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About this book
Im Vaterunser beten Christen auf aller Welt "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern". Aber was bedeutet das eigentlich wirklich: jemandem vergeben? Und wie soll das gehen: jemandem vergeben, der einem absichtlich Unrecht getan, einen verletzt und geschĂ€digt hat? Was bringt einem das? Und ist das ĂŒberhaupt möglich?Manchmal gelingt Vergeben spontan. Aber meistens ist es ein lĂ€ngerer psychologischer und spiritueller Weg. Die Autoren geben hierfĂŒr psychologische und biblische Wegweisungen.
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Information
1. Einleitung
Im Vaterunser beten wir »und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem«. Also sollen wir vergeben! Viele glĂ€ubige Menschen fĂŒhlen sich dadurch unter Druck gesetzt oder ĂŒberfordert.
In GesprÀchen, die sich um das Thema Vergebung drehen, fallen oft SÀtze wie:
âąÂ Ich weiĂ, ich mĂŒsste jemandem vergeben, aber das geht nicht so einfach.
âąÂ Ich habe zwar vergeben, aber die Gedanken quĂ€len mich immer noch und manche Bilder bekomme ich einfach nicht aus dem Kopf.
âąÂ Ich habe doch vergeben. Jetzt mĂŒsste es doch wieder so sein wie frĂŒher, aber das stimmt nicht.
âąÂ Ich wĂŒrde ja vergeben, aber der andere will einfach nicht.
Vergeben: Was ist das? Was bringt das? Wie macht man das? Welche Schritte sind dazu notwendig? Um diese Fragen geht es in diesem Buch. Wer vergeben möchte, hat Schweres erlebt. Jemand ist Opfer geworden. Opfer fĂŒhlen sich oft machtlos und hilflos, sind verzweifelt, beschĂ€mt und wĂŒtend. Ein anderer, der TĂ€ter oder die TĂ€terin, hat absichtlich oder billigend in Kauf genommen, das Opfer zu verletzen. Das Leben des Opfers ist nicht mehr wie zuvor. Die Ungerechtigkeit und der erlittene Schaden sind â emotional, körperlich, materiell oder sozial â greifbar. Und in solch einer Situation soll das Opfer dem TĂ€ter auch noch vergeben â ist das nicht unzumutbar? Was bringt das denn? Neue Forschungen zeigen, dass Vergeben vor allem fĂŒr das Opfer viele positive Wirkungen hat. NatĂŒrlich gibt es noch andere schwere Situationen wie UnfĂ€lle, Naturkatastrophen o.Ă., bei denen es keine TĂ€ter gibt. Dann geht es jedoch um Akzeptanz und nicht ums Vergeben.
Vergeben ist ein Prozess, in dem ein Opfer seine Aufmerksamkeit â weg vom TĂ€ter â wieder auf das eigene Leben richtet. Die meisten Menschen können nicht »einfach mal so« jemandem vergeben, als sei dann »alles wieder gut«. Ein Prozess des Vergebens braucht zu Beginn die klare Entscheidung, vergeben zu wollen. Ja zu sagen zu einem Vergebensweg. Dieses Ja beinhaltet:
âąÂ das Ja zum eigenen Leben
âąÂ das Ja zu den Verwundungen und Verletzungen
âąÂ das Ja zu der Person des TĂ€ters oder der TĂ€terin (nicht zu der Tat!)
âąÂ das Ja zu eigenen möglichen Schuldanteilen
âąÂ das Ja zur eigenen Zukunft, die ich gestalten will
Jede Verletzung und jede Verwundung wirken wie ein Nein, das mein Ja erschwert. Sich auf den Vergebensweg zu machen ist ein bewusster Schritt hin zu diesem Ja des Lebens.
Bevor wir dieses Buch begonnen haben, haben wir zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Vergeben durchgefĂŒhrt. Dabei beginnen wir mit einer »Steine-Ăbung«. In der Mitte des Raumes liegen viele gröĂere Steine. Drei Freiwillige nehmen fĂŒr diese Ăbung die Rolle eines »TĂ€ters« ein. Ihre Aufgabe ist es, sich frei im Raum zu bewegen. Drei weitere Freiwillige stellen jeweils die »Opfer« eines »TĂ€ters« dar. Sie haben in dieser Ăbung die Aufgabe, sich je einen Stein aus der Mitte zu nehmen. Dieser Stein ist dann das Symbol fĂŒr die Verletzungen, die das »Opfer« durch den »TĂ€ter« erlitten hat. Mit diesem Stein in beiden HĂ€nden folgen die »Opfer« jeweils »ihrem TĂ€ter«. Sie passen sich dessen Geschwindigkeit und Bewegungen an, sie tragen dem »TĂ€ter« also den Stein nach. Nach einigen Minuten wird die Ăbung beendet, indem die »Opfer« aufgefordert werden, ihre Steine vor den FĂŒĂen des jeweiligen »TĂ€ters« abzulegen. »TĂ€ter« und »Opfer« werden anschlieĂend nach ihren Erfahrungen zu dieser Ăbung befragt.
