Blaues Blut
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Royale Geschichten aus der Schweiz

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Blaues Blut

Royale Geschichten aus der Schweiz

About this book

Besitzt die Schweiz einen besonders innigen Bezug zu Königinnen und Kaisern, gerade weil sie nie welche hatte? Der Historiker Michael van Orsouw erzählt 13 royale Geschichten, die sich in den letzten gut 200 Jahren in der Schweiz abgespielt haben. Er beschreibt in leichtfüssiger Art die Euphorie der Eidgenossen und ihr Interesse am Schicksal der gekrönten Häupter, die das Land besuchten: dem inkognito reisenden Kaiser Joseph von Österreich, dem Schweiz-FanZar Alexander von Russland, dem Schiller-Verehrer Ludwig von Bayern und der berühmtesten Touristin, Queen Victoria. Ob traurig wie der Leichenzug von Elisabeth "Sisi" von Österreich, tragisch wie der tödliche Unfall Astrids von Belgienoder spektakulär wie der Waffenkauf Haile Selassies: Schillernd ist der historische Boulevardstoff allemal. Eingebettet in die Zeitumstände, schildert der Autor nicht nur die bekannten Geschichten, sondern fördert auch viele unbekannte Details zutage.

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Information

Year
2019
eBook ISBN
9783039199570
Edition
1

«Es sind nicht alle gleich, die mit dem Kaiser reiten.»

REDEWENDUNG

Haile Selassie, Kaiser von Abessinien

DER SCHWARZE KAISER INMITTEN VON WEISSEN

WER
Haile Selassie. Er hiess ursprünglich Ras Tafari Mahonnen.
WANN
Geboren am 23. Juli 1892 in Edjersso, gestorben unter ungeklärten Umständen am 25. August 1975 in Addis Abeba in Äthiopien.
WAS
Er war Regent von Äthiopien (1916–1930), Kaiser von Abessinien (1930–1936, 1941–1974) und «Negus Negesti» (König der Könige), er nannte sich den 225. Nachfolger des Königs Salomon.
WIE
Während seiner Regierungszeit modernisierte er sein Land, auch mit der Hilfe des Westens. Im Verlauf der langjährigen Regentschaft kamen vermehrt Stimmen auf, die den Kaiser als rückständigen Autokraten kritisierten. Mit seiner Absetzung 1974 fand ein 3000 Jahre altes Kaiserreich sein Ende. Für die Anhänger der weltweit verbreiteten Rastafari-Glaubensrichtung lebt er weiter, sie verehren ihn als Messias.
BEZUG ZUR SCHWEIZ
Haile Selassie besuchte die Schweiz drei Mal: 1924, 1936 und 1954. Zudem soll er mehrmals für Arztbesuche kurz in der Schweiz gewesen sein.

Wie der äthiopische Kaiser Haile Selassie 1954 die Schweiz bereist. Warum er den «Roten Pfeil» benützt und wie er erfrischende Exotik verströmt. Wieso er mit der Schweiz auch ungute Gefühle verbindet. Und warum er geradezu freundschaftlich mit Waffenhersteller Bührle verbunden ist.

