Kundschafterin des Friedens
eBook - ePub

Kundschafterin des Friedens

17 Jahre Topspionin der DDR beim BND

  1. 448 pages
  2. English
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub

Kundschafterin des Friedens

17 Jahre Topspionin der DDR beim BND

About this book

Am Anfang sprach nichts dafür, dass die sozial engagierte Politikstudentin Gabriele Gast, Mitglied der CDU, zur wichtigsten Agentin von Markus Wolf aufsteigen würde. Doch die Schrecken des Kalten Krieges und das politische Klima Ende der 1960er Jahre machten die Studentin empfänglich für die Argumente des östlichen Geheimdienstes. Angeworben während eines DDR-Aufenthaltes lernt die junge Frau das Handwerk der Konspiration von der Pike auf, sie wird zu einer "Kundschafterin des Friedens", wie die HV A ihre Agentinnen nannte. Und als sie schließlich Anfang der 1970er Jahre eine Stelle beim BND in Pullach bekommt, wird sie zu einer entscheidenden und Markus Wolf direkt unterstellten Quelle.

Frequently asked questions

Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
  • Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
  • Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
Both plans are available with monthly, semester, or annual billing cycles.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Kundschafterin des Friedens by Gabriele Gast in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Politics & International Relations & Political History & Theory. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.
1 Festnahme
Das plötzliche Verstummen des monotonen Motorenlaufs, das leise Surren sich aufrollender Gurte, das dumpfe Schlagen von Autotüren zerriss den Schleier bleierner Müdigkeit, der sich während der Fahrt auf mich gesenkt hatte und den Aufruhr meiner Gedanken für kurze Zeit in dämmerndem Halbschlaf vergrub. Es war schon fast Mitternacht, als der Wagen zum Stillstand kam.
Ich öffnete die Augen erst, als die Tür des Fonds von außen aufgemacht wurde. Zwar befand sich auch im Wageninneren, dicht neben meinem Arm, ein Türhebel. Ich hätte die Hand nur ein wenig ausstrecken müssen. Aber ich hatte es nicht getan, weil ich wusste, dass ich die Tür von innen nicht öffnen konnte, weil eine Sicherung das Schloss sperrte. Diese Erfahrung war neu für mich, nicht einmal zwei Tage alt. Dennoch war sie mir schon so sehr ins Unterbewusstsein gedrungen, dass selbst ein reflexhafter Griff zum Türhebel unterblieb.
Der Wagen, in dessen Fond ich saß, war ein Polizeifahrzeug, dessen gewöhnliches Aussehen nicht darauf schließen ließ. Ich entstieg ihm langsam, gleichsam beiläufig bemerkte ich bei den beiden Männern, die mich den ganzen Tag über begleitet hatten, eine unwillkürlich gespannte Haltung, die eine Bereitschaft verriet, sich jeden Moment auf mich zu stürzen, sollten meine zögernden Bewegungen unvermittelt in hektische Eile umschlagen. Ich war nicht gefesselt und hätte darin eine Chance sehen können. Die schmale Straße war menschenleer. Gegenüber dem Haus, vor dem der Wagen stand, erstreckte sich ein baumbestandener Hang. Nur wenige Schritte trennten mich davon. Ich hätte hinaufhasten können, in die Dunkelheit der Bäume eintauchen und rennen, rennen – weg von dem Auto, den Männern und dem Haus, das in einen hellen Lichtkegel eingehüllt lag. Aber ich bewegte mich nicht, stand starr neben dem Wagen, wie ich zuvor darin gesessen hatte, wartete ab, was nun geschah, was mit mir geschah. Ich wollte nicht davonlaufen, weil ich keinen Sinn darin sah. Schon im allerersten Moment, als das Unvorstellbare passierte, als jemand zu mir sagte »Es liegt ein Haftbefehl gegen Sie vor«, hatte ich gewusst, dass es kein Davonrennen gab, nur ein Mit-mir-geschehen-Lassen.
