Die letzten Aktionen des KGB
eBook - ePub

Die letzten Aktionen des KGB

  1. 192 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub

Die letzten Aktionen des KGB

About this book

Nikolai Sergejewitsch Leonow gewährt tiefen Einblick in die Funktionsweisen des KGB, von den 1960er Jahren an bis zu seinem offiziellen Ende nach 1991, und beschreibt seinen persönlichen Werdegang im Dienst. Aufgrund seiner guten Sprachkenntnisse lernte er in den 1960er Jahren Fidel Castro bei dessen Besuchen in der Sowjetunion kennen und wurde sein persönlicher Dolmetscher. Später nahm er an etlichen Operationen in Lateinamerika teil, unter anderem war er in Panama bei Staatschef Manuel Noriega zu Gast, als dieser von den USA gestürzt und in die Vereinigten Staaten gebracht wurde. Im KGB selbst stieg Leonow beständig auf und bekleidete lange und bis zum Ende des Dienstes das einflussreiche Amt des Chefs des Analyse- und Lagezentrums. Als solcher hatte er in den letzten Jahren des KGB privilegierten Einblick in dessen Vorhaben und Aktionen und berichtet davon mit dem Wissen des Insiders. Doch nicht nur geheimdienstliche Operationen präsentiert Leonow: Immer wieder betrachtet er kritisch das Handeln beziehungsweise Unterlassen der politisch Verantwortlichen in Moskau. Eindrucksvoll beschreibt er die Agonie der Niedergangsphase und wie die Verbündeten, so auch die DDR, politisch "verkauft" wurden.

Frequently asked questions

Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
No, books cannot be downloaded as external files, such as PDFs, for use outside of Perlego. However, you can download books within the Perlego app for offline reading on mobile or tablet. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
  • Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
  • Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
Both plans are available with monthly, semester, or annual billing cycles.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Die letzten Aktionen des KGB by Nikolai Sergejewitsch Leonow, Gudrun Büchler in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Politics & International Relations & Political History & Theory. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.
In Mexiko, an vorderster Front
Nach der Zerschlagung der Invasionsbrigade in Girón begann ich mich, auf meine Abfahrt nach Mexiko vorzubereiten. Dorthin wurde ich als Dritter Sekretär der Botschaft beordert.
Mexiko war aus zwei Gründen für mich ausgewählt worden: Zum Ersten war ich ja schon einmal in den Jahren 1953 bis 1956 in dem Land gewesen, wo ich sogar das Glück hatte, fast zwei Jahre am Lehrstuhl für Philosophie und Literatur der National-Universität zu studieren. Ich beherrschte die spanische Sprache ziemlich gut, und ich hatte bereits einen Freundeskreis. Eine Eingewöhnungszeit in dem Land brauchte ich nicht. Ich hatte dieses zauberhafte Land bereits liebgewonnen, sein Volk und seine eigenwillige Kultur. Die Kenntnis seiner Geschichte begeisterte mich. Das dramatische Schicksal Mexikos, beginnend mit der Eroberungsexpedition Hernán Cortés’ und endend mit der Revolution 1910–1918, ist geprägt von endlosen Versuchen ausländischer Eroberer, das freiheitsliebende Volk zu versklaven. Spanische, französische, englische und vor allem amerikanische Horden trampelten das Land nieder. Der fortwährende Kampf um die Unabhängigkeit hinterließ Wirkung auf die soziale Psyche der Mexikaner. Dieses friedliche und freundliche Volk hat die wahrscheinlich militanteste Nationalhymne. Sie besteht nicht aus Strophen, sondern beinhaltet einen Aufruf zum Kampf. Der andere Hauptgrund für meine Entsendung nach Mexiko war die Bestimmung der USA zu meinem wesentlichsten Tätigkeitsfeld als Aufklärer. In Mexiko lebte ständig eine große Anzahl Amerikaner. Für viele Jahre wurde das Aufdecken der Geheimnisse der Amerikaner Ziel meiner Arbeit. Diese Aufgabe wurde mir von der Führung der Aufklärung übertragen und entsprach voll meinem persönlichen Anliegen. Die USA waren für mich nicht nur der offizielle »Hauptgegner«, sondern auch der tatsächliche Feind meines Vaterlands. Natürlich spielte bei der Ausprägung des Verhältnisses zu den USA auch die verordnete staatliche Propaganda mit ihrem Feindbild eine Rolle. Aber eine bedeutende Schule hierfür lag in der Geschichte. Die Vorfahren der heutigen in Wohlstand lebenden Yankees trugen Schuld an der physischen Vernichtung der indianischen Ureinwohner Amerikas. Wobei dieser Genozid zu einer Zeit geschah, als in Europa allerorten das Recht zur Grundlage in Staat und Gesellschaft erklärt wurde.
