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Der Vatikan - Sex, LĂŒgen und Verbrechen. Johannes Seiffert untersucht unvoreingenommen und detailgenau die dĂŒstersten Kapitel aus 2000 Jahren Kirchengeschichte. Wie sieht es wirklich hinter den dicken Mauern aus? Wie hĂ€lt man es dort mit der Wahrheit, dem Zölibat, dem Sex? Der Autor analysiert das LĂŒgengebilde, auf dem die Katholische Kirche aufgebaut ist, ĂŒberprĂŒft die angebliche Heiligkeit fĂŒhrender Kirchenvertreter kritisch und benennt die zahllosen Verbrechen, die im Namen des Gekreuzigten begangen wurden und werden.
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Information
Zölibat
Von Jesus selbst ist im MatthĂ€us-Evangelium nur ein Satz ĂŒberliefert, der allgemein beschreibt, dass es Menschen gebe, die in Ehelosigkeit lebten »um des Himmelreiches willen« â dabei handelt es sich aber keinesfalls um ein Gebot, und schon gar nicht um ein Gebot der Ehe- und Sexlosigkeit fĂŒr Kirchenvertreter.
Dagegen heiĂt es im 1983 verabschiedeten und bis heute gĂŒltigen kirchlichen Rechtscodex (Codex Iuris Canonici) im eklatanten Gegensatz zur Sinnenfreude und Körperbetontheit des Urchristentums in Canon 277, Absatz 1: »Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwĂ€hrende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der eine besondere Gabe Gottes ist, durch welche die geistlichen AmtstrĂ€ger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können.« Damit steht die Kirche â nicht zum ersten- und nicht zum letzten Mal â in diametralem Gegensatz zu dem, was von der mythisch-mystischen Figur Jesus »dem Gesalbten« (Christus) an ĂuĂerungen ĂŒberliefert ist. Ob diese Verbindung von »Katholischer Kirche« und Zölibat bzw. sexueller Enthaltsamkeit, sexueller Selbstkasteiung und allgemeiner Körper- und Sinnenfeindlichkeit damit zu tun hat, dass eben gerade auf dem Vatikanischen HĂŒgel, etwa an der Stelle, wo heute der Petersdom steht, in römisch antiker Zeit eines der wichtigsten HeiligtĂŒmer des Kybele- und Attiskults lag, das so genannte Phrygianum, wĂ€re noch zu erforschen. AuffĂ€llig ist, dass es sich bei diesem Kult ausgerechnet um einen Kult der Selbstkasteiung und des freiwilligen Zölibats handelte, der in seinem kultischen Furor so weit ging, die Selbstentmannung, die Autokastration seiner Priester und AnhĂ€nger zu fördern und zu fordern. Teil des Phrygianums war das Taurobolium, ein groĂer Opferaltar, auf dem in regelmĂ€Ăigen AbstĂ€nden Ochsen geschlachtet wurden. Das Blut lief durch ein offenes Gitter hinunter und floss auf die unter dem Altar befindlichen Neophyten und NeuanhĂ€nger, die sich darauf hin, von der wirbelnden, ekstatischen Musik animiert, nun selbst zu kasteien und zu kastrieren begannen. Möglicherweise sind Geist und Gebot dieses Kults als Teil des Genius Loci auf die Katholische Kirche und ihre obersten Vertreter ĂŒbergegangen, mit Auswirkungen bis heute.29
Paulus
Man kann nicht ĂŒber Petrus sprechen, ohne Paulus zu erwĂ€hnen. Betrachtet man die Sache nĂŒchtern, mĂŒsste man die »Katholische Kirche« eigentlich »Paulinische Sekte« nennen. Niemand vorher oder nachher hat den ursprĂŒnglichen Gedanken der angeblichen Jesus-Figur, wie man sie mĂŒhsam aus den am wenigsten verfĂ€lschten, frĂŒhesten Schriften herausfiltern muss, stĂ€rker verĂ€ndert, drastischer in ihr Gegenteil verkehrt als Paulus. Eben nach diesem als Shaâul (latinisiert Saulus) getauften Mensch wird seit mehr als hundert Jahren eine eigene, die »paulinische Theologie« benannt.30 WĂŒrden die entsprechenden Fachwissenschaftler ihre jeweiligen KurzschlĂŒsse weiterdenken, kĂ€me man gar nicht umhin, die gesamte »Katholische Kirche« in »Paulinische Kirche« oder »Paulinische Sekte« umzubenennen.
