Johnny B. Goode im Weltraum
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Johnny B. Goode im Weltraum

Protest, Ekstase, Provokation - 25 Jahre Rock'n'Roll

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Johnny B. Goode im Weltraum

Protest, Ekstase, Provokation - 25 Jahre Rock'n'Roll

About this book

ROCK'N'ROLL! Wann und wo ist er entstanden? Wofür steht er? Gab es eine Kulturrevolution der Jugend? Welches waren die wichtigsten Songs? Wer waren die einflussreichsten Protagonisten?Essayistisch, erzählend, manchmal auch aufzählend und auf knappem Raum rauscht der Autor Kai Sichtermann, Bassist und Gründungsmitglied der Band Ton Steine Scherben, einmal durch die Rock'n'Roll-Geschichte - von den 1950er bis Ende der 70er Jahre.

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Information

Interlog

Welche Musik hörten die Armen, die Schwarzen, unangepasste Künstler, Rebellen und Desperados während und nach dem großen Krieg in den USA? Wahrscheinlich eher schwarze Race-Music (Jazz und Rhythm & Blues), vielleicht besonders Bebop. Eventuell auch Lieder wie Strange Fruit (1939) von Billie Holiday. Die schwarze Jazz-Sängerin schaffte es »jenen ergreifenden Titel Strange Fruit so zu interpretieren, dass er regelrecht zur Hymne aller wurde, die die Erinnerung an die Plantagenarbeit nicht gelöscht hatten, so wie sie in Billie Holidays eigener Familie wach war. Und die Sängerin, die oft nur Hintereingänge zu den Clubs benutzen durfte, in denen sie vor Weißen auftrat, war intelligent genug, in ihrem eigenen gekennzeichneten Leben eine Verlängerung der Plantage zu erkennen und den ergreifenden, einen Akt von Lynchjustiz thematisierenden Song zu hinterlassen.«9
Albumcover
Andere populäre Songs waren This Land Is Your Land (1940) von Woody Guthrie oder das anklagende Sixteen Tons (1947) von Merle Travis, bei dem es um Ungerechtigkeiten im Bergbau geht. Angesagt waren auch Rhythm & Blues-Songs à la Louis Jordan (Caldonia, 1945) oder von Big Joe Turner Chains of Love (1951). Aber wem gebührt die Ehre den ersten »echten« Rock'n'Roll-Song veröffentlicht zu haben? Natürlich kann es darauf keine allgemein gültige Antwort geben. Ein möglicher Kandidat könnte Fats Domino mit seinem Titel The Fat Man sein, produziert 1949 in New Orleans von Dave Bartholomew. Alternativ dazu wäre Rocket 88 zu nennen, aufgenommen 1951 von Ike Turner und Jackie Brenston and his Delta Cats, produziert von Sam Phillips in Memphis, der ein Jahr später sein eigenes Platten-Label Sun Records gründete und Mitte der fünfziger Jahre wichtig für das frühe Rock'n'Roll-Business war. Sam Phillips produzierte u.a. Stars wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins, Roy Orbison und Johnny Cash in ihrer Anfangszeit.