Ich erkannte eine mächtige, lang gezogene Fassade, die auf eine länger zurückliegende Entstehungszeit des Gebäudes hindeutete. Eigentlich nicht unfreundlich, dachte ich, denn ich mochte Bauten, deren Patina die nüchterne Sachlichkeit moderner Gebäude kontrastierte. Der Gedanke befremdete mich; es haftete ihm etwas Verzerrtes an, wusste ich doch, dass sich hinter dieser alten Fassade ein Gefängnis verbarg. »Justizvollzugsanstalt München / Frauenabteilung« besagte eine Schnörkelschrift über der Pforte. Aber trotz des Lichtstrahls, den eine schmiedeeiserne Laterne darauf warf, nahm ich sie in diesem Augenblick nicht wahr. Erst ein halbes Jahr später, als ich erneut die Pforte passierte, fiel mir die Schrifttafel auf. Doch auch ohne diesen Hinweis wusste ich, wo ich mich befand: in Neudeck, dem Frauengefängnis von München. Beim Ermittlungsrichter in Karlsruhe hatten die Polizeibeamten gesagt, man würde mich nun dorthin bringen – zur Untersuchungshaft.
Das war am Nachmittag gewesen. Ich war dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt worden, damit er über die Haftfrage entscheide. Es war nicht gut für mich gelaufen, aber das hatte ich vorhergesehen. Was hätte ich auch zu meiner Entlastung vorbringen sollen, da es gegen die Beweise, auf die der Bundesanwalt seine Beschuldigungen stützte, keine überzeugende Einrede gab?
So hatte ich es vorgezogen, von meinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen. »Ich möchte einen Anwalt sprechen«, hatte ich nur kurz gesagt und die Ausführungen des Richters reglos zur Kenntnis genommen. Als er jedoch den Erlass eines Haftbefehls mit dem Verdacht auf Fluchtgefahr begründete, hatte ich aufbegehrt: »Nein, keine Fluchtgefahr, das ist Unsinn. Mein Sohn und meine Mutter leben hier, die würde ich nie und nimmer im Stich lassen. Sie meinen, ich könnte vom Ausland her für mein Kind sorgen? Wie stellen Sie sich das praktisch vor? Mit Geld kann man sicher viel machen, aber kein Kind erziehen und ihm ein Zuhause und Zuwendung geben. Außerdem muss mein Sohn ständig krankengymnastisch betreut werden, er ist behindert.« Aber meine Einwendungen hatten den Richter nicht beeindruckt, und so unterschrieb er den Haftbefehl.
Dieses Papier, das so unvermittelt und radikal in mein Leben einschnitt, es in eine Zeit davor und eine danach schied, lag auch neben mir, als die Kripobeamten vor der Rückfahrt nach München und ins Gefängnis zum Abendessen ein Restaurant ansteuerten. »Auf eine Stunde früher oder später kommt es uns nicht an«, meinten sie gelassen, »und Ihnen wird es wohl erst recht nichts ausmachen. Genießen Sie das Essen! In nächster Zeit wird es nicht mehr so angenehm sein, obwohl die Verpflegung in Neudeck gar nicht so schlecht sein soll.« Ich hatte darauf verzichtet, dies zum Anlass für Fragen zu nehmen. Ich würde schon noch schnell genug Genaueres über das Münchner Frauengefängnis erfahren, und in meinem Kopf hämmerten ohnehin ganz andere Fragen, auf die ich brennend eine Antwort herbeisehnte.
Wer war dieser »Gewährsmann des Bundesnachrichtendienstes«, auf dessen Aussagen der Haftbefehl zurückging? Aussagen, die keinen Zweifel aufwerfen konnten, dass ich mit der »MfS-Innenquelle im Bundesnachrichtendienst« gemeint war und dass irgendjemand in der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit (HV A) schon seit langem von mir wie auch von anderen Kundschaftern gewusst und mich nun, wenige Tage vor dem Untergang der DDR, dem Geheimdienst der heraufziehenden neuen Staatsmacht preisgegeben hatte. Beim Ermittlungsrichter hatte der Bundesanwalt seine Beschuldigung, ich sei für die HV A nachrichtendienstlich tätig gewesen, auf ein Fernschreiben des BND gestützt. Darin war ich derart kenntnisreich und detailliert beschrieben, dass ich insgeheim meinte, ich würde mich aufgrund dieser Aussagen gleich selber verhaften: »Alter ca. 40–45 Jahre, ledig, Brillenträgerin, promovierte Akademikerin, etwas zickig, überdreht und mit einem sozialen Tick, hat ein körperbehindertes Kind adoptiert, arbeitet in der Abteilung Auswertung des BND, hat Zugang zu Material aus dem Bereich der Ost-West-Politik und der Drittweltpolitik.« Weitere Angaben betrafen meine Kontakte zur HV A und die Dauer meiner Kundschaftertätigkeit.
Um die Stichhaltigkeit seiner Beschuldigung zu untermauern, hatte der Bundesanwalt jenen Judas aus den Reihen der HV A, der angesichts der veränderten politischen Situation in die zwielichtige Rolle eines »Gewährsmannes« des BND geschlüpft war, so weit geoutet, dass dessen Identifizierung nur eine Frage der Zeit war. Er sei ein hochrangiger Mitarbeiter der Abteilung IX A der HV A gewesen, jener Organisationseinheit, die den Bundesnachrichtendienst aufgeklärt hat. Er kenne deshalb die Quellen der HV A in den westdeutschen Geheimdiensten. Er habe auch in der Sache Alfred Spuhler ausgesagt und bestätigende sowie zahlreiche neue Informationen gegeben. Seine Angaben zu mir seien mithin glaubwürdig.
