Präzision und Phantasie

Sehgal-Homöopathie und Hypnose

Petra Vetter

• Editorial: Books on Demand
• Año: 2014
• ISBN:
  9783735730916
• Edición: 1
• Categoría: Medicine
• Categoría: Medical Theory, Practice & Reference

Zwei sehr unterschiedliche Therapieformen werden hier kombiniert: Die gemütsorientierte Homöopathie nach Sehgal und die Hypnose. Wertvoll für Sehgal-Homöopathen sind die präzise herausgearbeiteten Gemütsrubriken und die facettenreichen Arzneimittelbearbeitungen. Die jeweils zugeordneten Trancetexte ermöglichen ein vertieftes, bildhaftes Verständnis beider Elemente. Hypnotherapeuten entdecken eine Fundgrube von Trancetexten und Methaphern, sowie Feinheiten in der Anamneseerhebung.In den Falldarstellungen wird die Kombination dieser beiden Therapieformen verdeutlicht.

ARZNEIMITTEL UND HYPNOSE

Im Folgenden werden ein paar Arzneimittel wie Persönlichkeiten beschrieben. So, wie ich sie in der Praxis erlebt habe, und wie sie sich mir aus den Rubriken und aus der Literatur erschließen. Dabei muss gegenwärtig bleiben, dass Bilder – also auch Arzneimittelbilder – immer Reduktionen darstellen, eben nur Abbildungen der Wirklichkeit. So wie die geläufigen Piktogramme uns auf dem Bahnhof zum gesuchten Platz leiten können. Niemand wird aber z.B. das Koffer-Piktogramm mit der Gepäckaufbewahrung selbst verwechseln oder sich darüber wundern, dass diese auf jedem Bahnhof anders aussehen. Für eine schnelle Orientierung sind solche Abbildungen aber oft hilfreich.

Je länger ich mich mit Konstitutionsmittelbeschreibungen beschäftigte, umso dankbarer wurde ich für das Sehgalsche PPP- Konzept. Seit ich damit arbeite, geht es immer nur darum, den gegenwärtigen, vorherrschenden und anhaltenden Gemütszustand des jeweiligen Patienten zu erfassen und das entsprechende Arzneimittel zu finden. Keine gedanklichen „Schubladen“ mehr für z. B. „sympathische“ Phosphorus- oder Pulsatilla- Typen oder „unsympathische“ Arsenicum- oder Platinum- Charaktere. Das erhält mir mehr Offenheit in der Wahrnehmung meiner Patienten und erweitert meinen Denk- und Handlungsspielraum..

Daher sei auch hier noch einmal betont, dass es sich bei den folgenden Arzneimitteldarstellungen nicht um feststehende Charaktere handelt, sondern um Zustandsbeschreibungen. Und natürlich kann es sich immer nur um Facetten, um Teile des jeweiligen Zustandes handeln, niemals um ein vollständiges Bild.

Die Beschäftigung mit den verschiedenartigsten Gemütszuständen erleichtert die hypnotherapeutische Umsetzung in Märchen, Metaphern und Parabeln. Die hier aufgeführten Beispiele stellen jeweils eine mögliche Facette des genannten Arzneimittels dar.

Die zugeordneten Trancetexte bauen aus einigen, wenigen Rubriken auf, die jeweils angegeben sind. Natürlich sind solche Texte oft auch in anderem Zusammenhang einsetzbar.

M. L., Sanjay und Yogesh Sehgal erklären Arzneimittel aus den Rubriken heraus. Autoren, die Konstitutionstypen erarbeitet haben, unterstreichen nur gelegentlich einzelne Aussagen durch Rubriken. Hier habe ich ergänzt.

APIS MELLIFICA

398 Gemütsrubriken, davon

44 Single-Rubriken

King- pin:

• Angst, Husten, durch, zerplatzen; Angst, etwas würde

HOMÖOPATHISCHE BETRACHTUNG – FIT UND FLEISSIG

Apis hat gern etwas zu tun >Geschäftig, betriebsam<, am liebsten etwas bauen. Eine Garage zum Haus, daran dann einen Schuppen, daneben ein Kinderspielhäuschen usw. usw. … Wenn das eine Projekt beendet ist, wird gleich das nächste begonnen. Dabei ist er immer in Eile >Hast, Eile<. so sehr, dass er durch Ungeschicklichkeiten auffällt und sich häufiger verletzt. Aber das wird ausgeblendet. Verletzungen oder Krankheit will er einfach nicht wahrhaben >Gesund, sagt er sei, wenn er sehr krank ist<, >Gleichgültigkeit, Apathie, klagt nicht<. Da kann er richtig stur werden. >Eigensinnig, starrköpfig, dickköpfig - nichts; erklärt, es fehle ihm< In dieser Rubrik befindet sich außer Apis nur noch Arnika. Wird er von Familie oder Freunden auf seine deutlichen Symptome angesprochen, kann er sehr gereizt reagieren >Reizbarkeit, Gereiztheit, gefragt wird, wenn er<, sogar dem herbeigerufenen Therapeuten gegenüber >Reizbarkeit, Gereiztheit - schickt- Arzt nach Hause und sagt, er sei nicht krank< (Apis, Arn. Cham.).

Für Apis ist die Homöopathie die ideale Behandlungsform. Schnell mal ein Kügelchen schlucken und weiter geht es. Und schließlich – hat er es nicht gleich gesagt? – Er ist überhaupt nicht krank!

Darüber hinaus beschreibt Vithoulkas Apis- Patienten als Menschen mit ausgesprochen intensiven Gefühlregungen, besonders auf der sexuellen Ebene. Sie können diese aber nicht so leicht ausdrücken und halten sie daher verborgen (vgl. Vithloulkas, 2009). Die sexuelle Manie bis hin zur Nymphomanie, wie Sie Gawlik beschreibt, lässt sich daher nicht so leicht feststellen. (vgl. Gawlik, 1999). Eher wird von der deutlichen Reizbarkeit berichtet, wenn Apis bei der Arbeit gestört wird.

In der Rubrik >Reizbarkeit, Gereiztheit - gestört wird; wenn er< ist Apis nicht enthalten. Er, reagiert bereits aggressiv, wenn er nur gefragt wird >Reizbarkeit, Gereiztheit, gefragt wird, wenn er<.

Fraser sieht in der Eifersucht von Apis das deutlichste Gemütssymptom, das er am stärksten in der Arbeitsbiene repräsentiert sieht: >Beschwerden durch - Eifersucht<. Dieser ist es nicht gestattet, ihre Individualität und Kreativität auszuleben, die der Bienenkönigin ganz selbstverständlich zusteht. Sie darf nicht erwachsen werden und verharrt neidisch in kindlicher Unbeholfenheit >Unbeholfen, linkisch - fallen, läßt Dinge<, >LACHEN - dümmlichem, Gesichtsausdruck, mit (M)<. Auch die starke Schmerzempfindlichkeit unterstreicht diese immer noch kindliche Art:

> Empfindlich - Schmerz, gegen<, >Schreien - Schmerzen, bei den<. (vgl. Fraser, 2013).

Aber der Weg von Apis kann auch ganz anders aussehen:

Schlechte Nachrichten können sie heftig schockieren: > Beschwerden durch - schlechte Nachrichten<, Beschwerden durch - Schock; seelischen<. So stark, dass sie in einen apathischen Zustand verfällt:> Torpor<, > Gleichgültigkeit, Apathie - alles; gegen<. Aber sie beklagt sich nicht:> Gleichgültigkeit, Apathie - klagt nicht< es ist ihr einfach alles egal. Wenn man sich nach ihrer Gesundheit erkundigt, behauptet sie eisern, gesund zu sein: > Eigensinnig, starrköpfig, dickköpfig - nichts; erklärt, es fehle ihm<. Da sie außerdem nichts mehr isst: > Essen - weigert sich zu<, kann sich ihr Zustand so weit verschlechtern, dass sie ins Koma fällt: > Koma<.

TRANCETEXT – DIE BRENNNESSEL

„Die Brennnessel, die sich beim alten Schuppen ausbreitete, hatte ihren Platz gut gewählt. Es gab immer ausreichend Nährstoffe, die von den zerfallenden Baumstämmen herrührten und fast immer genügend Wasser, denn die Regenrinne des Schuppens war alt und löchrig. Allerdings musste sie sich ganz schön anstrengen, um an beides zu kommen. Sie stellte sich dabei sehr geschickt an. Unablässig suchten ihre Wurzeln nach Nahrung, nutzten jede noch so kleine Weichheit des Bodens aus um dort hineinzuwachsen, drückten Steine langsam beiseite oder umklammerten und überwucherten sie einfach. Tag und Nacht war sie so bei der Arbeit. So kam die Brennnessel gut voran. In alle Richtungen breitete sie ihr Wurzelwerk aus und ebenso ihre oberirdischen Triebe. Sicher, ihr sattes Grün konnte auch manchen Raupen gefallen, aber alles in allem war sie eine gut entwickelte, durch und durch gesunde Pflanze.

