Wahrnehmungsdialektologie
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Wahrnehmungsdialektologie

Eine Einführung

Verena Sauer, Toke Hoffmeister

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  1. 212 páginas
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Wahrnehmungsdialektologie

Eine Einführung

Verena Sauer, Toke Hoffmeister

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Die Wahrnehmungsdialektologie, die Dialekt nicht primär als geografisches oder soziales, sondern auch als kognitives Phänomen begreift, ist in der Forschungslandschaft mittlerweile gut etabliert. Dieses Arbeitsheft stellt den aktuellen Forschungsstand sowie die grundlegenden Konzepte der Wahrnehmungsdialektologie dar. Neben der wissenschaftstheoretischen Kontextualisierung, innerhalb derer u.a. auf die Lay Theories und den Forschungskontext Laienlinguistik Bezug genommen wird, steht auch die Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungsperspektiven (SiN, DiÖ etc.) im Mittelpunkt.

Das Arbeitsheft richtet sich sowohl an BA- und MA-Studierende als auch an LinguistInnen, da die Inhalte zum einen gezielt für die universitäre Lehre aufbereitet und zum anderen neue theoretische Impulse für die Forschung gesetzt werden.

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Información

Editorial
De Gruyter
Año
2021
ISBN
9783110635478
Edición
1
Categoría
Linguistique

