Medienkulturelle Manifestationen gegenwärtiger Familienpolitik
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Medienkulturelle Manifestationen gegenwärtiger Familienpolitik

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Medienkulturelle Manifestationen gegenwärtiger Familienpolitik

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Dr. Leonard Hofstadter und Dr. Dr. Sheldon Cooper (The Big Bang Theory) suchen eine Samenbank für Leute mit hohem IQ auf, um einen finanziellen Zuschuss für einen Breitband-Internet-Anschluss zu erhalten.Neben Samenspende und Leihmutterschaft sind auch Begriffe wie Pränataldiagnostik medienkulturell von Bedeutung. Miriam Preußger beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit aktuellen und konflikthaften Fragen rund um die Familie im Zeitalter medizintechnologischer Möglichkeiten. Untersuchungsgrundlage sind Medien wie Literatur, Film, Dokumentation, TV-Serie, Facebook-Kommentar, Schaufenster, Kalender, Nachrichtensendung, Ausstellungsarchitektur und Theater. Es wird dargelegt, wie wichtig die Berücksichtigung medienkulturwissenschaftlicher Perspektiven bei komplexen Fragen rund um unsere gegenwärtige Familienpolitik ist.

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1. Forschungsüberblick und Positionierung

Im nun folgenden Forschungsüberblick1 werden diejenigen Arbeiten vorgestellt, die für das vorliegende Projekt heuristisch wichtig sind, an die ich also anknüpfen kann oder von denen ich mich verschiedentlich abgrenze. Hier wird ein separater Forschungsüberblick gegeben, damit basale Zusammenfassungen im Hauptteil sich vermeiden lassen.
Hilge Landweer zeigt diskursanalytisch in ihrer Monografie Das Märtyrerinnenmodell2, wie sich seit dem 18. Jahrhundert allmählich ein Rollenmuster herausgebildet hat, nach dem Mütter durch einen Gestus des Sichaufopferns in vielfältigen Formen zu charakterisieren sind.
»Anders als die männlichen – historischen oder politischen – Märtyrer, die sich dadurch auszeichnen, sich für die ganze Gesellschaft oder für Ideale aufzuopfern, opfern sich Märtyrerinnen in erster Linie für ihre ›Familien‹ – Söhne, Töchter, und nicht zu vergessen: Männer. […] Märtyrerinnen sind nichts als Mütter – faktisch oder symbolisch« (S. 7273).
Ferner arbeitet sie heraus, wie Mütterlichkeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer stärker der Weiblichkeit zugeschrieben wird (S. 96), wobei weibliche Individualität aufgrund der Relationalität eher als »Dividualität« zu bezeichnen ist (S. 133). Historisch ist eine sukzessive Verschärfung der Anforderungen an die Mutter festzustellen, eine Steigerung ihrer Verantwortung, eine Ausweitung der Arbeit in direktem Bezug zum Kind (S. 98) und zum Fötus (S. 124). Die Arbeit von Landweer ist im Hinblick auf die vorliegende Studie von Interesse, weil die von dort profilierte Figur der Märtyrerin als Analysekategorie gegenwärtiger Problemhorizonte von Mütterlichkeit verwendet werden kann. Die identitätsstiftende Verschränkung von Mütterlichkeit und Weiblichkeit wird als tödliches Krisenphänomen etwa im Roman Lasse (siehe Unterkapitel 5.2) inszeniert.
Silja Samerski fokussiert in Die verrechnete Hoffnung3 auf die neuen Entscheidungssituationen, die sich durch die genetische Beratung ergeben. Sie zeigt, wie die bis ins 20. Jahrhundert existente Bedeutung von entscheiden im Sinne von »klären«, »bestimmen«, »verfügen« und »urteilen« sich seit den sechziger Jahren verschoben hat. So kann die allgemeine Bedeutung von Entscheidung nunmehr als »Wahl zwischen Möglichkeiten« verstanden werden (S. 87). Samerski zeichnet eine genetikbezogene Logik nach, die Hoffnung durch eine abstrakte Form des Wissens obsolet erscheinen lässt (S. 1718). Die Thesen Samerskis sind für die hierher gehörende Fragestellung insofern bedeutend, als aktuell jene von ihr pro­ble­ma­tisierte Kategorie der Entscheidung im Kontext von Familienpolitik virulent und durchaus auch leidvoll verhandelt wird.
Hanna Meißner konturiert besonders mit Blick auf Butler und Foucault »Generativität als historisches Dispositiv«4, wobei der Begriff Generativität ihr zufolge allgemein als Sorge um nachwachsende Generationen (S. 156, Fußnote 3) zu verstehen ist. Generativität ist durch den funktionalen Imperativ der Optimierung des Menschen vorgeprägt (S. 163) und konstituiert sich gerade durch eine »Naturalisierung vermeintlicher Notwendigkeiten des Lebens« (S. 156157). Zusammenfassend konzeptualisiert sie Generativität als ein multidimensionales dispositives Gebilde, in dem jedweder sorgende Beziehungszusammenhang zum Nachwuchs normativ reguliert ist (S. 163164). Die dispositive Erfassung von Optimierungsimperativen und Phänomenen der Sorge, allesamt häufig zu beobachten, unterstützt die auch hier zugrunde liegende Annahme der Potenzialität zur (Norm)Veränderung. Meißner fokussiert demnach theoretisch auf ein dispositives Ordnungsschema der Sorge im Kontext von Reproduktion, welches hervorgebracht und wandelbar ist.
