahr 1933.
An der Spitze der Frauenschaft für das Bundesland Salzburg stand zunächst die gebürtige Tirolerin Hanna Sophie Riedl.55 Sie war die erste Gaufrauenschaftsleiterin Salzburgs, und das bereits ab 1932.56 Als Maria Werbik 1935 gemeinsam mit ihrem Mann (ihm drohte eine Strafe aufgrund nationalsozialistischer Betätigung) nach Deutschland übersiedelte und damit auch ihr Amt in Österreich niederlegte, beauftragte sie die Salzburger Gaufrauenschaftsleiterin Hanna Riedl mit der Weiterführung ihrer Geschäfte als illegale NSFLandesleiterin von Österreich – „illegal“ deshalb, da die NSDAP, wie bereits erläutert, im austrofaschistischen Ständestaat verboten wurde. Nur ein Jahr später, 1936, wurde allerdings die Wiener Gaufrauenschaftsleiterin Else Muhr-Jordan zur Landesführerin der Frauenschaft ernannt und mit dem Aufbau der Organisation in Österreich beauftragt.57 Die Tatsache, dass Hanna Riedl keinen guten Draht zu ihren Vorgesetzten sowie zu Muhr-Jordan hatte, war für ihre Karriere von Nachteil, sie erregte Missfallen unter vielen ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Im Jahr 1936 verlor Riedl nicht nur ihre Position als Landesführerin an Muhr-Jordan, sondern wurde darüber hinaus aller Ämter in der NS-Frauenschaft – und damit auch ihrer Stellung als Gaufrauenschaftsleiterin Salzburgs – enthoben. Nach offiziellen Angaben lehnten die „maßgeblichen Parteidienststellen“ Riedl als Gaufrauenschaftsführerin ab.58 Es scheint, als hätte sie sich schlichtweg zu unbeliebt gemacht. Hanna Riedl wollte sich mit dieser Situation aber nicht abfinden. Sie bezeichnete die Führung der Salzburger Frauenschaft unter der neuen Leiterin, der gebürtigen Tirolerin Maria Vogl, als „Splittergruppe“, legte Einspruch ein und wandte sich sogar an die Reichsfrauenführung. Doch ihre Absetzung war beschlossene Sache. Am 28. Juni 1938 ließ ihr Gauleiter Friedrich Rainer folgendes knappes Schreiben zukommen: „Im Zuge der Umbildung der NS-Frauenschaft entbinde ich Sie hiermit von Ihrem Amt als Gau-Frauenschaftsführerin und spreche Ihnen für Ihre der Bewegung geleistete, verdienstvolle, selbstlose Arbeit den Dank der Gauleitung aus.“59 Als Riedl ihre Enthebung einfach nicht hinnehmen wollte und vehement dagegen ankämpfte, wurde 1939 ein Verfahren wegen „schwerer Disziplinlosigkeit“ eingeleitet. In diesem bezeugte der ehemalige illegale Gauleiter Anton Jennewein, dass sich Hanna Riedl nach dem gescheiterten nationalsozialistischen Putschversuch im Juli 1934 als Gaufrauenschaftsleiterin hervorgetan habe. Er habe sie aber wegen des Parteiverbots darauf gedrängt, sich nicht organisatorisch, sondern nur karitativ und sozial zu betätigen, denn auch damit wäre der Bewegung propagandistisch gedient.
Nähstube der Salzburger NS-Frauenschaft um 1933.
Damit sprach Jennewein bereits jene Tätigkeitsbereiche an, welche die Arbeit der NS-Frauenschaft während der Frühphase sowie der illegalen Zeit im Wesentlichen umfassten. Die Aufgabenfelder der Frauenschaft in Salzburg unterschieden sich in den 1930er-Jahren im Grunde nicht von jenen anderer „Gaue“ in Österreich oder von jenen in der frühen Phase in Deutschland. Im Mittelpunkt stand die parteigebundene Wohltätigkeit im Sinne der Verpflegung von Gesinnungsgenoss*innen und der Sammlung von Spenden sowie das Anwerben neuer Mitglieder.