Dann folgte der April 1954. Bill Haley & his Comets gehen in New York ins Studio und covern von Sonny Dae & his Knights den Song Rock Around the Clock; Produzent ist Milt Gabler. One, two, three o clock, four o clock, rock! Eine Mischung aus schwarzem Rhythm & Blues und weißer Country-Musik, wird zum Rock'n'Roll. Ein Jahr später hat der Regisseur Richard Brooks die Idee, den Titel am Anfang und Ende des US-amerikanischen Films Die Saat der Gewalt einzuspielen. Der Song Rock Around the Clock wird zum internationalen Superhit. Dieser Umstand war für die Film-Produzenten Grund zum Handeln und »Hollywood reagierte mit einem Rock'n'Roll-Film: Rock Around the Clock kam im März 1956 in den USA, im September in Deutschland ins Kino. Der deutsche Titel Außer Rand und Band war Programm: Während der Vorstellung brachen randalierende ›Halbstarke‹ Stuhlreihen kaputt, anschließend demolierten sie Telefonhäuschen und riefen Sprechchöre wie ›Rock and Roll‹. In allen Großstädten gab's Straßenschlachten mit der Polizei.«10 »Dieser erste Rock'n'Roll-Film hatte im Herbst 1956 erhebliche gesellschaftliche Außenwirkungen in vielen westlichen Ländern sowie in Australien und Südamerika.«11
Albumcover
Man kann wohl sagen, der Film, aber besonders der Haley-Song und damit der Rock'n'Roll als Musikströmung, lösten ein kulturelles Erdbeben aus. Ein Weltphänomen war geboren! Eine neue Form der Ekstase! Eine archaisch-rhythmische Urkraft, verbunden mit Freiheit, Schweiß und Erotik. Ein aufregendes Lebensgefühl, gepaart mit materiellen Errungenschaften wie Petticoat, Blue Jeans (Nietenhosen), Kaugummi, Coca-Cola, Zigaretten & Whiskey, Comics, Ketchup, tragbaren Plattenspielern und kleinen Transistorradios. Tanz nach Musik mit Strom-Gitarren, Bass und Schlagzeug als Grundlage, die den Mainstream erobert. Coole Lässigkeit aus Amiland, das Gegenteil von Strammstehen in Uniform. Der Protest der Nachkriegsjugend gegen bürgerliche Zwänge und Normen, gegen militante Traditionalisten findet in dieser Musik seinen Ausdruck. We're gonna rock around the clock tonight!Wir werden die ganze Nacht durchrocken! Das weiße Establishment empörte sich über die Radaumusik, die »Negermusik« und – in Deutschland, über das »Amigeheul«. Doch das hinderte viele Jugendliche auch und gerade aus armen Verhältnissen nicht daran, nach Rock'n'Roll-Musik zu tanzen oder sich eine günstige Gitarre zu kaufen, um Rock-Musik zu spielen – so der verkürzte Name, der sich im Laufe der Jahre als Oberbegriff durchsetzte. Im Vergleich zur klassischen Musik der Hochkultur war es für Anhänger des Rock'n'Roll auch ohne längere Ausbildung, wie Notenlesen und Harmonielehre, möglich eine Band zu gründen, um sich musikalisch auszudrücken.

