Italienische Mosaiksteine
Achtung: Eine italienische Wespe kommt Ihnen entgegen!
In der italienischen Stadt Pontedera (Provinz Pisa) summen im doppelten Sinn des Wortes Wespen und Bienen: Auf einem riesigen GelĂ€nde reiht sich Werkshalle an Werkshalle. Dort wird ein Fahrzeug hergestellt, das â Ă€hnlich wie der VW KĂ€fer â auch in Ăsterreich Kultcharakter hat: die Vespa, zu Deutsch Wespe. Fast 20 Millionen StĂŒck dieses Motorrollers wurden seit dem Jahre 1946 in alle Welt verkauft. Doch die Erfolgsgeschichte hatte indirekt bereits 1884 begonnen. Denn in diesem Jahr eröffnete in Sestri Ponente am Rande von Genua der 20-jĂ€hrige Rinaldo Piaggio (1864â1938) eine Schreinerei, die sich vor allem auf Innenausbauten fĂŒr die Schifffahrt spezialisierte; im Laufe der Zeit kamen der Innenausbau und die komplette Fertigung von Bahnwaggons, Flugzeugen und anderen Fahrzeugen hinzu. Den Grundstein fĂŒr den unternehmerischen Erfolg hatte schon sein Vater Enrico gelegt, als er 1882 das GrundstĂŒck in Sestri Ponente kaufte, welches zuerst fĂŒr ein Holzlager und ein SĂ€gewerk verwendet wurde.
Der Kult-Roller »Vespa«
Die Firma expandierte laufend und fertigte auch unter Lizenz. 1924 ĂŒbernahm sie eine Fabrik fĂŒr Motoren und Flugzeuge in Pontedera, dem heutigen Stammsitz der Firma Piaggio. Die Fokussierung der Fertigung auf Kriegsflugzeuge im Zweiten Weltkrieg fĂŒhrte fast zum Untergang des Unternehmens, denn im Oktober 1943 und Juni 1944 wurde das Werk in Pontedera bombardiert. Der damalige Firmeninhaber Enrico Piaggio II. (1905â1965), Rinaldos Sohn, stand nach Kriegsende vor der Herausforderung, mit den wenigen vorhandenen Mitteln die Fabrik wieder aufzubauen â doch was sollte hergestellt werden? Aufgrund der kriegsbedingten schlechten Verkehrsinfrastruktur war ein wendiges, einfaches und billiges Fahrzeug die Lösung: ein Motorroller, wie ihn bereits die US-Amerikaner verwendeten. Nach einem ersten erfolglosen Entwurf gelang dem Luftfahrtingenieur Corradino DâAscanio (1891â1981) im Jahre 1946 der groĂe Wurf: der Motorroller MP6 (Markenname »Vespa 98«, da der Hubraum 98 Kubikzentimeter betrug), der â wie schon sein erfolgloser VorgĂ€nger â den praktischen offenen Durchstieg und einen Direktantrieb aufwies und eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern erreichte. Um den Fahrer vor Schmutz zu schĂŒtzen, wurde der Motor komplett verdeckt untergebracht.
Wie aber kam dieser Motorroller zu seinem Namen Vespa? Dazu existiert die folgende Anekdote: Als Enrico Piaggio das Modell zu Gesicht bekam, soll er »sembra una vespa« ausgerufen haben: »Es sieht aus wie eine Wespe!« Dieser Vergleich passte aufgrund der schmalen Taille des Rollers, des rundlichen Chassis und des inzwischen typischen MotorengerĂ€usches. Letzteres könnte auch von einer Biene stammen, italienisch: ape. TatsĂ€chlich wurde von der Firma Piaggio 1948 erstmals das Lastendreirad Ape gebaut, welches wie die Biene ein Arbeitstier ist und in Italien ĂŒberall herumbrummt â im Gegensatz zu Ăsterreich, wo nur wenige Fahrzeuge dieses Typs unterwegs sind. Die Ape ist genaugenommen eine Vespa, die in der Mitte durchtrennt und deren hinterer Teil durch einen Rahmen mit zwei seitlichen RĂ€dern und einem Aufbau ersetzt ist.
