Schopenhauer y Nietzsche
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Schopenhauer und Nietzsche

Georg Simmel, José Ramón Pérez Bances, Fabrizio Pinna, Fabrizio Pinna

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Georg Simmel, José Ramón Pérez Bances, Fabrizio Pinna, Fabrizio Pinna

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En breve, con unas muy justas palabras del filósofo y psicosociólogo francés Georges Palante, el libro "Schopenhauer und Nietzsche" de Georg Simmel se desenvuelve en un marco de pensamiento más largo de lo que habitualmente se mueven los estudios histórico-críticos de este género. Por Simmel, no se trata simplemente de estudiar con detalle la obra de Schopenhauer y de Nietzsche, más bien de hacer el balance de la cultura moderna tomando como tipos de esa cultura las dos grandes figuras filosóficas en la que se resumen sus oposiciones esenciales.

Así como en Schopenhauer, la consideración de un universo movido por la voluntad de un fin y sin embargo privado de fin también es el punto de partida de Nietzsche. Pero entre Schopenhauer y Nietzsche hay Darwin...

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Información

ISBN
9788899508036
Categoría
Filosofía
Categoría
Filósofos
Schopenhauer und Nietzsche

Inhalt


Vorrede

I. Schopenhauer und Nietzsche in ihrer geistesgeschichtlichen Stellung
Der definitive Wert des Lebens und das Christentum. Schopenhauers Willensphilosophie als Ausdruck der inneren Lage der Gegenwart. Verlust des absoluten Lebenszweckes und weiterbestehendes Bedürfnis nach ihm. Nietzsches Ersatz des absoluten durch den relativen Zweck der Steigerung des Lebensprozesses selbst: der »Übermensch« als Formel der Menschheitsentwicklung über jedes gegebene Stadium hinaus. Das Verhältnis beider Lehren als Ergebnis dieser Grunddifferenz bei gleichem Ausgangspunkt.

II. Schopenhauer.
Der Mensch und sein Wille Die erkennbare Welt als Erscheinung in unserm Bewußtsein gegenüber dem unerkennbaren Sein der Dinge an sich. Die menschliche Seele als Treffpunkt beider Welten. Unser Wille als die absolute Realität unser selbst, als der einzige Inhalt unserer Existenz außerhalb unseres Vorstellens. Scheidung dieses Grundwillens von seiner psychologischen Erscheinung in einzelnen Begehrungen. Die Deutung des Menschen als Vernunftwesen, die moderne und die Schopenhauersche Reform dieses Begriffes.

III. Schopenhauer. Die Metaphysik des Willens
Die Mannigfaltigkeit als Erscheinungsform des Daseins, sein ansichseiendes Wesen als unbedingte Einheit. Dadurch berechtigte Übertragung des am Menschen erkannten Grundwesens auf die metaphysische Beschaffenheit des Daseins überhaupt: die Welt als Erscheinung des metaphysischen Willens. Abwehr des Vorwurfs mythologischer Vermenschlichung des Weltbildes. Der Widerspruch im Willen und die prinzipielle Unmöglichkeit seiner Befriedigung. Die Unbegreiflichkeit des Seins und ihre Herabsetzung durch seine Deutung als Wille. Die Einheit des Willens als pessimistisches Motiv.

IV. Schopenhauer. Der Pessimismus
Das Glück als das bloße Aufhören des Entbehrungsschmerzes. Unpsychologische Zerreißung des Lebens in Nichthaben = Leid und Haben = Glück. Das antizipierte Glück in der Annäherung an das Haben. Hauptmotiv der Schopenhauerschen Irrungen: die gewaltsame systematische Vereinigung der Willensmetaphysik mit dem Pessimismus. Die Lust- und Leidbilanz und die absolute Bedeutung des Schmerzes. Die Grausamkeit. Die metaphysische Gerechtigkeit und die empirische Verteilung von Lust und Leid,

V. Schopenhauer. Die Metaphysik der Kunst
Der reine Vorstellungsinhalt der Dinge, gelöst von seiner Realität, die »Idee« als Inhalt der Kunst. Subjekt und Objekt des ästhetischen Zustandes in ihrer Enthobenheit aus der Welt als Wille, aus der Kausalität und der Individualität. Die Bedeutung des Raumes. Der Realismus. Die artistischen Probleme. Die Musik als unmittelbarer künstlerischer Ausdruck des metaphysischen Willens. Das Glück der Kunst und der Pessimismus. Die Kunst als die Einheit der Lebensgegensätze.