»Paulus«, von Beruf Zeltmacher, setzte einige der verheerendsten VerfĂ€lschungen des ursprĂŒnglichen Gedankens ins Werk. Und das Erstaunliche ist, dass ihm dabei fast zweitausend Jahre lang so viele Menschen unkritisch folgten. Er machte aus einer lebensbejahenden, kosmopolitischen, frauenfreundlichen, körperfreundlichen Philosophie ein Theorem des Frauenhasses, der Feindseligkeit, des Chauvinismus, der Lebensverachtung und der Leibfeindlichkeit. Durch ihn gewann die Askese ihre völlig ahistorische, nichts desto weniger jedoch ĂŒberdominante Stellung in der Katholischen Kirche, durch ihn wurde die Frau in der Kirche zu einem Wesen zweiter (oder dritter) Klasse, durch ihn wird der entsetzliche Irrweg des Mönchtums in die Welt gesetzt. Diese Reihe lieĂe sich noch lange fortfĂŒhren. Es dauerte jedenfalls nicht lange, und Frauen waren vom Priesteramt â das sie bis dahin hĂ€ufig ausgeĂŒbt hatten â komplett ausgeschlossen (bis heute). Doch damit nicht genug. Bald wurden auch menstruierende oder schwangere Frauen als »unrein« vom Gottesdienst insgesamt ausgeschlossen, durften diesem also auch nicht mehr als einfache GlĂ€ubige beiwohnen.
Paulus verdrehte und verfĂ€lschte den ursprĂŒnglichen Sinn, die Zielsetzung des Christentums auf einzigartige Weise. Und hatte damit fast zweitausend Jahre lang Erfolg. Erst seit dem 20. Jahrhundert setzte mit der SĂ€kularisierung, mit der Erosion der AnhĂ€ngerschaft, mit der zunehmenden Entkirchlichung der westlichen Industriegesellschaften eine Entwicklung ein, an deren Ende die Marginalisierung der Katholischen Kirche, ihre Reduktion zu einer von vielen Sekten auf der Welt stehen dĂŒrfte. Dass Paulus aber dennoch so erstaunlich lang anhaltenden Erfolg mit seinen SinnesfĂ€lschungen hatte, sollte man nicht als Rechtfertigung fĂŒr sein Tun heranziehen. Auch andere verbrecherische Ideologeme weisen eine lange Erfolgsgeschichte auf. Damit lĂ€sst sich also keine historische Vormachtstellung, kein Anspruch auf Ehre und Ruhm begrĂŒnden. Stattdessen muss er bei nĂŒchterner Betrachtung als Initiator einer 2000-jĂ€hrigen Leidensgeschichte angesehen werden, die bis heute andauert: der Geschichte der Katholischen Kirche und der von ihr ausgehenden repressiven Moralvorstellungen, die zu UnterdrĂŒckung, Leiden, Folter, Mord und Völkermord fĂŒhrte.
Im Namen dieser paulinischen Kirche wurden »UnglĂ€ubige« »missioniert«, indem man sie umbrachte, so zum Beispiel in zahllosen »KreuzzĂŒgen« zur »Befreiung« der damals lĂ€ngst regulĂ€r in arabischem Besitz befindlichen Stadt Jerusalem, wurden ganze Kontinente entvölkert (Nord- und SĂŒdamerika), wurden »UnglĂ€ubige« als »Ketzer« ins GefĂ€ngnis geworfen, degradiert, oder gar verbrannt, wurden der EmpfĂ€ngnisverhĂŒtung kundige weise Frauen als »Hexen« verbrannt, wurde mit der Inquisition eine der verabscheuungswĂŒrdigsten Institutionen geschaffen, wurde die Geschichte zensiert (durch den von der Kirche zusammengestellten »Index der verbotenen BĂŒcher«, der nur noch kirchenfreundliches Schrifttum fĂŒr die GlĂ€ubigen zulieĂ, die in ewiger UnmĂŒndigkeit gehalten werden sollten).