„Die Gründung zahlreicher Ortsgruppen der nationalsozialistischen Frauenschaft im Gau Salzburg schreitet fort. Ob nun Berichte aus dem Pongau oder Pinzgau, aus dem Flach- oder dem Tennengau einlangen, überall zeigt sich dasselbe Bild der regsten Anteilnahme und der herzlichen Zusammenarbeit, Besonders auffällig und beachtenswert scheint uns die rege Beteiligung der Frauen aus dem christlichsozialen Lager. Diese sehr guten Erfolge verdankt unsere Frauenschaft vor allem […] der Gauführerin Frau Hanna Riedl, die überall, ob sie nun Bäuerinnen oder Arbeiterfrauen vor sich hat, von Herz zu Herzen zu sprechen versteht und damit auch die anfänglich gegnerischen Zuhörerinnen im Fluge gewinnt.“60
Das Propagandamedium Alpenwacht über den Aufbau der NS-Frauenschaft, November 1932
Die Zeitung Alpenwacht. Das nationalsozialistische Kampfblatt für Salzburg – herausgegeben vom illegalen Gauleiter Karl Scharizer – veröffentlichte im November 1932 einen Bericht über die herausragenden Leistungen der Salzburgerinnen. Zahlreiche Ortsgruppen der NSF seien bereits gegründet worden und die erste Gaufrauenschaftsleiterin, Hanna Sophie Riedl, würde sowohl Arbeiterfrauen als auch Bäuerinnen für die Frauenschaft gewinnen.61 Im April 1933 folgte eine noch detailliertere Darstellung über die Arbeit der NSF, in der es hieß: „Von der NS-Notküche konnten in dieser kurzen Zeit [Anm.: November 1932 bis März 1933] 2 414 Tagesverpflegungen, bestehend aus Frühstück, Mittag- und Abendessen an arbeitslose SA- und SS- sowie HJ- Kameraden verabreicht werden.“62 Nach der Weltwirtschaftskrise war auch Salzburg von Armut und Arbeitslosigkeit gezeichnet. In Einrichtungen wie den Not(stands) küchen versorgten freiwillige Helfer*innen arbeitslose und notleidende Menschen in Stadt und Land. Solche Hilfeleistungen waren tatsächlich (überlebens)wichtige soziale Maßnahmen in Zeiten der Not, gleichzeitig aber auch eine Basis für ideologische und politische Ambitionen. Die Hilfsangebote dienten freilich der Anwerbung neuer Anhänger*innen. Ein besonderer Schwerpunkt galt den Frauen am Land, denn diese waren als stark christlich-religiös geprägte Gemeinschaft schwieriger für die NS-Bewegung zu gewinnen. Die Alpenwacht stellte die Aktivitäten der Salzburger Frauenschaft daher entsprechend positiv dar und vermittelte mittels zahlreicher Berichte ein Bild des steten Fortschritts und der wachsenden Anhänger*innenzahl für den Nationalsozialismus.
BDM-Scharführerin Ruth Kirsch beim Verlassen des Polizeigefängnisses (heute: Bezirksgericht Salzburg am Rudolfsplatz) im Jahr 1937, darunter mit ihren BDM-Kameradinnen am Salzburger Bahnhof.
„[Es zeigte sich] die erfreuliche Tatsache, daß die Frauen am Lande sich immer mehr zum Nationalsozialismus bekennen und daß die NS-Frauenschaft im Gaubereich Salzburg bereits einen Faktor darstellt, von dessen Stärke sich die Gegner kaum eine Vorstellung machen dürften. […] Wieder ein großer Erfolg der Pgn. [Anm.: Parteigenossin] Hanna Riedl! Die Gauführerin der NS-Frauenschaft […] sprach am 9. d. M. in einer Frauenschaftsversammlung […] der NSDAP. Die Anwesenden […] waren von den Ausführungen der Rednerin begeistert. Ihre überzeugenden Worte […] hatten den Erfolg, daß sich 18 Volksgenossinnen zur Frauenschaft und 7 zum BdM meldeten. In ihrer am 2. ds. stattgefundenen Versammlung sprach Pgn. Hanna Riedl vor 25 Besucherinnen über ‚Die Frau im Nationalsozialismus und die Stellung zum Christentum‘. Erfolg: 12 Beitritte zur NS-Frauenschaft.“63
Die Salzburger Alpenwacht über die NS-Frauenschaft und die erfolgsversprechende Arbeit von Gaufrauenschaftsleiterin Hanna Riedl, April 1933
Nach dem Verbot der NSDAP in Österreich im Juni 1933 mussten sich die überzeugten Nationalsozialist*innen auf den „illegalen Kampf“ einstellen.64 Hinzu kam also der Aspekt der Illegalität – das heißt, dass für den aktiven Einsatz für die NS-Bewegung auch Strafen in Kauf genommen werden mussten. Dazu brauchte es zweifellos eine entsprechende Entschlossenheit im Einsatz für „die Sache“. An die 700 NS-Putschist*innen wurden im und nach dem Juli 1934 inhaftiert – im Polizeigefängnis, im Gefangenenhaus im Landesgericht, in der Lehener Kaserne, auf der Festung Hohensalzburg und in mehreren provisorischen Haftstätten im Land Salzburg. Ein Teil der Inhaftierten wurde in das Anhaltelager Wöllersorf in Niederösterreich gebracht. Zu bedenken bleibt, dass sich die Nationalsozialist*innen in den verschiedenen Gefängniseinrichtungen in der Folge ihre Zellen teilten und somit in dieser Zeit Netzwerke (weiter) aufgebaut und gepflegt werden konnten.65 Besonders für junge Mädchen, die im illegalen Bund Deutscher Mädel (BDM) heimliche Treffen veranstalteten, stellte der Nervenkitzel des Verbotenen und der Illegalität einen wesentlichen Reiz der NS-Bewegung dar. Die Salzburgerin Ruth Kirsch, die bereits 1933 dem BDM beigetreten war und im illegalen BDM seit 1935 die Funktion einer Scharführerin bekleidet hatte, wurde 1937 etwa wegen ihrer Tätigkeit verhaftet und im Alter von gerade einmal 18 Jahren wegen Verbrechens gegen das Staatsschutzgesetz für vier Monate inhaftiert. Ruth Kirsch blieb aber auch danach im BDM aktiv, wurde ab 1938 offiziell als Führerin des Jungmädel-Untergaues Stadt Salzburg eingesetzt und übernahm für einige Zeit die gesamte „Mädelführung des Bannes“.66
Salzburg war vor allem wegen seiner günstigen geografischen Lage als Grenzgebiet zum Deutsc...