VI. Schopenhauer. Die Moral und die Selbsterlösung des Willens
Moral als Verneinung der Individualform des Willens. Schopenhauers Verzicht auf alle objektiven Normen und dessen Motivierung durch den Pessimismus. Die metaphysische Einheit der Wesen als Fundament der Moral. Dagegen: die ethische Bedeutung der Zweiheit. Die Liebe als Mitleid. Die negative Gemeinsamkeit der Lebenswerte. Das Sein und das Sollen. Die Freiheit. Die asketische Verneinung des Willens. Der Selbstmord. Die endgültige Erlösung.

VII. Nietzsche. Die Menschheitswerte und die Dekadenz
Die geschichtliche Steigerung der Lebensintensität als definitiver Wert. Seine Umkehrung durch Christentum und Demokratie. Tatsächliche Übereinstimmung mit christlichen Idealen. Scheidung zwischen den Begriffen der Menschheit und der Gesellschaft, das Verhältnis beider zur Individualität. Die natürliche Distanz als Bedingung der Menschheitsentwicklung. Die psychologische Unterschiedsempfindlichkeit und die Ethik Maeterlincks. Die Wertbemessung einer Epoche nach ihrem Durchschnitt und die nach ihren Höhepunkten. Der Sinn des Immoralismus.

VIII. Nietzsche. Die Moral der Vornehmheit
Der objektive Charakter der Nietzscheschen Moral. Das Ideal der Vornehmheit. Sein und Tun. Der Preis der Aufwärtsbildung. Personalismus, aber weder Egoismus noch Epikureismus. Die Verantwortlichkeit. Die ewige Wiederkunft des Gleichen in ihrer ethischen und ihrer metaphysischen Bedeutung. Die absolute Diesseitigkeit des Nietzscheschen Ideals. Die Wertung des Lebensprozesses als solchen das tiefste Scheidungsmotiv zwischen Schopenhauer und Nietzsche.

