Josef Ackermann oder Scheitern im Management: Den Absprung verpasst
// Von Carsten Knop
Kämpfe, Leiden und Erfolge des Unternehmens spiegeln sich häufig in der Person und dem Verhalten des Vorstandsvorsitzenden. Seltener ist er ein Held, häufiger ein Buhmann – So wie im Fall Josef Ackermann.
Das Beispiel Josef Ackermann
Josef Ackermann wird von Wegbegleitern als eitel beschrieben. Diese Eitelkeit erklärt vielleicht auch teilweise, warum sein Abschied von der Deutschen Bank so holprig verlief. Denn Ackermann konnte sich ein Leben ohne Chef-Sein schlicht nicht vorstellen.
Als Josef Ackermann zur Deutschen Bank kam, rühmte man ihn intern als den besten Banker auf diesem Planeten. Fast 20 Jahre später versinnbildlichte sein Rücktritt als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Zurich Insurance das Ende einer Karriere.
Nicht rechtzeitig aufhören können
Wie manch anderer selbstbewusster und viele Jahre höchst erfolgreicher Manager hat es Ackermann nicht verstanden, rechtzeitig aufzuhören. Dabei hatte gerade er jede Möglichkeit dazu, sich mit anhaltenden “standing ovations” zu verabschieden.
Er hatte viele Fehlentwicklungen früher als andere erkannt und “späte Reue” gezeigt, wie es sein früherer Kommunikationschef Stefan Baron in seinem Buch über Ackermann beschreibt. Sein Abgang aber gereichte dem Schweizer nicht zur Ehre.
Der Verdienst des Kommunikationschefs
Josef Ackermann, der Mann, der in seiner Amtszeit zum Synonym des deutschen Großbankers wurde, hatte stets für mannigfaltige Schlagzeilen und öffentliche Debatten gesorgt. Manchmal kam er dabei gut weg, sehr viel häufiger schlecht.
In der breiten Öffentlichkeit war sein Ruf viele Jahre lang dennoch gar nicht so übel, was auch Barons Verdienst gewesen ist. Dabei ist “Joe”, wie er verkürzend genannt wird, der Mann mit dem unsäglichen “Victory”-Zeichen im Mannesmann- Prozess.
Eine Frage des Timings
Er ist auch derjenige, der von der Deutschen Bank in einem menschlich abgründigen Machtkampf gar nicht mehr lassen wollte, der Manager der Finanzkrise, der am Ende bei der Kanzlerin nicht mehr so wohlgelitten war wie zu ihrem Anfang.
Und er war der Aufsichtsrat von Siemens, der sich dort heftig mit seinem alten Freund, dem Siemens-Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme, gestritten hat. Immer gab es für das Verhalten von Ackermann gute Gründe. Manchmal hatte er einfach nur Pech. Aber am Ende war alles eine Frage des Timings.
Chronik eines Rücktritts
Dem mit einer Finnin verheirateten Weltbanker, der sich immer so gefühlt hat, als befinde er sich mit allen Mächtigen dieser Welt auf Augenhöhe, kann man zahlreiche Rollen zuschreiben – denn er war auf vielen Bühnen tätig.
Mit seinem Rücktritt vom Verwaltungsratsvorsitz der Zurich Insurance fiel der Vorhang. Ackermanns wichtigste Bühne war aber die Deutsche Bank, und dort zog sich sein Abschied über quälend lange Jahre hin. Zunächst hatte Ackermann seinen Rücktritt schon auf der Hauptversammlung 2009 dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig nahegelegt.
Wenn Freundschaften zerbrechen
Da Ackermann mit Berufung auf das deutsche Aktiengesetz es aber nicht als seine Aufgabe angesehen hatte, einen Nachfolger aufzubauen, war auf die Schnelle kein eindeutiger Favorit vorhanden. Daraufhin prüfte Börsig seinen eigenen Wechsel von der Aufsichtsrats- an die Vorstandsspitze, was nur wenige zufriedenstellte.