In den 1950er-Jahren wurde die Vespa sukzessive auch in Ăsterreich bekannt und zu einem beliebten, weil billigen Fahrzeug, und dies vor allem bei der jungen Generation. In den spĂ€ten 1960er-Jahren verlor sie an Bedeutung, da es immer mehr Automobilhersteller und immer kostengĂŒnstigere Automobile auf dem Markt gab. Derzeit gewinnt der Motorroller â neben dem Fahrrad â in den durch PKW- und LKW-Verkehr verstopften StĂ€dten in Europa wieder an Bedeutung als stĂ€dtisches Verkehrsmittel.
Die Firma Piaggio brachte im Laufe der Jahrzehnte auch andere Motorroller auf den Markt, die nicht unter dem Label Vespa vermarktet wurden, sich aber gegen den Klassiker kaum durchsetzen konnten.
Das italienische Arbeitstier »Ape«
BerĂŒhmt wurde die Vespa im deutschsprachigen Raum auch durch den 1953 ins Kino gekommenen Film »Ein Herz und eine Krone« (Originaltitel »Roman Holiday«), in welchem die beiden Hauptdarsteller Audrey Hepburn und Gregory Peck mit einem Vespa-Motorroller Modell 125 auf abenteuerlicher Fahrt durch Rom unterwegs sind. Dieser Film war ein kleiner Teil des Weges zum groĂen Erfolg des Markennamens Vespa, der heute noch als Synonym und Ăberbegriff fĂŒr Motorroller im Allgemeinen steht. Dies ist ein Status, der nur sehr wenigen Marken (wie in Ăsterreich Almdudler fĂŒr KrĂ€uterlimonade) vorbehalten ist.
Ăbrigens: Wem die Vespa und die Ape zu wenig an Kultfahrzeugen aus Italien sind, kann sich auch bei anderen italienischen Marken umschauen, die unter Motorradfreunden bekannt sind: Aprilia und Moto Guzzi. Beide gehören inzwischen ebenfalls zum Piaggio-Konzern, der bei Motorrollern europĂ€ischer MarktfĂŒhrer ist. Apropos Marken des Konzerns Piaggio: 1987 ĂŒbernahm das italienische Unternehmen die traditionsreiche österreichische Moped-Marke Puch von der Steyr-Daimler-Puch AG.
Dass die Vespa â im Gegensatz zur Ape â in Ăsterreich weit verbreitet ist, zeigen die Verkaufszahlen bei MotorrĂ€dern. Sie ist die mit Abstand am hĂ€ufigsten verkaufte Motorrad-Marke in Ăsterreich: Derzeit werden jedes Jahr mehr als 6000 StĂŒck dieses Kult-Zweirades abgesetzt. Wie es derzeit aussieht, wird sich an dieser italienischen Dominanz in naher Zukunft nichts Ă€ndern.
Ein Wiener Ausflugsziel aus dem Friaul
»Das ist eine Stunde weit von Wien, wo ich schreibe. es heist Reisenberg. Ich war schon einmal ĂŒber nacht hier; und izt bleib ich etwelche TĂ€ge. â Das hĂ€uschen ist nichts; aber die Gegend! â der Wald â worinen er eine grotte gebauet, als wenn sie so von Natur wĂ€re. Das ist PrĂ€chtig und sehr angenehm.« Diese Zeilen ĂŒber das Ausflugsziel Cobenzl nahe dem Wiener Weinbauort Grinzing schrieb kein Geringerer als der Komponist Wolfgang AmadĂ© Mozart (1756â1791) am 13. Juli 1781 an seinen Vater. Der Musiker war vom damaligen Besitzer Graf Johann Philipp Cobenzl persönlich fĂŒr einige Tage auf den Besitz am Reisenberg eingeladen worden. Mozart kannte den Grafen â wie so viele andere der Wiener Gesellschaft â bereits von einer seiner Reisen als »Wunderkind«. Sie waren einander erstmals im Zuge des BrĂŒsselaufenthaltes der Familie Mozart im Herbst 1763 begegnet. Jahre spĂ€ter war Anne Charlotte Alexandrine de Thiennes e Rumbeke, eine Cousine Cobenzls, KlavierschĂŒlerin bei Mozart. Der Unterricht erfolgte in der Wollzeile im Wiener Stadtpalais von Graf Cobenzl.