Vorrede


Die Darstellung Schopenhauers und Nietzsches wird von einander entgegengesetzten Bedenklichkeiten getroffen. Schopenhauer ist ein durchaus deutlicher Schriftsteller. Seine Denk- und Ausdrucksweise hat dafür gesorgt, daß eine »originelle Auffassung« seiner Lehre, die die bisher gültige reformierte – wie sie noch immer Plato und Spinoza, Kant und Hegel gegenüber möglich ist – ganz ausgeschlossen ist. Will die Darstellung also mehr sein, als ein bloßer Bericht, so muß sie über den Lehrgehalt selbst hinaus ihn in weitere und kritische Zusammenhänge mit Kulturtatsachen und seelischen Verflechtungen, mit Erkenntnisnormen und ethischen Werten einstellen. Ist so die bloße logische Interpretation für Schopenhauer nicht nötig, so ist sie umgekehrt für Nietzsche nicht möglich. Wenn ich hier seine dichterisch oder emotionell gesteigerte Sprache zu wissenschaftlicher Kühle herabzustimmen versuche, so ist dies nicht nur eine Umänderung der Form, sondern es heißt, seine Äußerungen zu einer Stufe der Abstraktion bringen, die sie selbst nicht beschritten haben und die deshalb unvermeidlich nach verschiedenen Richtungen hin gelegt werden kann. Für die einfach darstellende philosophische Deutung gibt er selbst unmittelbar zu wenig, während Schopenhauer dafür unmittelbar schon zu viel gibt. Aus diesen entgegengesetzten Gründen folgt für beide das gleiche: daß die tiefere Aufgabe statt auf die bloße Darlegung der Philosophie des Denkers auf eine Philosophie über den Denker gehen muß.
Der Charakter, den diese Blätter so um ihrer Gegenstände willen tragen, paßt sich ihrer grundlegenden Absicht an: einen Beitrag zu der allgemeinen Kulturgeschichte des Geistes und zum Verständnis der zeitlosen Bedeutung der Gedanken beider Philosophen zu leisten. Was in diesen Hinsichten wesentlich ist, fällt durchaus mit dem zusammen, was an den Persönlichkeiten selbst das Wesentliche und den Kern bildet. Dies ist keineswegs selbstverständlich und insbesondere nicht für Schopenhauer und Nietzsche. Von beiden besitzen wir die mannigfaltigsten Erörterungen über Probleme, die mit dem Mittelpunkt ihres Denkens in keinem notwendigen, oft in gar keinem Zusammenhange stehen. Es wäre von vornherein nicht ausgeschlossen, daß sich unter diesen gerade ihr philosophisch oder historisch Bedeutsamstes fände – wie bei vielen Persönlichkeiten tatsächlich ihre subjektiv nebensächlichen Erzeugnisse die objektiv erheblichsten oder ergebnisreichsten gewesen sind. Darauf, daß es sich hier anders verhalte, ruht die Möglichkeit und das Recht der folgenden Ausführungen. Denn sie gehen durchaus davon aus, daß die ganz wenigen leitenden Motive, die innersten Zentren der Schopenhauerschen und der Nietzscheschen Lehren zugleich deren objektiv wertvollstes und eigentlich dauerndes bilden. Indem meine Darstellung ausschließlich diesem letzten Kern der Denkzusammenhänge gilt, verflüchtigt sich all das Sensationelle und Paradoxe, das beiden Denkern in eigentlich gleichem Maße, dem älteren gegenüber nur durch die Zeit und Gewöhnung gemildert, anhaftet. In Wirklichkeit ist dieses logisch oder ethisch Revoltierende oder Exzentrische nur der Charakter jener Nebensachen und Akzidenzen. All die geistreichen Fechterkunststücke, die frappierenden Antithesen und Paradoxien sind nur weit ausladende Ornamente oder Angriffe und Verteidigungen, die die Beziehungen der Gedanken zu andern, außerhalb ihrer stehenden angehen; aber an deren tiefstes Wesen, wie es von Innen her, als der Ausdruck eines bestimmten Typus der Menschenseele gewachsen ist, rühren sie nicht.