Im neuen Badezimmer im barocken Landschloss Jegenstorf steht seit 1954 eine vergoldete Badewanne. Der Einbau kostete 18 000 Franken, ein für die damalige Zeit hoher Preis. Auch die Zentralheizung wurde revidiert, und die Küche mit einem neuen Elektrobackofen und einem Kühlschrank ausgestattet. Schliesslich lieh die Schlossverwaltung repräsentative Möbel im Historischen Museum Bern aus und mietete edle Teppiche hinzu.
Es ist offensichtlich: Die offizielle Schweiz und der Stand Bern wollen sich nicht lumpen lassen, wenn vom 25. bis 28. November 1954 Kaiser Haile Selassie zu Besuch kommt und im bernischen Schloss Jegenstorf logiert. Der Kaiser wirkt etwas einschüchternd mit seinen eindrucksvollen Titeln «Der siegreiche Löwe aus dem Stamme Juda», «Der König der Könige», «Der Auserwählte Gottes» und «Der Kaiser von Äthiopien». In den Schweizer Medien wird er der Einfachheit halber «Negus» genannt, was jedoch herabsetzend ist, da der Begriff König bedeutet und viele Stammesälteste in Äthiopien Könige sind. Der in die Schweiz reisende Kaiser ist jedoch der «Negus Negesti», der «König der Könige». Sein privater Name Haile Selassie bedeutet übrigens «Die Macht der Dreieinigkeit», er hat ihn in aller Unbescheidenheit selbst gewählt und trägt ihn seit seiner Krönung 1930.
Selassies Land heisst Äthiopien; Abessinien ist ein Teil davon. Das ganze Land Äthiopien ist so gross wie Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande und die Schweiz zusammen. Weil es hügelig ist und nie kolonialisiert wurde, nannte es der bekannte Schweizer Afrikaforscher Werner Munzinger-Pascha «die afrikanische Schweiz». Im Gegensatz zur Schweiz ist Äthiopien sehr dünn besiedelt und gilt als Land der Märchen und Wunder.
Wunderliches erlebt nun auch die Schweiz, als der Kaiser zu Besuch kommt. Denn Kaiser gibt es 1954 auf der Welt nicht mehr viele: Der habsburgische Kaiser Karl I. ist ebenso im Exil verstorben wie der deutsche Kaiser Wilhelm II. Der 62-jährige Selassie ist der einzige Kaiser, der noch wirklich über ein Land herrscht. Das führt zu Ver- und vor allem zu Bewunderung.
Nun bereist dieser Kaiser die Schweiz. Bei seiner Ankunft in Basel wird der «König der Könige» auf Perron eins von Bundesrat Max Petitpierre, lokaler Prominenz und viel Militär empfangen. Die sonst so nüchternen Basler Bahnhofshallen sind mit Blumen, Lorbeerkränzen und Fahnen geschmückt, und auf dem Perron liegt ein riesiger Teppich mit dickem Flor ausgebreitet. Der Kaiser wirkt mit seinem hohen Zweispitzhut, von dem das Löwenhaar wallend herunterfällt, mit den farbigen Orden und dem Krummsäbel wie aus einer anderen Welt und einer anderen Zeit. Das offizielle Händeschütteln führt die scheinbar getrennten Welten zusammen, danach schmettert die Militärkapelle die abessinische Landeshymne. Der Kaiser schreitet salutierend die 140 Mann umfassende Ehrenkompanie ab und zwei Basler Trachtendamen – von denen eine früher als Lehrerin in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba gewirkt hat – überreichen ihm grosse Blumensträusse. Wenige Minuten nach der Ankunft geht die kaiserliche Tour de Suisse bereits weiter, der hohe Gast besteigt den «Roten Pfeil», die elegante Zugsformation RAe 4/8 1022 der Schweizerischen Bundesbahnen, die erst seit einem Jahr in Betrieb ist. Der sogenannte Doppelpfeil besticht durch seine besonders luxuriöse Innenausstattung und führt den Kaiser in den nächsten Tagen quer durch die Schweiz.
Der Kaiser von Äthiopien kommt mit seiner rund zwanzigköpfigen Entourage und seinem 3000 Kilogramm schweren Gepäck im Landschloss Jegenstorf unter, während er tagsüber ein dichtes Reise- und Ausflugsprogramm durch die Schweiz absolvieren wird.
Nach der Ankunft auf dem Schloss gibt es einen märchenhaften Empfang für 250 Personen und ein exklusives Diner für dreissig geladene Gäste: Dabei serviert das Personal des noblen Berner Hotels Bellevue ein aufwendiges Sechs-Gang-Menü mit erlesenen Zutaten und köstlichen Weinen. Doch der äthiopische Kaiser ist weder ein geniesserischer Weinkenner noch ein grosser Esser; während andere dem Champagner und gut gelagertem Wein zusprechen, begnügt er sich mit Fruchtsaft. Zu Ehren des hohen Gasts spielt das Stadttheater Bern Ausschnitte aus Richard Wagners Oper «Lohengrin» und aus Richard Strauss’ Operette «Der Rosenkavalier».
Nach dem Festessen ruht sich der Kaiser im ersten Stockwerk des Schlosses aus, in einem Zimmer mit Blick auf den Schlossweiher und den Park. Dutzende von Soldaten, Polizisten, Detektiven und Wachhunden sichern das Anwesen und damit den Aufenthalt des Kaisers. Der Bodyguard des Kaisers, der ihm zugeteilte Berufsoffizier Heinrich Städeli, weicht nicht von der Seite des hohen Gasts. Dazu eine kleine Anekdote: Als der Kaiser mit dem Bundesrat ins Gespräch vertieft ist, schnappt sich Offizier Städeli ein Souvenir. Er reisst aus dem kaiserlichen Zweispitz heimlich eines der echten Löwenhaare. Sorgfältig wird er dieses während Jahrzehnten in einem Umschlag aus Zellophan aufbewahren.