Das Schloss-Hotel Cobenzl, um 1935
Doch zurĂŒck zum Reisenberg: Der Name des einstigen Besitzers Cobenzl ging noch zu dessen Lebzeiten auf die Gegend ĂŒber: Der Reisenberg wurde zum Cobenzl. Seit dem spĂ€ten 18. Jahrhundert nutzen Generationen von Wienerinnen und Wienern den Cobenzl als Ausflugsziel. Die interessante Geschichte des Gebietes beginnt jedoch schon Mitte des 18. Jahrhunderts und fĂŒhrt uns in das italienische Gorizia (deutsch: Görz). Die Grafschaft Görz war mit kurzen Unterbrechungen mehr als 400 Jahre ein habsburgisches Kronland. Heute ist Gorizia als Hauptstadt der gleichnamigen italienischen Provinz ein Teil der Region Friaul-Julisch Venetien. Als mit dem Frieden von Paris 1947 die Staatsgrenze zwischen Italien und Jugoslawien neu gezogen wurde, besiegelte man die seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende Teilung der Stadt. Der kleinere östliche Teil kam zu Jugoslawien und bildet seither die spĂ€ter ausgebaute Stadt Nova Gorica, die heute zu Slowenien gehört. Die von einer mĂ€chtigen Burg ĂŒberragte Stadt Gorizia war ĂŒber die Jahrhunderte von verschiedenen Volksgruppen und Herrschern geprĂ€gt worden. Auch heute noch spĂŒrt, sieht und hört man die verschiedenen EinflĂŒsse: So leben italienisch-, slowenisch-, friulanisch- und deutschsprechende Menschen in der zweitgeteilten Stadt, die durch den EU-Beitritt Sloweniens langsam wieder zusammenwĂ€chst.
Im italienischen Teil der Stadt wohnte und starb im familieneigenen Palazzo Graf Guido Cobenzl, der Vater von Johann Philipp. Das seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare Geschlecht derer von Cobenzl â ursprĂŒnglich aus KĂ€rnten stammend â besaĂ vor allem im Herzogtum Krain und der Grafschaft Görz GĂŒter und ist seit 1675 im Reichsgrafenstand nachweisbar. Obwohl Johann Philipp Cobenzl im MĂ€rz 1741 in Laibach geboren wurde, verbrachte er groĂe Teile seiner Kindheit in Gorizia. Mit 22 Jahren begann er seine TĂ€tigkeit im Staatsdienst bei der sogenannten Rechnungskammer in BrĂŒssel. Ab Dezember 1768 war Johann Philipp wirklicher Hofrat und PrĂ€sident der Zollcommission. 1772 zog er nach Wien. Mit der Ernennung zum VizeprĂ€sidenten der Banco-Deputation im Mai 1774 stieg sein Gehalt von 5000 auf 8000 Gulden pro Jahr. Dies ermöglichte ihm nach seinen eigenen Worten den Kauf »einer strohgedeckten HĂŒtte mit einem kleinen StĂŒck Grund rundherum auf einer der Höhen des Kahlenberges um 1200 Gulden«, um dort den Sommer zu verbringen. Wie er selbst bemerkte, suchte er hier »Ruhe und VergnĂŒgen«. Das bestehende GebĂ€ude lieĂ Cobenzl in mehreren Phasen vergröĂern. Er schrieb in seinen Lebenserinnerungen: »FĂŒr diese strohgedeckte HĂŒtte, die nach und nach zu einem Hause wurde, und fĂŒr diesen Grund, der nach und nach zu einem Park mit einem Gehöft wurde, habe ich im Laufe von 30 Jahren an die 400 000 Gulden ausgegeben. Eine Ausgabe, die ich nie bereut habe, da sie mir 30 Jahre VergnĂŒgen beschert hat.« Der Landschaftsgarten rund um das einfache Landhaus wurde in den folgenden Jahrzehnten von vielen Besuchern â in manchen FĂ€llen euphorisch â geschildert. Der Deutsche Christoph Meiners, Philosophieprofessor in Göttingen, schrieb 1788 nach seinem Besuch: »Der Graf von Cobenzl hat eine Wildnis in einen berĂŒhmten Garten umgeschaffen [âŠ]. Der Hauptcharakter des Cobenzlischen Gartens ist eine einladende LĂ€ndlichkeit, die daher entsteht, daĂ die Natur fast alles, und die Kunst wenig, oder gar nichts gethan zu haben scheint, oder wenigstens nicht auf eine unangenehme Art hervordringt.