Existenzgründung Disruption Abenteuer Innovation: Gründer müssen spinnen!
// Von Simone Janson
Innovation ist ein Risiko. Und ein Abenteuer. Immer. Doch in Deutschland wird gerne versucht, dieses Risiko von Anfang zu minimieren. Das kann nicht funktionieren, denn Gründer müssen spinnen!
Existenzgründer müssen spinnen!
Wer erfolgreich sein will, muss auch mal etwas Verrücktes wagen. Gründer müssen spinnen! Aber Deutschland ist kein Ort für innovative Spinner.
Jedenfalls nicht, wenn man eine Finanzierung für seine Spinnereien erhalten will. Wie in Deutschland gefördert wird, zeigt das Beispiel Berlin: Zwar ist die Hauptstadt Dreh- und Angelpunkt der kreativen Szene wie kein anderer Ort in Deutschland und sieht sich, wie unlängst in der Zeit zu lesen stand – als Labor einer zukünftigen, wissensbasierten Ökonomie.
Berlin, die StartUp-Hauptstadt?
Gleichzeitig will sich die Stadt als Wirtschaftsstandort mit Schwerpunkt IT etablieren. Immerhin 13 Prozent trägt die Kreativwirtschaft zur Wirtschaftsleistung der Stadt bei. In der Zeit allerdings kritisierte der Soziologe Ulrich Bröckling schon 2010 die Hauptstadt ganz gewaltig:
“Im Lob der Kreativwirtschaft steckt viel Stadtmarketing, gerade in Berlin. Es soll der Hauptstadt ein gewisses Flair verschaffen.”
Förderung oder doch günstige Mieten?
Vermutlich ist die weltweit höchste Künstlerdichte der Stadt bislang eher in den günstigen Lebenshaltungskosten, weniger in den Föderprogrammen der Regierung begründet. Denn die macht derzeit eher durch die teuere Imagekampagen (Sei Berlin!) von sich reden als durch innovative Förderprojekte für Garagenfirmen.
Zwar bietet die zuständige Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Standortmarketing, die BerlinPartner GmbH, zahreiche Hilfestellungen von der Standortberatung bis zur Vermittlung von Fachkräften und es gibt auch diverse finanzielle Förderungen durch die Investitionsbank Berlin (IBB). Allerdings macht man bei BerlinPartner keinen Hehl daraus, dass es vor allem darum geht, auswärtige Investoren nach Berlin zu locken und Berliner Unternehmen in Fragen der Außenwirtschaft, bei der Standortsicherung und -erweiterung zu unterstützen.
Für kleine Garagentüftler, die gerade die Entwicklungsphase überstehen müssen, also eher ungeeignet. Auf die Frage, welche Mindestgröße ein Unternehmen denn mitbringen müsste, antwortet BerlinPartner daher auch nur sehr ausweichend – das sei abhängig vom Einzelfall – und verweist auf die Förderdatenbank der IBB. Immerhin bet
Wo dürfen Gründer noch spinnen?
Allerdings gibt es auch in Deutschland immerhin die Möglichkeit, sich von anderen inspirieren zu lassen und sich auszutauschen. Zum Beispiel im Internet, genauer gesagt im Web 2.0.
Eine der besten Anlaufstellen dafür: Twitter! Denn Twitter ist ein Durchlauferhitzer, der Themen aufsaugt und verbrennt wie ein LKW Diesel. Der Kurz-Nachrichten-Dienst lässt User nicht nur Messages in SMS-Länge verschicken, sondern zeigt auch an, welche Themen gerade aktuell sind oder welches die am meisten weitergeleiteten Tweets.
Twitter als Forum für verrückte Ideen
Außerdem können User in ihre Tweets mit sogenannten Hashtags thematisch gruppieren. All das und viele weitere Tools ermöglichen einen genauen Überblick darüber, was die Twittergemeinde gerade bewegt – und was somit einen Trend darstellt. Sogar grafische Übersichten über die Trends der vergangenen Monate gibt es bereits.
Eigentlich nur folgerichtig, dass man die Idee des Unternehmertums aus Web in die sogenannte Reale Welt hinaushob: Auf einem Meeting wurde im April 2009 die Idee des Twittwoch geboren, dessen Ziel es ist, Unternehmen, deren Mitarbeiter und Selbständige an Social Media heranzuführen, voneinander zu lernen und sich untereinander auf Augenhöhe auszutauschen.
Bitte zum Twittwoch
Einmal im Monat, immer Mittwochs, treffen sich daher gleichgesinnte zu Vorträgen und Diskussionen über Geschäftsideen rund um Internet. Im Vordergrund stehen daher das Teilen von Wissen und Erfahrung – daher müssen alle Unterlagen, wie z.B. Präsentationen oder Videos, prinzipiell öffentlich gemacht werden.
