Die orientalische Wende der Theosophischen Gesellschaft
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Die orientalische Wende der Theosophischen Gesellschaft

Eine Untersuchung der theosophischen Lehrentwicklungen in der Zeit zwischen den Hauptwerken Alfred Percy Sinnetts

Ulrich Harlass

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Die orientalische Wende der Theosophischen Gesellschaft

Eine Untersuchung der theosophischen Lehrentwicklungen in der Zeit zwischen den Hauptwerken Alfred Percy Sinnetts

Ulrich Harlass

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Die 1875 gegründete Theosophische Gesellschaft gilt als eine der wichtigsten esoterischen Vereinigungen um die Wende zum 20. Jahrhundert und als Prototyp der modernen westlichen Esoterik. Viele Elemente ihrer Lehre sind bis heute populär: vom wissenschaftlich-rationalen Buddhismus, über Yoga bis zur Reinkarnation. Harlass untersucht die als orientalische Wende bezeichnete "Vollendung" theosophischer Philosophie und legt eine detaillierte Studie über ihre Entstehung vor. Er zeigt, dass die Theosophen zahlreiche Überlegungen im Laufe dieser Streitigkeiten aufnahmen, veränderten und schließlich zu einer esoterischen Lehre, der "okkulten Wissenschaft" ausformulierten.

Ein gängiges Narrativ von der Kontinuität westlicher Esoterik-Strömungen seit der Antike muss in diesem Zuge ebenso infrage gestellt werden wie die orientalische Wende und der damit einhergehenden Unterscheidung von Ost und West. Auf der Basis postkolonialer Ansätze wird gezeigt, dass die theosophischen Lehren ein Ergebnis zeitgenössischer Aushandlungen und harter Streitigkeiten sind. Und sie werden erst vor dem Hintergrund einer sich globalisierenden Welt kolonialer Machtbeziehungen und der Annahme einer weltweiten Geschichte der Religionen verständlich.

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Información

Editorial
De Gruyter
Año
2021
ISBN
9783110698831
Edición
1
Categoría
Religion

1 Einleitung

1.1 Einführung

Die Esoterikforschung hat sich seit ungefähr den 1990er Jahren als eigenständiges Forschungsfeld etabliert, wie die mittlerweile respektable und thematisch breit gefächerte Zahl von Publikationen sowie feste institutionelle Strukturen, die explizit mit „Esoterik“ befasst sind, belegen.1 Unter den als Esoterik rubrizierten Traditionen firmiert die 1875 gegründete Theosophische Gesellschaft sicherlich als eines der prominentesten Phänomene. Das erscheint angesichts ihrer Rezeption bis in die Gegenwart, besonders aber wegen ihres Einflusses auf Debatten über Religion und Wissenschaft um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung durchaus gerechtfertigt.2 Aus Sicht der Esoterikforschung repräsentiert die Theosophische Gesellschaft gleichsam einen Kulminationspunkt, da in ihr unterschiedliche Traditionen und Rezeptionslinien eines esoterischen oder theosophischen „Stromes“ (current) verbunden und dadurch zur modernen Esoterik geformt würden.3 Sie stellt demzufolge den Beginn der modernen westlichen Esoterik dar. Dieses „Amalgam“ setze sich folglich aus Komponenten einer weit älteren westlichen Esoterik (dem Okkultismus), der Integration neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse wie der Evolutionstheorie, sowie schließlich orientalistischen Positionen kolonialzeitlicher Akademiker zusammen.