« Die zahlreichen Aussichten auf die Stadt Wien und die Donaulandschaft, der Waldreichtum und die zahlreichen hölzernen Staffagebauten (Schmuckbauten) fĂŒhrten dazu, dass die Anlage am Reisenberg von den Zeitgenossen bewundert wurde. Der Landschaftsgarten bildete einen der mit Vorliebe gewĂ€hlten Zielpunkte fĂŒr die AusflĂŒge der adeligen und bĂŒrgerlichen Gesellschaft Wiens. Besonderer Anziehungspunkt vieler AusflĂŒgler war die Meierei. Sie war Teil einer Musterlandwirtschaft mit Feldern, Wiesen und WeingĂ€rten. Eine eigene Wasserleitung sorgte fĂŒr frisches Wasser. Im Gasthaus konnte die im guten Ruf stehende »Alpenmilch« konsumiert werden. Milch, KĂ€se und Schlagobers wurden auch zum Verkauf mit einem Milchwagen in die Stadt gefĂŒhrt. Die Milch kam in das grĂ€fliche Palais, wo eine der ersten herrschaftlichen Milchverkaufsstellen Wiens etabliert war, in der ausschlieĂlich »Herrschaften« bedient wurden. Am Vortag musste man durch Bedienstete die kuhwarme Milch (Lait naturel), die abgerahmte Milch (Lait clair) oder das Obers (Creme fraiche) bestellen lassen.
Die natĂŒrlich wirkenden Staffagebauten, die Cobenzl an attraktiven Punkten verstreut aufstellen lieĂ, eröffneten einen guten Blick auf die Stadt Wien und die Donaulandschaft. Die meisten dieser Bauten bestanden aus Holz, wie zum Beispiel die AlpenhĂŒtte, der Baumtempel und der gothische Tempel. UnabhĂ€ngig von diesen viel gepriesenen Attraktionen stieg Johann Philipp Cobenzl kontinuierlich in der Beamtenhierarchie auf. Höhepunkt war seine Funktion als Haus-, Hof- und Staats-Vizekanzler. Nach seiner Abberufung war er noch einige Jahre Gesandter in Paris.
Trotz zahlreicher schriftlicher und bildlicher Quellen hĂ€lt sich bis heute hartnĂ€ckig die Legende, Cobenzl hĂ€tte auf dem Reisenberg ein reprĂ€sentatives Sommerschloss errichten lassen. Der Umbau von einem einfachen Landhaus zu einem schlossartigen GebĂ€ude erfolgte jedoch erst unter einem spĂ€teren Besitzer: Franz Simon Graf von Pfaffenhofen kaufte 1811 â nach dem Tod Cobenzls â den Reisenberg. Bei den kurzlebigen und leicht zerstörbaren Naturmaterialien â wie BaumstĂ€mmen, Ăsten, Borken â, die Cobenzl fĂŒr die Gartenarchitektur verwendete, nimmt es nicht Wunder, dass die Anlage nach seinem Tod ohne Pflege und AusbesserungsmaĂnahmen rasch verfiel. Die nachfolgenden Besitzer hatten entweder nicht das Geld oder kein Interesse am Erhalt des Landschaftsgartens.
Das Schlosshotel Cobenzl mit Restaurant, wie wir es von alten Postkarten her kennen, geht auf die Allgemeine österreichisch-hollĂ€ndische Baugesellschaft zurĂŒck, die das GelĂ€nde mit allen GebĂ€uden 1896 kaufte. Das Schlosshotel samt dem bis zum Krapfenwaldl reichenden Grundbesitz mit einer GesamtflĂ€che von rund 135 Hektar ging 1907 an die Gemeinde Wien, die das Hotel und das Restaurant 1911 neu eröffnete. Der Bau einer eigenen StraĂe von Grinzing auf den Cobenzl, die spĂ€ter in die HöhenstraĂe einbezogen wurde, kam auch Touristen zugute. WĂ€hrend des Zweiten Weltkrieges diente das Schloss als Lazar...