Nur ein paar Ausläufer, die sich leichtsinnigerweise in das Innere des Schuppens vorgewagt hatten, machten ihr Kummer. Dort gab es kaum Licht, wenig Nährstoffe und vor allem keinerlei Wasser. Nahrung und Wasser konnten sie von der Stammpflanze bekommen, aber Licht? – Da war nichts zu machen. Eines Tages zog ein heftiges Unwetter über die Gegend. Alle Tiere verkrochen sich, alle Pflanzen senkten ihre Blätter und duckten sich, um dem Sturm so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Auch die Brennnessel machte sich klein. Aber sie spürte keine Angst. Ganz gelassen wartete sie ab. Schließlich war der Schuppen, an dem sie wuchs, schon ziemlich alt. Dieses Gewitter könnte viel Gutes für sie bringen…“

In diesem Text kann man die Rubriken:

• - Angst - Familie, um seine

• - geschäftig, betriebsam

• - Seelenruhe, Gelassenheit

• - Wahnideen - gesund, er sei

wiederfinden.

ARSENICUM ALBUM

1369 Gemütsrubriken

151 Single-Rubriken

King- pin:

• Ruhe - kann nicht ruhen, wenn Dinge nicht am richtigen Platz sind

HOMÖOPATHISCHE BETRACHTUNG – GENAU GENOMMEN

Wie das King-pin von M. L. Sehgal schon zeigt – für Arsenicum ist Ordnung schon fast das ganze Leben. >Gewissenhaft, peinlich genau in bezug auf Kleinigkeiten<.

Nach Bailey ist diese Pedanterie die Folge einer körperlichen Unsicherheit >Furcht - Verhungern; vor dem<, die dazu führt, dass ein Mensch im Arsenicum- Zustand Vorsorge trifft für alle nur möglichen Eventualitäten. Dies kann zu ausgeprägtem Geiz führen, zu Sammelwut >Sammelt vieles< und zu ständiger Vorsicht >Argwöhnisch, misstrauisch< (vgl. Bailey 1998).

Überhaupt ist Angst das große Thema von Arsenicum. Angst vor allem und jedem, Hypochondrie und letztlich immer auch Angst vor dem Tod. Diese lässt ihn ruhelos und verzweifelt werden. > Ruhelosigkeit - Furcht; aus, >Verzweiflung - Genesung, in bezug auf die<. Dabei entwickelt er ein großes Verlangen, z. B. nach Wasser oder nach Essbarem, ohne in der Lage zu sein, dieses auch zu konsumieren. >Verlangen, Wunsch nach - voller Verlangen - mehr als sie braucht< (vgl.Tyler, 1993).

Nach Vithoulkas bringt die Unsicherheit Arsenicum in einen Zustand der Abhängigkeit von anderen Menschen >Angst - allein; wenn<. -Er braucht andere als Absicherung für den Fall, dass ihm etwas zustößt und kann dabei sehr fordernd auftreten >Selbstsucht, Egoismus< (vgl. Vithoulkas, 2009).

Es besteht eine große Autoritätsgläubigkeit, das Verlangen nach Disziplin und Autorität, alles Faktoren, die Sicherheit in einer unsicheren Welt bieten können. „Er scheut die Verantwortung und das Risiko nach dem Grundsatz: „safety first.“ (Barck, 2003, S. 106).

Yogesh Sehgal geht von der Rubrik: > Wahnideen - Unrecht - begangen zu haben; Unrecht< aus, um Arsenicum zu beschreiben. Dessen Perfektionismus führt ihn fast zwangsläufig zu diesem Gefühl. Dazu gehört auch, dass er immer einen gewissen Standard aufrecht erhalten muss, um sich wohl zu fühlen: >Heikel, pingelig<. Verbunden mit seiner großen Ordnungsliebe:

> Ruhe - kann nicht ru...