1 Einleitung
Dieses Buch ist radikal einfach â und vereinfacht radikal. Um es mit den Mechanismen zu sagen, die auf den folgenden Seiten noch nĂ€her beschrieben werden: Du musst es lesen! FĂŒnf gute GrĂŒnde, dieses Buch zu lesen:
Hier erfÀhrst du endlich, was Online-Journalismus ist.
Hier erfÀhrst du wirklich , wie es mit dem schönsten Beruf der Welt weitergeht.
So wirst du Online-Journalist, wenn du es willst.
Das wolltest du schon immer ĂŒber deine Zukunft als mobiler Reporter wissen.
Hier kriegst du auch noch raus, wer dieser Print-Gruftie ist, der es wagt, ein Online-Buch zu schreiben.
»Online-Journalismus â Was man wissen und können muss«: Es klingt selbstverstĂ€ndlich, aber fĂŒr Viele ist es das ganz und gar nicht. In meinem ersten Journalismus-Buch (»Journalismus â Was man wissen und können muss«, ebenfalls im Klartext-Verlag, Essen), an das wir hier anknĂŒpfen, war die Sache ziemlich einfach: Es gibt die ewigen Tugenden des schönsten Berufes der Welt, auf die wir uns besinnen und die wir hochhalten mĂŒssen. Online im Geiste immer mitgedacht. Wir haben zusammen an Texten gefeilt, Ăberschriften gebastelt und Fehlerquellen ausgemerzt. Wir haben uns dem guten Schreiben gewidmet und uns buchstĂ€blich neben unseren Leser gesetzt. Und nicht nur behauptet, dass wir ihn lieben. Unser Glossar war ein Lexikon des Journalismus, aber mit Schwerpunkt Print â und nun muss die Fortsetzung folgen. Online! Auch das neue Buch ist indes kein wissenschaftliches Werk, sondern ein Journalismus-Schmöker, soll Lust auf den schönsten Beruf der Welt machen.
Von welchem Journalismus sprechen wir?
Online-Journalismus. Journalismus 2.0. Internet-Journalismus. Konvergenz-Journalismus. An Begriffen, ĂŒber die auch noch krĂ€ftig diskutiert wird, ist kein Mangel. BloĂ, was ist das alles? Ist es wirklich neu? TatsĂ€chlich muss eine Revolution begreifen lernen, muss sich auch auf sie mit Haut und Haaren einlassen, wer mit dem schönsten Beruf der Welt in die Zukunft gehen will.
Doch wir mĂŒssen uns auch eingestehen, dass es nicht reicht, den vertrauten Print-Journalismus nun einfach online zu spielen und »ins Internet« zu stellen. Davon, wie sich der Journalismus in Zeiten von Web 2.0, Blogs und sozialen Netzwerken verĂ€ndert und was man dazu wissen und können muss, handelt dieses Buch.
Jenseits aller Bezeichnungen ist der Autor davon ĂŒberzeugt: Es ist der neue Journalismus. Er ist immer und ĂŒberall. Er kann von jedem jederzeit produziert werden kann. Er verĂ€ndert Redaktionen konsequent und beschert uns eine neue Pionierzeit.
Aber der neue muss auch den ewigen, wichtigen und wertigen QualitĂ€tskriterien des alten Journalismus standhalten: Verantwortung, Aufrichtigkeit, Relevanz, AktualitĂ€t, Unterhaltung, Transparenz, Demokratie. Ohne das geht es nicht, darunter können wir es nicht machen. Und wir sehen: Der neue Journalismus bietet spannende neue Möglichkeiten. Und die neuen Journalisten können Pioniere sein, wie es auch jene in der GrĂŒnderzeit des Print-Journalismus und der Zeitungsverlage waren. Auch von ihnen handelt dieses Buch. Ihnen ist es gewidmet.