Die historische Aufarbeitung des komplexen theosophischen Lehrgebäudes weist trotz der umfangreichen Forschungslage einige grundsätzliche Lücken auf, die in der vorliegenden Arbeit zunächst herausgearbeitet und im hier gesteckten Rahmen aufgearbeitet werden sollen. Dafür ist es nötig, die übliche Perspektive auf die Theosophische Gesellschaft neu zu denken und zudem Quellen in den Blick zu nehmen, die bislang allenfalls am Rande Beachtung finden. Es wird sich zeigen, dass die Entstehung der theosophischen Grundpositionen vor dem Hintergrund einer globalen Verflechtungsgeschichte geschah und das Resultat zeitgenössischer Diskussionen und Streitigkeiten war, die aus konkreten historischen Aushandlungsprozessen erwuchsen. Die Aufarbeitung dieser Auseinandersetzungen wird gängige Narrative von der Aufnahme „östlicher Lehren“ durch die Theosophie oder von der Fortführung altbekannter „westlich-esoterischer“ topoi in orientalischem Gewand ebenso hinterfragen wie den üblichen Fokus auf die Gründerin der Theosophischen Gesellschaft Helena Petrovna Blavatsky (1836 – 1891). Ich werde beide Ansätze historisieren und für ihre Interpretationen eine alternative Lesart vorschlagen.
Anhand der genauen Aufarbeitung der damaligen Debatten und Streitigkeiten werde ich zeigen, wie stark die Entstehung der theosophischen Kernlehren diesen zeitgenössischen Dialogsituationen geschuldet ist. Eine Vielzahl von Sprecherinnen und Sprechern war an diesen Auseinandersetzungen beteiligt, und die Theosophen ersannen weniger eine ganz eigene Lehre der westlichen Esoterik als vielmehr ein strategisch komplexes Gebilde aus Abgrenzungen und Vereinnahmungen. Die Aufarbeitung dieses Entwicklungsprozesses wird zeigen, dass Grundannahmen aus Spiritualismus, populären alternativreligiösen Entwürfen und vielfach Diskussionen um das Christentum in diese Lehre einflossen. Orientalische Lehren hingegen werden sich auf der einen Seite als gleichfalls strategisch erweisen und andererseits meist als Ergebnisse, die aus den vorgenannten Debatten erwachsen. Dieser „dialogische“ Sachverhalt kann kaum überbetont werden – es handelt sich um eine Geschichte der Aushandlungen.
Das „Orientalische“ an den theosophischen Theorien erweist sich in diesen Fällen als Abgrenzungsstrategie, um beispielsweise spiritualistische Diskussionen für den Okkultismus (die Theosophie) zu vereinnahmen und diese Herkunft zugleich zu verschleiern, nämlich eben mit der Betonung, es handle sich um genuin östliches oder nur im Osten verstandenes Wissen. Osten, das war zunehmend der (süd‐)asiatische „Orient“, dem sich die Theosophen ab den späten 1870er Jahren zuwandten und wo sie ab 1879 auch ihr Hauptquartier aufschlugen. Ich werde jedoch zeigen, dass es sich bei den orientalischen Lehren um keine „westliche Erfindung“ im Sinne eines Said′schen Orientalismus handelt. Ebenso wenig sollte eine genuin orientalische Beeinflussung angenommen werden, da beide Annahmen die in sich konsistente Existenz von Ost und West oder Orient und Okzident voraussetzen. Solche Annahmen sind gut begründet kritisiert worden und die alternative Lesart zeigt ein komplexeres Bild; denn die rezipierten Konzepte und das Wissen um diesen Orient standen schon längst in einem globalen Zusammenhang, das Wissen war selbst das Resultat einer sogenannten „verflochtenen“ Globalgeschichte (entangled history). Und dieses Wissen wurde kontinuierlich bei der historischen Verhandlung neu angerufen, aktualisiert, in Teilen gefestigt und in anderen variiert. Vor diesem Hintergrund ist die orientalische Wende zu verstehen.

