Anhang
Dokumente
1. Ferdinand Friedensburg, Protokoll über eine Besprechung bei Bundesminister Jakob Kaiser zur Gründung einer »Gemeinschaft für Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Ostzonenwirtschaft« am 26.1.1952 (Abschrift). Quelle: Bundesarchiv Koblenz, B 137 1/93
Berlin, den 28.1.1952
Protokoll über Besprechung bei Bundesminister Kaiser am 26.1.
Anwesend: Bundesminister Kaiser als Vorsitzender
Bundesbevollmächtigter Dr. Vockel
(nur während des ersten Teiles der Besprechung)
Dr. Türck
Dr. Baumann vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen
Prof. Dr. Meinberg [recte: Meimberg]
Dr. Rupp
Dr. Kramer
Prof. Dr. Fauser
Dr. Ernst
Präsident Dr. Friedensburg
Prof. Dr. Gleitze vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
Die Besprechung wurde vom Bundesminister Kaiser eröffnet mit der Feststellung, dass versucht werden müsse, für die Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Ostzonenwirtschaft eine Gemeinschaft der hier tätigen Organe und Personen zu schaffen. Die Angelegenheit sei im Bundeskabinett erörtert worden und der Bundeskanzler habe vorgeschlagen, Herrn Dr. Ernst, der jetzt nach Berlin zurückkehre, mit der Leitung dieses Arbeitskreises zu betrauen.
Dr. Ernst erklärte sich mit der Übernahme der Aufgabe einverstanden. Er schlug vor, einen kleinen Forscherstab mit der wissenschaftlichen Vorbereitung zu betrauen. Daneben soll ein Beirat gebildet werden, an dem alle auf diesem Gebiet tätigen Personen, Institutionen und Organe mitzuwirken hätten, und endlich sollte der interministerielle Ausschuss die Folgerung ziehen und weitere Anregungen an den Forschungsausschuss und an den Beirat geben.
Dr. Friedensburg erklärte sich grundsätzlich mit der geplanten Zusammenarbeit einverstanden und begrüßte auch die Betrauung von Herrn Dr. Ernst mit der Leitung des Arbeitskreises. Die fragliche Arbeit sei aber nicht eine einmalige Begutachtung, sondern müsse eine laufende Beobachtung und Beurteilung in sich schließen. Eine abschließende Stellungnahme sei niemals vor dem Tage der Wiedervereinigung zu erwarten, da sich die Verhältnisse in ständigem Fluss befänden. Die Aufgabe sei also nicht durch vorübergehende Betrauungen zu lösen, sondern nur durch eine permanente systematische Zusammenarbeit, wie sie etwa das »Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung« leiste. Ferner komme es gar nicht so sehr auf Bearbeitung verschiedener einzelner Branchen und Fachgebiete an, sondern auf die innere strukturelle Änderung, die sich über alle Teile des sowjetzonalen Wirtschafts- und Soziallebens erstrecke. Gerade die Vorbereitung der Wiedervereinigung könne nur aus einer gewissen Gesamtschau erfolgen, nicht aber auf Grund von Einzelbeobachtungen. Auch insofern glaubte ich, dass die entscheidenden Vorarbeiten nur von einem Institut geleistet werden könnten, das mit einem entsprechenden Apparat ausgestattet sei. Endlich wünschte ich, dass dies die Koordination aller auf diesem Gebiet tatsächlich tätigen Personen und Institutionen einbeziehen würde, also etwa auch den Bund freiheitlicher Juristen, den Königsteiner Kreis, die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, die Gesellschaft zur Wiedervereinigung Deutschlands usw.
Prof. Meinberg widersprach meiner Forderung nach Einbeziehung weiterer Persönlichkeiten und Institutionen, soweit nicht die Betreffenden das volle wissenschaftliche Vertrauen der bereits hierzu tätigen Forscher besäßen. Im übrigen seien die für das Ministerium Kaiser tätigen Forscher: Meinberg, Rupp, Thalheim und Kramer gut mit Material versorgt, so zum Beispiel von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit, die ihr Material voll der Forschungsgruppe zur Verfügung stelle. Dr. Rupp wandte sich gegen die Auffassung von Dr. Friedensburg, dass das Institut etwa die bestehende Forschergruppe entbehrlich mache. Im gleichen Sinn sprach auch Bundesminister Kaiser und Dr. Ernst.