Vor meinen Augen erschien die Geschichte der spanischen Kolonialisierung Lateinamerikas, die ja ein paar Jahrhunderte eher erfolgte als die der USA. Unter den Spaniern gab es auch Verteidiger der Rechte der Indianer, solche wie der unsterbliche Bartolomé de Las Casas. Die Eroberer vermengten sich schnell mit den Ureinwohnern. Selbst Hernán Cortés hatte die Tochter eines indianischen Kaziken geheiratet. Mit der Zeit dominierte in den großen Weiten Lateinamerikas die Rasse der Mischlinge. Sie waren aufgrund der Vermischung der zwei dominierenden Rassen entstanden. Völlig anders lief es im Norden des amerikanischen Kontinents. Dort wurden in den Indianern Feinde der Weißen gesehen, die vernichtet werden mussten. Ihr Abbild in der amerikanischen Literatur und Kunst war über lange Zeit die erschreckende Gestalt des Bösen.
Überhaupt habe ich bemerkt, dass die Vertreter der romanischen Völker Europas – die Spanier, Franzosen, Portugiesen, Italiener – menschlicher, wenn man das so sagen darf, im Verhältnis zu den Kolonialisierten waren als die Angelsachsen. Letztere haben sich als wilde Rassisten erwiesen. Sie haben sich unverhältnismäßig gegenüber der Urbevölkerung verhalten. Sie lebten ihr herrschaftliches Leben in abgetrennten Stadtteilen und Siedlungen und hinterließen fast nirgendwo große Gruppen einer Mischlingsbevölkerung. Auch jetzt wachsen die aus Afrika immigrierten Schwarzen in den USA zahlenmäßig ständig, jedoch ohne nennenswerte Ausprägung von Mulattengenerationen, wie das zum Beispiel bei denselben Afrikanern auf Kuba oder in Brasilien geschieht. Nachdem sich die USA etwas etabliert hatten, warfen sie jeglichen Anstand über Bord und gingen zu einer verschärften imperialistischen Aggression über. Im Krieg 1846–1847 eroberten sie zwei Fünftel des mexikanischen Territoriums. Nach einigen Jahren gelang ihnen die Eroberung Nicaraguas. Sie führten dort die Sklaverei ein. Weiterhin hatten sie vor, ganz Mittelamerika zu okkupieren, erlitten aber eine Niederlage. Die Liste internationaler Übergriffe könnte man endlos fortführen. Der letzte war die Panama-Invasion im Dezember 1989. »Der große Knüppel« – das Symbol der USA-Politik auf der Westhalbkugel – hat auf ewig Bestand, obwohl sich die Etikette nicht nur einmal gewandelt haben.
Im Verhältnis zur ­UdSSR haben die Vereinigten Staaten immer eine gegnerische Position bezogen.
Unmittelbar nach Beginn des Bürgerkriegs 1918 kamen Truppen der Vereinigten Staaten auf das Territorium Russlands – nach Archangelsk und in den Fernen Osten. Sie wollten die separatistischen Bestrebungen der dortigen Herrscher unterstützen.
