Gegen Entmenschlichung
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Gegen Entmenschlichung

Eine philosophische Spurensuche

Ralf D. Niemczyk

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  1. 132 pagine
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Gegen Entmenschlichung

Eine philosophische Spurensuche

Ralf D. Niemczyk

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Auf seiner philosophischen Spurensuche setzt der Autor der Überzeugungskraft des Bösen einen konsequenten Humanismus entgegen, indem er grundlegende Mechanismen der Unmenschlichkeit analysiert. So werden Phänomene wie Ohnmachtserfahrung, Orientierungslosigkeit, Erniedrigung, kulturelle Verarmung und Suchtverhalten in den Blick genommen.Eine Auseinandersetzung mit Schopenhauer und Rousseau führt zu der Einsicht: Humanität ist keine Illusion. Auswege aus Angst, Wut und Hass werden gewiesen.

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Informazioni

Anno
2016
ISBN
9783741202568

1. Auf der Suche nach Halt

Orientierungslosigkeit gehört zu den Grunderfahrungen des Individuums der Gegenwart. Es ist eine schmerzliche Erfahrung.
Halt suchen inmitten des Wandels und endlich zu einer Haltung gelangen, das ist viel und weitaus mehr als den meisten gelingt.
Wenn Sicherheiten wegbrechen, der Boden wankt und Lichter verlöschen, ist ein jeder auf sich selbst zurückgeworfen. Traditionen verwandeln sich in museale Kulissen, inmitten derer ein neues Stück aufgeführt wird. Die Rede der Gottheit ist längst verstummt und räumt das Feld den Ideologen jeglicher Couleur.
Hier sich zu einer Haltung durchringen ist dem Individuum aufgetragen. Albert Camus bleibt in dieser Hinsicht viel zu verdanken, doch zeichnet sich das Problem der Orientierungslosigkeit in der Moderne bereits ein Jahrhundert vor dem französischen Existentialisten ab: bei Schopenhauer und Nietzsche. Auch bei ihnen geht es darum, in einer des Sinnes beraubten Welt ("Gott ist tot") zumindest eine Haltung einzunehmen oder gar eigenen Sinn zu stiften.
Bequemer hingegen ist die unreflektierte Rückkehr zu den Traditionen. In ihren Sesseln, abgewetzt von Generationen und Generationen, lässt man sich gerne nieder und gibt sich der Illusion von Sicherheit hin. Das Comeback der Religionen zu Beginn des 21. Jahrhunderts legt hiervon Zeugnis ab.
Sittliche, kulturelle und religiöse Überlieferungen geben Orientierung, gewähren Halt, zumindest so lange, bis Zweifel sich einstellen. Daher die Erfolgsgeschichte des Fundamentalismus. Letzterer reißt die Zweifel gleich mit den Menschen heraus:
"Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Tod den Ungläubigen."
Die Tradition öffnet dem bourgeoisen Kirchgänger die Tore des Himmels wie sie den islamistischen Terroristen ins Paradies begleitet. Doch sind dies Umwege, Abwege, Irrwege, bevor das Individuum wieder am Ausgangspunkt seiner Odyssee angelangt ist: bei der Tatsache, dass ein Jeder auf sich selbst zurückgeworfen ist in einer Welt ohne höheren Sinn.