Dr. Ernst nahm in Aussicht, in etwa vier bis sechs Wochen eine erste Sitzung einzuberufen, wobei die Herren Dr. Kramer und Dr. Fauser über die Landwirtschaft der Sowjetzone, Thalheim über die Industrie, Dr. Meinberg über Finanzen und Verwaltung in der Sowjetzone und Prof. Gleitze über die Sozialwirtschaft in der Zone referieren sollten. Im übrigen könnten auch Koreferate vorgesehen werden. Dr. Friedensburg machte Einwendungen gegen den unzureichenden Anteil des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Es sei seiner Ansicht nach nicht zu verantworten, dass Bund und Berlin ein großes Institut aufbauten, dessen Zentralaufgabe nunmehr von Einzelforschern übernommen würde.
Prof. Gleitze erklärte sich mit seiner Mitwirkung einverstanden und wies darauf hin, dass er auch die Arbeiten des Königsteiner Kreises in seiner Person mit in den neuen Arbeitskreis hineinbringe. Die Arbeiten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ließen sich nicht auf ein Teilgebiet beschränken. Im Gegenteil, das Berliner Institut habe es in eigener Abrede mit allen deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten übernommen, die Aufgabe der Beobachtung der Unterschiede und der Grundlagenforschung betr. das mitteldeutsche Gebiet zur Hauptaufgabe anzunehmen. Das Institut für Wirtschaftsforschung verfüge also auf diesem Gebiet nicht nur über seine eigene Legitimation, sondern über diejenige auch sämtlicher deutscher Forschungsinstitute, und deren Mitarbeiter und Material stehen ihm zur Verfügung. Die mitteldeutsche Frage sei in der Konzeption des Instituts eine Teilfrage der gesamtdeutschen, ja der internationalen Wirtschaftsbeobachtung, sie lasse sich als isolierte Fragestellung gar nicht aussondern.
Abschließend verblieb es bei dem Vorschlag von Dr. Ernst, wobei Dr. Ernst von Dr. Friedensburg zwar seine Mitarbeit zugesagt wurde, Dr. Friedensburg aber ausdrücklich erklärte, dass er die gefundene Regelung nicht für glücklich und nicht für endgültig halte.
gez. Dr. Friedensburg
2. Dr. Kunisch, Protokoll über die Besprechung der Staatssekretäre am 21.4.1952 über die Maßnahmen nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Gebiet der Sowjetzone. Quelle: Bundesarchiv Koblenz, B 137 1/12
STRENG VERTRAULICH
Bonn, den 21. April 1952
Bundesministerium
für gesamtdeutsche Fragen
1/2 – 328 – 207/52 geh.
Protokoll
über die Besprechung der Herren Staatssekretäre am 21. April 1952 im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen über die Maßnahmen nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Gebiet der Sowjetzone
Staatssekretär Thedieck (Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen) begrüßte als Leiter der Besprechung die in der anliegenden Anwesenheitsliste verzeichneten Teilnehmer und legte die Gründe für die Notwendigkeit einer Besprechung auf der Ebene der Staatssekretäre über die nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu ergreifenden Maßnahmen im Gebiet der Sowjetzone dar. Er führte dabei aus, dass sich das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen in den vergangenen 2½ Jahren bereits ausgiebig mit der Sammlung des Materials über die Verhältnisse auf allen Gebieten der Sowjetzone befasst habe, dass nun aber, gleichviel, wann der Tag der Wiedervereinigung komme, eine intensive Überlegung der Maßnahmen notwendig sei, die nach der Wiedervereinigung ergriffen werden müssten, damit möglichst bald im Gebiet der Sowjetzone rechtsstaatliche Verhältnisse und eine geordnete Wirtschaft hergestellt werden können. Derartige Überlegungen seitens der Bundesdienststellen seien um so notwendiger, weil bereits private Stellen mit gewissen Vorschlägen und Plänen hervorgetreten seien.