Ich weiß, wie empfindlich die Amerikaner selbst in Fragen der Anwesenheit ausländischer Militärangehöriger auf ihrem Territorium reagieren. Einmal während der Gespräche über ein Gastspiel des Alexandrow-Ensembles in den USA, dessen Repertoire Lieder und Tänze umfasste, redeten die amerikanischen Vertreter und die Presse ganz ernsthaft davon, dass der Auftritt ausländischer Militärangehöriger in Uniformen und mit Abzeichen auf amerikanischem Territorium als feindliche Übergriffe ausgelegt werden könnten. Mit dieser Begründung bestanden sie darauf, dass das Ensemble in ziviler Bekleidung auftrat.
Mir als Russe tut es bis jetzt weh, wenn ich die historischen Filmdokumente der Jahre 1918/19 sehe, die amerikanische Kriegsschiffe in unseren Häfen zeigen. US-Marineinfanterie marschiert durch die Straßen unserer okkupierten Städte. Soweit ich mich erinnern kann, hatten wir sie nicht eingeladen.
Die USA waren 1933 die letzten der Westmächte, die So­wjetrussland anerkannten.
Während der Jahre des Zweiten Weltkriegs warteten wir Jungen, wie auf eine Rettung, auf die Eröffnung der zweiten Front in Europa. Wir hofften, dass sie helfen würde, damit unsere Väter und älteren Brüder lebend nach Hause kehrten. Aber nein! Die Amerikaner schickten uns Waffen auf Leih-/Leasingbasis, einige Lebensmittel – aber mit dem Blutvergießen im Kampf gegen den Faschismus hatten sie es nicht so eilig.
Ich habe vor dem amerikanischen Volk, vor den einfachen Bürgern der USA, große Achtung. Sie haben auch ein Gefühl der Gerechtigkeit und von Mitleid mit Notleidenden. Sie verstehen es sehr gut, ihre Arbeit zu organisieren. Sie verlassen sich auf ihre eigenen Kräfte und sind von sich überzeugt. Nun so sind eben Staaten aufgestellt, indem die Bevölkerung wesentlich besser ist als die Regierung. Die USA machen da keine Ausnahme. Träumt etwa ein gewöhnlicher Amerikaner der Mittelschicht davon, Deutschland, China und Russland in einige Staaten aufzuteilen? Aber für die regierende Oberschicht der USA, ihr Establishment, war dieser Gedanke immer präsent. Das war ihr himmelblauer geopolitischer Traum. Deshalb meine ich, wenn ich von den »USA« spreche, immer die Kräfte, die die Idee von der Weltherrschaft hegten (oder sie heute noch hegen). Sie wollen diese Sache mit Leben erfüllen.
Also mit einem Wort: Ich arbeitete gegen die USA aus vollster Überzeugung, dass ich einer guten und von Gott gewollten Sache nachgehe. Damit konnte ich mein Land schützen und vielen anderen Völkern helfen, die sich bereits in den Klauen des amerikanischen Adlers befunden hatten.
Die Völker sind besser als die Regierungen! Deshalb waren einfache Amerikaner meine Helfer. Sie erwiesen sich als klug genug, um die Washingtoner Politik nicht nach Worten, sondern nach den Taten zu beurteilen.
Ich reiste im Sommer 1961 nach Mexiko. Nach einem reichlichen Jahr ereignete sich eine bedrohliche Krise in der Karibik, die die ganze Welt an den Abgrund eines Atomraketen-Krieges brachte. In jenen Oktobertagen, als die Nerven unter der Hysterie blanklagen, ergoss sich eine amerikanische Flüchtlingswelle vom Norden über die Grenze Mexikos in den Süden. Eine Reihe von Fahrzeugen mit Wohnwagen wand sich über die Gebirgspässe. Die Menschen flüchteten, so hatte es den Anschein, vor dem unweigerlichen Atomtod. Es gab Schwierigkeiten bei ihrer Unterbringung sowie bei der Versorgung mit Medikamenten und Lebensmitteln. Viele der unfreiwilligen Flüchtlinge verfluchten auf Teufel komm raus sowohl die heimtückischen Russen als auch die Taugenichtse in Washington, die wegen irgendwelcher politischer Streitigkeiten um Kuba die USA in Gefahr brachten.