Dass Ackermann nach Bitten des Aufsichtsrats schließlich seinen Vertrag dann doch um drei Jahre verlängerte, verhinderte nicht das Zerwürfnis zwischen Börsig und ihm. Und dieses belastete Verhältnis sollte dem Ruf der Bank (und letztlich auch dem von Ackermann) in den Folgejahren noch nachhaltig schaden.
Vom guten Ruf der Bank
Kurz nach dem Hickhack um die Vertragsverlängerung Ackermanns kam es zur sogenannten Spitzelaffäre, in der es um die Ausforschung eines kritischen Aktionärs ging. Der Verdacht, dass Börsig diese Ausforschungen in Gang gesetzt hatte, wurde durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin nicht bestätigt. Trotzdem blieben tiefe Kratzer am Image der Deutschen Bank und auch mancher interner Zwist.
Der Ruf des Instituts hat danach durch weitere Skandale und Affären gelitten. Die meisten der damit verbundenen Rechtsrisiken sind zwar dem früher von Anshu Jain geleiteten Investmentbanking zuzuordnen. Aber als damaliger Vorstandsvorsitzender trägt Ackermann auch eine Verantwortung.
Zumal er noch auf der Hauptversammlung 2006 – ganz im Sinne von Otto Scharmer – gesagt hatte: “Kein Geschäftsabschluss der welt ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen.” In der Wahrheit der täglichen Bankgeschäfte indes sah sie Welt, wie man inzwischen weiß, ganz anders aus.
Ohne mich? Unvorstellbar!
Das Verhältnis von Josef Ackermann zu seinen beiden Nachfolgern Anshu Jain und Jürgen Fitschen ist bis heute angespannt. Ackermann wollte statt ihrer ohnehin lieber den damaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber als seinen Nachfolger durchsetzen.
Doch Weber zog den Verwaltungsratsvorsitz der Schweizer UBS vor. Als die Entscheidung für die Doppelspitze aus Jain und Fitschen dann getroffen war, blieb die Deutsche Bank ohne ihn selbst für Ackermann aber noch immer unvorstellbar.
Am Ende blieb nur Verzicht
Er hätte auch den Aufsichtsratsvorsitz übernommen, was jedoch aus Gründen guter Unternehmensführung verpönt ist, weil dann der Vorgänger nicht nur seine Nachfolger kontrolliert, sondern auch sein Vermächtnis.
Ein Viertel der Aktionäre hätte dem direkten Wechsel von der Vorstands- an die Aufsichtsratsspitze zustimmen müssen. Dieses Votum indes wurde immer unwahrscheinlicher, so dass Ackermann darauf verzichtete.
Schlechtes Timing
Die Entscheidung teilte die Bank am 14. November 2011 mit. Am selben Tag wurden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und Durchsuchungen im Zusammenhang mit einer Aussage Ackermanns in dem Prozess bekannt, den damals der inzwischen verstorbene ehemalige Medienunternehmer Leo Kirch gegen die Deutsche Bank führte. Schlechter hätte das Timing für die Bekanntgabe des Abschieds von Ackermann also wahrlich nicht ausfallen können.
So sollte es weitergehen. Hoch ging es in den Wochen vor Ackermanns späterem Ausscheiden bei der Zurich Insurance auch im Aufsichtsrat des deutschen Vorzeigekonzerns Siemens her.
Ist der Ruf erst ruiniert…
Dort war die Ablösung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher stark umstritten. Die Dissonanzen im alten Vorstand um Löscher führten zudem zu Konflikten und Intrigen im Aufsichtsgremium.
Ackermann lavierte herum: Als Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Crommes hatte er selbst angeblich Ambitionen, den geschwächten Chef abzulösen. Dementiert wurde natürlich alles – sowohl das Ziel als solches als auch alles andere. In jedem Fall hatte Ackermann seinen Ruf danach ebenfalls bei Siemens ruiniert.
Mikromanagement ist langweilig
Gegen Ende seiner Zeit bei der Deutschen Bank räumte Ackermann offen ein, das “Mikromanagement” habe ihn zuletzt nicht mehr gereizt. Stattdessen reiste er unablässig um die Welt; seine Gesprächspartner waren nicht nur Kunden der Bank, sondern vor allem auch Politiker.