Im Namen dieser repressiven, moralinsauren Kirche wurden viele Generationen ihrer AnhĂ€nger im Glauben an die eigene Schlechtigkeit, die eigene SĂŒndhaftigkeit gehalten, eine von Paulus in die Welt gesetzte Wahnvorstellung, die vermutlich auf eine eigene Impotenz, auf seinen mangelnden Erfolg bei Frauen zurĂŒckzufĂŒhren ist, die ihn dazu brachte, alles Weibliche, alles mit SexualitĂ€t verbundene zu hassen und zu verdammen und allen seinen AnhĂ€ngern rundheraus zu verbieten. Die auf der Basis seiner verqueren Weltanschauung geschaffene »Amtskirche« kooperierte willig mit Diktaturen, förderte die Ausbeutung der Unterschichten in Staaten, in denen sie als Staatskirche das Sagen hatte, forderte ihre AnhĂ€nger wörtlich zu kritiklosem, unbedingten Gehorsam auf, und verbot zeitweise jegliche Freudenempfindung als »unchristlich«. Die von Paulus begonnene Hierarchisierung der vorher basisdemokratischen Glaubensgemeinschaft fĂŒhrte zu der heute noch existierenden »Amtskirche« mit ihrer Verschwendung, dem aufgeblĂ€hten, ĂŒberflĂŒssigen Apparat an »WĂŒrdentrĂ€gern«, dem maĂlosen Anspruch, ĂŒber Wohl und Wehe aller Menschen auf dieser Erde zu entscheiden. In seinem Namen entstand nicht zuletzt das Papsttum, von dessen Verfehlungen, Abirrungen und Verbrechen auf den folgenden Seiten die Rede sein wird.
Auch Paulus soll in Rom zum MĂ€rtyrer geworden sein, im Umfeld des groĂen Brandes und der anschlieĂenden Christenverfolgung. Als römischer BĂŒrger wurde er wohl nicht gekreuzigt, sondern mit dem Schwert enthauptet. Sein Grab soll sich in der Kirche Sankt Pauk vor den Mauern befinden.31 Anderen Ăberlieferungen zufolge kam Paulus nicht in Rom ums Leben, sondern reiste munter weiter bis nach Spanien.
Die ersten PĂ€pste nach »Petrus« kann man getrost ĂŒbergehen, da sie â wie gezeigt â pure Erfindung sind, nachtrĂ€glich ausgedacht als Belege fĂŒr die ununterbrochene Liste der apostolischen Sukzession in der Nachfolge des ersten Papstes »Petrus«. Zu diesen historischen Konjekturen gehört auch der »heilige« Soterus (angeblich im Amt 166â175), auf den â so die Sage â die Erfindung des kirchlich gesegneten Instituts der Ehe zurĂŒckgeht (war vorher eine rein weltliche Angelegenheit), bestimmte er doch angeblich, dass Ehen ohne kirchlichen Segen ungĂŒltig seien.
Ansatzweise historisch zuverlĂ€ssige Nachrichten, wenn auch noch im sehr ĂŒberschaubaren, teilweise nachtrĂ€glichen Erfindungen geschuldeten Bereich, gibt es dann um die Wende zum dritten Jahrhundert:
»Heiliger« Viktor I.
(Bischof von Rom 189â199(?))
Unter »Viktor« soll es zu ersten direkten Verbindungen der als Untergrundreligion entstandenen Katholischen Kirche und dem regierenden Herrscherhaus unter Kaiser Commodus (161â192, Kaiser 180â192, Sohn von Marc Aurel) gekommen sein. Bindeglied war in diesem Fall eine angeblich christliche Prostituierte namens Marcia. Aufgewachsen in einem vom Eunuchen Hyacinthus geleiteten MĂ€dchenheim fĂŒr Nachwuchs-Huren, wurde sie im Alter von 14 Jahren als Sexsklavin dem Kaiserneffen Marcus Claudius Ummidius Quadratus zugefĂŒhrt. Dieser wurde allerdings wenig spĂ€ter als Mitglied einer Verschwörung der Kaiserschwester Lucilla gegen Commodus hingerichtet. Commodus ĂŒbernahm Marcia mit der »Erbmasse« seines Neffen fĂŒr die nĂ€chsten zehn Jahre in seinen eigenen Harem.
