Vorwort zur 1. Auflage
Die deutsche Maschinen- und Fahrzeugindustrie ist heute dem Zwang ausgesetzt, Produkte hoher Funktionalität und Qualität zu günstigen Kosten herzustellen, um sich am Weltmarkt behaupten zu können. Externe Fertigungsstätten in Billiglohnländern versprechen hier eine Entlastung, was sich jedoch manchmal als Trugschluss erweist. Die Gründe sind meist darin zu suchen, dass das notwendige Fertigungs-know-how nur lückenhaft übertragen wird. Oft sind die mitgelieferten technischen Zeichnungen unvollständig, mehrdeutig oder sinnwidrig. Die Konsequenz ist eine nicht spezifikationsgerechte Fertigung mit viel Nach- und Anpassarbeit, wodurch jede Kalkulation hinfällig wird.
Wie lässt sich dies vermeiden? – Durch eindeutige Zeichnungen. Hierzu gehören: die Vereinbarung eines gemeinsamen Tolerierungsgrundsatzes, die Angabe von Allgemeintoleranzen, eine richtige Bemaßung, die Einschränkung von Geometrieabweichungen durch Form- und Lagetoleranzen sowie deren Lehrung und eine Maßkettensimulation, um die Montage zu gewährleisten. Ziel ist also eine vollständige „Produktspezifizierung (GPS)“ durch Maße, Geometrie und Oberfläche mit modernen CAD-Techniken und eine zweckgerechte Prüfung aller funktionalen Anforderungen mit CAQ-unterstützten Messtechnologien.
Viele Entwickler, Konstrukteure und Fertigungsplaner haben mittlerweile die Bedeutung der Geometrischen Produktbeschreibung inklusive der erforderlichen Tolerierung für die Funktionalität und Prozesssicherheit erkannt und sind daher bemüht, das Normenwerk richtig anzuwenden. Für diese Zielgruppe ist auch das vorliegende Manuskript erstellt worden, welches in vielen Seminaren erprobt worden ist. Keine Theorie kann aber so vielfältig sein, wie die Praxis sie benötigt. Insofern wird immer noch die ein oder andere kleine Lücke bleiben. Damit ist der Leser gefordert, sich aktiv mit dem Thema auseinander zu setzen. Für konstruktive Hinweise zum Inhalt bin ich daher dankbar.
Calden bei Kassel im Oktober 2005 B. Klein
Vorwort zur 4. Auflage
Das ISO-GPS-System hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. Infolgedessen sind einige Normen überarbeitet worden und neue erschienen. Somit ist es eine bleibende Aufgabe ein Buch aktuell zu halten.
Die nunmehr vorliegende Fassung beinhaltet den Normenstand von Juli 2017 bei der dimensionellen Bemaßung und Tolerierung sowie bei der Form- und Lagetolerierung. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, nicht nur Norminhalte wiederzugeben, sondern die Grundintention herauszustellen und diese im Kontext mit ähnlichen Problemen und deren sinnvollen Lösung zu betrachten.
Eine Norm wird hierbei immer als eine Darlegung des Standes der Technik angesehen, das schließt nicht aus, dass manchmal etwas weiter geschaut werden musste um den Stand des Wissens einbinden zu können. Dies dient immer der Klarheit in der Anwendung, da Bemaßung und Tolerierung stets die funktionale, messtechnische und fertigungstechnische Perspektive im Fokus haben muss.
Mit der nunmehr vorliegenden Neuauflage möchte ich weiterhin der interessierten Leserschaft einen aktuellen und komprimierten Überblick über das für die Technik notwendige Gebiet der ISO-GPS-Normung bieten. Ich würde mich freuen, wenn das Buch weiterhin positiv von der Praxis aufgenommen wird.
Calden bei Kassel im August 2017 Bernd Klein
Vorwort zur 5. Auflage
Obwohl sich das Konzept meines Buches: Ausgeglichenheit von Theorie und Praxis bis heute bewährt hat, ist eine Aktualisierung erforderlich geworden. Dies bezieht sich auf den Text, die Beispielbilder und die Fallbeispiele. Oft scheinen die Änderungen nur klein zu sein, sie haben aber eine große Auswirkung auf die Funktionalität, Herstellung und Messung.