Ackermann machte auch keinerlei Hehl aus seiner Freude über diese internationale Prominenz. Klar ist: Ackermann hat, nicht als erstes Alphatier in der Wirtschaft, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören verpasst. Dabei hatte er schon 2007 angekündigt, in ein paar Jahren aufhören zu wollen, ausdrücklich ohne in den Aufsichtsrat der Bank zu wechseln. Er wolle Erfahrungen weitergeben, begründete er das damals: “An der Uni oder vielleicht auch im gesellschaftlichen Bereich.”
Von Sprinter zu Sprinter
In seiner Jugend hatte der Schweizer wissenschaftliche Neigungen besessen; Interesse an diesen Themen war auch in reifen Jahren noch vorhanden. Diesem Plan blieb er lange treu. Im Januar 2009 sagte Ackermann zu später Stunde kurz vor dem Ende des damaligen weltwirtschaftsforums in Davos, seine Ruhestandsplanung stehe fest.
Er habe viele Pläne; die ersten Abschiedsgeschenke trudelten schon ein. So berichtete er von einem Präsent des deutschen Sprinters Armin Hary, das ihn bewegt habe. Dazu muss man wissen, dass Ackermann in seinen jungen Jahren selbst ein begeisterter Leichtathlet war und die Karriere des rund elf Jahre älteren Hary gewiss genau verfolgt hat. Hary jedenfalls hatte ihm ein Buch über sich mit einer vielsagenden Widmung hinterlassen: “Von Sprinter zu Sprinter”.
Der perfekte Zeitpunkt für das Ziel?
Ackermann und seine Zuhörer wussten damals zwar, dass Hary in seinem Sportlerleben zu häufig zu früh losgelaufen war. Aber sie wussten noch nicht, dass Ackermann in den Monaten danach den perfekten Zeitpunkt dafür verpassen würde, durchs Ziel zu laufen.
Er ließ so auch die Gelegenheit verstreichen, sich mit dem Eindruck zu verabschieden, die Deutsche Bank glänzend durch die Finanzkrise geführt zu haben. Seine Nachspielzeit ist Ackermann nicht gut bekommen – weder in Deutschland noch in der Schweiz.
Dort hatte Ackermann seinen Hut als Verwaltungsratschef der Zurich Insurance Group nehmen müssen, nachdem der ehemalige Finanzchef Pierre Wauthier Selbstmord begangen hatte. In einem Abschiedsbrief hatte Wauthier Ackermann vorgeworfen, er habe ihn unter Druck gesetzt.
Eigennutz und Arrgoganz
Allerdings haben spätere Untersuchungen ergeben, dass kein “ungebührlicher Druck” auf Wauthier ausgeübt wurde. Ackermann hatte den Vorwurf ohnehin stets bestritten Wenn er nun negative Texte über sich liest, denkt er vielleicht manchmal an Armin Hary, den einst schnellsten Mann der Welt und Olympiasieger von Rom:
Hary erlebte schon damals, was auch Athleten heute unter der Überschrift Generalverdacht trifft. Ihm schlugen Zweifel, Misstrauen und Ablehnung entgegen. Eigennutz und Arroganz warf man Hary vor. Dennoch ist Hary der letzte Deutsche und letzte Europäer, der den 100-Meter-weltrekord gehalten hat.
Chef sein, heißt kommunizieren
Steht ein Mensch nicht am Ende seiner Karriere, sondern steigt neu in die Rolle des Vorstandsvorsitzenden ein, hat er meist keine Zeit mehr, langsam in seine neue Aufgabe hineinzuwachsen. Ein guter Kommunikationschef kann manches drehen, aber der Vorstandsvorsitzende, die Strategie und die Kommunikation eines Unternehmens müssen in jeder Hinsicht zusammenpassen – auch dauerhaft.
Die Frage, wie sich ein Vorstandsvors...