Initiator Stefan Wolpers leitet von Berlin aus den Twittwoch als eingetragenen Verein gemeinsam mit dem Online-Konzeptionierer und Programmierer Thomas Pfeiffer, finanziert wird das ganze durch Sponsorengelder. Eine Idee, die immer mehr Anhänger im ganzen Bundesgebiet findet: Neben Berlin und München, wo Wolpers und Pfeiffer aktiv sind, gibt es mittlerweile auch Twittwochs in Stuttgart, Hannover, Frankfurt, ins Ruhrgebiet, Sachsen, Köln und – ganz neu hinzugekommen – Düsseldorf.
Gründermagazine boomen
Daneben gibt es zahlreiche Blogs, die sich mit kreativen Ideen, Startups und Innovationsmanagement befassen – und die Lesern auch viel Raum lassen, sich per Kommentarfunktion auszutauschen.
Etwa Gründerszene, das vor allem Fachinformationen an Gründer, Unternehmer und Startups richtet, dabei aber auch neue Ideen vorstellt. Oder die Deutschen Startups, herausgegeben mit der DS Media GmbH, mit täglichen Informationen aus der heimischen Internet-Gründerszene, die zudem mit zahlreichen Interviews, Porträts einzelner Startups und Gründer sowie Marktübersichten zahlreiche Anregungen für innovative Ideen liefern.
Wie kann ein Startupbootcamp weiterhelfen?
Der Knackpunkt einer Idee ist immer die Finanzierung: Eine gute Idee ist da das Startupbootcamp, ein in Kopenhagen ansässiges Gründerprogramm.
Die Idee ist Startups innerhalb von drei Monaten zu helfen von der Idee zum Produkt zu gelangen. Die Gewinner des Wettbewerbs erhalten für drei Monate ein Büro in Kopenhagen, etwas Geld, um den Lebensunterhalt des Gründerteams zu finanzieren und werden über die drei Monate von einem Pool von bald 100 erfahrenen Unternehmern und Mentoren begleitet.
Am letzten Tag, dem sogenannten Investor Day, haben die Startups dann die Möglichkeit Ihr Unternehmen mehr als 100 europäischen Geldgebern vorzustellen um Venture Capital zu erhalten.
Bis zu 12.000 Euro pro Team
Für die Finanzierung des Programms und die bis zu € 12.000 pro Team bekommt Startupbootcamp zwischen 5-10% des neuen Unternehmens. Bewerben können sich jährlich Teams aus der ganzen Welt, auch aus Deutschland.
Das Startupbootcamp greift dabei übrigens auf amerikanische Vorbilder zurück: Bei Bei TechStars bewerben sich beispielsweise jedes Jahr mehr als 600 Teams, von denen 8 von 10 am “Investor Day” mit durchschnittlich $500.000 das dreimonatige Programm verlassen.
Jungunternehmer per Gesetz
In Frankreich wurde 2004 für junge Unternehmer der Status des Jeune Entreprise Innovante (JEI) euingeführt. Um ihn zu erhalten, dürfen Unternehmen nicht mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen, nicht älter als acht Jahre sein und müssen mindestens 15 Prozent ihres Etats für die Forschung ausgeben.
Und sie dürfen nicht in Mehrheitsbesitz eines anderen Unternehmen sein. Schon im ersten Jahr erfüllten fast 1800 Unternehmer diese Bedingungen. Dafür wurden sie als JEI von den Sozialabgaben für wissenschaftliches Personal befreit, mussten drei Jahre lang keinen Gewinn auf ihre Steuern zahlen und sind von der jährlichen, umsatzsteuerabhängigen Pauschale befreit, die Unternehmen in Deutschland entrichten müssen.
Deutschland: Ungezwungene Förderung Mangelware
Für Sieben Jahre entfällt außerdem die Grund- und Gewerbesteuer. Auch andere Länder wie Belgien, die Niederlande oder Spanien, Estland oder die skandinavischen Länder kennen ähnliche Regelungen oder planen deren Einführung. Die Europäische Kommission hat zudem 2007 den Status einer Young Innovative Company (YIC).
In Deutschland sind solche eher ungezwungenen Förderungen eher Mangelware. Die Zahl der aktiven Business-Angels, private Geldgeber, die ihren Schützlingen auch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wird auf 2700 bis 3400 Personen geschätzt, das sind zwischen 33 und 41 pro eine Million Einwohner.
Andere Länder haben mehr Investoren
Zum Vergleich: In den USA sind es fast 260.000, als 850 bereitwillig Investoren auf eine Million Einwohner. Und während in Deutschland nur etwa 500 Millionen Euro an Risikokapital vergeben werden, sind es allein im Silicon Valley, das über die Wirtschaftsleistung Dänemarks verfügt, neun Milliarden.
Aber auch bei den staatlichen Förderungen sieht es eher mau aus: Zwar gibt es ungezählte Förderprogramme, von denen viele aber oft erst greifen, wenn schon erste Erfolge auf dem Tisch liegen. Oder aber Investitionskredite sind, die zwar Anschaffungen oder Personalkosten, nicht aber einfach die Lebenshaltungskosten von Gründern in der Startphase decken sollen.