Exkurs – Rausch der Sinne

Peter Schneider, einer der 68er-Aktivisten: »Natürlich war Bill Haleys Rock Around the Clock im Vergleich zu einer Kantate von Johann Sebastian Bach das Werk eines musikalischen Analphabeten. Nur änderte diese Einsicht nichts daran, dass Bill Haley – im Unterschied zu Bach – meinen Körper in helle Aufregung versetzte und meine Füße elektrisierte. [...] Es war dieses sture wunderbare Dadadámdamdám, das meinen Körper – und die von Millionen junger Leute – in ein und denselben Rhythmus einschwingen ließ und in Trance versetzte.« – Auch wenn die Trance Tanz-Expertin Ulrike Freimuth mit ihrem folgenden Statement eher von elektronischer Musik ausgeht, lassen sich dennoch Teile ihrer Aussage auf den Rock'n'Roll übertragen: »Für mich ist Trance Tanz Magie, Heilung, ein Ventil um emotionalen Druck abzubauen, ein Weg, um wieder den Rhythmus des Lebens in mir zu spüren, mich in meinem Körper zu Hause zu fühlen. Ich begegne mir selbst, authentisch im Hier und Jetzt. Trance Tanz schenkt mir Kraft, Freude, Lebendigkeit, leuchtende und klare Augen, Ekstase, Frieden und Liebe.«
»Wenn das, was gute Rockbands auf der Bühne präsentieren, vom Publikum aufgenommen wird, dann ergibt sich, ich würde fast sagen, so etwas wie eine magische Einheit. An einem guten Tag ist das wirklich möglich. So etwas wie Massenhypnose, eben das was gute Rockkonzerte immer auslösen.«12
»Im Genusse dieses Tanzes, Halberstickt in diesem Wirbel, Vergessend die Ziele des heißen Begehrens, Widmet der Geist sich dem Spiel der Berauschung. Auf mächtigen Flügeln Neuen Begehrens, Wird er getragen, Ins Reich der Ekstase.
Diese Verse sind dem Gedicht entnommen, das Alexander Skrjabin seinem 1908 fertiggestellten Orchesterwerk Le poème de l´extase beigefügt hat. [...] Zu allen Zeiten und in allen Kulturen haben Menschen außergewöhnliche Zustände des Erlebens gesucht (oder auch gefürchtet) und den damit verbundenen, nicht alltäglichen Erfahrungen besondere Bedeutung zugemessen.«13
Nach dem Erfolg von Rock Around the Clock war es vor allem ein schwarzer Musiker, der wie kaum ein anderer neue aktuelle Rock-Klassiker schrieb. Chuck Berry, Komponist, Texter, oder besser gesagt Poet, Sänger und astreiner Rock'n'Roll-Gitarrist, der mit verschmitztem Gesichtsausdruck und seinem urkomischen Duckwalk (Entengang) die Fans bei Live-Konzerten entzückte. In Roll Over Beethoven, 1956 als Single vermarktet, sang Berry, wie sehr er auf Rock'n'Roll-Musik abfährt, und dass die klassische Musik, wie die von Beethoven, davon überrollt wird; der Titel wurde zum Schlachtruf des Rock'n'Roll. In School Days (1957) forderte Berry den Rock'n'Roll auf: erlöse mich von den alten Zeiten und in Too Much Monkey Business - for me to be invoved in (1956) machte er sich Gedanken über das Gemeinwohl: Zu viel krumme Touren, als dass ich da mitmischen würde. Die Nummer Johnny B. Goode von 1958, die Blaupause aller Rock'n'Roll-Songs, beschreibt den amerikanischen Traum: der Aufstieg vom armen, aber talentierten Gitarrenspieler zum Star, auch wenn man ein Schwarzer ist. Chuck Berry schrieb diesen Song für seinen Pianisten Johnnie Johnson, räumt aber ein: »Johnny in dem Lied bin mehr oder weniger ich selbst, obwohl es ein Lied für Johnnie Johnson sein sollte. Ich habe die Voraussagen, die meine Mutter über mich gemacht hatte, verändert und eine Geschichte erfunden, die parallel lief. [...] Wie sich herausstellte, stand mein Name eines Tages tatsächlich in Leuchtbuchstaben geschrieben und es ist eine Tatsache, daß dies hauptsächlich Johnny B. Goode zuzuschreiben ist.« Das Stück wurde 1977 als einziger Vertreter des Rock-Genres (neben 26 anderen Musik-Stücken) auf einer interstellaren Datenplatte mit den Raumsonden Voyager 1 und 2 als Grußbotschaft für Außerirdische ins All geschossen. Die Legende erzählt, dass die Aliens, nachdem sie Johnny B. Goode gehört hatten, mehr Songs des Komponisten hören wollten. - Viele Titel von Chuck, die zwischen 1955 und 1964 entstanden, sind scharf gewürzte Meisterwerke und das musikalische Fundament des Rock'n'Roll schlechthin. Kein Wunder, dass seit den späten 50ern und noch Jahrzehnte danach alle großen Rock-Veteranen Chuck Berry-Songs coverten.