Die Botschafter der ­UdSSR fegten durch das Außenministerium und hielten sich bei den Präsidenten der ganzen Welt auf. Sie erklärten im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Rechtmäßigkeit der Position der ­UdSSR. Natürlich wusste niemand von ihnen um die tatsächliche Lage der Dinge mit der Stationierung sowjetischer taktischer Raketen auf Kuba. Ich begleitete mehrmals unseren Boschafter in Mexiko, S. T. Basarow, in die Residenz des damaligen mexikanischen Präsidenten, López Mateos. In den Gesprächen legten die Botschafter immer das Hauptaugenmerk auf den Verteidigungscharakter der Vorgehensweise der ­UdSSR und Kubas. Sie führten Datenmaterial über die Konzentration von militärischen Streitkräften in den südlichen Gebieten der USA an, die bereit zur Invasion waren. Die Mexikaner nahmen unsere Information mit Verständnis auf.
Erst einige Jahre später wurde mir das gesamte Ausmaß unserer militärischen Operation bekannt. Sie war auf die Verteidigung der kubanischen Revolution gerichtet gewesen und erhielt damals den Decknamen »Anadyr«. Als Gegenreaktion auf die Gefährdung der Insel Kuba durch eine Invasion mit einer Streitmacht von 150.000 Soldaten, unterstützt von Hunderten Flugzeugen und Kriegsschiffen der USA (alle diese Angaben wurden vom damaligen amerikanischen Verteidigungsminister McNamara offiziell bestätigt), beschloss die So­wjetunion, um mit den Worten Nikita Chruscht­schows zu sprechen, den Amerikanern einen »Igel« vor die Füße zu werfen. Das bedeutete, auf der Insel Atomraketen zu stationieren, die jeden beliebigen Gegner aufhalten würden. Ich möchte daran erinnern, dass sich in jenen Jahren auf dem Gebiet der Türkei, eines Nachbarn der ­UdSSR, kampfbereite amerikanische Raketen »Jupiter« befanden, in deren Reichweite sich die wichtigsten Wirtschaftszentren und Städte unseres Landes befanden. Die Maßnahmen der So­wjetunion zur Raketenstationierung auf Kuba waren dem Grunde nach Bestandteil einer Konfrontationspolitik. Sie verfolgten aber Verteidigungsziele – den Schutz der jungen kubanischen Revolution.
Die Operation »Anadyr« selbst war einmalig. Vergleichbares gab es in der Geschichte der So­wjetarmee nicht. In einer kurzen Zeit von nur drei Monaten wurden mit der Marine und Handelsschiffen des Ministeriums der Hochseeflotte eine Streitmacht von etwa 40.000 Armeeangehörigen auf Kuba verbracht. Dazu gehörte eine Raketendivision, das hieß fünf Regimenter. Drei davon waren mit R-12-Raketen mit einer Reichweite von 2.500 Kilometern ausgerüstet und zwei mit R-14-Raketen mit einer Reichweite bis 4.500 Kilometer. Leider waren nicht alle Raketen zu Beginn der Krise bereits eingetroffen. Aus der Luft wurde die Raketendivision von zwei Divisionen der Luftabwehr geschützt, die über das Raketensystem »Boden-Luft« (144 Systeme) und ein MiG-21-Jagdflugzeuggeschwader verfügten. Zu den Kräften der Luftabwehr gehörte auch ein Bataillon des funktechnischen Dienstes.
Von Land aus wurden die Raketenwaffen durch vier Regimenter mobiler Infanterie gesichert. Übrigens wurde eines davon durch Oberst D. T. Jasow befehligt. Diese Regimenter waren so schlagkräftig, dass sie sogar »Brigaden« genannt werden sollten. Dazu gehörten jeweils ein Panzerbataillon und eine Raketendivision. Die Raketendivisionen waren mit zwei Systemen taktischer Atomraketen »Luna« ausgerüstet, deren Reichweite in Abhängigkeit vom Gewicht der Sprengköpfe 45 bis 65 Kilometer betrug.