Marcia gehörte zum Bekanntenkreis des Papstes Viktor. Sie setzte sich angeblich wegen Sympathien fĂŒr den christlichen Kult fĂŒr die Freilassung zahlreicher Christen ein, die zur Sklavenarbeit in den Bergwerken Sardiniens verurteilt worden waren. Dazu spielte sie dem Kaiser wiederholt von Viktor zusammengestellte Listen verurteilter Christen zu, die angeblich ungerechtfertigt auf der Insel schufteten. Zu den Begnadigten gehörte auch der spĂ€tere Papst Calixt I. (s. u.). Marcia zĂ€hlte angeblich zu den Drahtzieherinnen eines weiteren Anschlags auf Kaiser Commodus, dem dieser zum Opfer fiel. Er wurde von einem anderen Geliebten Marcias, dem Gladiator Narcissus, im Bad erwĂŒrgt. Marcia hatte den nackten Kaiser zuvor offenbar mit erotischen Handreichungen abgelenkt und durch die Gabe von Narkosegiften betĂ€ubt.
Allerdings konnte sie sich ihrer Machtstellung am Hof seines Nachfolgers nicht lange erfreuen, da sie wenig spÀter selbst als angebliche Verschwörerin im Alter von 25 Jahren hingerichtet wurde.32
Calixt I.
(um 160â222, Bischof von Rom 217â222(?))
Als verurteilter FinanzbetrĂŒger zĂ€hlte er zu den Bergwerkssklaven auf Sardinien, die im Zuge der von der Prostituierten Marcia eingefĂ€delten Begnadigungen in den 180er Jahren freigelassen wurden. GeprĂ€gt ist seine angebliche Amtszeit durch den von ihm verkĂŒndeten, mutmaĂlichen »Generalablass«, den Erlass der SĂŒndenstrafen durch tĂ€tige Reue. In den Genuss dieses »Schulderlasses« kamen bei ihm auch Mörder, die ihre Tat bereuten, Ehebrecher und sonstige SexualsĂŒnder, was ungemein zu seiner Beliebtheit beitrug. Bis zu diesem Zeitpunkt waren solche »TodsĂŒnden« auf Erden nicht mehr gut zu machen gewesen. Gleichzeitig sorgte dieses laxe AmtsverstĂ€ndnis dafĂŒr, dass es zu einer puristischen Gegenbewegung unter dem Heiligen Hippolytos kam. Dieser ebenfalls aus dem Nahen Osten stammende Vertreter der reinen Lehre wirkte ab 192 Presbyter in Rom, und ab 217 als erster Gegenbischof zu dem laxen Calixt. Hippolytos sprach sich gegen den Erlass der Strafen fĂŒr TodsĂŒnden aus. AuĂerdem beschuldigte er Calixt, verschiedentlich Gelder der Kirche unterschlagen und zu seinem eigenen VergnĂŒgen missbraucht zu haben.
Der Vielschreiber Hippolyt, von dem unter anderem eine »Apostolische Ăberlieferung« (Traditio Apostolica) stammt, eine erste »Kirchenordnung«, welche das erste bekannte Hochgebet enthĂ€lt (Ebenso nahm er auch den Kelch und sprach: Dies ist mein Blut, das fĂŒr euch vergossen wird. Wenn ihr dies tut, tut ihr es zu meinem GedĂ€chtnis, etc.), ist er vor allem fĂŒr seine Sammlung bekannter hĂ€retischer Bestrebungen bekannt, die Refutatio omnium haeresium oder Philosophumena. Darin schildert er auch berĂŒhmte Zaubertricks einschlĂ€gig bekannter HĂ€retiker. Bedeutsam ist seine Beschreibung der gesamten ihm bekannten antiken griechischen Philosophie bis hin zu indischen Brahmanen und keltischen Druiden.