Fördermittel: Der Markt ist unübersichtlich
Außerdem ist trotz einschlägiger Förderdatenbanken das Angebot so unübersichtlich, das Kleinstgründer im bürokratischen Dschungel kaum durchblicken, welche Förderung für sie in Frage kommt.
Denn alltäglichen Förderwahnsinn lässt der Journalisten Matthias Spielkamp erahnen: Der hat seine Plattform irights.info dem Thema Urheberrecht in der digitalen Welt gewidmet. Von 2004 bis 2006 wurde er 18 Monate lang vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Patente sind nicht gleich Innovation
Trotz Grimme-Online Arward und zahlreicher Projektanträge gab es jedoch erst 2008 wieder eine neue Förderung durch das Bundesforschungsministerium und die Kulturstiftung des Bundes. Spielkamp resümiert: Es ist unmöglich, eine Anschlussförderung zu bekommen, egal wie erfolgreich das Projekt ist. Und: Der Aufwand, für kleinere Projekte Anträge zu stellen, ist zu groß!
Für Deutschland gilt das Motto: Statt Innovation – Aus Alt macht Neu! Denn Deutschland ist zwar Spitzenreiter bei Patenten – besonders innovativ ist das aber nicht. Doch selbst wenn die Anmeldungszahlen für Patente seit 1990 kontinuierlich nach oben kletterte und Deutschland nach Informationen des europäischen Parlaments sogar Spitzenreiter ist, hängt das nicht zwingend auch mit einem Plus an Innovation zusammen:
Alte Ideen im neuen Gewand
Denn viele Patente seien, so erklärt der Journalist Lars Reppesgard in seinem Buch “Wild Economy” kein Garant für wirklich neue Ideen, im Gegenteil:
Weil die Zahl der Patentanmeldungen die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bei Weitem übersteigt, folgert Reppesgard, dass es sich häufig nur um alte Ideen in neuem Gewand handelt:
Weltmeister in Wirkungsgradoptimierung
Denn es lohne sich für Großkonzerne viel mehr, das, was man ohnehin verkauft, schrittweise etwas besser zu machen, als neue, revolutionäre Produkte zu entwickeln, bei denen die Verkaufsstrategie unklar ist und die, schlimmer noch, eingespielte Märkte durcheinander bringen.
Deutsche Unternehmen sind laut Reppesgard Weltmeister in Wirkungsgradoptimierung und patentieren seit Jahren jede noch so kleinste Detailneuerung, die Geräte nur ein wenig effektiver oder umweltfreundlicher macht. Und das nur sicherheitshalber, um bei Bedarf Verhandlungspositionen zu stärken.
Perfektionismus und Stillstand
Was dabei herauskommt, sind Perfektionismus und Stillstand statt Risikofreude und Lust an Veränderung. Und eine gewisse Ironie, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt: Viele solcher Schutz-Patente liegen dann ungenutzt herum, blockieren aber Weiterentwicklungen.
Schrittweise Verbesserungen lohnen sich mehr als große Innovationen. Allerdings: Sie könnten später einmal an Gründer mit Kapital, aber ohne Ideen verkauft werden.
Bei revolutionären, desruptiven Entwicklungen, bei denen die Erfinder etwas grundlegend neu und anders machen, liegt die wahre Innovationskraft. Und da hatten Mark Zuckerberg sowie Segej Brin und Larry Page einfach die Nase vorn.
Gute Ideen kommen von Unten
Das war schon früher so: Auch Alfred Nobel, James Watt, Alessandro Volta oder Werner von Siemens gehören in diese Reihe von Menschen, die mit ihren Ideen Geschichte geschrieben haben und die heute noch jedes Kind kennt.
Und auch im 21. Jahrhundert kommen gut, bahnbrechende Neuentwicklungen eher von findigen Außenseitern als von etablierten Unternehmen. Etwa jene Idee, die unseren Straßenverkehr maßgeblich revolutionieren könnte:
Die des elektrogetriebenen Zweirads. Denn war bislang das Auto liebstes Fortbewegungsmittel und Statussymbol zugleich, könnte sich das in Zeiten von erhöhtem Verkehrsaufkommen, Klimawandel und Brennstoffmangel rapide ändern.
Revolution für den Straßenverkehr?
Der Österreicher Stefan Gulas hat ausgerechnet Berlin eine Art Zwitter zwischen Fahrrad und Motorrad entwickelt: Sein sogenanntes eRockit wird angetrieben durch Pedaltritte, die ein Elektro-Motor um das Fünfzigfache verstärkt – und so mehr als 50 Stundenkilometer schnell fährt. Der Fahrer soll sich, so Gulas, bewegen, gleichzeitig aber die Kraft des Motors spüren. Schnelle, umweltfreundliche Fortbewegung und sportliche Akti...