Einer von ihnen war der ehemalige Lkw-Fahrer Elvis Presley – später mit dem Titel »King of Rock'n'Roll« geehrt, eine Ehrung, die eigentlich besser zu Chuck Berry gepasst hätte. »Elvis the Pelvis« – so wurde er wegen seines aufreizenden Hüftschwungs genannt – war ein exzellenter Südstaaten-Sänger mit gelegentlichem Schluckaufgesang, der beim Singen schmachtend den Mikrofonständer verführte. Elvis besaß einen so umwerfenden Sexappeal, dass es fast schon unsittlich war. Außerdem war er ein guter Rhythmusgitarrist. Als Weißer unterstützte Elvis die Aufweichung der Rassentrennung, indem er Lieder schwarzer Künstler sang, was damals ein Skandal war. 1956 erschien mit dem bluesigen Heartbreak Hotel ein Titel über Einsamkeit und gebrochene Herzen. »Das Lied Heartbreak Hotel war der erste Pop-Hit von Elvis Presley. Diese Art von Musik wurde zu seinem Markenzeichen und gilt als der typische Rock'n'Roll Song überhaupt. Elvis war einer der ersten Musiker, der Rock'n'Roll-Nummern veröffentlichte.«14 Weitere Megahits von Elvis waren 1956/57 Don't Be Cruel, Hound Dog, All Shook Up und Jailhouse Rock. Letztere Aufnahme, mit einigen unterschwelligen Andeutungen im Text, war nicht nur eine rockige Crossover-Nummer, Jailhouse Rock war auch der Titelsong in dem gleichnamigen Hollywood-Drama (in Deutschland: Rhythmus hinter Gittern, 1957) mit Presley als singendem Draufgänger in der Hauptrolle, der hinter schwedischen Gardinen landet und dort eine Rock'n'Roll-Show abzieht.
Albumcover
Let's rock, Everybody, let's rock, Everybody in the whole cell block, Was dancin' to the Jailhouse RockLasst uns rocken, alle Mann zusammen, lasst uns rocken, Jeder im ganzen Zellenblock, tanzt zum Gefängnis-Rock.
Ein Rebell im politischen Sinne war Elvis nicht, so ließ er sich z.B. ohne Protest zum Wehrdienst einziehen und spielte den braven vorzeigbaren Mustersoldaten. Doch im Knast so ausgelassen abzurocken, an einem Ort, der symbolisch für Strafe, Zwang, Disziplin und Ordnung steht – auch wenn es nur im Film ist – hatte durchaus eine rebellische Botschaft. Die Gesangsszenen in Jailhouse Rock mit den temporeichen Tanzeinlagen waren neu und damals schockierend und wegweisend für spätere Video-Clips. Als Reaktion auf den Film sollen Jugendliche Kino-Sitzposter zerfetzt oder Stühle zertrümmert haben. Ergo: Elvis Presley war der Katalysator eines Jugendkults, der spießbürgerliche Grenzen sprengte.
Der britische Journalist Ray Connolly beschrieb einmal, was Elvis für ihn bedeutete: »Das erste Mal hörte ich ihn im März 1956. Ich war ein Schuljunge in einer kleinen Stadt in Lancashire. Nichts in der Welt klang so wie er – nichts in meiner Welt jedenfalls. Damals gab es nicht einmal das Wort Teenager. Wenn man einmal ausgewachsen war, sollte man gefälligst wie eine jüngere Version seiner Eltern aussehen, und auch so denken und sprechen. In jene freudlose, vorsichtige Zeit, wo jeder seinen Platz kannte, schlug Elvis ein wie der Blitz.«15
Der Name »Rock'n'Roll« hatte in seiner Anfangszeit auch einen sexuellen Bezug und das ist mit Sprüchen wie »Rock me, Baby« bis heute so geblieben. Aber weder Bill Haley noch Chuck Berry noch Elvis Presley haben den Rock'n'Roll erfunden. Werner Voss, unübertroffener Fachmann in Sachen Rock'n'Roll und Macher der fulminanten Radiosendungen Rock'n'Roll Museum klärt uns auf: »Rock'n'Roll ist eine um 1953 willkürlich geschaffene Sammelbezeichnung, eine Art Oberbegriff für eine Vielz...

Table of contents

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Prolog
  4. Interlog
  5. Epilog
  6. Danksagungen
  7. Quellen/Zitate
  8. Songliste
  9. Über den Autor
  10. Über den Verlag
  11. Impressum