Existiert ein Etwas, eine Eigenschaft, eine Tendenz oder gar Kraft, den Institutionen und Kollektiven, welche das Individuum absorbieren, entgegenzutreten? - Bei der Suche nach einer Antwort bietet uns die Philosophie Arthur Schopenhauers eine Hilfestellung: Der "Wille zum Leben" reißt nach dessen Theorie alle mit sich - Individuen und Kollektive. Der blinde, unbändige, sich stets erneuernde Wille zum Leben liegt in der Natur der Welt selbst, als ihr Kernbestandteil, als ihre spermatische, drängende Potenz. Die Identität von Leiblichkeit und Menschsein, jene unauflösliche Einheit von Körper und Geist zeigt uns in Hunger, Schmerz, Krankheit und geschlechtlichem Verlangen unsere Rückbindung an die Natur trotz aller Kulturleistungen.
So viel zur biologischen Verfasstheit der Spezies Mensch.
Orientierung sucht das auf sich selbst zurückgeworfene Individuum in den religiösen, politischen, kulturellen, moralischen, ökonomischen und bürokratischen Systemen sowie im Konsum der Wohlstandsgesellschaften. Besonders religiöse und politische Ideologien treten hinsichtlich ihrer Orientierungsfunktion für den verwirrten Einzelnen rigide und mit einem Absolutheitsanspruch ausgestattet auf. Hier gilt: Unterwerfung geht der Rettung, geht der Erlösung, geht dem Heil voraus.
Diese inzwischen durch die Katastrophen der letzten Jahrhunderte diskreditierten Ideologeme sind nach wie vor wirksam, erstaunlicherweise bei der Mehrzahl der Menschen sogar unvermindert.
Benötigt wird ein Kompass, welcher die Sachzwänge der Kollektive sowie die Ansprüche der Ideologien gleichermaßen transzendiert. Hier stoßen wir - wieder in Anlehnung an Schopenhauer - auf sechs Grundkräfte oder, um es vorsichtiger zu formulieren, auf sechs Tendenzen innerhalb der Spezies Mensch, die allen Kulturen und Ethnien zu allen Zeiten gemeinsam sind:
  • der Wille zu Überleben
  • das Mitgefühl
  • die Liebe
  • die Frage nach dem Mitmenschen, also das "Gewissen"
  • die Hoffnung, sich von Begierde, Hass, Neid und Furcht zu befreien
  • die Idee bzw. die Vorstellung von Gerechtigkeit
Die aufgeführten sechs Tendenzen finden sich in den meisten religiösen Systemen, in politischen Ideologemen und Ethiken der Völker mehr oder minder fragmentiert wieder. Oftmals wird ihre humanisierende Wirkkraft abgeschwächt oder gar in ihr Gegenteil verkehrt. Missbrauch ist hier an der Tagesordnung, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass jene positiven, dem menschlichen Leben und seiner Würde zuträglichen Grundkräfte existieren und als Potentia des Widerstands gegen Zerstörung, Inhumanität und kollektive Fehlentwicklungen ins Feld geführt werden können, um eine etwas martialische Wendung zu gebrauchen.
Um zur Eingangsfrage zurückzukehren: Es existiert also eine Ansammlung von positiven Eigenschaften und Tendenzen innerhalb der Spezies, um Fehlentwicklungen, Verheerungen und humanitären Katastrophen im Großen wie im Kleinen korrigierend zu begegnen. Dies freilich bei steter Gefahr einer Instrumentalisierung eben dieser von ihrer Anlage her positiven Kräfte durch die vorherrschenden Kollektive ("gerechter Krieg" etc.).
ORDNUNG
Ordnung statt Chaos. Das gibt Sicherheit.
Kreise, Quadrate, Dreiecke zu Formationen angeordnet. Eine Analogie zur Arbeitsweise der Natur: Sie schafft in Zeit und Raum Modelle.
Das Stiften von Ordnung als Prozess - eine Hilfe auf der Suche nach Halt.