Dies Positive liegt, wie gesagt, dort, wo der Kern der Lehren selbst, ihr subjektiver Mittelpunkt mit dem Mittelpunkt ihrer objektiven Bedeutung zusammenfällt; und das muß es bei jedem originalen Philosophen, weil er, wie es Goethe einmal über Schopenhauer sagt, die Frage nach dem »Gegenständlichen« »aus seinem Innern, ja aus dem Innern der Menschheit« beantwortet. Damit wird das Programm dieser Darlegungen noch folgendermaßen bestimmt. Wenn man eine Persönlichkeit in einem kulturgeschichtlichen Interesse schildert, so bedeutet das niemals einen Abklatsch ihres ganzen gelebten Lebens, sondern je nach der Besonderheit jenes Interesses wird vieles ausgeschaltet, anderes herausgehoben, und – was das Wesentliche ist – das Zurückbehaltene zu einem einheitlichen Bilde zusammengeschlossen, das so gar kein unmittelbares Gegenbild in der Wirklichkeit besitzt, sondern, dem künstlerischen Porträt vergleichbar, statt der realen Totalität des Gegenstandes vielmehr eine ideelle Ausgestaltung desselben, seinen Sinn und seine Bedeutung von einem bestimmten Darstellungszwecke aus gibt. Dem Philosophen gegenüber handelt es sich darum, aus der Gesamtheit seiner Äußerungen diejenigen auszuwählen, die einen bündigen, einheitlichen, bedeutsamen Gedankenzusammenhang ergeben – gleichgültig, ob jene Gesamtheit auch noch Widersprechendes, Abschwächendes, Zwiespältiges enthält. Die geistesgeschichtliche Entwicklung vollzieht überall diese Aussonderung, dieses Herauslösen und Zusammenschließen eines in sich zusammengehörigen Gedankenkomplexes und läßt nur das auf solche Weise gestaltete Bild eines Philosophen wirksam werden, nicht aber all die sozusagen nur psychologischen Fluktuationen, nicht das Hin- und Wiederpendeln des Gedankens, das jene kohärente Denkreihe umspielt oder ihr auch widerspricht. Der Darstellende hat diesen, in der historischen Wirkung des Philosophen sich so wie so vollziehenden Prozeß nur mit methodischem Bewußtsein zu antizipieren. Dieses, in aller Historik überhaupt stattfindende Verfahren hat als philosophiegeschichtliches – sobald das sachlich philosophische und geistesgeschichtliche statt des biographischen Interesses herrscht – die besondere Bedeutung, daß die »Widersprüche«, die mit dem wesentlichen Gedankengange kontrastierenden Äußerungen des Denkers außer Betracht bleiben dürfen. Daß ein Denker sich zwischen Ideen, die sich gegenseitig ausschließen, hin und hergewendet, ja daß er diese in einen Gedankengang zusammengebracht hat, das spricht vielleicht gegen ihn als psychologische Persönlichkeit oder gegen seine Selbstkritik; aber dagegen, daß eine dieser, einander widersprechenden Gedankenreihen richtig oder wenigstens bedeutsam ist, liefert es nicht die geringste Gegeninstanz. Man wird etwa aus Nietzsches Schriften Stellen zusammenbringen können, die seiner von mir vertretenen Auffassung unversöhnlich entgegenstehen; es genügt, wenn aus andern sich die hier vorgetragene, in sich geschlossene erweisen läßt und wenn ihre sachliche Bedeutung es rechtfertigt, sie als den eigentlich originellen und für die geistige Kultur wesentlichen Kern der Nietzscheschen Lehren zu behaupten.

