Sprachenlernen im Tandem
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Sprachenlernen im Tandem

Eine empirische Untersuchung ĂŒber den Lernprozess im chinesisch-deutschen Tandem

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Sprachenlernen im Tandem

Eine empirische Untersuchung ĂŒber den Lernprozess im chinesisch-deutschen Tandem

About this book

Diese empirische Untersuchung beschĂ€ftigt sich mit Lernprozessen beim Sprachenlernen im Tandem, einer Lehr- und Lernkonstellation, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Anhand authentischer Daten werden die Organisation der TandemgesprĂ€che sowie die Lehr- und Lernpotenziale der Tandeminteraktion fĂŒr das Deutschlernen chinesischer Studierender beschrieben. Die plastische Darstellung und Tiefenanalyse der Vielfalt von Tandeminteraktionen, ihrer Schwierigkeiten, Probleme und Potenziale verdeutlicht eine im AlltagsverstĂ€ndnis allzu oft idealisierte Vorstellung von der "NatĂŒrlichkeit" des Lernens im Tandem, die sich in dieser Untersuchung nicht bestĂ€tigen lĂ€sst. Am Ende des Bandes werden konkrete Anforderungen an Tandemlehrende formuliert sowie Empfehlungen fĂŒr die Verbesserung und Verfeinerung der Methodik ausgesprochen.

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1 Lehr- und Lernpotenziale von Interaktionen

1.1 Zum Begriff Interaktion

Interaktion ist laut Fremdwörterbuch (Duden Band 5, 4. Auflage 1982, S. 350f.) als aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen zu verstehen. Das heißt, dass die daran Beteiligten auf den anderen reagieren und einander beeinflussen. Nach Kotthoff (2012: 1) bezieht sich die Interaktion nicht nur auf Sprechen und Hören, sondern auch auf Lesen und Schreiben, z.B. bei elektronischen Kommunikationsformen wie „e-mail“ oder „chat“. Jedoch stellt das GesprĂ€ch die hauptsĂ€chliche Erscheinungsform von Interaktion dar.
Edmondson und House (2003: 242) unterscheiden „verdeckte“ Interaktion von „offener“ Interaktion. Mit „verdeckter“ Interaktion ist ein kognitiver Verarbeitungsprozess bei sprachlichen Handlungen wie Lesen oder Schreiben gemeint. Beim Lesen ereignet sich zum Beispiel die Interaktion zwischen einem Text und einer Person. Der sich daraus ergebende kognitive Verarbeitungsprozess ist nicht zugĂ€nglich. Unter „offener“ Interaktion werden gemeinhin Interaktionen wie zum Beispiel Unterrichtsinteraktionen, die direkt beobachtet werden können, verstanden.
In den sprachwissenschaftlichen Untersuchungen wurden in den letzten 30 Jahren hauptsĂ€chlich die beobachtbaren AblĂ€ufe der offenen Interaktion in die Forschung einbezogen, wĂ€hrend die mit Kognition verbundene verdeckte Interaktion aufgrund ihrer schweren ZugĂ€nglichkeit weniger berĂŒcksichtigt wurde.