1 Einleitung

Das vorliegende Buch versucht eine Antwort auf die Frage zu geben: „Was ist Wahrnehmungsdialektologie?“. Dass diese Frage keinesfalls leicht zu beantworten ist, zeigt sich schon bei der terminologischen Bezeichnung der Disziplin, für die sich, nicht nur im deutschsprachigen Raum, unzählige Varianten finden: „perceptual dialectology“ (Preston 1982; 1989), „Perzeptionsdialektologie“ (Herrgen & Schmidt 1985), „Hörerdialektologie“ (Herrgen & Schmidt 1985; Purschke 2011), „Volkslinguistik“ (Brekle 1985; Twilfer 2012), „Sprecherdialektologie“ (Löffler 1986), „folk-linguistics“ (Hoenigswald 1964; Preston 1993a), „folk dialectology“ (Preston 1993a), „Laienlinguistik“ (Antos 1996), „Ethnodialektologie“ (Auer 2004; Gessinger 2008; Elmentaler, Gessinger & Wirrer 2010), „Alltagsdialektologie“/„Alltagslinguistik“ (Hundt 2009a), „perzeptive Varietäten-/Variationslinguistik“ (Krefeld & Pustka 2010; Purschke 2011), „Laiendialektologie“ (Macha 2010), „Wahrnehmungsdialektologie“ (Anders 2010). Dass sich in dieser (nicht zwingend vollständigen) Auflistung auch Bezeichnungen wie das von Antos (1996) geprägte Laienlinguistik finden, offenbart ein weiteres Problem, das die Bezeichnung mit sich bringt. So ist im Forschungsalltag nicht immer klar, wo die Trennung zwischen Laienlinguistik und Wahrnehmungsdialektologie verläuft. Um den Kontext zu verdeutlichen, beleuchten wir den wissenschaftstheoretischen Kontext in Abschnitt 2 ausführlich.
Nun stellt sich natürlich die Frage, warum im vorliegenden Buch von Wahrnehmungsdialektologie gesprochen wird. Maßgeblich ist vor allem die Unterscheidung von Wahrnehmung und Perzeption, die wir in Abschnitt 4.2 ausführlich beschreiben. Kurz gesagt handelt es sich bei der Perzeption um den physischen Vorgang der Lautverarbeitung, während die Wahrnehmung auf die Reflexion perzipierter Merkmale abzielt. Da die Reflexionsvorgänge für die Wahrnehmungsdialektologie einen zentralen Untersuchungsgegenstand darstellen, soll dies auch terminologisch sichtbar gemacht werden. Außerdem hat sich die Bezeichnung Wahrnehmungsdialektologie im deutschen Sprachraum mittlerweile weitestgehend etabliert (z. B. erkennbar an der eigenen Sektion gleichen Namens der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD)), sodass es hier auch um die klare disziplinäre Zuordnung geht. Auf Vor- und Nachteile der anderen Bezeichnungsvarianten soll hier nicht näher eingegangen werden, dies sprengte den Umfang dieser Einleitung. Bei einigen Varianten (z. B. Volkslinguistik) liegen diese ohnehin auf der Hand.
Doch womit beschäftigt sich nun die Wahrnehmungsdialektologie? Sollte bei Wissenschaften nicht objektive Erkenntnis im Vordergrund stehen und nicht die Wahrnehmung einzelner Personen? Zuletzt hat Hoffmeister (2021a) für die Laienlinguistik gezeigt, dass ein Blick auf die (vermeintlich!) subjektiven Daten geboten ist, weil so die Daten der traditionellen Linguistik (bzw. Dialektologie) um wichtige Perspektiven erweitert werden können und die Sprecher, mit denen sich Wahrnehmungsdialektologie wie auch Laienlinguistik beschäftigen, qua fortwährender Beschäftigung mit Aspekten der Sprache, wenngleich keine linguistischen, so doch aber sprachliche Experten sind (vgl. Antos 2021; Hoffmeister 2019; Spitzmüller 2021).
Das Beschäftigungsfeld der Wahrnehmungsdialektologie, so viel sollte schon deutlich geworden sein, sind also subjektive Daten1 von Dialekt, mit anderen Worten: Es geht um die kognitiven Repräsentationen von Dialekt(räumen), um die Einstellungen zu verschiedenen Dialekten und das Wissen von den Dialekten. Die Wahrnehmungsdialektologie begreift Dialekt also nicht primär als linguistisches (Dialektografie), areales (Dialektgeografie) oder soziales (Dialektsoziologie), sondern als kognitives Phänomen. Gleichwohl teilt sie den Gegenstand Dialekt mit den anderen Disziplinen. Dialekt kann gemeinhin verstanden werden als „sprachliche Erscheinungen, die in einem räumlichgeographischen Kontrast zueinanderstehen. Sie sind durch Sprachgrenzlinien oder Isoglossen voneinander abgetrennt und bilden zusammenhängende Flächen in der Landschaft“ (Löffler 2016: 127).
Ein Bewusstsein über die regionale Variation des Deutschen kann schon früh nachgewiesen werden. Bereits Martin Luther (1566/1919: 512) war sich der Variantenvielfalt bewusst:
Deutschland hat mancherley Dialectos, Art zu reden, also daß die Leute in 30 Meilen Weges einander nicht wol können verstehen. Die Oesterreicher und Bayern verstehen die Thüringer und Sachsen nicht, sonderlich die Niederländer.2
Doch Luther war keineswegs der erste, der über Sprache und sprachliche Variation reflektiert hat. Schon bei Hugo von Trimberg im „Renner“ um 1300 sind Dialektcharakterisierungen zu finden, die die Forschung in Bezug auf eine adäquate Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen, die aus der konzeptuellen Undurchsichtigkeit resultiert (s. u.), jedoch vor Probleme stellt (vgl. Wells 1990: 125−126). So heißt es bei von Trimberg: „Swâben ir wörter spaltent / Die Franken ein teil si valtent, / Die Beier si zezerrent, / Die Düringe si ûf sperrent, / Die Sahsen sie bezückent, / Die Rînliute si verdrückent […]“ (von Trimberg 1300/1909: 220).