Überwachung und Risiko von Schwangerschaft werden von Elsbeth Kneuper korrelativ in Anschlag gebracht: »Die Vorstellungen der Schwangeren von der Geburt sind gerade durch die engmaschige Überwachung des schwangeren und des kindlichen Körpers heute mehr denn je von Risiken geprägt.«5 Dabei verweist die Autorin ferner auf die Reglementierung des Alltags durch Fokussierung auf Gesundheit (S. 195). Die Feststellung der alltagsbestimmenden Norm der Gesundheit im Umfeld von Familienpolitik erweist sich als äußerst wichtig für die vorliegende Arbeit. Im Unterschied zu bisherigen Annahmen verfolge ich allerdings, ausgehend von einem disparaten Mediensyntagma, eine qualitative Einordnung und über Deskription hinausgehende Profilierung der prekären Einkapselung von Gesundheit in Fa­mi­lia­li­tät.
Eingangs habe ich Sheldons Persiflage (The Big Bang Theory) eines einseitigen Gendeterminismus aufgezeigt (»Wir begehen einen genetischen Betrug. Es gibt keine Garantie, dass unsere Spermien hochintelligente Nachkommen hervorbringen. Denk doch mal nach. Ich hab eine Schwester mit ziemlich derselben DNA-Mischung und sie serviert Fastfood«). Nichtsdestotrotz – eine Persiflage benötigt eine Folie. Dies ist hier nun gerade die Folie der Genetisierung der Zeugung6, die von Wülfingen herausarbeitet. Das Ziel ihrer Untersuchung ist es, zu zeigen, ob und wie seit Ende der 1990er Jahre diskursive Veränderungen eintreten, die Sterilität normalisieren (S. 12). In ihrer an Foucault angelehnten archäologischen Beobachtung der Veränderungen der Darstellungsweise Neuer Reproduktionstechnologien im Hinblick auf Infertilität und Fertilität (S. 15) geht es ihr weniger um harte Fakten als um faktenschaffende Möglichkeiten aufgrund von Visionen und Fiktionen (S. 910). Die Objektebene speist sich aus »Texte[n] in deutschen Publikumsmedien von 1995 bis 2003 […], die den Angaben nach von Experten und Expertinnen aus dem Gebiet der Gen- und Reproduktionstechnologie stammen«7 (S. 15). Sie zeigt u.a., wie es ab ca. 1998 in dem von ihr betrachteten Material verstärkt um Befreiung von Zwängen im Kontext von neuen Reproduktions- und Gentechnologien – im Unterschied zur Heilung – geht (S. 107). Als besonders bedeutsam erweist sich auch ihre Feststellung, dass Reproduktionsprozesse zunehmend ärztlich begleitet werden (S. 248). Von Wülfingens Metaphernanalyse hat ergeben, dass die Diskurs­stränge ›Unfreiheit durch naturgegebene Bedingungen‹ und ›Befreiung durch Neue Reproduktions- und Gentechnologien‹ zentrale Verhandlungsmomente sind (S. 108). Nur durch gesetzte respektive angenommene Biologisierung erhalten Neue Gen- und Reproduktionstechnologien den Status von ›Befreiungstechnologien‹ (S. 107).8 Der sich manifestierende Argumentationsgang wird als dialektisch konturiert (S. 306). Ihre Studie ist von Interesse, weil sie den Stellenwert von Visionen und Fiktionen zum Ausdruck bringt sowie Strategien der Naturalisierung berücksichtigt. Mit der Autorin ist davon auszugehen, dass das, »was diskursiv präsent«, auch »ernst zu nehmen«9 ist. Während von Wülfingen auf eine »Untersuchung neuer Denkbarkeiten«10 (S. 23) abzielt, geht es mir um die Untersuchung von Elementen, die medial zeigbar sind. In deutlicher Differenzsetzung zu von Wülfingens Arbeit fokussiere ich aber gerade auf eine weitere, funktional bestimmte Objektebene. Die hier erarbeitete mediensyntagmatische Haltung konzentriert sich nicht vorweg auf Aushandlungen in Publikumsmedien und von Expertenstimmen.