1.1.1 Interaktion und Zweitspracherwerb

Unter Zweitspracherwerb versteht man den Prozess, bei dem ein Mensch sich neben der ersten Sprache eine zweite oder weitere Sprache aneignet. Dieser Prozess kann in der spĂ€ten Kindheit, in der Jugend oder im Erwachsenenalter geschehen, wenn die Erstsprache erworben wurde. Je nachdem unter welchen Bedingungen eine neue Sprache erlernt wird, unterscheidet man zwischen den Begriffen Zweitsprache und Fremdsprache. Mit Zweitsprache wird in der Regel die Sprache bezeichnet, die zum alltĂ€glichen Gebrauch lebensnotwendig ist. Die Sprecher leben z.B. in einem Kontext, wo vorwiegend diese Sprache gesprochen wird. Um an den sozialen, akademischen, politischen und wirtschaftlichen AktivitĂ€ten teilzunehmen, sollten sie diese Sprache beherrschen. Im Gegensatz dazu ist unter Fremdsprache die Sprache zu verstehen, die man normalerweise im Kontext der eigenen Kultur lernt. Das heißt, die Lerner haben oft wenige Gelegenheiten oder BedĂŒrfnisse, sich an den AktivitĂ€ten in der fremdsprachlichen Gesellschaft zu beteiligen. Da der Fokus der vorliegenden Arbeit in der Rolle der Interaktion fĂŒr das allgemeine Lernen einer neuen Sprache liegt, werden die beiden Begriffe (Zweitsprache und Fremdsprache) hier nicht extra differenziert. Das heißt, das Wort „Zweitsprache“ wird, wie in der Forschung ĂŒblich, fĂŒr jede Sprache gebraucht, die nicht die erste Sprache des Lerners ist.
Die Forschung zum Zweitspracherwerb begann in den spĂ€ten 1960er Jahren und zeichnete sich von Anfang an durch ihre InterdisziplinaritĂ€t aus. Sie umfasste nĂ€mlich Didaktik, Linguistik, Kinderspracherwerb und Psychologie gleichermaßen (Huebner, 1998). Bis Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist dieses Forschungsgebiet eine eigenstĂ€ndige Disziplin geworden.
Einen Überblick ĂŒber die Zweitspracherwerbsforschung bieten Ortega (2009) und Saville-Troike (2012). Ortega (2009) fĂŒhrt aus, wie universale, individuelle und soziale Faktoren den Erwerb der Zweitsprache von verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Lernsituationen beeinflussen. Ebenfalls davon ausgehend, dass man nur aus multi- und interdisziplinĂ€ren Perspektiven ein umfassendes Bild ĂŒber die Aneignung der Zweitsprache bekommen kann, stellt Saville-Troike (2012) verschiedene Forschungen zu diesem Thema aus den Bereichen der Sprachwissenschaft, Psychologie und Soziologie vor. Ein weiterer Fokus von Saville-Troike (2012) liegt darin, dass man sich beim Zweitspracherwerb nicht nur die Sprache, sondern auch die Kompetenz in der Zweitsprache aneignen sollte. Diese Kompetenz lĂ€sst sich ihrer Meinung nach auch aus mehreren Blickwinkeln definieren, z.B. sprachliche Kompetenz, kommunikative Kompetenz und Kompetenz fĂŒr die Teihnahme an AktivitĂ€ten wie Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen.