I - Schopenhauer und Nietzsche in ihrer geistesgeschichtlichen Stellung


Alle höhere Kultur unserer Art beruht paradoxerweise darauf, daß wir, in dem Maße ihres Wachstums, zu unsern Zielen immer längere, immer umständlichere, an Stationen und Biegungen reichere Wege begehen müssen. Der Mensch ist, und zwar je höher er kultiviert ist, um so mehr das indirekte Wesen. Worauf der Wille des Tieres und des unkultivierten Menschen geht, das erreichen sie, wenn überhaupt, sozusagen in geradliniger Richtung, durch einfaches Zugreifen oder durch eine geringe Zahl einfacher Mittel: der Aufbau von Mittel und Zweck ist ohne weiteres übersehbar. Die steigende Vielgliedrigkeit und Komplizierung des höheren Lebens gestattet diese bloße Dreiheit der Reihe: Wunsch – Mittel – Zweck nicht, sondern gestaltet das Mittelglied zu einer Vielheit, in der das eigentlich wirksame Mittel wieder durch ein Mittel hergestellt wird und dieses wieder durch ein weiteres, bis jene unübersehbare Verschlingung, jener Kettencharakter unserer praktischen Betätigungen erwächst, innerhalb dessen der Mensch reifer Kulturen lebt. Es genügt, an den Nahrungserwerb zu denken, an die Einfachheit der Vornahmen, die in primitiver Kultur zur Beschaffung des Brotes genügen – oft auch freilich nicht genügen – und an die Verzweigung unzähliger Aktionen, Apparate, Verkehrseinrichtungen, vermöge deren der moderne Mensch erst das Brot auf seinem Tische findet. Durch diese Langsichtigkeit der Zweckreihen, die das Leben zu einem technischen Problem macht, wird es uns tausendfach unmöglich, das Endglied jeder Reihe in jedem Augenblick im Bewußtsein zu haben; teils, weil wir sie nicht überblicken können, teils weil der je nächste, vorläufige Schritt die ganze Konzentration unserer seelischen Energien beansprucht, bleibt das Bewußtsein an den Mitteln hängen, die Endziele, von denen dieser ganzen Entwicklung Sinn und Bedeutung kommt, rücken an unseren inneren Blickhorizont und versinken schließlich hinter ihm. Die Technik, d.h. die Summe der Mittel für die kultivierte Existenz, wächst zum eigentlichen Inhalt der Bemühungen und Wertungen auf, bis man auf allen Seiten von kreuz und quer verschlungenen Reihen von Unternehmungen und Institutionen umgeben ist, denen allenthalben die abschließenden, definitiv wertvollen Ziele fehlen. In dieser Lage der Kultur erst taucht das Bedürfnis nach einem Endzweck des Lebens überhaupt auf. Solange es von kurzen Zweckreihen, jede für sich befriedigend, erfüllt ist, liegt ihm die suchende Unruhe fern, die aus der Besinnung über das Gefangensein in einem Netzwerk bloßer Mittel, Umwege, Vorläufigkeiten hervorgehen muß. Erst wenn unzählige Tätigkeiten und Interessen, auf die wir uns wie auf endgültige Werte konzentrierten, uns nun doch in ihrem bloßen Mittelscharakter klar werden, erwächst die angstvolle Frage nach dem Sinn und Zweck des Ganzen; über die Einzelzwecke, die nicht mehr ein Letztes, sondern nur noch ein Vorletztes und Vorvorletztes sind, steigt das Problem einer wirklich vollendeten Einheit auf, in der all jene unabgeschlossenen Strebungen ihre Reife und Ruhe fänden, die die Seele aus aller Wirrnis der bloßen Vorläufigkeiten erlöste.
Zum ersten Mal in der Weltgeschichte, die wir kennen, scheint die Kultur der griechisch-römischen Welt zu Beginn unserer Zeitrechnung die Seelen in diese Verfassung getrieben zu haben. Die Zwecksysteme des Lebens waren so komplizierte geworden, die Reihen des Handelns und Denkens so vielgliedrige, die Interessen und Bewegtheiten des Lebens so ausgedehnte und von so vielen Bedingungen abhängige, daß sich nun in den dumpfen Trieben der Masse ebenso wie in der Selbstbesinnung des philosophischen Bewußtseins ein unruhiges Suchen nach dem Ziele und der Bedeutung des Lebens überhaupt auszulösen scheint. Daß das carpe diem der Genußmenschen die Frage abschnitt, war gerade der Beweis für ihre Existenz: die Sinnenfreude des Augenblicks freilich hatte ihren Zweck in sich selbst, und indem sie das Leben in lauter einzeln akzentuierte Momente zerlegte, entzog sie es gewaltsam dem Bedürfnis einer absoluten Einheit. Der Mystizismus importierter orientalischer Kulte, die verbreitete Neigung zu jedem Aberglauben, zugleich mit dem Kampf gegen die Vielgötterei bewiesen es, daß die Welt in der Breite des verworrenen Lebens keinen Sinn mehr fand.