Ihre Reaktionen sind unterschiedlich. Manche »TĂ€ter« haben das Hinterhertragen wahrgenommen. Andere »TĂ€ter« berichten, dass sie kaum bemerkt haben, dass ihnen etwas hinterhergetragen wurde. Und wenn doch, dann habe sie das kaum gestört. Einige sind dann am Ende auch bereit, den Stein zur Kenntnis zu nehmen. Andere steigen ĂŒber ihn hinweg.
Die »Opfer« erzĂ€hlen von der körperlichen Anstrengung, den Stein hinterherzutragen. Auch berichten sie von der EinschrĂ€nkung, ihre HĂ€nde nicht anders benutzen zu können. AuĂerdem sprechen sie davon, wie aggressiv es sie macht zu merken, dass es dem »TĂ€ter« anscheinend völlig egal war, wie schwer sie zu tragen hĂ€tten. Bei manchen tauchte auch der Wunsch auf, dem »TĂ€ter« den Stein vor die FĂŒĂe zu knallen. Alle »Opfer« erlebten ein GefĂŒhl der Unfreiheit. Manche fragten sich nach der Sinnhaftigkeit ihres Tuns. Nach dem Ablegen der Steine konnten viele der »Opfer« wirklich durchatmen, sich aufrichten und den Raum und die anderen Teilnehmer erstmals wahrnehmen. Auch die Zuschauer erleben meist mannigfaltige GefĂŒhle. Diese Ăbung hinterlĂ€sst einen nachhaltigen Eindruck und macht körperlich erfahrbar, was Vergeben bedeutet: aufhören, jemandem einen Stein hinterherzutragen.
Einladung: Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer solchen Veranstaltung. Welche Rolle wĂŒrden Sie sich auswĂ€hlen? Welche Gedanken kommen Ihnen?
Im Folgenden geht es darum, solche Steine, die auf jedem Lebensweg liegen, abzulegen. Der in diesem Buch dazu beschriebene Vergebensweg beinhaltet psychologische, biblische und ignatianische Elemente. Psychologisch: Wir sind geschaffen als Wesen mit Körper, Seele und Geist. Die seelischen VorgĂ€nge werden in der Psychologie erforscht. Vergeben gilt in der Psychologie als CharakterstĂ€rke â es gibt Menschen, die spontan vergeben können, und das wird in allen Kulturen als Tugend angesehen. Zum einen sind die verschiedenen Aspekte, die wirksames Vergeben unterstĂŒtzen, inzwischen psychologisch gut untersucht. Zum anderen gibt es umfangreiche Forschungen ĂŒber die psychologischen und gesundheitlichen Auswirkungen des Vergebens. Diese Aspekte flieĂen hier mit ein.
Biblisch: Die Bibel beschreibt den Menschen in zahlreichen ErzĂ€hlungen mit all seinen Problemen, SchwĂ€chen und GefĂŒhlen â aber auch mit seinen Hoffnungen, SehnsĂŒchten und FĂ€higkeiten. Mit den biblischen Personen können wir uns identifizieren und so Anregungen fĂŒr unseren eigenen Weg finden. Die biblischen ErzĂ€hlungen zeigen Wege auf, Antworten auf Lebensfragen in der Auseinandersetzung mit Gott zu suchen. Denn die Bibel ist das Buch der Geschichte Gottes mit den Menschen und der Geschichten der Menschen miteinander und mit Gott. Diese Geschichten zeigen das Leben mit seinen VerheiĂungen und Verletzungen, mit Schuld, Vergebung, Heilung und Versöhnung.
Ignatianisch: Ignatius von Loyola war ein Meister der SpiritualitĂ€t und der psychologischen Intuition. Sein Exerzitienbuch (abgekĂŒrzt EB),1 seine Autobiographie »Bericht des Pilgers« (BP)2 und die darin vorgestellten Methoden, zu beten und zu meditieren, helfen, das eigene Leben zu ordnen und ein freier und liebender Mensch zu werden, der sich am Wort Gottes ausrichtet. Sie können auch auf dem Vergebensweg sehr hilfreich sein.
Wir (die Autoren) denken, dass Sie sich als Leserin oder Leser dieses Buches vermutlich folgende oder Àhnliche Fragen stellen:
âąÂ Vergeben, wozu denn eigentlich? Was habe ich dann davon?
âąÂ Ich wĂŒrde ja gerne vergeben, aber wie soll denn das funktionieren?
âąÂ Und wie mache ich das nun konkret?
Diese Fragen erlĂ€utern wir und geben praktische Hinweise, die Sie direkt umsetzen können. Dazu verwenden wir in diesem Buch zwei Sprachweisen. Wir nutzen eine allgemein beschreibende Sprache, um die HintergrĂŒnde darzustellen. Dabei verwenden wir sowohl die mĂ€nnliche als auch die weibliche Form, um darauf aufmerksam zu machen, dass jeweils beide Geschlechter mitgemeint sind und die dargestellten Verhaltensweisen auf alle Geschlechter zutreffen. Dort wo wir hingegen die konkreten Handlungsschritte vorstellen, nutzen wir die Ich-Form.