Dabei richtet sich der Blick in der linguistischen Zweitspracherwerbsforschung seit den 1980er Jahren auf die Wirkungen der Interaktion beim Erlernen der Zweitsprache. Es ist die Gruppe um Long (u.a. Chaudron, Doherty, Pica, Young), die die Input-Hypothese (u.a. Ferguson 1975, Chaudron 1977, Hatch 1974, Larsen-Freemann 1976, Krashen 1982, 1985) zur Interaktions-Hypothese weiterentwickelt hat. WĂ€hrend in der Input-Hypothese der VerstĂ€ndlichkeit der zielsprachlichen Äußerungen eine besondere Bedeutung fĂŒr den Spracherwerb zugeschrieben wird, weist Long (1983) darauf hin, dass der Input durch Modifikationen der interaktionalen Struktur der Konversation verstĂ€ndlich wird. Die Bedeutung der Interaktion fĂŒr den Zweitspracherwerb wird dadurch betont.
In der Interaktions-Hypothese lautet die allgemeine Auffassung, dass der Spracherwerb durch zweiseitige Interaktion erfolgreicher als durch einseitige stattfindet. Nach zahlreichen empirischen Untersuchungen ĂŒber die Wirkung von Interaktion auf den Zweitspracherwerb ergibt sich die folgende Bilanz:
  • Interaktion bietet einen Kontext, in dem die Lerner mit dem Input der Zielsprache konfrontiert werden und damit versuchen, sie zu verstehen (Krashen 1982).
  • Interaktion bietet einen Kontext, in dem die Lerner gezwungen werden, in der zu lernenden Zielsprache zu kommunizieren und ihren Output in der Zielsprache verstĂ€ndlich und angemessen zu gestalten (Gass 2003, Swain 1995, 2005).
  • Interaktion bietet den Lernern die Möglichkeit zur Bedeutungsaushandlung („negotiation of meaning“) zum Zweck der gegenseitigen VerstĂ€ndigung (Gass 2003).
  • Das Feedback, das die Lerner in Interaktion bei Formulierungsschwierigkeiten oder VerstĂ€ndnisproblemen von ihren Interaktionspartnern bekommen, spielt eine bedeutende Rolle fĂŒr den Zweitspracherwerb (Mackey 2006).
  • Möglichkeiten zum zielsprachlichen Output können die Beherrschung der erworbenen zielsprachlichen Kenntnisse und das flĂŒssige Sprechen in der Zielsprache fördern (de Bot 1996, Swain 1995, 2005).
WĂ€hrend einerseits die positiven Wirkungen von Interaktion auf den Zweitspracherwerb entweder theoretisch oder empirisch verdeutlicht werden, gibt es andererseits auch kritische Meinungen dazu. Kommunikative Interaktion in der Zielsprache ist zwar wichtig fĂŒr den Spracherwerb, aber effizientes Sprachenlernen erfolgt nach Edmondson und House (2003: 244) nicht mittels Interaktion allein. Ellis (2003) wirft der Interaktions-Hypothese vor, ein statisches Bild von Fremdspracherwerb zu zeichnen, bei dem letztendlich Interaktion auf einzelne, quantifizierbare Merkmale reduziert, der reziproke Charakter von GesprĂ€chen aber negiert wird.
Hinsichtlich der Wirkung von Interaktion auf den Zweitspracherwerb bilden sich einige Forschungsfelder in den linguistischen Untersuchungen heraus. Im Vordergrund steht in der Regel die Forschung ĂŒber gesteuerten oder ungesteuerten Spracherwerb in Interaktionen. In den folgenden Darlegungen wird ein Überblick ĂŒber den Forschungsstand auf dem Gebiet des Zweitspracherwerbs in Interaktionen auf zwei Ebenen (gesteuerter und ungesteuerter Zweitspracherwerb) gegeben.