In dieser, innerlich vielleicht bedürftigsten Lage, in der sich je die historische Menschheit befand, brachte das Christentum die Erlösung und Erfüllung. Es gab dem Leben jenen absoluten Zweck, dessen es bedurfte, nachdem seine Vielfältigkeit und Umständlichkeit es in einen Irrgarten von lauter Mitteln und Relativitäten sich hatte verlaufen lassen. Das Heil der Seele und das Reich Gottes bot sich jetzt den Massen als ein unbedingter Wert, als das definitive Ziel jenseits alles Einzelnen, Fragmentarischen, Sinnlosen des Lebens. Und von diesem Endzweck haben sie gelebt, bis das Christentum in den letzten Jahrhunderten unzähligen Seelen gegenüber seine Macht verlor. Aber das Bedürfnis eines Endzwecks des Lebens ging damit nicht zugleich verloren, sondern im Gegenteil: wie jedes Bedürfnis durch langdauernde Befriedigung fester, tiefer wurzelt, so hat das Leben eine tiefe Sehnsucht nach einem absoluten Zwecke behalten, auch und gerade nachdem der Inhalt, der die Anpassung an diese Form des inneren Daseins bewirkt hatte, ausgeschieden ist. Diese Sehnsucht ist die Erbschaft des Christentums, es hat das Bedürfnis nach einem Definitivum der Lebensbewegungen hinterlassen, das als ein leeres Drängen nach einem ungreifbar gewordenen Ziele weiterbesteht.
Die Philosophie Schopenhauers ist der absolute, philosophische Ausdruck für diesen inneren Zustand des modernen Menschen. Es ist das Zentrum seiner Lehre, daß das eigentliche, metaphysische Wesen der Welt und unser selbst seinen ganz umfassenden und allein entscheidenden Ausdruck in unserm Willen besitzt. Der Wille ist die Substanz unseres subjektiven Lebens, wie und weil das Absolute des Seins überhaupt ein rastloses Drängen, ein stetes Übersichhinausgehen ist, das aber, gerade weil es der erschöpfende Grund aller Dinge ist, zu ewiger Unbefriedigtheit verurteilt ist. Denn nun kann der Wille nichts außer sich finden, woran er sich befriedige, weil er immer nur sich selbst in tausend Verkleidungen greifen kann, von jedem scheinbaren Ruhepunkt seines endlosen Weges weitergetrieben wird. Damit ist die Eingestelltheit der Existenz auf einen Endzweck und die gleichzeitige Versagtheit seiner in eine Gesamtweltanschauung projiziert; gerade die Absolutheit des Willens, mit dem das Leben identisch ist, läßt ihn nicht an irgend einem Außerhalb-seiner zur Ruhe kommen, weil es kein Außerhalb-seiner gibt, und sie drückt damit die Lage der momentanen Kultur aus, wie sie von der Sehnsucht nach einem Endzweck des Lebens erfüllt ist, den sie als für immer entschwunden oder illusorisch empfindet.
Eben diese vom Zweckwillen getriebene und des Zweckes beraubte Welt ist der Ausgangspunkt Nietzsches. Aber zwischen Schopenhauer und ihm liegt Darwin. Während Schopenhauer an der Verneintheit des Endzweckes halt macht und darum nur die Verneinung des Lebenswillens überhaupt als praktische Folge übrig behalten kann, findet Nietzsche an der Tatsache der Entwicklung des Menschengeschlechts die Möglichkeit eines Zweckes, der das Leben wieder sich bejahen läßt. Für Schopenhauer ist das Leben, weil es an sich selbst Wille ist, in letzter Instanz zur Wert- und Sinnlosigkeit verurteilt, es ist dasjenige, was schlechthin nicht sein sollte. In dem Grauen vor dem Leben spitzt sich für ihn jenes Entsetzen zu, das gewisse Naturen vor der Tatsache des Seins überhaupt empfinden, im Gegensatz zu andern, die das Sein als solches, als Form, unabhängig von den Inhalten, die es bietet, mit dem Glück einer sinnlichen oder religiösen Ekstase füllt. Ihm geht völlig das Gefühl ab, das bei Nietzsche überall durchbricht: das Gefühl für die Feierlichkeit des Lebens. Aus dem Entwicklungsgedanken hat Nietzsche den, Schopenhauer gegenüber, völlig neuen Begriff vom Leben geschöpft: daß es von sich aus, seinem eigensten, innersten Wesen nach, Steigerung, Mehrung, wachsende Konzentrierung der umgebenden Weltkräfte auf das Subjekt ist. Durch diesen in ihm unmittelbar gelegenen Trieb und die Gewähr der Erhöhung, Bereicherung, Wertvollendung kann das Leben selbst zum Zweck des Lebens werden und ist damit der Frage nach einem Endzweck enthoben, der jenseits seines rein und natürlich verlaufenden Prozesses läge. Diese Vorstellung vom Leben – die dichterisch-philosophische Verabsolutierung der Entwicklungsidee Darwins, dessen Einfluß auf sich Nietzsche in seiner späteren Epoche sehr unterschätzt hat –, diese Vorstellung erscheint mir als der Ausdruck des, für jede Philosophie letztinstanzlich entscheidenden Lebensgefühls bei Nietzsche und seiner tiefsten und notwendigen Abbiegung von Schopenhauer.