Die kulturwissenschaftliche Medienanalyse Reproduziertes Leben. Biomacht in Zeiten der Präimplantationsdiagnostik (2011) von Julia Diekämper fokussiert innerhalb einer klar abgegrenzten Objektebene diskursanalytisch auf ein zeitlich und räumlich definiertes medial Sagbares: »Ich untersuche, was zu einer bestimmten Zeit (1995 bis 2010) an einem bestimmten Ort (Printmedien) anlässlich von bestimmten Ereignissen (im weiteren Sinne: Reproduktionstechnologien) sagbar war.«11 In Auseinandersetzung mit Diekämpers Arbeit lassen sich nun explizit methodologische Säulen herauspräparieren, die meine Studie mit bereits existierenden kultur- und medienwissenschaftlichen Arbeiten teilt bzw. mit denen die vorliegende medienkulturwissenschaftliche Untersuchung andere und neue Wege geht. Wie Diekämper gehe ich davon aus, dass »Medien als Reflektions- und Initiationsorgan eine markante Schlüsselposition zu[kommt]« (S. 21). Ebenso ist ihrer Auffassung, dass mediale Aushandlungen Normen hervorbringen (S. 20), vollends zuzustimmen12. Daneben verweist die Autorin auf machtförmige Kräfteverhältnisse im Reproduktionsdiskurs (S. 21). Wenn sie ankündigt, »ganz vom Material auszugehen« (S. 20), dann ist darin wohl eine Ähnlichkeit mit meiner Analyse von »Impressionen in situ« auszumachen. Diekämpers »Grundannahme«, »dass es keine klare Trennlinie […] zwischen einer ›reinen‹ Wissenschaft und der in den Printmedien auftau­chen­den vermeintlichen Populärwissenschaft [gibt]« (S. 15), liegt auch der vorliegenden Untersuchung zugrunde. Und dennoch: Meine medienkulturwissenschaftliche Haltung kann (in deutlicher Differenz zu Diekämpers Studie) auf keine homogene Objektebene fokussieren, schon gar nicht sich auf Printmedien beschränken. Der größte Unterschied besteht darin, dass in meiner Kopplung von Medienkulturwissenschaft und diskursanalytischen Werkzeugen nicht aussagenorientiert vorgegangen wird. Denn zu der zitierten Untersuchung »liefern Aussagen das Rohmaterial, weil sie die Möglichkeit einer systematischen Darstellung diskursiver Strategien bieten.«13 Hier dagegen soll es nicht darum gehen, dass »sich in den manifesten Sagbarkeiten (und Unsagbarkeiten) Normen ablesen lassen« (S. 104), sondern darum, dass disparate mediale Manifestationen herausgehoben, arrangiert-verdichtet, letztlich ostentativ Familienpolitik zeigen. Anders formuliert: Nicht »[m]ediale Sagbarkeit« (S. 26), sondern mediale Zeigbarkeit interessiert hier. Zwar gibt es sicherlich Interpenetrationszonen zwischen medialer Zeigbarkeit und Sagbarkeit – so formuliert Diekämer: »Exemplarisch zeigt sich anhand der Medien dann etwa, was zu einer bestimmten Zeit sagbar ist.«14 Wenn Diekämper jedoch einigermaßen verwundert festhält, dass die »diskursiven Nebenwirkungen der Pille […] sogar bis in die Unterhaltungsindustrie hinein[wirkten]« (S. 56) und ein Lied als Beispiel dafür zitiert wird, dann frage ich mich schon, was daran – zumindest vor dem Hintergrund eines funktionalen Medienbegriffs – denn nicht zu erwarten war, so suggeriert es zumindest das Adverb sogar. Zeigbarkeit ist in der vorliegenden Arbeit funktional und unstornierbar an (disparate) Medien in dem für unsere Medienkultur als charakteristisch anzunehmenden Mediensyntagma gebunden. Auch in Diekämpers Arbeit ist zu lesen, dass printmediale Medienbeiträge etwas »veranschaulichen« (S. 166) und »Debatten« unterschiedliche Wahrnehmungen sichtbar machen (S. 165). In meiner Studie sind aber die Zeigbarkeiten strikt methodologisch grundiert, an neue Medientheorien, an ein Mediensyntagma und an Medienkultur gebunden.
Die Überlegungen von Rapp fungieren als symptomatische Belege für (all) die wissenschaftliche Konturier...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Meiner Familie, also Jan-Philipp, ...
  6. Danksagung
  7. 0. Impressionen in situ – Konturierung der Fragestellung
  8. 1. Forschungsüberblick und Positionierung
  9. 2. Methodologie: Medienkulturwissenschaft und diskursanalytische Werkzeuge
  10. 3. Manege frei: Zur gegenwärtigen Konstitution familientechnologischer Gesundheitsmelancholie
  11. 4. Das Brodeln der Elemente
  12. 5. Familiendrama: Konfliktäre Familienkonstellationen in unserer Medienkultur
  13. 6. »Lass uns VaterMutterKind spielen: Du bist die Mutter, ich bin der Vater – Kind haben wir einfach keins!«
  14. Siglenverzeichnis
  15. Medienverzeichnis
  16. Bibliografie
  17. Onlineverzeichnis
  18. Fußnoten