Die Kräfte der Luftwaffe verfügten über zwei Raketengeschwader, jeweils mit acht Systemen der Reichweite bis 150 Kilometer, ein Hubschraubergeschwader und eine gesonderte IL-26-Flugzeugstaffel, die mit Atomwaffen bestückt war.
Im Prinzip war geplant gewesen, zwei Schiffsverbände an Kubas Küsten zu entsenden – einen über Wasser und einen U-Boot-Verband, aber davon hatte man Abstand genommen. Der Beschluss über diese Operation wurde am 24. Mai 1962 auf einer Sitzung des Präsidiums des ZK der ­KPdSU und des Verteidigungsrats nach einem Bericht des Verteidigungsministers, Rodion Malinowski, angenommen. Um diese Operation mit den Kubanern abzustimmen und deren Zustimmung zu erhalten, reiste eine Sonderdelegation mit Sch. Raschidow an der Spitze nach Havanna und kehrte am 10. Juni mit einem Einverständnis der Kubaner zurück.
Bis heute wird darüber diskutiert, ob es angemessen war, eine solch umfangreiche militärische Operation zu starten, ohne deren international-rechtliche Grundlage, zum Beispiel in Form eines vorher abgeschlossenen Vertrags zwischen der ­UdSSR und Kuba über militärischen Beistand, festzuschreiben. Ich bekam in der Folgezeit zu hören, dass A. I. Mikojan und A. A. Gromyko vorsichtig versuchten, die Aufmerksamkeit Chruscht­schows auf diesen Punkt zu lenken, jedoch gewann die Meinung der Militärs die Oberhand. Sie waren der Ansicht, dass im Fall einer verfrühten Verlautbarung der Pläne zur Operation »Anadyr« die Amerikaner deren Durchführung in einer sehr frühen Etappe boykottieren würden. Da könnten sie noch alle Überlegenheiten strategischen Charakters nutzen. Die So­wjetunion hätte nicht über Kontermöglichkeiten verfügt. Im Ergebnis fiel die Entscheidung für die Operation – unter geheimen Bedingungen. Die Welt sollte es erst nach Vollzug am 25.–27. November 1962 erfahren. Dort war der Besuch einer offiziellen Delegation aus der So­wjetunion unter Leitung von Nikita Chruscht­schow auf Kuba geplant, um gemeinsam mit Fidel Cas­tro den entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen.
Unter den Militärs erwies sich als ein mutiger General A. A. Dementjew, der in dieser Zeit als Hauptberater für Fidel Cas­tro tätig war. Er widersprach N. Chruscht­schow, indem er feststellte, dass es sowieso nicht gelingen würde, die gesamte Operation »Anadyr« bis zum Ende geheim zu halten – schon wegen der Transparenz der zukünftigen Raketenstandorte für die Aufklärungsflugzeuge der USA. Der in der Beratung neben ihm sitzende Rodion Malinowski stieß nach Augenzeugen­berichten A. Dementjew unter dem Tisch an, um ihn »zur Besinnung« zu bringen. Der aber blieb bei seiner Meinung, die sich im Nachhinein als richtig erwiesen hat.
Die Operation »Anadyr« war stabsmäßig vorbereitet, und die Organisation wurde sehr erfolgreich durchgeführt. Die Codierung und die Legendenbehaftung aller Verladearbeiten liefen gut. Zum Beispiel wurden an Bord der Schiffe, deren Kapitäne die Zielhäfen nicht kannten, Ski und warme Kleidung geladen, die als Ausrüstung für Truppenübungen in den Polargebieten deklariert wurden. Jeder Kapitän erhielt drei Päckchen. Das erste sollten sie bei der Ausfahrt aus den Hoheitsgewässern der ­UdSSR öffnen. Darin wurden sie aufgefordert, Kurs auf den Bosporus zu nehmen. Nach der Ausfahrt aus dem Marmarameer sollten sie die Anweisungen aus dem zweiten Päckchen befolgen. Dort war festgelegt, nunmehr Gibraltar anzusteuern. Erst nach Ausfahrt auf den Atlantik war das dritte Päckchen zu öffnen, das jetzt den Kurs auf Kuba vorgab.