Der Staatsbesuch des äthiopischen Herrschers ist ein präzise durchkomponiertes Grossereignis. Es ist übrigens erst das siebte Staatsoberhaupt, das die Schweiz besucht, und Haile Selassie ist nach dem etwas wunderlichen deutschen Kaiser Wilhelm II. (siehe Seite 209 ff.) der zweite Kaiser in offizieller Mission.
100 000 SCHAULUSTIGE IN BERN
Auf dem Programm des Staatsbesuchs stehen Abstecher nach Bern, Zürich, Baden und Genf. Der Kaiser bringt mit seinen farbigen Uniformen, den goldbesetzten Orden, den ornamentalen Hüten mit echtem Löwenhaar und der dunklen Hautfarbe Exotik und Abwechslung in den grauen Schweizer November. Die Zeitungen berichten täglich und detailliert über den Kaiserbesuch, und die Schweizer Illustrierte bringt sogar eine Extraausgabe heraus und interpretiert jedes Detail: «Die absolute Unbewegtheit der fast zierlich zu nennenden Gestalt mit den feingliedrigen Händen gibt der Erscheinung im Stehen wie im Sitzen etwas vollkommen Sicheres und Abgeschlossenes.»
Das Interesse am hohen Besuch ist immens. In der Stadt Bern jubeln dem Kaiser mehr als 100 000 Schaulustige zu, sie schwenken Fähnchen und rufen «Hurra!», als Haile Selassie winkend in der offenen Kutsche durch Berns Altstadtgassen fährt. Am Strassenrand jubeln auch viele Kinder, die sogar schulfrei haben. Geleitet von Polizisten auf Pferden und einem Kavallerieschwadron ziehen vier Pferde den Landauer, in dem der Staatsgast sitzt. Viele Zeitzeugen können sich später lebhaft an den Kaiser aus Afrika erinnern und erzählen noch Jahrzehnte davon.
Damit der Kaiser an diesem grauen Novembertag nicht friert, haben die umsichtigen Schweizer Gastgeber vorgewärmte Ziegelsteine in die offene Kutsche gelegt. Vor dem Bundeshaus fährt der Konvoi noch eine Platzrunde, bevor Stadtmusik, Ehrenkompanie und Bundesrat den hohen Gast in Empfang nehmen.
Diese offen gezeigte Begeisterung für den Kaiser ist auch eine Art Wiedergutmachung der Schweiz. Denn Haile Selassie hat zuvor zwei Mal schlechte Erfahrungen in der Schweiz gemacht. Blenden wir kurz zurück.
Das erste Mal war er 1924 in der Schweiz gewesen, er hiess damals noch «Ras Tafari Mahonnen», war weder König noch Kaiser, sondern «nur» Regent unter Kaiserin Zaudita. Im Rahmen einer längeren Auslandsreise mit Abstechern nach Frankreich, Italien, England und Schweden kam er damals nach Genf. Doch musste er Hals über Kopf in seine Heimat zurückreisen, weil ein Staatsstreich geplant war, bei dem man ihn absetzen wollte. Er kam gerade noch rechtzeitig zu Hause an und blieb an der Macht.
Auch seine zweite Schweizer Reise führte ihn nach Genf. Inzwischen war er bereits Kaiser und kam 1936 als Bittsteller zur Versammlung des Völkerbunds, dem damals einzigartigen supranationalen Forum. Italien unter dem faschistischen Diktator Benito Mussolini hatte Abessinien mit Giftgas bombardiert, besiegt und annektiert. Kaum trat Haile Selassie in Genf ans Rednerpult, gellten Pfiffe durch das Palais des Völkerbunds: Es waren italienische Journalisten, die von der Pressetribüne pfiffen und den Redner mit Zwischenrufen störten – eine Respektlosigkeit sondergleichen, dessen war man sich einig. Unter grosser Aufregung eilten Polizisten zur Tribüne und nahmen die störenden Journalisten nach einem unrühmlichen Handgemenge fest. Erst dann konnte der Kaiser weitersprechen und verlangte von den Grossmächten rigorose Massnahmen und wirksame Sanktionen gegen den Aggressor Italien.
Zwar löste die Rede auf der ganzen Welt eine starke Wirkung aus, aber nur moralisch. Die bewegende Ansprache veranlasste die Staatsmänner keineswegs, Äthiopien wirklich zu helfen. Tatsächlich bedeutete die Abfuhr für den Kaiser einen Verrat an der Idee des Völkerbunds. Das System kollektiver Sicherheit, das der Völkerbund gerade kleineren Staaten bieten sollte, versagte hier komplett; Selassies Zurückweisung stellte den Anfang vom Ende des Völkerbunds dar.
Der «König der Könige» sondierte im Anschluss an die Rede, ob wenigstens für ihn persönlich ein Exil in der neutralen Schweiz möglich wäre. Doch der Bundesrat lehnte etwas gewunden ab: «Die Einräumung eines dauernden Gastrechts an ein fremdes Staatsoberhaupt, das sich selbst im Kriege mit einem unserer Nachbarstaaten betrachtet, müsste zu Unzukömmlichkeiten führen.» Eine Karikatur von damals zeigt Bundesrat Giuseppe Motta, der als Mussolini-Bewunderer galt, wie er dem flüchtenden Kaiser die Türe vor der Nase zuschlägt. «Es tuet mir leid, ich dörf niemer ineloh», steht unter der Zeichnung.
IN AMERIKA DER MANN DES JAHRES
Doch nun, 1954, sind die Umstände beim Schweizer Besuch des Kaisers ganz anders. Haile Selassie ist seit 1941 wieder in seiner Heimat und als Kaiser in Amt und Würden. Jetzt soll er einen guten, bleibenden Eindruck der Schweiz gewinnen, dafür wollen die Schweizer Behörden sorgen, unter anderem mit der vergoldeten Badewanne. In den internationalen Gazetten wird Haile Selassie wie ein Politstar gefeiert. Obwohl er ein absolutistischer Herrscher ist, der wie einst der Sonnenkönig Frankr...