Grundannahmen über die Theosophische Gesellschaft

Zumeist steht Blavatsky als Mitgründerin und sicherlich schillerndste Figur der Theosophischen Gesellschaft im Fokus der Aufmerksamkeit. Ihre je zweibändigen Hauptwerke, Isis Unveiled (1877) und The Secret Doctrine (1888, ein dritter Band erschien posthum 1897), seltener auch das kurz darauf erschienene und wesentlich kompaktere The Key to Theosophy (1889) gelten in diesem Zuge als begründende Schriften, in denen die theosophische Lehre formuliert wird.4 James Santucci repräsentiert diese Annahme paradigmatisch wenn er von „Lehren, die gesamtheitlich als Theosophie bekannt sind und die vornehmlich den Schriften Helena P. Blavatskys entnommen sind“, spricht.5 Über diese Schriften besteht zudem die konsensuelle Forschungsmeinung einer Zweiteilung, denn zwischen Blavatskys beiden großen Werken wird eine maßgebliche Veränderung festgestellt, die im Besonderen zwei Schwerpunkte umfasst: zum einen zeige sich in der Zeit zwischen den Publikationen, zwischen 1877 und 1888, eine dezidierte inhaltliche Neuausrichtung am Orient. Gemeinhin wird diese Entwicklung als oriental shift oder orientalische Wende bezeichnet, die die Integration orientalischer Gedanken in das überarbeitete Lehrgebäude bedeute.6 Zum anderen sei erst in diesem Zuge die theosophische Lehre stark erweitert und gleichsam zur „fertigen“ Lehre systematisiert worden.
Als wichtigste neue Themen erscheinen die Aufnahme von Reinkarnation, eine umfangreiche Evolutionstheorie auf Basis von Siebener-Schemen – sieben Konstituenten des Menschen, sieben Runden der Evolution, sieben Planeten einer evolutionären Kette usw. – und eben die Aufnahme von orientalischen Konzepten aus Hinduismus und Buddhismus, neben den Benennungen der sieben Prinzipien insbesondere karma und nirvana, die besagte Reinkarnation erklären sollen.7 Neben der inhaltlichen kam es demnach auch zu einer „materiellen“ Wende gen Orient, da die beiden Gründer, Helena Petrovna Blavatsky und Henry Steel Olcott (1832 – 1907) nicht nur im Februar 1879 nach Indien übersiedelten, sondern im Mai 1880 auf Ceylon sogar formal zum Buddhismus übertraten. Ob all dies eine „tatsächliche“ Beeinflussung durch den Orient und asiatische Religionen belegt, oder nur eine rhetorische oder strategische Wende anzeigt, wird sehr disparat bewertet. Es ist daher umso erstaunlicher, dass dieser ambivalente Sachverhalt bislang kaum detailliert untersucht worden ist.
Unstrittig scheint, dass sich die Verschiebung zum Orient in den Briefen von Blavatskys angeblichen tibetischen Lehrern Koot Hoomi und Morya zeigt. Zwischen 1880 und 1883 empfingen vor allem Alfred Percy Sinnett (1840 – 1921) und Allan Octavian Hume (1829 – 1912) über einhundert dieser sogenannten Mahatma-Briefe und publizierten deren Inhalte erstmals öffentlich. Dies taten sie jedoch in eigenen Beiträgen, zuweilen mit Ausschnitten dieser Briefe.8 Bereits bei einer kursorischen Durchsicht der rezenten Forschungsarbeiten fällt auf, dass vor diesem Hintergrund die Fokussierung der meisten Arbeiten auf Blavatsky Fragen aufwirft. Denn weder ist geklärt, auf wessen Autorenschaft diese Briefe gründen noch sind die darauf basierenden Publikationen Sinnetts, The Occult World (1881) und Esoteric Buddhism (1883), untersucht worden. Darüber hinaus greift die Konzentration vornehmlich auf Blavatsky ein zweites Mal zu kurz, da sie oft nur unbestimmt mit ihrem unmittelbaren historischen Kontext in Verbindung gebracht wird.
Das betrifft einerseits die besagten Hauptwerke Sinnetts und also die Phase zwischen 1881 und 1883, in der erstaunlicher Weise die zentralen Lehrveränderungen zwischen Blavatskys Werken (!) genauer festgestellt werden. Denn es ist Konsens, dass Esoteric Buddhism erstmals diese Lehrveränderungen grundsätzlich und zusammenfassend darstellt und sich dadurch deutlich von The Occult World abhebt, das noch explizit den Ansätzen aus Isis Unveiled verpflichtet ist. In Esoteric Buddhism manifestiert sich demnach der emphatische Orientbezug, der die Basis für die Darstellung der ausgearbeiteten Evolutionstheorie und ein kosmisches Siebener-Schema bildet, die beide als Grundlage der ebenfalls eingeführten Reinkarnationstheorie fungieren. Während der Evolution entwickeln sich demzufolge sieben Menschenrassen über eine siebenteilige „planetare Kette“, doch geschieht diese Evolution zirkulär und in dieser Hinsicht im Anschluss an Erklärungen von Isis Unveiled. Die Evolution beginne nämlich bei einem absolut spirituellen Ausgangspunkt, sinke zu fortschreitender Materialität herab, um sich danach wieder zu absoluter Spiritualität hinauf zu schrauben. In diesen Erklärungen von Esoteric Buddhism begegnen nun vermeintlich „orientalische“ Begriffe und Konzepte – Reinkarnation etwa wird durch karma geleitet, von Phasen in Devachan unterbrochen und endet im nirvana.
All diese Themenkomplexe sollten fünf Jahre später auch The Secret Doctrine ausmachen und damit die ausgereifte theosophische Lehre präsentieren. Obwohl diese Schlüsselkonzepte erstmals von Sinnett publiziert wurden, habe er, so das gängige Narrativ der historischen Theosophieforschung, die Inhalte lediglich den Mahatma-Briefen entnommen.9 Trotz dieser Feststellungen kommt weder den Briefen noch der so entscheidenden Phase zwischen Sinnetts Werken besondere Aufmerksamkeit zu. Die Briefe erscheinen oft diffus als Manifestationen von Blavatskys Denken und Sinnett wird konsequent als Kompilator der adeptischen Thesen interpretiert.10 Eine Historisierung der Veränderungen in dieser für so wichtig erklärten Zeit steht in weiten Teilen aus. Die vorliegende Arbeit soll diese Historisierung leisten, für die globalgeschichtliche Annahmen die Grundlage darstellen. Den theoretischen Zugang bilden Überlegungen aus den Kulturwissenschaften, genauer gesagt aus der postkolonialen Theorie und der genealogischen Perspektive Foucaults.
In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels schauen wir uns die historische Ausgangslage genauer an. Nach einem Überblick über den geschichtlichen Kontext werde ich auf die Forschungslage eingehen, aus der ich die skizzierte Problemstellung im Detail entwickeln werde. Nach dieser Problembeschreibung und dem daraus abgeleiteten Erkenntnisinteresse werde ich im theoretischen Teil gängige Annahmen über Esoterik als Forschungsgegenstand aufarbeiten und den theoretischen Zugang dieser Arbeit reflektieren. Aus diesen Überlegungen werde ich kon...

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