1.1.1.1 Gesteuerter Zweitspracherwerb in Interaktionen

Gesteuerter Zweitspracherwerb bezeichnet das Lernen einer Sprache, das unter der Anleitung von Lehrpersonen in Sprachkursen oder Institutionen wie Schule, Hochschule oder UniversitĂ€t durchgefĂŒhrt wird. Er ist in der Regel ein bewusstes und systematisches Lernen.
Die Zweitspracherwerbsforschung versteht es unter gesteuertem Spracherwerb hauptsĂ€chlich Unterrichtsinteraktionen. Zweitsprachunterrichtliche Interaktionen sind etwas Besonderes, weil die Fremdsprache gleichzeitig Unterrichtsmedium und Unterrichtsgegenstand ist (House 2000: 111). Im Zweitsprachunterricht steht vor allem die Vermittlung der sprachlichen Form im Mittelpunkt. Gleichwohl werden aber die pragmatisch-kulturellen Angemessenheiten der zielsprachlichen Äußerungen thematisiert. Unterrichtsinteraktionen in einer ganzen Klasse oder einer Gruppe bieten Gelegenheiten fĂŒr unterschiedliche Lehr- und Lernziele wie Input und Output der Zielsprache, Feedback oder Beteiligungen der Lerner an der zielsprachlichen Kommunikation. Auf dem Gebiet von Unterrichtsinteraktionen richtet sich der Blick der sprachwissenschaftlichen Forschungen sowohl auf Lehrer-Lerner-Interaktionen als auch auf Lerner-Lerner-Interaktionen.
1.1.1.1.1 Lehrer-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht
Die Untersuchung der Sprache von Lehrpersonen in Unterrichtsinteraktionen ist seit Ende der 1980er Jahre zu einem zentralen Forschungsgegenstand des Bereichs des L2 classroom research geworden (Kostrzewa 2009: 29). Krashen (1985) bezeichnet den Begriff als „teacher talk“, der spezifisch von Seiten der Lerner ausgeht.
Sprachwissenschaftliche Forscher belegen durch empirische Untersuchungen, dass das Kommunikationsverhalten von Lehrpersonen erstens ein durch „HyperaktivitĂ€t“ (Klippert 2000: 11) geprĂ€gtes Verhalten ist und die sprachliche Beteiligung der Lerner dadurch reduziert wird (Becker-Mrotzek/Vogt 2001: 86). Zweitens sind nach Hatch (1978) die Fragen der Lehrpersonen in Unterrichtsinteraktionen wenig authentisch. Sie dienen lediglich dazu, die Grammatik der Zielsprache zu vermitteln und/oder zu ĂŒben. Dies behindert die angestrebte Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten in der Zielsprache auf Seiten der Lerner. Angesichts dieser Probleme schlagen Chaudron (1988) und Klein (1987) vor, verstĂ€ndlichen, wohl strukturierten Input, verbunden mit einer redundanten Verwendung von Wortmaterial und Strukturen, als Sprache von Lehrpersonen in Unterrichtsinteraktionen einzusetzen.
Linguistische Forschungen durch mikroanalytische Verfahren wie Konversationsanalysen oder Interaktionsanalysen finden ferner heraus, dass das verbale Verhalten von Lehrpersonen in Zweitsprachenunterricht Wirkungen auf die Beteiligung der Lerner an der zielsprachlichen Interaktion im Unterricht sowie auf den Spracherwerb ausĂŒbt. Anhand der Daten von acht Lehrpersonen im Fremdsprachenunterricht weist Walsch (2002) darauf hin, dass die Beteiligung der Lerner an den zielsprachlichen Interaktionen erhöht wird, wenn die Lehrpersonen ihre dominierenden verbalen Verhaltensweisen reduzieren. Als Beispiele nennt er direkte Korrektur, adĂ€quate Verwendungen der authentischen Äußerungen, ausreichende Wartezeit fĂŒr Reaktion, Reformulierung der Äußerungen der Lerner und Angebot des Feedbacks (Walsch 2002). AntĂłn (1999) zeigt Diskursstrategien, die ein französicher Dozent in einer Hochschule benutzt, um den Lernern beim DurchfĂŒhren einer Grammatikaufgabe zu helfen. Zu seinen Strategien gehören: durch Fragen den Lernern auf grammatische Formen aufmerksam machen, die Lerner zur Reflexion ĂŒber Schwierigkeiten sowie zur Suche nach Lösungen motivieren, Feedback sowie Korrektur anbieten, durch verbale und non-verbale Verhalten die Lerner zur Selbstkorrektur ermutigen und beim Wechsel des Sprechers (turn-taking) flexibel sein.
WĂ€hrend spracherwerbfördernde Potenziale von Lehrer-Lerner-Interaktionen im Fremdsprachenunterricht in empirischen Untersuchungen aufgezeigt werden, lenkt Hall (1998) den Blick auf negative Effekte vieler Interaktionen zwischen dem Lehrer und den Lernern. Seine empirische Studie verdeutlicht, dass die Lehrperson den Lernern keine gleichberechtigten Gelegenheiten fĂŒr ihre Beteiligung an der zielsprachlichen Interaktion bietet. In seinen Daten wird einer der Lerner bevorzugt, wĂ€hrend die anderen oft nicht berĂŒcksichtigt werden. Das gleiche Problem zeigt auch Mori (2004) in seiner Forschung auf.
Forschungen ĂŒber Lehrer-Lerner-Interaktionen sind ferner von dem Konzept „Scaffolding“ geprĂ€gt. Unter „Scaffolding“ ist die UnterstĂŒtzung durch Lehrpersonen zu verstehen. Bruner (1987) ist der erste, der dieses Konzept in seiner Studie zum Spracherwerb von Kindern entwickelt hat. Damit wird die Rolle von Interaktionsprozessen fĂŒr den Spracherwerb verdeutlicht. Nach Bruner (1987) bietet der Erwachsene dem Kind innerhalb einer Interaktion sprachlich eingebettete Handlungsmodell...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Danksagung
  6. Einleitung
  7. 1 Lehr- und Lernpotenziale von Interaktionen
  8. 2 Untersuchungsmethode
  9. 3 TandemgesprÀch: eine besondere kommunikative Gattung
  10. 4 ErzÀhlkompetenzen und ErzÀhldefizite der chinesischen Lerner im Tandem
  11. 5 Scaffolding
  12. 6 Schlussbetrachtungen
  13. Literatur
  14. Fußnoten