Der damalige Kaiser Varius Avitus Bassianus, nach der von ihm propagierten Gottheit Elagabal genannt, stammte von seinen Eltern her aus Syrien. Schon sein UrgroĂvater war im heutigen Homs in Syrien (damals Emesa) Priester des Gottes Elagabal gewesen. Nach der Ermordung Caracallas wurde Varius samt seiner Familie nach Homs verbannt. Dort ĂŒbernahm er mit 13 Jahren das seiner Familie erblich zustehende Amt des Elagabal-Priesters. Ein Jahr spĂ€ter wurde er mit 14 Jahren in Rom zum Kaiser gekĂŒrt. Inwieweit er tatsĂ€chlich selbstbestimmt die Macht ausĂŒbte, ist ungewiss, zog im Hintergrund doch seine einflussreiche GroĂmutter Julia Maesa die FĂ€den. Diese hatte in ihrer Jugend in die kaiserliche Familie Roms eingeheiratet. Traditionell werden die Entscheidungen, die Varius traf, allerdings meist nur ihm selbst zugeschrieben. So etwa im folgenden Fall, als Varius bestimmte, dass nun auch in Rom der Elagabal (Gott Berg, abgeleitet von einem bienenstockförmigen schwarzen Kultstein, möglicherweise einem Meteoriten, der kultisch verehrt wurde, und den Varius aus Homs nach Rom mitgebracht hatte) verehrt werden solle, und zwar nicht nur als eine, sondern als die oberste, sogar dem bisherigen Staatsgott Jupiter ĂŒbergeordnete Macht.
Zum ekstatischen Kult des Elagabals gehörte der Genuss von Rauschmitteln wie Alkohol und der laszive Tanz spĂ€rlich bekleideter Priesterinnen. Dazu spielte ohrenbetĂ€ubende Musik von Zimbeln und Trommeln. Das Blut der Tieropfer wurde mit Wein vermischt und getrunken. Dabei sollen auch regelmĂ€Ăig Menschenopfer dargebracht worden, möglicherweise sogar Kinderopfer. Varius hatte zu diesem Zweck einen riesigen Tempel auf dem Palatin errichten lassen, wo die tĂ€gliche Gottesdienst-Ekstase stattfand. Doch damit war es Varius angeblich nicht genug. Dem konservativen antiken Historiker Cassius Dio zufolge, der ihn nachtrĂ€glich zu verdammen suchte, zog Varius als Frau verkleidet durch die Bordelle Roms und bot sich dort wahllos Freiern an, schlief er mit unzĂ€hligen Frauen, um weibliche Sexualtechniken zu lernen, lieĂ er sich von seinem Lieblingssklaven Hierokles schlagen und vergewaltigen. Als Ursache fĂŒr diese spezielle Form des CĂ€sarenwahns machten schon die antiken Historiker seine orientalische Herkunft dingfest, die auch seine Vorliebe fĂŒr Schauspieler, Wagenlenker und Komödianten erklĂ€re. So habe der Kaiser bei einem Gelage tonnenweise RosenblĂŒten von der Decke regnen lassen, so viele, dass einige seiner GĂ€ste daran erstickten.
Anterus (Bischof von Rom 235/236)
Erst mit Nr. 19 haben wir den ersten historisch einigermaĂen gesicherten römischen Bischof vor uns. Die Christen in Rom erlebten in dieser Ăgide eine eher ruhige Zeit, waren sie doch als noch zahlenmĂ€Ăig kleine Sekte nicht im Fokus des römischen Machtapparates, der ohnehin eher liberal eingestellt war, was die Praktizierung anderer Glaubensrichtung anging, und nur dann einschritt, wenn die geforderten, obligatorischen Opfer fĂŒr die Staatsgötter verweigert wurden (was dann Sanktionen gegen ausschlieĂliche, monotheistische Kulte wie das Christentum nach sich zog, was aber immer regional und zeitlich beschrĂ€nkt blieb). Eine letzte Welle der Christenverfolgung spielte sich gegen Ende des dritten Jahrhunderts und zu Beginn des vierten Jahrhunderts ab, kurz vor dem endgĂŒltigen Durchbruch des Christentums zur Staatsreligion im römischen Reich.