Dann folgte, wie das in solchen Fällen bei Geheimdiensten üblich ist, die dramatisierende Forderung nach Schutz des neuen »Gewährsmannes«: Die Quelle gehöre zu einem Kreis elitärer ehemaliger MfS-Offiziere, die sich als Gemeinschaft verschworen hätten und jeden Verräter mit Liquidierung bedrohten. Da größtes operatives Interesse an ihm bestehe, sei ein äußerstes Maß an Geheimschutz erforderlich.
Wer war dieser Verantwortliche der HV A, rotierte es in mir, wer war es, der die Kaltschnäuzigkeit besaß, mich wenige Tage vor dem Ende seines Staates zu verraten, zugleich aber so töricht gewesen war, den Zusicherungen des BND zu vertrauen, man werde seinen Verrat schon geheim zu halten und seine Anonymität zu wahren wissen? Ein leitender Mitarbeiter, Offizier; zweifellos hatte er sich in früheren Jahren stets als Vorbild gewissenhafter Pflichterfüllung, als Inbegriff von Treue und Ehre ausgegeben. Gegenüber wie vielen Quellen, die er als Angehöriger des Auslandsnachrichtendienstes der DDR angeworben hat, mag er sich für deren Sicherheit verbürgt haben, so wie jetzt der BND ihm gegenüber? Und welche Belohnung hat ihm dieser Verrat eingebracht? Wie viel Kopfgeld hat der BND für meine Preisgabe gezahlt?
Dabei muss ihm klargewesen sein, dass nicht nur ich, sondern auch meine Familie und vor allem Harry, mein Sohn, den Preis für seinen Verrat zu entrichten hätten. Doch das schien diesem »Gewährsmann« gleichgültig zu sein. Hatte er nicht meinen Entschluss, ein behindertes Kind anzunehmen, als »sozialen Tick« bezeichnet? Eine humanitäre Spinnerei sozusagen. Wollte er damit der heraufziehenden Renaissance des materiellen Egoismus seine Reverenz erweisen oder hatte er nur versucht, die Schäbigkeit seines Tuns schönzureden?
Und warum in aller Welt hatte er, statt sich dem BND anzudienen, nicht versucht, mich um Geld anzugehen? Keinen Moment hätte ich gezögert, mir sein Schweigen zu erkaufen, wenn es mir und meinem Kind Sicherheit gebracht hätte. Warum die Zusicherungen mit Füßen treten, die man mir in all den Jahren, die ich für die HV A tätig gewesen war, den Kopf hingehalten hatte, um interessierende politische Informationen zu beschaffen, immer wieder gegeben hatte?
Meine Familie, durchzuckte es mich. Sie wird es so wenig fassen können wie ich selbst. Ein Irrtum, wird sie sagen, das Ganze ist ein furchtbarer Irrtum. Das hatte auch ich erwidert, als die Polizeibeamten mir sehr wohlmeinend nahelegten, ein Geständnis abzulegen. Dabei hatte ich gewusst, dass es kein Irrtum war. Doch meine Familie wusste das nicht. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, dass es neben meinem geheimen Tun für den BND auch eines für die HV A gab.
Mittlerweile hatte der Kellner das Essen aufgetischt. Es war ausgezeichnet, doch ich verspürte keinen Appetit und brachte es nur mit Mühe hinunter. Die Erstarrung, die mich in jenem Moment befallen hatte, als man sagte »Es liegt ein Haftbefehl gegen Sie vor«, hielt mich in eisernem Griff. Ich empfand weder Panik noch heulendes Elend. Ein lähmendes Entsetzen lag auf mir wie eine tonnenschwere Last, schnürte jede Gemütsregung ab und versetzte mich, einer mechanischen Puppe gleich, in eine noch nie zuvor erlebte Verhaltensautomatik.
Mechanisch war ich am Vortag den Kripobeamten zur Wohnungsdurchsuchung gefolgt. Mechanisch hatte ich einige persönliche Sachen für die Nacht im Polizeigewahrsam zusammengepackt, mich am nächsten Mittag dort abholen und dem Haftrichter vorführen lassen. Mechanisch war ich in den Wagen gestiegen, der mich ins Gefängnis bringen sollte. Nur das Hämmern im Kopf, das jener eine Satz »Es liegt ein Haftbefehl gegen Sie vor« ausgelöst hatte, folgte seinem eigenen Takt. Wer hatte mich verraten? Warum hatte er mir das angetan?, übertönte es die Fragen der Polizeibeamten, die Vorhaltungen des Bundesanwalts und die Ausführungen des Richters.
*