Table of contents

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. INHALT
  5. VORWORT
  6. JOSEPH II., RÖMISCH-DEUTSCHER KAISER: Des Kaisers neue Moden
  7. LOUIS-PHILIPPE I., KÖNIG DER FRANZOSEN: Der Freier der Köchin
  8. GUSTAV IV. ADOLF VON SCHWEDEN: Der Getriebene und Verjagte
  9. ZAR ALEXANDER I.: Die Umarmung des Zaren
  10. KAISER NAPOLEON III.: Die wilden Jahre des Kaisers
  11. QUEEN VICTORIA, KÖNIGIN VON GROSSBRITANNIEN: Die gebrochene Majestät
  12. LUDWIG II., KÖNIG VON BAYERN: Der rätselhafte Exzentriker
  13. ELISABETH, KAISERIN VON ÖSTERREICH-UNGARN: Der kaiserliche Krimi in Genf
  14. WILHELMINA, KÖNIGIN DER NIEDERLANDE: Die Werbebotschafterin der Schweiz
  15. WILHELM II., KAISER DEUTSCHLANDS UND KÖNIG VON PREUSSEN: Wie ein Schweizer Volksheld
  16. KÖNIGIN ASTRID VON BELGIEN: Der europäische Unglücksfall
  17. KAISER KARL I. UND KAISERIN ZITA: Der Vertriebene und die Ewiggestrige
  18. HAILE SELASSIE, KAISER VON ABESSINIEN: Der schwarze Kaiser inmitten von Weissen
  19. ANHANG
  20. LITERATUR
  21. BILDNACHWEIS
  22. AUTOR UND DANK