Es ist von einem geschrieben, der in seinem Journalismus-Weg aus dem Gutenberg-Zeitalter herkommt, sich mit klobigen Schreibmaschinen herumschlug und sich mittlerweile konsequent in den digitalen Journalismus einschaltet. Womit wir wieder bei der Begrifflichkeit wĂ€ren. Sie ist letztlich egal â und das ist die Botschaft auch dieses neuen Lese- und Lernbuches: Erkennen wir, wo Handwerk notwendig ist, welche Werkzeuge wir benutzen und wie wir sie einsetzen. Sie sind letztlich nur Mittel zum Zweck fĂŒr den schönsten Beruf der Welt und seine AnhĂ€nger, die von diesen neuen Möglichkeiten immer getrĂ€umt haben.
Online ist immer und ĂŒberall
Ăberall unterwegs zu sein, immer die notwendigen technischen Mittel zur VerfĂŒgung zu haben, jederzeit schreiben und senden zu können â und das alles ohne Schwellen, ohne Barrieren, ohne Mauern, Möbel und Maschinen. Diesen Traum der Pioniere des Journalismus können wir uns heute tatsĂ€chlich verwirklichen.
Dieser Traum haucht auch den Journalisten selbst jenen Schuss Pioniergeist wieder ein, den sie so dringend nötig haben. Mehr noch: Echte MultimedialitĂ€t reiĂt zwischen Text, Foto, Ton und Video jene Grenzen auf, die man auch frĂŒher in den besten Momenten nicht mehr spĂŒren mochte. Jetzt kann man es selbst lernen und anwenden, hierfĂŒr gibt es Werkzeuge.
In einigen Passagen habe ich mich erzĂ€hlend aufgemacht und selbst beobachtet: Wie ich mit einem einzigen GerĂ€t â dem iPhone â zum Mojo werde, zum Mobilen Journalisten. Mobiler Journalismus wĂ€re dann schon der nĂ€chste geeignete Titel. Mobil und fĂ€hig zum Aufbruch und zum Loslassen von Vertrautem, auch von Sicherheit â in jeder Beziehung.
Aber das wĂ€re nicht alles, denn als Leiter einer GroĂstadt-Lokalredaktion ist der Autor zwangslĂ€ufig besonders dem Lokalen verhaftet. Und hier liegt passenderweise die eigentliche Revolution des neuen Journalismus: Endlich geht er wieder wirklich zu den Leuten, tatsĂ€chlich auf Augenhöhe, um die Hausecken und in die Quartiere. Davon haben wir mit »Planquadrat«-Konzepten schon am Anfang der 1980er-Jahre zu den Hochzeiten des Gutenberg-Zeitalters getrĂ€umt. Jetzt schlieĂt sich der Kreis, kann es sich hyperlocal erfĂŒllen, um den nĂ€chsten SchlĂŒsselbegriff anzufĂŒhren â lokal ganz unten, ganz dicht dran, Journalismus direkt an HĂ€userecken, in CafĂ©s, Jugendzentren, Kneipen, Stadien, in Parks und auf BĂ€nken.
Online ist immer und ĂŒberall.
2 »Ding Dong the print is dead«
Print-Journalismus versus Online-Journalismus â eine Bestandsaufnahme
Schon in Episode 10, Staffel 19, der Simpsons ist eigentlich alles klar. »Ha Ha! Your medium is dying!«, schleudert Rotzlöffel Nelson einem Top-Journalisten namens Ron entgegen. Ihn hat der TV-Moderator â auf dem Podium neben Kollegen von CNN und slate.com â eben mit weinerlich-triefender Stimme als »Print-Journalist von der Washington Post« vorgestellt, besser gesagt: entschuldigt.