FĂŒr den geistlichen Weg finden Sie passende Bibelstellen, einige Meditationsimpulse und eine ignatianische Meditationsanleitung. Die Impulse fokussieren auf ausgewĂ€hlte Aspekte des Vergebensprozesses (andere Aspekte lassen wir hier bewusst auĂer Acht). Wir sprechen dabei von »Vergeben«, wenn wir den Prozess meinen, und von »Vergebung«, wenn es um das Geschenk der Vergebung geht. Es gibt ein weites Spektrum von Situationen, die ein Vergeben erforderlich machen können. Das eine Extrem sind Situationen, wo Unbekannte einem Opfer Unrecht und Schaden zugefĂŒgt haben. Das andere Extrem stellen Situationen dar, die so komplex und verworren sind, dass fĂŒr AuĂenstehende kaum eindeutig ist, wer TĂ€ter und wer Opfer ist. In solchen Situationen bedĂŒrfen dann beide der Vergebung. Auch das Spektrum der Verluste ist sehr unterschiedlich: Auf der einen Seite kann es zum Verlust von Angehörigen oder von LebensfĂ€higkeit und wichtigen Beziehung gekommen sein, auf der anderen Seite können KrĂ€nkungen und mangelnde Liebe stehen. Deshalb verlaufen Vergebensprozesse sehr unterschiedlich und mĂŒssen jeweils an die individuelle Situation angepasst werden.
Alles, was wir hier darstellen, sind daher nur VorschlĂ€ge, die auf dem Weg des Vergebens hilfreich sein können. Aus verschiedenen Elementen können Sie diejenigen auswĂ€hlen, die Sie fĂŒr sich und Ihren Prozess als hilfreich erachten.
2. Was ist Vergeben?
Wenn wir in Kursen ĂŒber »Vergeben« sprechen, erleben wir, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt. Dabei mischen sich verschiedene Ă€hnliche Konzepte â verzeihen, entschuldigen, vergeben und versöhnen. FrĂŒher wurde Vergeben und Verzeihen sprachlich nahezu gleichbedeutend benutzt. Heute wird Verzeihen eher im Sinne von »um Entschuldigung bitten« verwendet. Da das Wort verzeihen durchaus mehrdeutig ist, verwenden wir es in diesem Buch gar nicht.
Auch Entschuldigen und Vergeben werden heute sprachlich zum Teil gleichbedeutend eingesetzt. Im eigentlichen Sinne bittet jedoch ein TĂ€ter das Opfer um Entschuldigung â also um die Entfernung der Schuld. FĂŒr viele Opfer ist diese Bitte ein langgehegter Traum, der oft nicht in ErfĂŒllung geht.
Leider wird der Begriff der Entschuldigung in der Erziehung immer wieder als Druckmittel verwendet. Eltern oder Erzieher fordern von einem der Kinder, dass es »sich entschuldigt«, und vom anderen Kind, dass diese Entschuldigung angenommen wird. Oft wird dann auch noch gefordert, dass die Kinder sich hinterher »vertragen sollen«. Hierbei kann es sich um ein erzieherisches Druckmittel handeln, das den Erwachsenen schnelle Ruhe verschaffen soll. Solche Situationen haben wenig mit Vergeben oder Versöhnen zu tun. Eine Entschuldigung ist also ein zwischenmenschlicher Prozess. Vergebung ist jedoch nicht von einer Entschuldigung abhĂ€ngig (eine kurze Anleitung fĂŒr eine sprachlich sinnvolle Bitte um Entschuldigung finden Sie im Kapitel 10).
Vergeben ist ein innerer Vorgang. Jemand, der verletzt oder geschÀdigt worden ist (das Opfer), entscheidet sich aus seinem eigenen freien Willen:
âą auf jegliche Rache zu verzichten
âą die Vergangenheit vergangen sein zu lassen
⹠sich der Gegenwart und Zukunft mit den jetzt bestehenden Möglichkeiten und Chancen zuzuwenden
âą fĂŒr den eigenen Weg in die Zukunft die Verantwortung zu ĂŒbernehmen
⹠den TÀter (so weit wie möglich) wieder als Menschen mit seinen individuellen EinschrÀnkungen und QualitÀten zu betrach...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhalt
- 1. Einleitung
- 2. Was ist Vergeben?
- 3. Was hindert mich am Vergeben?
- 4. Vergeben, wie geht das denn?
- 5. Wie kann ich mit Ignatius meditieren?
- 6. Einen Vergebensprozess beginnen
- 7. Verletzungen und den Verlust in vollem Umfang anerkennen
- 8. Vergebungsritual
- 9. Wie gehe ich mit meinen Gedanken und GefĂŒhlen um?
- 10. Wie will ich jetzt meine Zukunft gestalten?
- 11. Und was ist, wenn ich Mitschuld habe â oder mich mitschuldig fĂŒhle?
- 12. Das Sakrament der Versöhnung
- 13. Ausblick
- Anmerkungen
- Weitere BĂ€nde