Die unterschiedlichen dialektologischen Disziplinen unterscheiden sich in ihrem Blick auf die regionale Variation einer Sprache in der methodologischen Perspektive. Wenn die Wahrnehmungsdialektologie nun Dialekt aus einer kognitiven Perspektive untersucht, geht es zum einen um die mentale Repräsentation: eine „kognitive Verankerung“ bzw. „kognitive Konzeption einer regionalen Varietät“ (Anders 2010: 17) bei linguistischen Laien3, die oft nicht mit dem wissenschaftlichen Verständnis übereinstimmt. Gegenstand der Wahrnehmungsdialektologie sind folglich nicht objektive Sprachdaten, sondern subjektive Daten, die Mattheier (1994: 420) wie folgt definiert: „Äußerungen der Sprecher, wenn sie nach ihrem eigenen Sprachverhalten gefragt werden“. Neben der schlichten Abbildung von räumlichen Vorstellungen von Dialekt kommen zudem oft Einstellungen hinzu, die Dialekt individuell bewerten. Zentral sind dabei „primär die Beschaffenheit und erst sekundär die Funktionen und Auswirkungen dieser [der subjektiven, VS/TH] Strukturen“ (Anders 2010: 18). Allerdings stehen im Fokus der Untersuchung nicht ausschließlich Autostereotype, d. h. Selbstkonzepte von Gruppen (vgl. Hundt 1992: 5–8), sondern auch Heterostereotype, die beschreiben, wie Gruppen sich untereinander beurteilen.4 Diese Form der Stereotypenbildung ist auch bei Hugos von Trimberg „Der Renner“ zu erkennen. Die unterschiedlichen Sprechweisen der Dialektsprechenden5 (Schwaben, Franken, Bayer, Thüringer, Sachsen, Rheinländer) werden als abtrennend (spaltent), überlappend i. S. v. zusammengezogen (valtent), dehnend (zezerrent), streckend (ûf sperrent), schnell ziehend bzw. verkürzend (bezückent, vgl. Lexer 1992: 20; Wells 1990: 126) sowie pressend (verdrückent) bezeichnet. Diese Dialektcharakterisierungen weisen folglich nicht auf objektive Merkmale von Dialekten6 hin, sondern auf die primär subjektiv gelagerten Konzeptualisierungen von Dialekt.
Etabliert haben sich zwei konzeptionelle Herangehensweisen an das Verhältnis von traditioneller Dialektologie und Wahrnehmungsdialektologie. So versteht Anders (2010: 17−19) die Wahrnehmungsdialektologie als eigene Teildisziplin, die neben anderen dialektologischen Disziplinen (Dialektografie, Dialektgeografie, Dialektsoziologie) steht (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Gegenstandsbestimmung einer deutschsprachigen Wahrnehmungsdialektologie (Anders 2010: 18).
Diese strukturelle Abgrenzung der einzelnen Teilbereiche ist analytischer Natur; es liege auf der Hand, so Anders (2010: 18), „dass sowohl dialektsoziologische Aspekte in wahrnehmungsdialektologischen Untersuchungen berücksichtigt werden müssen und umgekehrt“. Dies führt Purschke (2011: 311) zu seiner Herangehensweise, nach der die Wahrnehmungsdialektologie zwar „nicht nur über einen eigenständigen theoretischmethodischen Zugriff […] [sowie] auch über ein spezifisches Erkenntnispotenzial“ verfüge (hierin stimmt Purschke also mit Anders überein), es allerdings trotz alledem nicht angebracht sei, von einer eigenen Disziplin auszugehen, da der Gegenstand der Herangehensweisen derselbe sei, nämlich die sprachliche Variation in Zeit und Raum (vgl. Purschke 2011: 312).7
Nach dieser doch recht langen Periode von Forschung in dieser Disziplin ist es mittlerweile Zeit für ein Fazit. Um die Zukunftsfähigkeit der Disziplin zu ermöglichen, ist es aber auch an der Zeit, neue Impulse zu setzen und die Disziplin weiterzuentwickeln. Beide Ziele verfolgt diese Einführung. Wir möchten also einerseits den Status quo darstellen und andererseits Potenziale und Desiderata offenlegen und betonen, um so einen Anlass für zukünftige wahrnehmungsdialektologische Studien zu bieten und einen ersten Beitrag dazu zu leisten.
Dieses Arbeitsheft gliedert sich wie folgt: In Abschnitt 2 wird der wissenschaftstheoretische Kontext näher beleuchtet. Die Disziplin Wahrnehmungsdialektologie wird im Rahmen der Laienlinguistik verortet und auch Nachbardisziplinen (z. B. die Sprachkritik und die Spracheinstellungsforschung) werden besprochen. Dies ist deshalb notwendig, da der Blick auf Laienwissen für einige vielleicht zunächst befremdlich wirken mag. Die Wahrnehmungsdialektologie nimmt jedoch subjektive Daten in objektiv-wissenschaftlicher Weise in den Blick.
In Abschnitt 3 wird dann die Geschichte der Wahrnehmungsdialektologie nachgezeichnet. Der Beginn in den Niederlanden und Japan (einschließlich der niederländisch-japanischen Kontroverse) wird ebenso behandelt wie die Wegbereitung in den USA. Schließlich liegt ein Schwerpunkt auf den Entwicklungen im deutschsprachigen Raum.
Abschnitt 4 stellt die Theorie der Wahrnehmungsdialektologie dar. Hier werden grundlegende theoretische Konzepte aus anderen Disziplinen entlehnt, sodass zunächst auf...

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