The paper presents the theoretical and methodological outlines of the Wuppertaler DFG-supported research project in the intersection of verbal politeness and youth language. Does the young generation still know and use the conventional meaning and expressions of politeness or do different styles of politeness exist according to general conventions and to the young generation and variing corresponding to contexts, recipients and modality? Some of our data from questionnaires and from corpus analysis of spontaneous peer communication offer innovative insights concerning impoliteness, especially face threatening acts like verbal insults and swearwords. Young people often use ftas which conventionally indicate impoliteness in a humorous and joking modality which finally strengthens as sort of cooperative rudeness the solidarity of the peer group.
1. Zur Relevanz des Faktors Generation
Fast immer, wenn in Öffentlichkeit vom Verlust sprachlichen Benehmens, von respektlosem Umgangston und sprachlicher UnhöflichkeitUnhöflichkeit die Rede ist, werden Jugendliche dafür verantwortlich gemacht. Obwohl diese Argumentationsfigur in der Öffentlichkeit so verbreitet ist, hat sie doch in der sprachwissenschaftlichen Forschung – zumindest im deutschsprachigen Raum – noch kaum Niederschlag gefunden. Diesem bezeichnenden Widerspruch wollen wir mit einem Einblick in unsere laufenden Forschungen zum Umgang von Jugendlichen mit sprachlicher Höflichkeit und UnhöflichkeitUnhöflichkeit nachgehen.
1.1 Kurzer Rückblick
Anhaltspunkte für einen kulturgeschichtlichen Rückblick sind vornehmlich der pragmatischen Sprach- und Kulturgeschichte zur Anstandsliteratur und zu Konversationslehren des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zu entnehmen. Anleitungen zu einem „guten Ton“ und zu „feinen Sitten“ richten sich, so Linke (1988), oft an junge Leute aus dem gehobenen Bürgertum und mahnen sie, auf Sprechstil und Wortwahl zu achten, jugendsprachlichen Wortschatz zu vermeiden (damals v.a. Wertungsausdrücke wie feudal, famos, patent, superbe und kolossal), Gesprächsvorrechte Älterer und höher gestellter Personen zu achten, emotionale Themen zu meiden (v.a. Politik und Religion), nicht zu unterbrechen, nicht zu laut zu lachen oder besser nur zu lächeln. Dies spiegelt zugleich Konversationsideale und Höflichkeitsvorstellungen der damaligen Zeit (vgl. dazu Krumrey 1984).
1.2 „Knigge für junge Leute von heute“
Ähnliche Belehrungen lassen sich bis in die heutige Anstandsliteratur verfolgen, wobei sich allerdings die Vorstellungen sprachlicher Etikette durchaus gewandelt haben. So präsentiert ein „Jugend-Knigge“ für junge Leute von heute (Hanisch 3. Aufl. 2014) in einem schmalen Kapitel: „Kommunikation und Konfliktvermeidung“ (S. 56ff.) eine Liste von zu vermeidenden Wörtern: dazu rechnen „Straßenwörter“ (Mist, aber Hallo, meine Fresse), Schwamm- und Füllwörter, Mode- und Fäkalwörter (cool, in und out), sog. „Unwörter“. Gegenüber der reichhaltigen „not to do-Liste“ befindet sich auf einer „to do-Liste“ nur der Hinweis auf „die Zauberwörter“ bitte und danke.
Abb.1: „Zauberwörter nach Hanisch“ (2014, 64)
Viele Etikette-Ratgeber für die Zielgruppe von Jugendlichen enthalten allerdings keinerlei Hinweise für den sprachlichen Umgang mit Höflichkeit. Grundsätzlich bietet solche rezeptologische Literatur vorschnelle und oberflächliche Lösungen für ein durchaus grundlegendes Problem des gesellschaftlichen Umgangs, das mit dem kulturellen Wandel von Vorstellungen und Ausdrucksformen von Höflichkeit und Respekt bzw. UnhöflichkeitUnhöflichkeit und Respektlosigkeit zusammenhängt und für fortwährende intergenerationelle Friktionen und Konflikte sorgt1.
1.3 Generationelle Differenzen von (Un)Höflichkeitsvorstellungen?
Denn die Vorstellungen von Höflichkeit und gutem Ton haben sich ja nicht nur gewandelt, sie weisen vielmehr auch aufschlussreiche Ambivalenzen auf: Und zwar wird UnhöflichkeitUnhöflichkeit heute – in gewissen Kontexten – besondere Prestigefunktion zugeschrieben. Dies zeigt sich etwa an dem zum Kultfilm avancierten: „Fuck ju göhte“, dessen neu-grobianistischer, cooler Umgangston im Klassenraum nicht etwa Empörung, sondern zugleich auch viel Zustimmung bis Begeisterung ausgelöst hat.
Bei aller Klischeehaftigkeit vermittelt der Film doch die Botschaft, dass sich der Lehrer Zecki gerade durch seinen völlig unprofessionellen, unhöflichen, aber eben coolen Kommunikationsstil – entgegen aller Handreichungen für die Lehrersprache im Unterricht – den Respekt der Jugendlichen erwirbt.
Die Frage liegt nahe, ob Höflichkeit und Respekt heute für Jugendliche noch bedeutungsvolle Kategorien darstellen und ob wir nicht von grundlegenden Bedeutungsdifferenzen von Höflichkeit und UnhöflichkeitUnhöflichkeit, von Respekt und Respektlosigkeit zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ausgehen müssen.1 Damit sind zugleich einige wesentliche Fragestellungen unseres Forschungsprojekts angesprochen.
2. Schnittstellen der Jugendsprachforschung und der Höflichkeitsforschung
Das Projekt ist an der Schnittstelle von Jugendsprachforschung und Höflichkeitsforschung angesiedelt. Dazu seien allerdings an dieser Stelle nur einige kurze Bemerkungen erlaubt. Diese möchten wir unter die drei folgenden Unterpunkte subsummieren:
Abb.2: Schnittstellen der Jugendsprach- und der Höflichkeitsforschung
2.1 InteraktionskontexteInteraktionskontexte
Gegenüber für allgemeingültig angesehenen strukturellen Merkmalen spielt die Berücksichtigung pragmatischer und kommunikativer Spezifika und stilistischer Mittel in unterschiedlichen Interaktionskontexten für die linguistische Jugendsprachforschung wie Höflichkeitsforschung eine immer größere Rolle. Dies zeigt sich in den aktuell gebräuchlichen Bezeichnungen jugendtypische SprachstilSprachstile einerseits (u.a. Neuland 2008) und Höflichkeitsstile andererseits (Lüger 2002, Ehrhardt/Neuland/Yamashita 2011).
2.2 AdressatenorientierungAdressatenorientierung
Im Interaktionskontext wird der AdressatenorientierungAdressatenorientierung und damit verbunden der Adressatendifferenzierung von Sprachgebrauchsweisen in beiden Forschungsbereichen eine zunehmend größere Bedeutung beigemessen. Dies führt auch zur Unterscheidung intra- und intergenerationeller Sprechweisen (vgl. dazu Neuland 2013) und weist der Beziehungsarbeit in beiden Forschungsfeldern eine wichtige Rolle zu.
2.3 Sprachgebrauch im kulturellen Wandel
Der kulturelle Wandel manifestiert sich in Veränderungen von Einstellungen...