2. Angst ist der Rohstoff von Herrschaft

Angst ist der Rohstoff, aus welchem angepasstes Verhalten produziert wird. Bisweilen kommen weitere Bestandteile hinzu: Eitelkeit, Ehrgeiz, Mitgefühl, Hass, Neid, Verzweiflung und Gewohnheit werden beigemischt.
Über Angst spricht man nicht gern. Und doch trifft man im zwischenmenschlichen Verkehr überall auf sie. Die Angst ist eine wesentliche Triebkraft, etwas zu tun oder zu unterlassen. Da ist die Angst, den eigenen Ansprüchen und denen Anderer nicht zu genügen: die Versagensangst. Da ist die Angst vor dem Vorgesetzten oder dem Kollegen. Die Angst vor sozialem Abstieg, die Angst, ausgeschlossen zu werden: die Angst um den Arbeitsplatz.
Angst vor Krankheit, Angst vor dem Älterwerden, vor dem Tod. Angst vor dem Verlust von Mitmenschen, Angst vor der Einsamkeit. Diese Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden. Die Angst ist allgegenwärtig.
Aus Sicht der Psychoanalyse ist Angst das Resultat einer realen oder fiktiven Bedrohung oder Gefahr. Bedroht wird nach Freud der Mensch mit dem Verlust der Bindung und dem Verlust des Selbst1.
Dieses Gefühl der Unsicherheit aufgrund von Bedrohung wurzelt in letzter Konsequenz in der Konfrontation mit dem Tod. Der Ursprung menschlicher Ängste soll hier auf zwei archetypische Situationen zurückgeführt werden. Elias Canetti weist in „Masse und Macht“ auf die elementare Bedrohungssituation des Menschen in vorgeschichtlicher Zeit hin: Es ist die sehr reale Gefahr, von Raubtieren ergriffen, getötet und verschlungen zu werden2. Diesem Schicksal waren Menschen Jahrhunderttausende lang ausgesetzt. Die Gefahr, Opfer von Raubtieren zu werden, gepackt, zerrissen und verdaut zu werden, hat sich dem kollektiven Unbewussten der Gattung tief eingegraben. Canetti weist nach, wie diese archaische Grundbedrohung im Verlauf der kulturellen und zivilisatorischen Entwicklung überformt, symbolisch überhöht und dennoch erhalten geblieben ist. So umgibt sich der Mächtige mit den Requisiten des Raubtieres: Löwe, Bär oder Adler schmücken sein Wappen. Die Zähne der Bestie mutieren zu den Reihen der Lanzen und Schwerter, welche seine Krieger präsentieren. So wie das Raubtier seine Beute ergreift und bewegungsunfähig macht, lässt der Mächtige seine Opfer auf einen Fingerzeig hin in Ketten legen und einsperren: oft die Vorstufe zum Tod. Er degradiert die nun Ohnmächtigen zu Nutztieren3. Sie werden Sklaven, Zwangsarbeiter, Menschenmaterial. Ihr Leben liegt buchstäblich in der Hand des Machthabers, wie das Beutetier in den Klauen des Jägers, stets in der Erwartung zermalmt zu werden.
Machtausübung, das verdeutlicht dieser Rekurs auf die archetypische Situation, ist wesentlich untrennbar mit der Möglichkeit verbunden, einem Menschen das Leben zu nehmen4.
Die zweite archetypische Situation im Zusammenhang mit Angst und Herrschaft besteht im Ausschluss von der Primärgruppe, im Ausschluss von der Futter-, Schutz-, und Fortpflanzungsgemeinschaft der ersten Jäger und Sammler.
Dieser Ausschluss war gleichbedeutend mit dem Tod des Individuums. Angstbesetzte Bedrohungen des Individuums heute sind dieser Ursituation gegenüber Transformationen, Abwandlungen, Differenzierungen und Spielarten mit dem Ziel, den Einzelnen zwangsweise in bestehende Ordnungsstrukturen zu integrieren. Die Abmahnung, die Kündigung, der Ausschluss aus einem Verein oder Verband sind späte Nachwehen dieser Ursituation und Urbedrohung.
Angst dient hier mehr oder weniger offensichtlich als ein Mechanismus von Herrschaft.
Bilder der Gier:
Das Klammern, Ankrallen, Kleben an Menschen, an Dingen.
Das Verschlingen, Herunterwürgen, begleitet von einem Keuchen.
Das Anstarren.
Das Aufreißen einer Zigarettenpackung, danach das Einsaugen des Giftqualms mit dem sich anschließenden Seufzen.
Das Zerren, Reißen, Raffen.
Danach das Behalten, durchzittert mit Furcht vor Verlust.
Das Sich-Verzehren, hohlwangig, glühenden Auges.
Weltenverschlinger.

1 Vgl. Sturm, G. u. Pritz, A. (Hrsg.) Wörterbuch der Psychotherapie, Wien 2000, S. 31-32. Freud verlegt den Ursprung der Angst in die Erfahrung des für das Kind bedrohlichen Geburtsvorgangs. Freu...

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