Das Leben, in seinem prinzipiellsten Sinne, der noch jenseits des Gegensatzes von körperlicher und geistiger Existenz steht, tritt hier als eine unabsehliche Summe von Kräften oder Möglichkeiten auf, die von sich aus auf die Steigerung, das Intensiverwerden, den Wirkungszuwachs des Lebensprozesses selbst gerichtet sind; diesen aber durch Analyse zu beschreiben, ist nicht möglich, weil er in seiner Einheitlichkeit das letztgreifbare Grundphänomen unser selbst ausmacht. Das tatsächliche Leben ist in dem Maße mehr oder weniger »Entwicklung«, in dem mehr oder weniger von jenen in ihm gelegenen, auf die Verstärkung seines eigenen Seins gerichteten Elementen zur Entfaltung gelangen. Ob ein tatsächlicher Vorgang als Entwicklung gelten soll – im historisch-psychologischen oder auch im metaphysischen Sinne –, hängt demnach nicht mehr von einem außerhalb seiner gesetzten Endziel ab, das von sich aus jenem Vorgang ein Maß von Mittel- oder Übergangsbedeutung zuteilte. Es handelt sich für Nietzsche darum, den sinngebenden Zweck des Lebens, der an seinem Ort außerhalb des Lebens illusionär geworden war, wie durch eine Rückwärtsdrehung in das Leben selbst zu verlegen. Dies konnte nicht radikaler geschehen, als durch ein Bild des Lebens, in dem seine in ihm selbst indizierte Erhöhung, die bloße Verwirklichung dessen, was das Leben rein als solches an Steigerungsmöglichkeiten enthält, alle Zwecke und Werte des Lebens in sich schließt. Jedes Stadium des menschheitlichen Daseins findet jetzt seinen Zweck nicht in einem Absoluten und Definitiven, sondern in dem nächsthöheren, in dem alles in dem früheren nur Angelegte zu größerer Weite und Wirkung erwacht ist, in dem also das Leben voller und reicher geworden ist, in dem mehr Leben ist. Der Nietzschesche Übermensch ist nichts anderes als die Entwicklungsstufe, die über der jeweils von einer gegenwärtigen Menschheit erreichten liegt, nicht ein fixiertes Endziel, das der Entwicklung ihren Sinn gäbe, sondern der Ausdruck dafür, daß es keines solchen bedarf, daß das Leben in sich selbst, d. h. in dem Überwundenwerden jeder Stufe durch eine vollere und entfaltetere seinen Eigenwert besitzt. Das Leben, dessen Inhalte hier nur die Seiten oder Erscheinungen seines geheimnisvoll einheitlichen Prozesses sind, ist seine eigne letzte Instanz geworden; und dies stellt sich, weil das Leben Entwicklung und kontinuierliches Fließen ist, so dar, daß jede Verfassung des Lebens ihre höhere, sinngebende Norm in der nächsten findet, zu der sie ihre in ihr selbst noch gebundenen Kräfte entfaltet.
Hier zunächst muß die Interpretation Nietzsches einsetzen, um seine Antwort auf das Problem der historisch-seelischen Lage zu begreifen, von der ich ausging, und deren abschließende und seinen Weg bestimmende Konsequenz Nietzsche in der Willenslehre Schopenhauers vorfand. Nietzsche stellt und löst die entscheidende Frage freilich nicht in abstrakt-logischer Form, die es aus seinen, mehr auf Einzelprobleme gerichteten Äußerungen erst herauszudestillieren gilt.
Die Lösung der Aufgabe vermittels jenes Lebensbegriffs hängt an der Möglichkeit, eine Entwicklung zu statuieren, die nicht durch einen Endzweck dominiert wird. Denn zunächst scheint doch nur ein solcher eine Geschehensreihe wirklich zur »Entwicklung« zu machen, d. h. aus dem bloßen Nacheinander gleichwertiger Stadien ein aufsteigendes Übereinander eben dieser zu gestalten; denn wie sollte das spätere als ein entwickelteres, dem früheren gegenüber, auftreten, wenn jenes sich nicht durch die größere Nähe zu einem definitiv wertvollen Endglied der Reihe, durch den reicheren Anteil an einer schließlich erstrebten Erfüllung als das wertvollere legitimierte? Das bloße Anderswerden, das der rein kausale Verlauf der Dinge darbietet, würde so erst durch ein irgendwie vorausgesetztes Ziel zu einer Entwicklung im Wertsinne des Wortes, so daß der Entwicklungsbegriff doch von sich aus wieder, mehr oder weniger versteckt, dem Verhängnis des absoluten Endzwecks verfiele, aus dem er gerade erlösen sollte. Allein er entgeht dem vielleicht gerade durch eine sehr reine Fassung: wenn Entwicklung nur als die Entfaltung der in einer gegebenen Erscheinung latenten Energien gilt, als das Wirklichwerden dessen, was sie in der Form der Möglichkeit birgt. Dann aber müßte, so ließe sich erwidern, jegliches Geschehen als Entwicklung gelten, insofern doch ein jedes im Aktuellwerden vorhandener Spannkräfte besteht. Dies ist richtig; allein, um auf dem für uns nur wesentlichen Gebiet seelischer und gesellschaftlicher Entwicklungen zu bleiben: nicht alle Spannkräfte entwickeln sich! Unzählige verbleiben in ihrer Gebundenheit, unzählige werden von Ereignisreihen, die aus andern Richtungen zufällig auf sie stoßen, gleichsam eingeschluckt, unzählige werden durch mangelnde oder hypertrophische Bedingungen aus der Bahn gebogen, die sie, sich selbst und ihrem eignen Sinn überlassen, unzweifelhaft nehmen würden. Von natürlicher Entwicklung im eigentlichen Sinn können wir also da sprechen, wo latente Energien mit sehr ausgesprochenen eignen Direktiven an einem Wesen oder einem Komplex von Wesen vorliegen und ein erheblicher oder entscheidender Teil derselben die Verwirklichung findet, auf die sie objektiv ange...

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