»Ha Ha! Your medium is dying!« â der Clip ist natĂŒrlich lĂ€ngst Kult, das Wort geflĂŒgelt. Passt ja auch prima! Kindermund tut Wahrheit kund â und kriegt eins aufs Maul. Der Rotzlöffel tritt mit dem FuĂ auf: »But it is!« Mit vĂ€terlicher Strenge wird er belehrt: »Thereâs beeing right and thereâs beeing nice.«
Recht haben ist eben das eine. Nett sein das andere. Man kann, wenn man nett und diplomatisch ist, alles auch anders sagen. Vor allem, wenn man Teil ist. Angehöriger. So wie ich. Ich bin auch so ein Print-Journalist, den man mittlerweile milde-mitleidig vorstellt. Und mustert. Na, wie ist der drauf? Der lacht ja noch. Eigentlich fĂŒhle ich mich auch noch ganz wohl. »Ha Ha! Your medium is dying!« Ich will es nicht wahrhaben. Aber die EinschlĂ€ge kommen nĂ€her.
Kondoliert wird schon krĂ€ftig. Wird es Zeit, die Terminkalender fĂŒr die groĂe Trauerfeier zu zĂŒcken? Lass mal stecken.
Einerseits geht das Print-Sterben schleichend vonstatten. Hier verschwindet ein Zeitungstitel, dort werden Redaktionen zusammengelegt. Es ist mĂŒĂig, ĂŒber die Ursachen zu spekulieren: Halbierung der Anzeigenerlöse, Verlust einer ganzen Abonnenten-Generation, Internet-Revolution mit Gratiskultur, sich selbst genĂŒgender Journalismus. Jede einzelne dieser real existierenden Ursachen wĂŒrde fĂŒr eine veritable Krise schon reichen. Ihre Summe mit komplexen Wechselwirkungen ist die Ursache einer UmwĂ€lzung.
Wir stecken mittendrin. Eine Konzentrationswelle schöpferisch-zerstörerischen AusmaĂes sorgt fĂŒr Fokussierung.
Ebene 1: Hocheffiziente Journalismus-Zentralen bereiten wie schnelle BrĂŒter das auf, was in die verschiedenen MedienkanĂ€le eingespeist werden kann.
Ebene 2: Das Lokale bleibt mit Alleinstellung die BrutstĂ€tte des Journalismus, wo Talente aufgehen, Ideen entstehen, neue Produkte entwickelt werden. Doch darunter, daneben und darĂŒber entsteht etwas völlig Neues.
Das ist Ebene 3: der klassenlose Journalismus. Er fegt das Alte fort. Seine Produktionsmittel sind cheap, smart, social â hochintelligent, hocheffizient, nahezu kostenlos (wenn nicht gratis), fĂŒr jedermann verfĂŒgbar, mit einfachen Handgriffen bedienbar.
Von allen drei Ebenen wollen wir sprechen. Es geht aber in erster Linie darum, was professionelle Journalisten und diejenigen, die es werden wollen, mit Ebene 3 zu tun haben â dem klassenlosen Journalismus. Nennen wir es also Online-Journalismus. Digital journalism in England und USA. Achtung: Ihn zu ignorieren bleibt nicht lĂ€nger folgenlos. Das ist das Neue.
Aber, ach: Viele gestandene Redaktionsprofis sind digital verstockt und bocken statt zu bloggen. Sie meinen, dieser Kelch gehe doch noch irgendwie an ihnen vorbei. Mehr noch: Auch sogenannte digital natives erweisen sich paradoxerweise als Muffel, wenn sie an die TĂŒren der Redaktionen und Journalismus-StudiengĂ€nge klopfen. Kaum einer bloggt freiwillig oder broadcastet sich schon als eigene Marke, verblĂŒffend viele fremdeln sogar mit Facebook, Twitter und Co. Und wenn du mal einen oder eine triffst, der oder die bereits crossover mit verschiedenen Medien spielt, dann kannst du dich wirklich freuen.
Im Labor â Der neue Journalismus entsteht gerade
Die Wahrheit ist: Der neue Journalismus entsteht gerade, er ist noch nicht fertig. Und wir mittendrin. Basteln, kleben, kitten, modellieren, hÀmmern, schleifen wir also mit. Es staubt und riecht wie in einer Garage, trotzdem machen...