Natürlich konnten die Amerikaner bereits infolge der hohen Anzahl sowjetischer Schiffe – vom Schwarzen Meer und aus der Ostsee, auch aus Murmansk – auf Kuba etwas ahnen. Einige Male kontrollierte ihre Marine unsere Transportschiffe und wollte eine nochmalige Kontrolle inszenieren. Sie erfragten nachdrücklich den Bestimmungsort der Schiffe und die Schiffsladung. Aber die Matrosen trauten sich und wiesen sehr entschieden solche Forderungen ab und verfolgten bei gleicher Geschwindigkeit weiter ihren Kurs.
Während der gesamten stressigen Überfahrt nach Kuba befanden sich die Armeeangehörigen in den Laderäumen, um die Operation nicht zu enttarnen. Die Hitze im Schiffskörper war kaum zu ertragen. Die Lufttemperatur erreichte 30 Grad Celsius. Obwohl die Schiffsmannschaft ununterbrochen Meer­wasser auf die Decks schüttete, war die Schwüle unerträglich. An Deck durften sie nur für eine kurze Zeit und höchstens fünf, sechs Leute.
Bei der Anfahrt auf Kuba begannen häufigere Überflüge der amerikanischen Luftwaffe. Die Flugzeuge flogen gefährlich tief. Da zogen sich die an Deck befindlichen Soldaten sogar Sarafane an und banden sich Schals um den Kopf. Was für eine Maskerade!
Die Schiffe wurden nur nachts entladen. Als noch die Rede von einer einfachen Bewaffnung war, da konnte man das als Landtechnik ausgeben. Die großen Raketen und Flugzeuge jedoch konnten nur mit einer Legende in ihren Zielhäfen entladen werden. Es wurde vorgegeben, dass die kubanische Armee Manöver in dem jeweiligen Gebiet absolviere. so­wjetische Offiziere und Sergeanten wurden in kubanische Uniformen gekleidet und kannten nur zwei Schlüsselkommandos auf Spanisch: Adelante (»Vorwärts«) und Pare el coche (»Stopp«).
Insgesamt verlief die Überfahrt der Truppen und ihre Stationierung auf Kuba geräuschlos. Und die vielgelobte amerikanische Aufklärung konnte ungeachtet aller Bemühungen keine verlässlichen Daten über die Stärke der sowjetischen Truppen, ihre Ausstattung und Gefechtskraft liefern. In den Berichten des CIA an die Regierung war erst von 12.000 und dann von 16.000 So­wjetsoldaten die Rede, die sich auf Kuba befänden. Die Raketen wurden von der amerikanischen Luftaufklä...

Table of contents

  1. Am Anfang des Weges
  2. Erste Schritte in der Aufklärung
  3. In Mexiko, an vorderster Front
  4. Arbeit in der Zentrale – Abstecher als Aufklärer ins Ausland
  5. Wechsel zur Auswertungs- und Informationstätigkeit
  6. Große und kleine Sorgen der Aufklärung
  7. Krebszellen des Sozialismus
  8. »Bermuda-Dreieck«
  9. Der Anfang vom Ende
  10. Die schicksalsgeprüfte Revolution
  11. Die bitteren Gedanken der Analytiker
  12. Der letzte Hoffnungsstrahl
  13. Afghanistan
  14. Auge in Auge mit den Geheimdiensten der USA
  15. Zwietracht in der Aufklärung
  16. »Gorbaniade«
  17. Abschied von der Aufklärung
  18. Auf dem Posten des Hauptauswerters der Lubjanka
  19. Finita la comedia (Die Komödie ist zu Ende)