Ich habe mich hierbei bemüht, die für die Entwicklung & Konstruktion wichtigsten Normen gemäß ihrem aktuellen Ausgabestand (bis Ende 2020) zu berücksichtigen. Als Beschränkung habe ich mir auferlegt nicht alle Sonderfälle in den Normen aufzugreifen, da hiermit der „rote“ Faden verloren ging und das Buch zu umfangreich würde. Meine Intention ist, stets die notwendigen Informationen zum „Selbermachen“ zu Verfügung zu stellen. Hierzu dienen auch die Praxisbeispiele von ausgeführten Konstruktionszeichnungen im Anhang. Diese habe ich so zusammengestellt, dass sichtbar wird, wie eine bestimmte Schwierigkeit in der Bauteilbeschreibung gelöst werden kann.
In der Vergangenheit habe ich viele Rückmeldungen aus meinen Zielgruppen (Teilnehmer in berufsbegleitenden Seminaren und Studierende an Fach- und Hochschulen) erhalten, Diese habe ich immer dankbar aufgegriffen und in den Text eingearbeitet. Das Buch hat damit eine gewisse Anwendungsreife erreicht, ersetzt aber nicht die Normen und die Normenkommentare.
Mit der nunmehr vorliegenden überarbeiteten Neuauflage habe ich mich darauf konzentriert die Weiterentwicklung des ISO-GPS-Normenstands abzubilden und weiter meiner Vorstellung vom „praktischen Nutzen bieten“ gerecht zu werden. Ich würde mich freuen, wenn mein Buch auch weiterhin einen großen, interessierten Leserkreis erreicht.
Calden bei Kassel im März 2021 B. Klein
1 Allgemeines
1.1 Einleitung
Viele Unternehmen sind heute als Auftraggeber oder Lieferant in globalen Fertigungsketten tätig. Die gegenseitige Abstimmung erfolgt hierbei durch technische Zeichnungen /TRU 97/. Um die Austauschbarkeit von Bauteilen zu sichern, müssen die erforderlichen dimensionellen und geometrischen Spezifikationen eingehalten werden, welche erst die Voraussetzungen für eine fehlerfreie Funktion und Montage darstellen.
Dies galt schon in der Frühphase der Industrialisierung. Die wohl erste Serienfertigung organisierte um 1860 herum der amerikanische Fabrikant Eli Whitney. Er fertigte Musketen in Losen von 10.000 Einheiten. Hierzu entwickelte er vereinfachte Werkzeugmaschinen und benutzte Gegenlehren zur Prüfung von Einzelteilen. Die Prüfung des Spiels zwischen Schlagbolzen und Bohrung erfolgte beispielsweise mit Lagen von Papier: Ließ sich eine Lage Papier dazwischenschieben, handelte es sich noch um ein Gutteil, bei zwei Lagen Papier lag ein Ausschussteil vor. Diese Prüfung war schon eine Art Grenzlehrung, die aus der französischen Waffenproduktion (Honoré Le Blanc um 1785) übernommen wurde.
Scheinbar ausgereifter waren die Verhältnisse bei dem Nähmaschinenhersteller Wheeler & Wilson, der 1805 schon 50.000 Nähmaschinen/Jahr herstellte und seinen Kunden in Amerika einen Austauschteileservice per Post garantierte. Dies war sicherlich nur auf Basis einer reproduzierbaren Herstellung möglich.
In Europa herrschte zu dieser Zeit noch die handwerkliche Tradition vor, welche vom Prinzip der „Einmaligkeit“ oder „vollständigen Austauschbarkeit“ von Bauteilen ausging. So zählte beispielsweise die Pariser Werkzeugmaschinenfabrik Panhard et Levassor zu den führenden Automobilmanufakturen der Welt, die im Jahre 1890 bereits schon einige hundert Autos im Jahr herstellte. Basis war die von Gottlieb Daimler erworbene Lizenz zum Bau von „Hochgeschwindigkeits-Benzinmotoren“, um die herum Karosseriebauer ein ansprechendes Kleid schneiderten. Die Herstellung war so organisiert, dass selbstständige Zulieferanten Teile beistellten, die in der Fabrik von ausgebildeten Handwerkern angepasst wurden, weil keinerlei Maßsystem existierte. Ratlos war man insbesondere gegenüber dem Phänomen der „schleichenden Maßwanderung“, die aus dem Fehlen von Lehren bzw. Vorrichtungen resultierte und jede Art von Serienfertigung sehr erschwerte.
Henry Ford /WOM 97/ hat diese Schwächen der Manufakturen erkannt, als er 1903 seine Autofabrik konzipierte. Sein T‑Modell war die zwanzigste Konstruktion, denn Ford ließ sich von der...