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen habe zu diesem Zweck zwei verschiedene Gremien geschaffen, einmal einen Forschungsbeirat, der sich aus hervorragenden Wissenschaftlern und Fachkennern der sowjetzonalen Verhältnisse zusammensetze und durch Vertreter der Parteien, der Wirtschaft, der Gewerkschaften und durch einige Bundestagsabgeordnete ergänzt werde, und den Interministeriellen Ausschuss für gesamtdeutsche Fragen.
Während der Forschungsbeirat mit Sitz in Berlin die Aufgabe habe, für das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen sowie die einzelnen Fachressorts Gutachten, Stellungnahmen und Pläne über wirtschaftliche Maßnahmen nach der Wiedervereinigung auszuarbeiten, diene der Interministerielle Ausschuss der Koordinierung der von den einzelnen Ressorts erarbeiteten Maßnahmen. Inzwischen seien bei den einzelnen Ressorts für die Bearbeitung der anstehenden Probleme Arbeitsstäbe gebildet worden, deren Leiter wieder die Mitglieder des Interministeriellen Ausschusses seien. Neben den wirtschaftlichen Fragen seien insbesondere Maßnahmen auf den Gebieten der allgemeinen Verwaltung, der Justiz, des Kultus und der Arbeitsverwaltung dringlich, die jetzt intensiver bearbeitet werden müssten. Die heutige Besprechung solle insbesondere der Sicherung der guten Zusammenarbeit zwischen diesen Gremien und der zweckmäßigen Steuerung der erforderlichen Arbeiten dienen.
Bei der Überlegung der zu treffenden Maßnahmen sei die Frage äußerst wichtig, auf welchem Wege die Wiedervereinigung sich vollziehen könne. Wenn sich die Wiedervereinigung so abspiele, dass nach Durchführung gesamtdeutscher Wahlen die Bildung einer Gesamtdeutschen Nationalversammlung und einer Gesamtdeutschen Regierung erfolge, während gleichzeitig in der Sowjetzone noch die Sowjets als Besatzungsmacht anwesend sind (Fall 1), müssten die zu treffenden Maßnahmen sicher anders gestaltet werden, als wenn die Wiedervereinigung erst nach dem Abzug der Sowjets erfolgt (Fall 2). Sicher sei es richtig, das Schwergewicht der Überlegungen auf den Fall 2 zu verlegen, aber auch für den möglichen Eintritt des Falles 1 seien Erwägungen über die dann zu treffenden Maßnahmen notwendig.
Welche Arbeiten vom Forschungsbeirat und dem Interministeriellen Ausschuss in Angriff zu nehmen seien, müsse nach der Frage der Dringlichkeit entschieden werden. Die Inangriffnahme dieser Arbeiten könne eine beachtliche psychologische Wirkung ausüben. Deshalb müsse auch die Frage geprüft werden, inwieweit die Arbeiten publiziert werden sollen. Eine stärkere Publizierung könne die öffentliche Meinungsbildung nicht unwesentlich beeinflussen.
Es sei deutlich, dass es sich bei allen diesen Arbeiten nur um Vorarbeiten für entsprechende Entschließungen der zukünftigen Deutschen Nationalversammlung handele, die die allgemeine Befugnis zur Entscheidung habe. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen wolle auch nicht allein die Stelle sein, die die gesamten Maßnahmen erarbeite. Dazu sei die Mitwirkung aller in Frage kommenden Ressorts notwendig, ohne deren Erfahrung und Fachkenntnisse sich Spezialmaßnahmen nicht erarbeiten lassen. Sicher sei es aber richtig, dass die Lenkung und Koordinierung der Maßnahmen beim Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen als zuständigem Ressort für die Fragen der Wiedervereinigung liege.
Staatssekretär Dr. Strauß (Bundesministerium der Justiz) betonte anschließend, dass für eine zweckmäßige Ökonomie der Arbeiten die Schaffung von Richtlinien erforderlich sei. Nach seiner Ansicht sollten aus Gründen der klaren Gestaltung alle Maßnahmen auf den Eintritt des Falles 2 abgestellt werden. Wenn wirklich der Fall 1 eintrete, käme es lediglich auf eine ents...