Dabei hatte jener Tag so gut begonnen. Nichts deutete auf die Katastrophe hin, in die ich geradewegs hineinsteuern würde. Es war ein strahlend schöner Herbsttag, keine Wolke trübte den azurblauen Himmel. Ein ideales Bergwetter, und nur zu gerne hätte ich, wie schon am Vortag, meinen Rucksack gepackt, um zu felsigen Gipfeln aufzusteigen. Dafür blieb heute keine Zeit. Aber man könnte mit der Seilbahn aufs Hafelekar fahren und von dort oben die herbstliche Bergwelt genießen.
Am Vorabend hatte Karl-Heinz, mein langjähriger Freund und einstiger Verlobter aus der HV A-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt, aus Innsbruck angerufen, gleichermaßen vorwurfsvoll wie besorgt. Er habe stundenlang auf mich gewartet, warum ich nicht gekommen wäre, ob etwas passiert sei? Nein, es war nichts, was hätte auch passieren sollen. Zum Bergsteigen sei ich gewesen, mit einem Jugendlichen aus meiner Klettergruppe, dem ich noch eine Führungstour schuldete. Hätte ich mich heute mit ihm in Innsbruck treffen sollen? Jein! Das hatten wir zwar ins Auge gefasst, doch du wolltest mir diesen Termin bestätigen. Das hast du nicht getan, und deshalb nahm ich an, dass dir etwas dazwischen gekommen ist, und habe nun andere Pläne. Ob wir uns morgen sehen können? Ist mir nicht so recht, weil ich dann Harry wieder allein lassen muss. Aber wenn ich bis zum Nachmittag zurück bin, lässt es sich einrichten. Treffen wir uns also gleich morgen früh.
Als ich an diesem klaren Herbstmorgen nach Innsbruck startete, bemerkte ich nicht den Wagen, der mir folgte. Ich hätte ihn bemerken können, wenn ich mich, wie früher, gegen eine mögliche Observation abgesichert hätte. Doch seitdem die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit der DDR eingestellt, die HV A aufgelöst war, seitdem ich meine geheimdienstliche Ausrüstung vernichtet hatte, wäre es merkwürdig erschienen, wenn ich mich dennoch nach den Regeln der Konspiration verhalten hätte.
So traf mich meine Festnahme gleichsam aus heiterem Himmel. Doch wann immer ich später den Ablauf der Ereignisse rekon­struierte, war ich heilfroh, völlig überrascht worden zu sein. Was wäre gewesen, wenn ich die Observation bemerkt hätte? Ich wäre vermutlich in Panik geraten, weil ich keinen Ausweg aus der Situation gefunden hätte. Zu versuchen, mich in die DDR abzusetzen? Diesen Weg gab es seit dem Fall der Berliner Mauer nicht mehr, und jetzt, wenige Tage vor der Vereinigung beider deutscher Staaten, wäre er mir schon gar nicht in den Sinn gekommen. Nach Österreich fliehen? An diese Möglichkeit hatte ich bislang nie gedacht, weil ich in Deutschland meine Heimat sah. Ich hätte im Ernstfall kein Problem damit gehabt, östlich der Elbe ein neues Heim für mich und mein Kind aufzubauen. Ich wusste, dass ich dabei auf umfassende staatliche Hilfe zählen könnte. Doch in Österreich? Zwar mochte ich dieses Land, hatte dort häufig meinen Urlaub verbracht. Aber dort hätte ich ganz aus eigener Kraft ein neues Leben beginnen und noch einmal von vorne anfangen müssen. Ich hätte nicht den Mut gehabt, eine solche Entscheidung meinem Sohn gegenüber zu verantworten.
Es wundert nicht, dass sich in den vielen Presseberichten über meinen »Fall« kein einziges Wort zu meinen Vorbehalten fand. Denn dann hätten die Medien – und ebenso der BND – einräumen müssen, wie weit die sensationellen Berichte über meine Verhaftung von der Wahrheit entfernt waren. Aus dem Umstand, dass ich am Grenzübergang Mittenwald-Scharnitz festgenommen wurde, hatte man nämlich messerscharf geschlossen, ich hätte von meinen Partnern in der HV A im letzten Moment eine Warnung erhalten und mich ins Ausland absetzen wollen.1 Schon einen Tag zuvor hatte der BND gemeint, Anzeichen für eine derartige Absicht festzustellen. War doch seiner Observationsgruppe am Nachmittag mein »sehr...

Table of contents

  1. 1 Festnahme
  2. 2 Im Visier der HV A
  3. 3 Anwerbung durch die HV A
  4. 4 Konspirative Treffen in der DDR
  5. 5 Anwerbung durch den BND
  6. 6 Nachrichtendienstliche Analysen
  7. 7 Führungsoffizier Markus Wolf
  8. 8 Pullach und die weite Welt
  9. 9 Annahme eines Kindes
  10. 10 Abschied von Markus Wolf
  11. 11 Rückkehr ins Sowjetunion-Referat
  12. 12 Epilog
  13. Anmerkungen