Cornelius (Bischof von Rom 251â253)
Wie schon bei Viktor, so rief auch die laxe Herrschaftspraxis von Cornelius direkt einen strengglĂ€ubigen Gegenbischof hervor, in diesem Fall einen Herrn namens Novatian (200â258). Zu den von ihm geĂ€uĂerten VorwĂŒrfen gegen Cornelius zĂ€hlte jener, Cornelius habe sich das Bischofsamt durch Bestechung verschafft, noch zu den harmloseren. Seinen besonderen Zorn hatte Cornelius hervorgerufen, indem er gegen die bis dato gĂ€ngige Praxis auch vom Glauben abgefallene Christen wieder in die Kirche aufnahm (was sich in der Folge als gĂ€ngig durchsetzte, und zur Popularisierung des Kults beitrug). Zuvor zĂ€hlte der Abfall vom Glauben zu den TodsĂŒnden, die auf Erden nicht zu tilgen sind, und die im Fegefeuer gebĂŒĂt werden mĂŒssen. Zwar gewann Novatian rasch AnhĂ€nger, aber Cornelius schaffte es, ĂŒber sechzig italienische Bischöfe hinter sich zu bringen (möglicherweise wieder mithilfe von Bestechungsgeldern), und noch 251 einen Beschluss zur Exkommunikation Novatians herbeizufĂŒhren.
Das dritte Jahrhundert ist dann eine Zeit der Ruhe fĂŒr die Christen, die sich speziell in Rom immer mehr den HerrscherhĂ€usern annĂ€hern. Um den Beginn des vierten Jahrhunderts kommt es dann â nach mehreren AnschlĂ€gen auf den Kaiser â unter Diokletian zu erneuten, letzten Christenverfolgungen.
Sixtus II. (Bischof von Rom 257â258)
Zwischenzeitlich wird mit Sixtus II. (um 257) der erste römische Bischof in den kirchlichen Darstellungen erwĂ€hnt, der einen bislang schon von einem anderen Bischof gefĂŒhrten Namen ĂŒbernimmt, und dessen Name daher mit der Ordnungszahl römisch zwei versehen wird.
Marcellinus (Bischof von Rom 304)
In seiner angeblichen Grabesinschrift wird dieser Bischof erstmals als Papst bezeichnet. Doch es dauert noch bis zur regelmĂ€Ăigen Verwendung dieses Begriffs fĂŒr den jeweiligen römischen Bischof, nĂ€mlich bis zur Wende zum siebten Jahrhundert.
Die Wende zum vierten Jahrhundert ist durch eine Kaiserpersönlichkeit geprĂ€gt, die nachhaltige Folgen fĂŒr die Entwicklung der Katholischen Kirche haben sollte â Konstantin (270â337, Kaiser von 306â337, davon ab 324 als Alleinherrscher). Noch ist die Kirche keine Staatsreligion. Doch unter
Miltiades (Bischof von Rom 310â314)
erhĂ€lt die Kirche bereits bedeutende Schenkungen materieller Art vom regierenden Herrscherhaus, beispielsweise auch den seither als Amtssitz genutzten Palast der Laterani (Lateranspalast), einen riesigen antiken Stadtpalast, der in seiner damaligen Form von Marc Aurel ĂŒber Ă€lteren Ruinen erbaut worden war. Dort fanden im 12. Jahrhundert die bedeutenden Lateranischen Konzile statt. Der Palast gehört bis heute zu den exterritorialen Besitzungen des Vatikans, obwohl er auf italienischem Staatsgebiet liegt. Die zugehörige, auf Befehl Konstantins errichtete Kirche San Giovanni in Laterano (im 17. Jahrhundert barockisierend umgebaut) ist seit konstantinischen Zeiten ranghöchste Patriarchalbasilika (pĂ€pstliche Kirche) Roms, und steht im Rang offiziell noch ĂŒber dem Petersdom. Zu ihr geh...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- Widmung
- Inhalt
- Einleitung
- Der Beginn
- Zölibat
- Nachwort
- Danksagung
- Endnoten